Die ermittelten und analysierten Daten zu den Recyclingverfahren der Beispielmetalle Kupfer, Tantal und Kobalt sind in diesem Kapitel in den übergreifenden Kontext des Metallrecyclings eingeordnet und ausgewertet. Dabei sind die wesentlichsten Einflussfaktoren auf die Recyclingaufwände in Abschnitt 6.1 anhand der empirischen Datenbasis aus Kapitel 5 identifiziert und diskutiert (Antwort auf Forschungsfrage (4)). Anhand dieser Datenbasis ist in Abschnitt 6.2 ein approximativer generischer Modellansatz zur Abschätzung der Energiebedarfe des Recyclings abgeleitet. Damit ist die Antwort auf die Forschungsfrage (5) gegeben. In Abschnitt 6.3 ist analysiert, welche Faktoren die aktuellen EoL-RQ beeinflussen, was auf globaler Ebene tatsächlich recycelt wird und welche Potenziale für weitere Einsparungen an Energieeinsatz und THGE durch Recycling noch existieren. Zudem ist darauf eingegangen inwieweit politische Interventionen notwendig sind bzw. vorgenommen werden sollten, um Recycling stärker hinsichtlich der Reduktion von Energieeinsatz und THGE auszurichten. Dieser Abschnitt befasst sich damit mit der Forschungsfrage (6).

6.1 Wesentliche Einflussfaktoren auf die Recyclingaufwände

Die Ergebnisse der Recyclingmodelle der drei beispielhaften Metalle Kupfer, Tantal und Kobalt zeigen, dass die Aufwände des Recyclings wesentlich durch Metallkonzentrationen der sekundären Quellen beeinflusst werden. Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 6.1 veranschaulicht. Die grünen Datenpunkte zeigen die anhand der Recyclingmodelle ermittelten \({{KEA}_{S}} \left( {x_{i} } \right)\) der Metalle Kupfer, Tantal und Kobalt in Bezug zu den jeweiligen Metallkonzentrationen ihrer sekundären Quellen. Die beiden Größen zeigen mit R2 = 0,64 eine hohe Korrelation. In derselben Abbildung ist zum Vergleich die Korrelationsanalyse der KEA der primären Metallgewinnung mit den entsprechenden Konzentrationen der primären Quellen enthalten (blaue Datenpunkte). Auch hier ist mit R2 = 0,73 eine hohe Korrelation der beiden Größen festzustellen. In beiden Fällen – primär und sekundär – ist der KEA der Metallgewinnung maßgeblich durch die Metallkonzentration bestimmt, was, wie in Abschnitt 3.2 erläutert, auf physikalischen Gesetzmäßigkeiten beruht (Guy-Stodola-Gleichung). Der KEA des Recyclings fällt allerdings bei gleicher Konzentration tendenziell wesentlich geringer aus als der KEA der primären Gewinnung (man beachte die logarithmische Skala der Ordinatenachse). Das ist im Wesentlichen auf zwei Effekte zurückzuführen: (1) Aufgrund von Kuppelprodukten, d. h. einer gemeinsamen Rückgewinnung mehrerer Materialien aus einer sekundären Quelle, existieren Allokationseffekte, die die Aufwände der Recyclingverfahren auf mehrere Metalle bzw. Materialien aufteilen. (2) Beim Recycling von sekundären Quellen finden meist Demontageprozesse statt, die durch einen verhältnismäßig geringen Energieeinsatz eine signifikante Konzentrationserhöhung erzielen.

In Abbildung 6.2 ist verdeutlicht, in welchem Umfang die Allokationen die \({{KEA}_{S}} \left( {x_{i} } \right)\) des Recyclings bestimmen. Dabei entsprechen 100 % dem gesamten nicht-allozierten KEA des Recyclingverfahrens des Zielmetalls aus den sekundären Quellen, wie sie in den Abschnitten 5.2.3, 5.3.3 und 5.4.3 beschrieben und modelliert sind. Die Darstellung in Abbildung 6.2 verdeutlicht, welche Bedeutung dem Multi-Metall-Recycling zukommt. Würden die Allokationseffekte nicht oder nur in reduzierter Form existieren, so würden die \({{KEA}_{S}} \left( {x_{i} } \right)\) wesentlich höher ausfallen und damit auch das energetische Optimum der EoL-RQ beeinflussen.

