Das Recycling von Metallen wird zwar schon jahrhundertelang praktiziert, es ist allerdings heute so umfassend und komplex wie nie zuvor. Das bedarf einiger grundlegenden Begriffsdefinitionen und Verfahrensbeschreibungen, die Abschnitt 2.1 entnommen werden können. Wo genau die Schwierigkeiten beim Metallrecycling liegen – insbesondere vor dem Hintergrund der in der Einleitung beschriebenen Entwicklungen der sekundären Quellen – ist in Abschnitt 2.2 erläutert.

2.1 Lebenszyklus, Terminologie und Definitionen

Das Wort Recycling hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Schlagwort entwickelt – dessen Definition ist allerdings nicht immer einheitlich. Während die Öffentlichkeit meist ein klares Bild von Recycling hat – nämlich die mechanische und im Falle der Metalle auch die metallurgische Aufbereitung bereits genutzter Stoffe – gehen die Terminologien in der wissenschaftlichen Literatur auseinander. So wird Recycling, meist in deutschsprachigen Publikationen, als Überbegriff für Wieder- und Weiterverwertung sowie Wieder- und WeiterverwendungFootnote 1 definiert (Martens 2011; VDI 2002; Westkämper und Warnecke 2010). In englischsprachigen Fachbüchern und Artikeln hingegen wird Recycling als eigenständiger Begriff verwendet, der die Wiederaufbereitung und erneute Kreislaufführung von Materialien an deren Lebenszyklusende, d. h. lediglich die stoffliche Rückgewinnung beschreibt. Hier wird eine klare Abgrenzung des Begriffes Recycling von einer erneuten Verwendung des Produktes nach einer Wiederaufbereitung (reuse) vorgenommen (Henstock 1996; Worrell und Reuter 2014). Der Begriff Recycling ist für die weiterführende Arbeit entsprechend der englischsprachigen Literatur wie folgt definiert:

Recycling beschreibt den Prozess der Sammlung, Aufbereitung und stofflichen Rückgewinnung von entsorgten Materialien (wie z. B. Metallen) für deren erneute Nutzung.

In den Kreislauf rückgeführte also recycelte Materialien werden für gewöhnlich als Sekundärmaterialien bzw. Sekundärmetall bezeichnet. Durch diese Begrifflichkeit wird jedoch in keiner Weise auf die Qualität des Materials eingegangen, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass ein Material den industriellen Kreislauf mindestens zum zweiten Mal durchläuft. Die Bezeichnung Primärmaterial bzw. Primärmetall hingegen, impliziert, dass ein Material den Kreislauf zum ersten Mal betritt (Reuter et al. 2005).

Recycling ist in dieser Arbeit auch als sekundäre Produktion definiert, die zur Verfügung stehenden EoL-Produkte bzw. Schrotte und Reststoffe sind auch als sekundäre Quellen bezeichnet. Dieser Begriff bezieht sich dabei also nur auf Produkte oder Materialien, die bereits eine Nutzung erfahren haben. Die Gewinnung der Metalle aus Erzen – den primären Quellen – ist als primäre Produktion definiert.

Abbildung 2.1
figure 1

Der Metalllebenszyklus (Erweitert nach Meskers 2008; Hagelüken 2014b, mit freundlicher Genehmigung der Autoren)

Abbildung 2.1 veranschaulicht einen vereinfachten Metall- bzw. Produktlebenszyklus. Dieser Zyklus wird durch die Entscheidungen über das Produktdesign initiiert. Dabei wird definiert, welche Materialien zum Einsatz kommen, wie diese verbunden und welche Fertigungstechniken dabei angewandt werden. Festlegungen, die hier getroffen werden, haben Einfluss auf den gesamten Produktlebenszyklus – und somit auch auf das Recyclingsystem. Durch Eintreten in die entsprechende Recyclingkette, beginnend mit der Sammlung der ausgedienten Produkte (sekundäre Quellen), werden diese dann durch physikalische Aufbereitungs- und Separationsverfahren in Materialfraktionen getrennt, die dann zur erneuten Rohstoffproduktion eingesetzt werden können. Unvorteilhafte und sehr komplexe Material- bzw. Metallkombinationen in sekundären Quellen, die nicht oder nur teilweiße getrennt werden können, vermindern die Qualität und Quantität der aufbereiteten Materialströme und erhöhen die Menge der Reststoffe in der EoL-Phase sowie der Rohstoffproduktionsphase (Graedel et al. 2011; Meskers 2008). Das Recycling endet mit dem Verlassen des Materials bzw. des Metalls der (sekundären) Rohstoffproduktion. In jeder Phase des Lebenszyklus entstehen Materialverluste, die teilweiße dissipativer Natur sein können. Dissipative Verluste sind wie folgt definiert (Zimmermann und Gößling-Reisemann 2013):

Dissipative Verluste sind Materialverluste in die Umwelt, andere Materialflüsse oder dauerhafte Abfalllagerungen, die in Materialkonzentrationen resultieren, deren Rückgewinnung ökonomisch oder technisch nicht durchführbar ist.

