Sekundäre Quellen existieren meist aus einer Vielzahl an unterschiedlichen Materialien und Metallen, die komplex miteinander verbunden sind. Das Recycling eines Metalls aus einer solchen sekundären Quelle erfüllt nun nicht nur den Zweck der (sekundären) Produktion dieses einen Metalls, sondern unterstützt ebenso das Recycling der weiteren Metalle, die in der sekundären Quelle verbaut sind.Footnote 3 Diese unterstützende Funktion kann auf verschiedene Art und Weisen erfolgen. Ein Beispiel: Wird Kupfer aus Elektroaltgeräten rückgewonnen, so ist ein wesentlicher Nutzen dieses Recyclings die Produktion von Kupfer. Gleichzeitig dient Kupfer jedoch auch als metallurgisches Trägermetall für eine Vielzahl an weiteren Metallen, insbesondere für die in Elektroaltgeräten sehr niedrig konzentrierten Edelmetalle (Langner 2011). Das Recycling von Kupfer ist somit maßgeblich für das gut funktionierende Recycling der Edelmetalle aus dieser sekundären Quelle verantwortlich. Ebenso kann Kupfer, wenn es nicht aus einer sekundären Quelle separiert wird, das Recycling anderer Metalle behindern. Verbleiben größere Anteile von Kupfer z. B. in Stahlfraktionen, reichert sich das Kupfer in der Eisenmetallurgie im Stahl an und mindert so entscheidend die Qualität des Stahls, was nur durch die Zugabe von reinem Primärstahl wieder behoben werden kann (Pauliuk et al. 2013). Die Zusammensetzung der sekundären Quelle und die metallurgische Kompatibilität der Metalle (siehe auch Abschnitt 2.2) entscheiden darüber, ob das Nicht-Recycling eines Metalls zu Verunreinigungen anderer Metallfraktionen führt oder in der zu deponierenden Schlacke endet (siehe hierzu auch Baxter et al. 2017).
In der vorliegenden Arbeit sind Ein-Metall Betrachtungen vorgenommen. Dabei wird ein komplexes Mehrmetallsystem über Allokationen auf ein spezifisches Metall disaggregiert, wie es im Bereich der Ökobilanzierung üblich ist. Die oben erwähnten weiteren Dimensionen des Recyclings können durch eine solche Ein-Metall Betrachtung nicht erfasst werden, da sie die systemischen Interaktionen der Metalle untereinander vernachlässigen. Nachfolgend ist daher eine gesamtsystemische Betrachtung des Kupferrecyclings vorgenommen, um die Einschränkungen, die mit der Ein-Metall Betrachtung verbunden sind, zu veranschaulichen.
Abbildung 7.4 zeigt die energetischen Aufwände und Ersparnisse des erweiterten Kupferrecyclingsystems für alle relevanten sekundären Quellen. Hier sind also alle Metalle berücksichtigt, die ebenfalls aus den jeweiligen sekundären Quellen recycelt werden und mit der mechanischen und/oder metallurgischen Aufbereitung von Kupfer direkt oder indirekt in Verbindung stehen. Die Aufwände des modellierten Kupferrecyclingsystems (siehe Abschnitt 5.2.3) sind aufgrund der Systemerweiterung ohne Allokationen erfasst. Diese energetischen Aufwände sind den energetischen Ersparnissen gegenübergestellt, die durch die Substitution von Primärmetall erzielt werden. Dabei ist zwischen den Ersparnissen, die durch das recycelte Kupfer und die weiteren recycelten Metalle erzielt werden, differenziert. Letztere sind im Diagramm als diskontierte Ersparnisse bezeichnet. Denn das Recycling dieser Metalle ist zwar zu einem bestimmten Teil über das Kupferrecyclingsystem abgedeckt, es werden dennoch weitere Schritte benötigt, um deren Recycling abzuschließen. Beispiele hierfür sind weitere metallurgische Verfahrensschritte, um die Edelmetalle aus dem Anodenschlamm der Kupferelektrolyse rückzugewinnen oder das Sortieren und Wiedereinschmelzen des Aluminiums, nachdem es aus der kupferhaltigen sekundären Quelle abgetrennt wurde. Die mit diesen weiteren Recyclingschritten verbundenen Aufwände sind von den entsprechenden metallspezifischen Ersparnissen abgezogen. Die Nettoersparnisse des Diagramms in Abbildung 7.4 sind die Summe der Ersparnisse aller Metalle abzüglich der (nicht-allozierten) Aufwände des Kupferrecyclingsystems und zeigen somit, ob das erweiterte Kupferrecyclingsystem energetisch profitabel ist.