Abbildung 6.1
figure 1

(Die Daten der primären Gewinnung können Appendix I des elektronischen Zusatzmaterials entnommen werden)

Vergleich der KEA-Konzentrations-Korrelationen der primären (blaue Datenpunkte) und sekundären Metallgewinnung (grüne Datenpunkte)

Multi-Metall-Gewinnungsprozesse, die Allokationseffekte bedingen, existieren ebenso bei der Primärgewinnung (Tuusjärvi et al. 2012). Da in den meisten Minen und den anschließenden metallurgischen Verfahren im Vergleich zur Sekundärgewinnung meist deutlich weniger Metalle als Kuppelprodukte ausgebracht werden, fallen diese Allokationseffekte allerdings auch meist weniger ins Gewicht, als es bei der Sekundärgewinnung der Fall ist. Das zeigt u. a. ein Vergleich der Literatur zur Multi-Metall-Gewinnung der Primärgewinnung wie z. B. Sun et al. (2017) oder Tuusjärvi et al. (2012) mit der entsprechenden Literatur zur Sekundärgewinnung wie z. B. Bigum et al. (2012) oder den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit.

Demontageeffekte tragen ebenfalls wesentlich dazu bei, dass die \({{KEA}_{S}} \left( {x_{i} } \right)\) des Recyclings trotz niedriger Konzentrationen verhältnismäßig gering ausfallen. Befindet sich das zu recycelnde Zielmetall in einer demontierbaren Komponente oder wenigen demontierbaren Komponenten der sekundären Quelle, so kann dessen Konzentration durch einen verhältnismäßig geringen Aufwand entscheidend erhöht werden. Zum Vergleich: bei der Primärgewinnung ist eine solche energieeffiziente Konzentrationserhöhung nicht möglich. Hier muss das komplette Erz abgebaut, gemahlen und aufbereitet werden, um die Konzentration des Metalls erhöhen zu können. Auf die Vorteile der Konzentrationserhöhung durch die Demontage haben bereits Johnson et al. (2007) hingewiesen. In mehreren exemplarischen Untersuchungen von unterschiedlichen EoL-Produkten haben Johnson et al. (2007) festgestellt, dass Metalle, deren Konzentration in den EoL-Produkten sehr niedrig ausfällt, nur dann recycelt werden, wenn ihr Marktpreis entsprechend hoch ist. Ausnahmen von dieser Regel sind die Metalle, die in gut demontierbaren Komponenten des EoL-Produktes lokalisiert sind und eine Konzentrationserhöhung somit verhältnismäßig einfach erzielt werden kann.

Die Ergebnisse in Kapitel 5 zeigen, dass Demontageeffekte ein wesentlicher Grund dafür sind, dass das Recycling von Tantal aus EoL-Kondensatoren, trotz teils niedrigeren Konzentrationen in den sekundären als in den primären Quellen, geringere Energiebedarfe als die der alternativen Primärgewinnung benötigt. Durch die Demontage der Leiterplatten aus den Elektroaltgeräten wird die Tantalkonzentration je nach sekundärer Quelle um den Faktor 4–60 erhöht. Dieser Effekt ist u. a. auch beim Recycling von Neodym aus Magneten, die in elektronischen Produkten verbaut sind, zu beobachten (Zakotnik et al. 2016). Der Demontageeffekt hat allerdings auch seine Grenzen. So weist z. B. Indium in LCD-Bildschirmen eine Konzentration von 10–100 ppm auf (Ciacci et al. 2018). In Erzen liegt die Indiumkonzentration derzeit bei 20-350 ppm (Frenzel et al. 2017; Werner et al. 2018) und ist damit nicht wesentlich höher als die Konzentration in Bildschirmen. Durch die Demontage des LCD-Panels, der Komponente des Bildschirms in der Indium verbaut ist, kann die Indiumkonzentration zwar entscheidend erhöht werden, dennoch sind der KEA und die damit verbundenen THGE des Indiumrecyclings aus dieser sekundären Quelle um ein Vielfaches höher als der KEA der Indiumgewinnung aus Erzen. Nach Angaben eines im Pilotmaßstab existierenden Recyclingverfahrens für Indium aus LCD-Bildschirmen beträgt der KEA pro kg recyceltes Indium 13 GJ, die THGE liegen bei ca. 700 kg CO2eq/kg Indium (Amato et al. 2017).Footnote 1 Der durchschnittliche KEA der Indiumgewinnung aus primären Quellen liegt derzeit bei ca. 2,5 GJ/kg und emittiert 220 kg CO2eq/kg (ecoinvent 2016).