Am häufigsten treten dissipative Verluste in der Nutzung (z. B. Abnutzung der Bremsbeläge eines Autos) und in der EoL-Phase bzw. im Recyclingprozess auf (z. B. ineffiziente Recycling- oder Sammelsysteme) (Ciacci et al. 2015). Verfolgt man das Ziel der vollständig geschlossenen Kreisläufe, müssen also diese Materialverluste vermieden oder rückgewonnen werden (Hagelüken 2014b; Meskers 2008; Zimmermann und Gößling-Reisemann 2013; Graedel et al. 2011).

Der Begriff des Recyclings ist – wie in Abbildung 2.1 veranschaulicht – nicht nur auf EoL-Produkte bzw. sekundäre Quellen beschränkt. Bereits in der Rohstoff- bzw. Metallproduktion sowie in der Weiterverarbeitung der Metalle zu Zwischen- oder Endprodukten entstehen Schrotte und Reststoffe, die einem Recycling zugeführt werden können. Nachfolgend sind die verschiedenen Schrottkategorien nach Graedel et al. (2011) definiert:Footnote 2

Home Scrap ist Schrott bzw. Reststoff, der während der Metallproduktion anfällt. Er wird generell wieder direkt in den Prozess rückgeführt, der ihn erzeugt hat. Aufgrund der meist problemlosen und vollständigen Kreislaufführung taucht dieser für gewöhnlich nicht in Recyclingstatistiken auf.

New Scrap ist Schrott, der bei der Weiterverarbeitung der Metalle zu Zwischen- oder Endprodukten entsteht. Grundsätzlich sind diese Schrotte aufgrund derer bekannten Eigenschaften und hohen Reinheit gut zu recyceln. Je näher die Schrotte am tatsächlichen Endprodukt anfallen, desto schwieriger gestaltet sich deren Recycling.

Old Scrap bezieht sich auf die Metalle in EoL-Produkten. Deren Recycling erfordert in der Regel den meisten Aufwand, insbesondere bei sehr komplexen Produkten mit nur geringen Metallgehalten.

Home Scarp und New Scrap können als Ineffizienzen der Produktionsprozesse verstanden werden. Deren Recycling könnte im Grunde gänzlich vermieden werden, wenn das Problem der Ineffizienzen gelöst werden würde. Sie stellen keine wesentliche Herausforderung beim Recycling dar und sind dementsprechend mit sehr geringen Aufwänden verbunden. Für die Untersuchungen der vorliegenden Arbeit sind sie also nicht von Bedeutung. Das Anfallen von Old Scraps, also EoL-Produkten bzw. der entsprechenden sekundären Quellen kann hingegen nicht vermieden, sondern lediglich durch entsprechende Maßnahmen minimiert werden. Deren Recycling – das sogenannte EoL-Recycling – kann sich zudem beliebig komplex und aufwandsintensiv gestalten (siehe auch Abschnitt 1.1.2). Es ist dabei nicht immer möglich alle Metalle und Materialien vollständig voneinander zu separieren, was unmittelbare Auswirkungen auf die Qualität der Sekundärmetalle hat. Es wird daher zwischen funktionellem und nicht-funktionellem Recycling unterschieden (Graedel et al. 2011):Footnote 3

Funktionelles bzw. metallspezifisches Recycling ist der Teil des EoL-Recyclings, indem die Metalle oder Legierungen aus den ausrangierten Produkten soweit separiert werden, dass wieder neue Metalle bzw. Legierungen in der Rohstoffproduktionsphase hergestellt werden können. Dabei wird nicht zwingend aus einer Legierung wieder dieselbe hergestellt. Häufig werden aus verschiedenen Legierungen – teilweise unter Zugabe von weiteren Legierungselementen – ein oder mehrere spezifische Legierungen produziert.