In Abbildung 7.4 ist ersichtlich, dass das erweiterte Kupferrecyclingsystem aller sekundären Quellen Nettoersparnisse erzielt. Würde das Recycling von Kupfer aus diesen sekundären Quellen nun nicht mehr vorgenommen werden, so hätte das weitreichende Folgen für das Recycling aller weiteren Metalle, denn Kupfer würde dann nicht mehr als Trägermetall fungieren und zudem als Verunreinigung anfallen. Die Nettoersparnisse des Gesamtsystems könnten sich dadurch fundamental ändern. Denselben Effekt können bereits geringfügige Änderungen in der Recyclingquote von Kupfer hervorrufen.
Des Weiteren gibt es Recyclingprozesse, die mit oder ohne Kupferrecycling praktiziert werden, z. B. Sammel- und Schredderprozesse oder auch der Rückbau von Gebäuden. Bei einer Ein-Metall Betrachtung bzw. Ein-Metall Analyse werden die Aufwände dieser Prozesse über Allokationsfaktoren anteilig Kupfer zugerechnet. Würde kein Kupfer recycelt werden, so würden diese Prozesse dennoch stattfinden. Ist es also richtig, einen Teil dieser Aufwände Kupfer zuzurechnen und auf dieser Basis dann Vergleiche mit der Primärgewinnung anzustellen? Auch hier stößt die Ein-Metall Betrachtung an Grenzen.
Diese Einschränkungen können nicht durch Verbesserungen der Allokationsmethodik behoben werden, wie es z. B. von Stamp et al. (2013) vorgeschlagen ist. Ein produktzentrierter Ansatz, wie er von Reuter et al. (2018) verfolgt wird, ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, da er das Recycling eines kompletten Produktes und die damit verbundenen Interkonnektivitäten der Metalle miteinbezieht. Recycling findet jedoch in den seltensten Fällen produktspezifisch statt, sondern meist für Produktgruppen, wie z. B. Altautos oder bestimmte Gruppen von Elektroaltgeräten, die in der vorliegenden Arbeit als sekundäre Quellen definiert sind. Für ein vollumfassendes und möglichst realitätsnahes Bild müssten also sekundärquellenzentrierte Untersuchungen vorgenommen werden, die alle Materialien und Metalle umfassen, die in den mechanischen und metallurgischen Aufbereitungsschritten gemeinsam verarbeitet werden – ähnlich der oben für Kupfer aufgeführten Auswertung. Die Zielfunktion bei der Optimierung der Recyclingquoten der involvierten Metalle sollte demnach die Maximierung der Nettoersparnisse des Gesamtsystems sein. Um solche Untersuchungen vornehmen zu können, müsste das gesamte sekundärquellenspezifische Recyclingsystem umfangreich modelliert sein. Dabei müssten insbesondere die Wechselwirkungen der Metalle untereinander erfasst werden, was eine enorme Komplexität der Modelle bedeutet und weitreichende Kenntnisse der mechanischen und metallurgischen Aufbereitung sowie der stofflichen Zusammensetzung der sekundären Quellen bedarf.
Die Auswertungen dieser Arbeit, die auf den metallspezifischen KEA basieren – das betrifft insbesondere die ermittelten KEA-optimierten EoL-RQ – sind also mit gewissen Unsicherheiten verbunden. Je mehr Metalle mit dem Recycling des zu untersuchenden Metalls verknüpft sind und je stärker die Wechselwirkungen des Metalls mit den anderen sind, desto höher sind die Unsicherheiten der metallspezifischen KEA und damit der Ergebnisse der darauf basierenden Auswertungen. Das Recycling von Kupfer hat wie gezeigt bei beiden Aspekten starke Ausprägungen. Die damit verbundenen Unsicherheiten sind durch die obige Auswertung des erweiterten Kupferrecyclingsystems abgeschwächt bzw. transparent gemacht. Auch Kobalt ist ein Metall, dessen Recycling mit weiteren Metallen verknüpft ist. Allerdings weist Kobalt kaum Interkonnektivitäten mit anderen Metallen auf. Es fungiert nicht als Trägermetall und reichert sich aufgrund seiner Eigenschaften nur in sehr wenigen Fällen als Verunreinigung in anderen Metallen an. Ähnlich verhält sich Tantal. Hier kommt noch hinzu, dass das Recycling von Tantal, insbesondere aus seinen dominierenden sekundären Quellen (den Kondensatoren), meist nicht mit dem Recycling von anderen Metallen in Verbindung steht, sondern weitestgehend isoliert stattfindet. Die Ergebnisse der Auswertungen für Tantal und Kobalt können daher als valide eingestuft werden.