Abbildung 6.2
figure 2

Allokationen der KEA der Recyclingverfahren der Zielmetalle aus den sekundären Quellen

Überträgt man diese Erkenntnisse auf die Konzentrationsgrafik in Abbildung 3.3 (Abschnitt 3.1.2), so wird deutlich, dass es aus energetischer Sicht durchaus vorteilhaft sein kann, auch Metalle aus sekundären Quellen zu recyceln, die sich oberhalb der eingezeichneten Diagonale befinden und damit geringere Metallkonzentrationen aufweisen als die primären Quellen. Inwieweit diese Einschätzung zutrifft, muss im Einzelfall geprüft werden. Forschungsarbeiten, die sich mit dem Recycling von gering konzentrierten Technologiemetallen befassen (siehe u. a. Schulze et al. 2018; Ueberschaar et al. 2017c; Riaño und Binnemans 2015; Jiang et al. 2013) sollten also immer eine energetische bzw. ökobilanzielle Bewertung integrieren.

6.2 Approximativer generischer Modellansatz

Die Recyclingmodelle des Kupfer-, Tantal- und Kobaltrecyclings zeigen, wie unterschiedlich die Recyclingverfahren je nach untersuchtem Metall und sekundärer Quelle sein können. So dominieren beim Recycling von Kobalt aus Batterien die metallurgischen und beim Recycling von Tantal aus Kondensatoren die mechanischen Aufbereitungsverfahren die jeweiligen \({{KEA}_{S}} \left( {x_{i} } \right)\). Ein generisches Modell, das anhand bestimmter Parameter, wie z. B. der Metallkonzentration die Ermittlung des Aufwandes des Recyclings beliebiger Metalle aus beliebigen sekundären Quellen ermöglicht, kann somit im besten Falle approximativer Natur sein.

Erste generische Ansätze zur Ermittlung von Recyclingaufwänden sind in Dahmus und Gutowski (2007), Gutowski (2011) und Vidal (2018) veröffentlicht. Alle drei Publikationen schlagen die Ermittlung des Aufwandes anhand der Größe der Entropie vor. Dahmus und Gutowski (2007) verwenden die informationstheoretische Interpretation der Entropie, die sogenannte Shannon Entropie. In Gutowski (2011) ist die statistische Interpretation der Entropie vorgeschlagen. In beiden Fällen sind die verwendeten Parameter die Anzahl der Materialien bzw. Metalle in der jeweiligen sekundären Quelle sowie deren Konzentrationen. Der Ansatz der statistischen Interpretation der Entropie erlaubt lediglich die Ermittlung der minimal notwendigen Energie, also des Energieeinsatzes, der thermodynamisch mindestens notwendig ist, um die Materialien einer sekundären Quelle voneinander zu separieren. Die Größe der Shannon Entropie kann aufgrund ihrer Einheit (Bits) im besten Falle als Indikator des Recyclingaufwandes verwendet werden. Der Ansatz der Entropie, ob statistisch oder informationstheoretisch, vernachlässigt zudem grundsätzlich Prozesse, wie z. B. der notwendige Aufschluss der Materialverbindungen (durch z. B. Schreddern) oder in der Realität stattfindende Effekte wie Wirkungsgradverluste. Die zitierten Ansätze können daher nur für relative Vergleiche herangezogen werden (z. B. dass das Recycling der sekundären Quelle A mehr Energie benötigt als das Recycling der sekundären Quelle B). Die Bestimmung absoluter und möglichst realitätsnaher Werte der Energiebedarfe kann damit nicht vorgenommen werden.