Als nicht-funktionelles bzw. metallunspezifisches Recycling wird hingegen der Teil des EoL-Recyclings bezeichnet, bei dem das Metall zwar als Old Scrap separiert wird, jedoch in einen sehr viel größeren Metallstrom als Verunreinigung eingebunden ist. Das verhindert zwar die Dissipation in die Umwelt, stellt jedoch einen Verlust der spezifischen Eigenschaften des Metalls dar.

Im Sinne des Metalllebenszyklus in Abbildung 2.1 wird nicht-funktionelles Recycling auch häufig als open loop Recycling und funktionelles Recycling als closed-loop Recycling bezeichnet (Graedel et al. 2011). Durch nicht-funktionelles Recycling verbleibt das Metall zwar im Wirtschaftskreislauf bzw. der Technosphäre, allerdings befindet es sich dabei im Kreislauf eines anderen Metalls. Andere Quellen verweisen in einem solchen Fall bereits auf eine Dissipation (Zimmermann und Gößling-Reisemann 2013; Ciacci et al. 2015). Solche stofflichen Einträge von Verunreinigungen (oft auch Legierungselementen) in einen größeren Metallstrom bedeuten nicht nur ein nicht-funktionelles Recycling dieser geringen Metallmengen, sondern kann zudem zu einem Qualitätsverlust des größeren Metallstroms führen (z. B. Verlust der spezifischen Eigenschaften von Aluminium bei Akkumulation verschiedener Legierungselemente durch die Kreislaufführung) (von Gleich 2006; Graedel und Reck 2014). Diese Unterscheidung zwischen open und closed-loop ist auch aus dem Life-Cycle Assessment bekannt (DIN 2009, 2018). Ein Materialkreislauf wird dann als geschlossen angesehen, wenn das Material für die selbe Nutzung recycelt wird (Dubreuil et al. 2010).

Die Terminologie und Definition der Messgrößen des EoL-Recyclings dieser Arbeit sind nach UNEP (2011b) vorgenommen. Abbildung 2.2 zeigt eine schematische Darstellung der EoL-Phase und die entsprechenden Erläuterungen der Stoffströme. Anhand dieser Informationen sind die nachfolgenden Messgrößen in den Gleichungen (2.1)–(2.3) definiert.

Abbildung 2.2
figure 2

Definition der Stoffströme der EoL-Phase

Die EoL-RQ gibt an, welcher Anteil an theoretisch verfügbarem Metall in den sekundären Quellen durch ein funktionelles Recycling rückgewonnen wird (siehe Gleichung (2.1)). Nach der Definition von UNEP (2011b) sind Metalldissipationen der Nutzungsphase, wie sie z. B. von Ciacci et al. (2015) für zahlreiche Metalle ermittelt sind, nicht in den Fluss A in Abbildung 2.2 integriert, d. h. dissipativ verteilte Massen haben keinen Einfluss auf die EoL-RQ.

$$EoL - RQ = \frac{D}{A}$$
(2.1)

Welcher Anteil der sekundären Quellen gesammelt und einem Recycling zugeführt wird, ist als Sammelquote in Gleichung (2.2) definiert. Die Anteile, die nicht Bestandteil der Sammelquote sind (Fluss C in Abbildung 2.2), werden entweder für andere Zwecke gesammelt (z. B. Deponierung, Verbrennung oder (illegale) Exporte) oder finden erst gar nicht den Weg in ein Sammelsystem und verbleiben im anthropogenen Stofflager. Typische Beispiele hierfür sind Mobiltelefone, die vom Endkonsumenten nicht in eine Sammlung gegeben werden (Martinho et al. 2017; Welfens et al. 2016). Ein weiteres Beispiel sind Exporte von EoL-Produkten in Dritte Welt Länder, die dort rudimentär aufbereitet werden. Die Sammelquote wird durch solche Exporte zwar nicht auf globaler, wohl aber auf nationaler Ebene verschlechtert. Zudem sind die Ausbeuten dieser, oft in Hinterhöfen oder auf offenem Feld stattfindenden, Recyclingtätigkeiten weit schlechter als die, die in modernen und hochtechnologischen Anlagen erzielt werden können (Fuse et al. 2011; Williams et al. 2008).

$$Sammelquote = \frac{B}{A}$$
(2.2)

Die Effizienz des Recyclingsystems – nachfolgend als Recyclingeffizienz bezeichnet – gibt an, welcher Anteil der Metalle, der einem Recyclingprozess oder ganzen Recyclingsystem zugeführt wird, auch tatsächlich funktionell recycelt wird. Nichtfunktionelles Recycling ebenso wie stoffliche Verluste durch z. B. Staubemissionen bestimmen die Ineffizienzen des Systems.