Wie die sekundäre Gewinnung ist auch die primäre Gewinnung durch Kuppelproduktionen mehrerer Metalle aus einer primären Quelle bzw. einem Erz geprägt. Auch hier existieren systemische Zusammenhänge, die durch eine Ein-Metall Betrachtung vernachlässigt werden. Bei der primären Gewinnung spielen insbesondere die Trägerfunktionen der Hauptmetalle (bzw. major metals) in den Erzen und Begleiteffekte, die durch die ohnehin stattfindende Aufkonzentration des Hauptmetalls erzeugt werden, eine entscheidende Rolle. Um diese beiden Effekte zu veranschaulichen, ist nochmals das Beispiel Kupfer herangezogen. Kupfererze beinhalten meist noch zahlreiche Nebenmetalle (bzw. minor metals) wie z. B. Edelmetalle oder auch Tellur. Während Kupfer mit ca. 0,6 % (Northey et al. 2014) verhältnismäßig hoch in diesen Erzen konzentriert ist, sind die Nebenmetalle sehr gering konzentriert. Tellur ist beispielsweise meist nur zu 0,0081 % (Bullock et al. 2018) enthalten. Der Abbau des Kupfererzes und die Gewinnung des Kupfers erhöhen nun gleichzeitig auch die Konzentrationen der Nebenmetalle. Tellur, wie auch die Edelmetalle, verbleiben bis zur abschließenden Elektrolyse im Kupfer enthalten. In der Elektrolyseschlacke ist Tellur mit 2–10 % konzentriert (Kavlak und Graedel 2013b). Zu diesen Konzentrationen kann Tellur dann gezielt gewonnen werden. Die Gewinnung von Kupfer würde auch ohne die Präsenz dieser Nebenmetalle, die als Kuppelprodukte ausgebracht werden, stattfinden. Dennoch tragen die Nebenmetalle zum Gewinn bei, der durch den Betrieb der Mine und die nachfolgenden Aufbereitungsanlagen erzielt wird. Ihnen wird somit auch über Allokationen ein Teil der Aufwände der Gewinnungsprozesse zugerechnet – obwohl ein Großteil der Prozesse auch ohne ihre Präsenz stattfinden würde. Diese systemischen Zusammenhänge kommen dann zum Tragen, wenn das Recycling von Kupfer die primäre Gewinnung substituiert. Würde auf dieser Basis eine Kupfermine stillgelegt werden, dann würde in diesem Zuge auch die damit verbundene Produktion der Nebenmetalle eingestellt werden. Oder das Kupfererz würde nur aufgrund der Nebenmetalle abgebaut werden und deren Aufwände entsprechend signifikant höher ausfallen. In Abschnitt 4.4.1 ist erläutert, dass aufgrund der weiterhin steigenden Metallbedarfe keine existierenden Minen substituiert werden, sondern vielmehr mögliche zukünftige Minen. Diese zukünftigen Minen agieren noch nicht mit dem existierenden interkonnektiven System der Metallgewinnung. Solange der Metallbedarf weiter steigt, kommt den erläuterten Zusammenhängen also noch keine wirkliche Bedeutung zu.
Trotz der diskutierten Unsicherheiten und Einschränkungen sind Ein-Metall Betrachtungen unumgänglich. Nur auf diesem Weg können die KEA und Umweltwirkungen für einzelne Metalle bzw. Sekundärmetalle bestimmt werden, die wiederum unabdingbar für Produktökobilanzen sind. Metastudien über Ökobilanzen der Metallproduktion, wie z. B. von Liu und Müller (2012), weisen darauf hin, dass die Wahl des Allokationsfaktors (siehe auch Abschnitt 4.3.4) noch keinem Konsens unterliegt – ein Phänomen, das eine generelle Unsicherheit in ökobilanziellen Betrachtungen darstellt (van der Voet et al. 2010; Yellishetty et al. 2009; Nordelöf et al. 2014). Hier bedarf es noch umfassender Harmonisierung der Allokationsmethode, um eine einheitliche und vergleichbare Datenbasis zu generieren.