Vidal (2018) verwendet ebenfalls die statistische Interpretation der Entropie, um den Energiebedarf der Materialseparation einer sekundären Quelle abzuschätzen. Er verweist zudem auf den notwendigen Energiebedarf für den Aufschluss der Materialverbindungen der sekundären Quellen, der sich umgekehrt proportional zur Partikelgröße verhält,Footnote 2 und die Energie, die für das Einschmelzen der separierten Metalle benötig wird. Durch diese Erweiterungen ist der Ansatz von Vidal (2018) in der Lage, realitätsnähere Ergebnisse zu generieren, als die oben zitierten Ansätze von Dahmus und Gutowski (2007) und Gutowski (2011). Allerdings werden für diesen Ansatz zusätzliche Informationen benötigt, wie die Ausgangs- und Zielpartikelgröße und die Schmelztemperatur der Metalle. Hinzu kommt, dass der generische Modellansatz von Vidal (2018) von einer mechanischen Zerkleinerung ausgeht. Dieser Verfahrensschritt findet jedoch nicht immer statt, wie das Beispiel des Kobaltrecyclings aus Batterien oder das Beispiel des Tantalrecyclings aus Kondensatoren zeigt. Zudem kann über den Entropiegehalt der sekundären Quelle lediglich die theoretisch minimal notwendige Energie der Separation abgebildet werden.

Basierend auf der empirischen Datengrundlage der erstellten Recyclingmodelle ist ein weiterer approximativer Ansatz eines generischen Recyclingmodells vorgeschlagen. Die Analyse in Abbildung 6.1 zeigt, dass die \({{KEA}_{S}} \left( {x_{i} } \right)\) eine hohe Korrelation mit den jeweiligen Zielmetallkonzentrationen der sekundären Quellen aufweisen. Die entsprechende Korrelationsfunktion kann somit als generischer Ansatz herangezogen werden, der über den Parameter der Konzentration des Zielmetalls eine erste Annäherung an den, für dessen Recycling notwendigen, \({{KEA}_{S}} \left( {x_{i} } \right)\) liefert. Die Korrelationsfunktion ist in Gleichung (6.1) aufgeführt. Die durchschnittliche Abweichung der diskreten Datenpunkte, also der jeweiligen \({{KEA}_{S}} \left( {x_{i} } \right)\), von der Korrelationsfunktion liegt bei ca. 100 %Footnote 3 (Minimum bei 4 %, Maximum bei 330 % Abweichung).

$$KEA_{S} \left( {x_{i} } \right) = {18,}{224} \cdot \omega_{Zielmetall} \left( {x_{i} } \right)^{ - 0,457}$$
(6.1)

Da die \({{KEA}_{S}} \left( {x_{i} } \right)\) bereits Allokationen unterliegen, ist in Gleichung (6.2) die Korrelationsfunktion der nicht-allozierten KEAFootnote 4 der Modellergebnisse gegeben. Auch hier existiert eine hohe Korrelation zwischen KEA und Zielmetallkonzentration mit einem Bestimmtheitsmaß von R2 = 0,67. Die durchschnittliche prozentuale Abweichung der diskreten Datenpunkte von der Korrelationsfunktion liegt bei 116 % (Minimum bei 21 %, Maximum bei 490 % Abweichung).

$$KEA_{S} \left( {x_{i} } \right)^{{ohne} \;{Allokation}} = {34,}{692} \cdot \omega_{Zielmetall} \left( {x_{i} } \right)^{ - 0,569}$$
(6.2)

Die Abweichungen der \({{KEA}_{S}} \left( {x_{i} } \right)\) vom Erwartungswert der Korrelationsanalyse verdeutlichen, dass dieser generische Modellansatz nur als ungefähre Abschätzung bzw. zur Bestimmung der Größenordnung herangezogen werden kann. Hinzu kommt, dass die Datenbasis auf nur drei Metallen basiert. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Abweichungen der Werte des generischen Ansatzes von realen Werten durchaus größer ausfallen können als angegeben. Trotz dieser teils hohen Abweichungen und Unsicherheiten ist dieser Ansatz der bisher einzige generische, der basierend auf einer validen empirischen Datenbasis realitätsnahe Werte generiert.