$$Recylingeffizienz = \frac{D}{B}$$
(2.3)

UNEP (2011b) definiert die Recyclingeffizienz auf aggregierter Ebene für das gesamte Recyclingsystem. Recyclingverfahren bzw. Recyclingsysteme bestehen meist aus unterschiedlichsten Prozessschritten, die ebenfalls unterschiedlichen Recyclingeffizienzen unterliegen. Die EoL-RQ ist das Produkt aus allen für das Recycling notwendigen Prozessschritten multipliziert mit der SQ. Je nachdem, welche sekundäre Quelle recycelt wird, kommen unterschiedliche Recyclingprozesse zur Anwendung. Grundsätzlich kann das typische Verfahrensschema des Recyclings – wie in Abbildung 2.3 – in die Schritte (1) Sammlung, (2) Demontage, (3) mechanische Aufbereitung und (4) metallurgische Aufbereitung/Raffination aufgeteilt werden. Ein detaillierteres Schema kann Martens und Goldmann (2016, S. 27) entnommen werden. Die spezifischen Verfahrensschemata des Recyclings der für Kupfer, Tantal und Kobalt relevanten sekundären Quellen sind dem Appendix II des elektronischen Zusatzmaterials zu entnehmen.

Abbildung 2.3
figure 3

Typisches Verfahrensschema des Recyclings (Modifiziert nach Hagelüken et al. 2016)

Hagelüken et al. (2016) erklären eindrücklich am Beispiel der Elektroaltgeräte, dass die Anzahl der beteiligten Akteure exponentiell über diese Recyclingkette abnimmt. Bei Elektroaltgeräten, wie auch bei zahlreichen weiteren Konsumentenprodukten, ist bei der Sammlung im Grunde noch jeder einzelne Haushalt involviert. Dabei wird die räumliche Konzentration auf die Ebene der Sammelstellen und danach auf die Demontagestellen erhöht. Bei den Demontagestellen beginnt die eigentliche stoffliche Konzentrationserhöhung der Metalle. Schadstoffe werden entfernt und bestimmte Komponenten gezielt demontiert. In der nachfolgenden mechanischen Aufbereitung werden die demontierten Komponenten über mechanische Zerkleinerungsverfahren aufgeschlossen. Ziel ist es dabei, die Materialien möglichst vollständig voneinander zu trennen. Welche Herausforderungen damit verbunden sind, ist in Abschnitt 2.2 beschrieben. Über physikalische Trennverfahren (Dichte, magnetische Eigenschaften, elektrische Leitfähigkeit etc.) werden die unterschiedlichen Materialien separiert (Martens und Goldmann 2016, 19 ff.). Das Ziel dabei ist nicht zwingend reine Metallfraktionen zu separieren, sondern Metallfraktionen zu erzeugen, die metallurgisch kompatibel sind. In der metallurgischen Aufbereitung werden die Metallfraktionen, aber auch demontierte Komponenten, wie z. B. Leiterplatten, durch pyro- und/oder hydrometallurgische Verfahren in die einzelnen Metalle separiert (Verhoef et al. 2004). Welche Herausforderungen und Einschränkungen damit verbunden sind, ist in Abschnitt 2.2 beschrieben. Bei diesem finalen Schritt der Recyclingkette sind auf globaler Ebene nur noch wenige Akteure beteiligt. Im Gegensatz zu den vorherigen Schritten, die nach den unterschiedlichen sekundären Quellen ausgerichtet sind,Footnote 4 orientiert sich die metallurgische Infrastruktur an einigen wenigen Metallen. Für die Nichteisenmetallindustrie bilden Blei, Zink, Zinn, Aluminium und Kupfer das Herzstück. Über diese metallurgischen Verfahren können auch zahlreiche weitere Metalle (insbesondere Edel- und Technologiemetalle) rückgewonnen werden. Sie sind damit das Rückgrat der metallurgischen Recyclingindustrie (Reuter 2016).

2.2 Komplexität und Grenzen des Metallrecyclings

In Abschnitt 1.1.2 sind zwei wesentliche Entwicklungen beschrieben, die eine Herausforderung für das Recycling darstellen – die abnehmenden Konzentrationen und die zunehmende Materialvielfalt. Der empirische Beweis, dass diese Entwicklungen dem Recycling hinderlich sind, ist für die zunehmende Materialvielfalt in Dahmus und Gutowski (2007) und für die abnehmenden Konzentrationen in Johnson et al. (2007) gegeben. Das Resultat sind teils sehr geringe EoL-RQ zahlreicher Metalle, wie sie in Abbildung 1.2 dargestellt sind. Wie komplex das Recycling von Metallen durch diese Entwicklungen werden kann und welche technischen und thermodynamischen Barrieren in der mechanischen und insbesondere der metallurgischen Aufbereitung existieren, ist in diesem Abschnitt beschrieben.