6.3 Was wird recycelt? Was sollte recycelt werden?

Da Recycling von privatwirtschaftlichen Unternehmen vorgenommen wird, kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Recycling auch nur dann praktiziert wird, wenn es wirtschaftlich ist. In der Vergangenheit haben bereits die Studien von Johnson et al. (2007) und Dahmus und Gutowski (2007) anhand exemplarischer Untersuchungen darauf hingewiesen, dass aufwandsintensives Recycling nur für Metalle mit entsprechend hohen Marktpreisen stattfindet. Der Erlös, der über diese Marktpreise erzielt wird, muss also größer als die für das Recycling anfallenden monetären Aufwände (Kosten) sein. Recycling wird demnach nur dann praktiziert, wenn Gleichung (6.3) gilt.

$$Erl\"o s - Kosten \gg 0$$
(6.3)

Auch dann, wenn neue Produkte auf den Markt kommen, für deren Recycling noch keine entsprechende Technologie bzw. spezialisierte Unternehmen existieren, kann davon ausgegangen werden, dass mittelfristig all das recycelt wird, was ökonomisch sinnvoll ist – auch ohne politische Interventionen.Footnote 5 Ein Beispiel hierfür sind die mittlerweile zahlreichen Unternehmen, die sich auf das Recycling von LIB spezialisiert haben, einer Produkttechnologie, die erst vor knapp über einem Jahrzehnt den Weg in die breite kommerzielle Anwendung fand (Möller 2013). Mittel- bis langfristig wird sich also immer eine Situation einstellen, bei der von einem ökonomischen Recyclingoptimum gesprochen werden kann.

Die Abbildung 3.3 in Abschnitt 3.1.2 zeigt, dass ein Metall aus einer sekundären Quelle tendenziell nur dann recycelt wird, wenn dessen Konzentration höher ist als die der alternativen primären Quelle. Dieses Phänomen ist dadurch begründet, dass die Konzentration unmittelbar mit dem (energetischen) Aufwand, der für das Metallrecycling betrieben werden muss, verbunden ist und dieser wiederum im Zusammenhang mit den Kosten steht. Diese Darstellung zeigt jedoch auch, dass es durchaus Ausnahmen gibt. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass der energetische Aufwand der Metallgewinnung lediglich ein Indikator für die variablen Kosten sein kann. Um wirtschaftlich operieren zu können, ist jedoch auch die Degression der Fixkosten (Investitionskosten etc.) von entscheidender Bedeutung, die nur durch entsprechend hohe Umsätze bzw. Gewinne erzielt werden kann. Die für ein Recycling verfügbare Menge an Metall aus einer sekundären Quelle muss also ausreichend hoch sein; ebenso der Marktpreis des Metalls.

Abbildung 6.3
figure 3

Einfluss des Konzentrationsverhältnisses und des verfügbaren monetären Wertes auf die sekundärquellenspezifischen EoL-RQ von 48 Metallen

Abbildung 6.3 zeigt eine modifizierte Darstellung der Abbildung 3.3 aus Abschnitt 3.1.2. Jeder Datenpunkt in dieser Darstellung entspricht dabei einem Metall in einer sekundären Quelle. Insgesamt sind 48 verschiedene Metalle untersucht. Da ein Metall meist in vielen verschiedenen Produkten Anwendung findet, existieren pro Metall auch mehrere sekundäre Quellen und damit auch wesentlich mehr als 48 Datenpunkte. Auf der Ordinatenachse sind die Konzentrationsverhältnisse der sekundären und primären Quellen der jeweiligen Metalle abgetragen. Ein Konzentrationsverhältnis von 1 bedeutet gleich hohe Konzentrationen in der sekundären und primären Quelle. Werte < 1 geben an, dass die Metallkonzentration in der sekundären Quelle niedriger ist als in der alternativen primären Quelle. Bei Werten > 1 verhält es sich entsprechend umgekehrt. Je weiter das Konzentrationsverhältnis von 1 entfernt ist, desto größer ist die Differenz der beiden Konzentrationen. Auf der Abszisse sind die theoretisch verfügbaren monetären Werte der Metalle in den sekundären Quellen in Euro pro Jahr abgetragen. Der theoretisch verfügbare monetäre Wert entspricht der auf dem globalen Markt verfügbaren Masse an Metall einer sekundären Quelle, multipliziert mit dem Marktpreis des Metalls. Die Farbe und Form der Datenpunkte gibt an, zu welchen EoL-RQ die Metalle aktuell aus ihren sekundären Quellen recycelt werden. Die in Abbildung 6.3 abgetragenen Werte sind für den globalen Markt angegeben. Die Datengrundlage dieser Darstellung ist in Appendix I des elektronischen Zusatzmaterials aufgelistet und entsprechend referenziert.

Die Darstellung in Abbildung 6.3 zeigt, dass bei niedrigen verfügbaren monetären Werten tendenziell nicht recycelt wird, auch wenn die Metallkonzentrationen in den sekundären Quellen höher ausfallen als in den primären Quellen. Ausnahmen sind hier Edelmetalle, wie z. B. Rhenium in Elektroaltgeräten. Diese Metalle werden als Kuppelprodukte über die Kupferroute ausgebracht (Langner 2011; Aurubis AG 2017a) und können als Begleiteffekte der ohnehin stattfindenden Kupfermetallurgie verstanden werden. Damit sind ihre Konzentrationen und ihre verfügbaren monetären Werte nicht ausschlaggebend für ihre EoL-RQ. Ein ähnlicher Fall existiert bei Legierungselementen, wie z. B. Niob in Stahllegierungen. Hier findet kein Recycling der einzelnen Legierungselemente statt, sondern der Legierungen als Ganzes.

Ab einem jährlichen theoretisch verfügbaren monetären Wert von > 1 Mrd. Euro findet das Metallrecycling aus sekundären Quellen vermehrt auch zu hohen EoL-RQ statt, wenn die Konzentrationen im Vergleich zu den primären Quellen geringer ausfallen. Dass deren Recycling dennoch mit der primären Gewinnung konkurrieren kann, ist durch die in Abschnitt 6.1 identifizierten Effekte erklärt, die trotz geringerer Konzentrationen ein Recycling ermöglichen, das aufwands- und damit auch kosteneffizienter ist als die Primärgewinnung. Hinzu kommt, dass es sich hier fast ausschließlich um Massenmetalle handelt, deren Konzentrationsverhältnisse zwar < 1 sind, ihre Konzentrationen in den sekundären Quellen dennoch verhältnismäßig hoch ausfallen (meist deutlich über 1 %). Ein Recycling ist dadurch grundsätzlich begünstigt. Metalle, die in diesem Bereich der hohen verfügbaren monetären Werte trotz moderater Konzentrationsverhältnisse nicht recycelt werden, sind als Zusatzstoffe in Keramiken verwendet. Ein Recycling ist hier bis dato aus technischen Gründen nicht möglich. Auch für Antimon als Flammschutzmittel gibt es noch keine entsprechenden Recyclinglösungen (Ciacci et al. 2015). Zudem sind die Antimonkonzentrationen bei dieser Anwendung entscheidend geringer als in den primären Quellen.

Abbildung 6.3 gibt Aufschluss darüber, warum Metalle recycelt bzw. nicht recycelt werden und liefert damit die empirische Erklärung der von UNEP (2011b) publizierten EoL-RQ. Je höher das Konzentrationsverhältnis (sekundär > primär) und je höher der verfügbare monetäre Wert, desto höher ist der ökonomische Anreiz für ein Recycling und desto höher sind die EoL-RQ. Gleichzeitig beinhaltet diese Darstellung, in Kombination mit den Ergebnissen aus Kapitel 5, aufschlussreiche Informationen darüber, wo angesetzt werden sollte, um das Recyclingsystem und die EoL-RQ im Hinblick auf die Reduktion der THGE zu verbessern. So haben die Ergebnisse der Analysen der exemplarischen Metalle gezeigt, dass Recycling bei einem Konzentrationsverhältnis von > 1 bzw. knapp unter 1 tendenziell energieeffizienter abschneidet als die primäre Gewinnung. Abbildung 6.3 zeigt jedoch auf, dass diese möglichen Ersparnisse nur dann gehoben werden, wenn entsprechend hohe monetäre Mengen zu Verfügung stehen. Um auch die verbleibenden Einsparpotenziale zu nutzen, also die sekundären Quellen, deren Konzentrationsverhältnis > 1, der verfügbare monetäre Wert jedoch eher gering ist, sind politische Interventionen notwendig. Es geht also darum, das ökonomisch agierende Recyclingsystem, dessen aktuelle EoL-RQ im Grunde ökonomische Optima darstellen, dahingehend zu beeinflussen, dass energetische und damit ökologische Optima erzielt werden. Beispiele für verbleibende ökologische Einsparpotenziale sind Seltene Erden Metalle, die in Glaspolituren oder als Glasadditive eingesetzt werden. Recyclingverfahren für diese sekundären Quellen existieren bereits (Binnemans et al. 2013). Auch deren Dissipationsrate in der Nutzungsphase ist vernachlässigbar (Ciacci et al. 2015). Lediglich die verfügbaren monetären Mengen scheinen damit das Hindernis für deren Recycling zu sein.

Stäubli und Bunge (2015) empfehlen staatliche Subventionen für die beteiligten Recyclingunternehmen, um den Wandel von den ökonomischen zu den ökologischen Optima zu erreichen. Politische Interventionen sollten in diesem Kontext jedoch nicht in erster Konsequenz auf unternehmensspezifische Subventionen abzielen, sondern vielmehr auf die Entwicklung des Recyclingsystems und-netzwerks. Ziel muss es sein, die sekundärquellenspezifischen Metallströme, deren monetäre Werte nur gering ausfallen, auch über Ländergrenzen hinweg zu bündeln, um ein zentralisiertes mechanisches und metallurgisches Recycling zu ermöglichen, das wirtschaftlich operieren kann. In manchen Fällen sind die globalen verfügbaren monetären Mengen jedoch so gering, dass solche Bündelungen selbst auf globaler Ebene nicht zu ausreichend hohen Umsätzen für ein wirtschaftliches Recycling führen würden. In solchen Fällen kann es durchaus sein, dass die Transportaufwände bei komplexer Transportlogistik und geringen Metallkonzentrationen verhältnismäßig hoch ausfallen können. Das zeigen z. B. die Analysen der Transportaufwände des Beispielmetalls Tantal (siehe Abschnitt 5.3.3.2). In diesen Fällen besteht also zudem die Gefahr, dass das Recycling ohnehin zu energieintensiv wird.

Metalle in sekundären Quellen, die neben einem geringen monetären Wert zudem noch ein Konzentrationsverhältnis von < 1 aufweisen, sind für ein Recycling ökonomisch höchst unattraktiv. Aus diesem Grund findet für Metalle aus sekundären Quellen, die in diesem Bereich des Diagramms lokalisiert sind, auch kein Recycling statt. Ist das Konzentrationsverhältnis deutlich < 1, so ist zudem davon auszugehen, dass deren Recycling auch aus energetischer bzw. ökologischer Sicht nicht sinnvoll wäre. In diesen Fällen sind die ökonomischen und ökologischen Optima deckungsgleich. Recyclingbemühungen wären hier nicht zielführend.

Die auf globaler Ebene aggregierte EoL-RQ von Metallen liegt derzeit bei 71 % (Haas et al. 2015). Ciacci et al. (2016) zeigen in einer umfangreichen Analyse, dass, sofern Recycling emissionsfrei funktionieren würde, die verbleibenden 29 % die globalen anthropogenen THGE um 1 % senken könnten. Fellner et al. (2017) kommen für den europäischen Raum zu einem sehr ähnlichen Ergebnis. In welchem Umfang die einzelnen metallspezifischen sekundären Quellen zu diesem theoretischen Treibhausgasreduktionspotenzial beitragen, ist in Abbildung 6.4, einer modifizierten Darstellung der Abbildung 6.3, aufgezeigt. Diese Darstellung zeigt die noch verbleibenden theoretischen Einsparpotenziale, wenn die EoL-RQ der Metalle aus den jeweiligen sekundären Quellen auf 100 % erhöht werden würden. Die Größe der Blasen bildet das verbleibende theoretische Einsparpotenzial in t CO2eq ab. Dabei sind die Aufwände des Recyclings nicht berücksichtigt, es handelt sich also lediglich um den CO2-Rucksack der Metalle bzw. die CO2-Emissionen deren Primärgewinnung. Die Datengrundlage dieser Auswertung ist in Appendix I des elektronischen Zusatzmaterials dokumentiert.

Die Darstellung in Abbildung 6.4 zeigt, dass Metalle, die derzeit nicht aus ihren sekundären Quellen recycelt werden (EoL-RQ < 1 %), einen nur verschwindend geringen Anteil am theoretischen Potenzial weiterer THGE haben. Bedeutend höhere noch verbleibende Einsparpotenziale weisen hingegen die Metalle auf, die bereits zu hohen Prozentsätzen aus ihren sekundären Quellen recycelt werden. Typische Beispiele sind hier Eisen und Stahl in Gebäuden und Infrastruktur oder Aluminium in Altautos. Diese Massenmetalle haben zwar verhältnismäßig geringe CO2-Rucksäcke pro Masseneinheit, sind jedoch in enormem Umfang im anthropogenen Stofflager vorhanden. Deren ohnehin bereits hohe EoL-RQ, um nur wenige Prozentpunkte zu erhöhen, kann zu weitaus größeren Einsparungen an THGE führen, als das Recycling aller Technologiemetalle, die aktuell noch nicht den Weg zurück in die Kreisläufe finden. Dennoch sind die Einsparpotenziale der Technologiemetalle nicht zu vernachlässigen. Das zeigt u. a. die Auswertung des Beispielmetalls Tantal, dessen mögliche jährliche Einsparungen in absoluten Werten alleine für den Untersuchungsraum Deutschland dem Energiebedarf von über 1.600 Haushalten entsprechen. Diese Potenziale werden in Zukunft entscheidend wachsen – das zeigen u. a. die Zukunftsprognosen der Bedarfe an Tantal und Kobalt. Das Recycling von Technologiemetallen ist zudem unter strategischen Gesichtspunkten relevant. Denn viele dieser Metalle sind als kritisch eingestuft und damit von hoher Bedeutung für modernste Technologien und die Wirtschaft eines Landes. Gleichzeitig ist deren Versorgungssicherheit häufig als unsicher einzustufen (EC 2014b).

Abbildung 6.4
figure 4

(modifizierte Darstellung der Abbildung 6.3, die Größe der Blasen gibt das theoretische CO2-Einsparpotenzial an)

Verbleibendes theoretisches Einsparpotenzial an THGE durch Recycling

Verbesserungen der EoL-RQ der Massenmetalle sind also der größte Stellhebel um THGE durch Recycling weiter zu reduzieren. Die beiden mengenmäßig bedeutendsten Massenmetalle Aluminium und Eisen bergen noch Potenziale von einigen hundert Millionen Tonnen CO2eq. Notwendige Bedingung ist dabei natürlich, dass die dafür notwendigen Mehraufwände des Recyclings die der primären Gewinnung nicht übersteigen.