Wie im vorherigen Abschnitt 2.1 erläutert, ist das Ziel der mechanischen Aufbereitung, die Materialverbünde der sekundären Quellen durch mechanische Zerkleinerungsverfahren (z. B. Schreddern) aufzuschließen und zu separieren. Prozesse des Materialaufschlusses und der Separation kommen auch bei der primären Gewinnung von Metallen aus Erzen zum Einsatz. Aus diesen Forschungen zur Zerkleinerung von Erzen ist bekannt, dass die Größe der durch die Zerkleinerung erzeugten Partikel sowie deren Zusammensetzung die beiden wichtigsten Eigenschaften des Zerkleinerungsprozesses sind (King 2001; Heiskanen 1993). Auf dieses grundlegende Wissen aus der mechanischen Aufbereitung von Mineralien bzw. Erzen greifen die Forschungen der mechanischen Aufbereitung aus Recyclingzwecken zurück (van Schaik et al. 2004; van Schaik et al. 2002; van Schaik und Reuter 2004; Castro et al. 2005).

Ziel einer mechanischen Aufbereitung ist der möglichst vollständige Aufschluss, bzw. die Freilegung der unterschiedlichen Materialien. In der Fachliteratur ist dieser Vorgang als Liberation bezeichnet. Ein Partikel, der nur aus einem Material besteht, ist bereits vollständig liberiert (Heiskanen 2014). Bei Erzen existiert ein linearer Zusammenhang zwischen der, durch die Zerkleinerung bzw. das Mahlen erzielten Partikelgröße und der Liberation (King 2001). Je kleiner die Partikelgröße, desto höher ist also die Liberation der Materialien. Dieser lineare Zusammenhang kann bei der Zerkleinerung moderner sekundärer Quellen nicht beobachtet werden (van Schaik et al. 2004; Reuter et al. 2003). Tendenziell bedeutet zwar auch hier eine feinere Zerkleinerung auf eine geringere Partikelgröße, dass insbesondere das dominierende MetallFootnote 5 einer bestimmten Materialzusammensetzung eine verbesserte Liberation erfährt. Das gilt jedoch nicht zwangsläufig für die weiteren Elemente der Materialzusammensetzung. Deren Liberationsgrad kann auch rückläufig sein, u. a. durch Einschlüsse in plastische Verformungen, die Metalle im Schredder erfahren können. Das Liberationsverhalten beim Schreddern von sekundären Quellen ist also unterschiedlich zu dem vom Mahlen von Erzen (van Schaik et al. 2004; Sander et al. 2004; Aboussouan et al. 1999). Dennoch ist es tendenziell so, dass durch einen feineren Aufschluss und eine längere Schredderdauer auch bei sekundären Quellen eine höhere Liberation erzielt wird (He et al. 2015; Russo et al. 2004; Castro et al. 2004), auch wenn der Zusammenhang nicht linear ist.

Wesentliche Probleme bei der Liberation sind neben der Materialvielfalt insbesondere die Materialverbindungen (Soo et al. 2017; Heiskanen 2014). Die Materialverbindungen können entweder von physikalischer oder chemischer Natur sein (Castro et al. 2004). Chemische Verbindungen (z. B. Legierungen, Verschweißungen) können nie durch mechanischen Aufschluss getrennt werden. Eine vollständige Liberation der Materialien von physikalischen Verbindungen (z. B. Verschrauben) ist nur möglich, sofern die zerkleinerten Partikel kleiner als die Verbindungen sind. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Verbindungen meist so produziert sind, dass sie stabiler sind als das umliegende Material. Nach der sogenannten weakest link theory kann davon ausgegangen werden, dass zuerst das umliegende Material aufgebrochen wird, bevor der Aufschluss des Verbundes stattfindet (Anderson 2005).

Grundsätzlich wird also durch eine intensivere Zerkleinerung eine bessere Liberation erzielt. Allerdings steigt mit zunehmendem Zerkleinerungsgrad bzw. mit abnehmender Partikelgröße auch der dafür notwendige Energieeinsatz überproportional an. Dieser Zusammenhang ist durch das Bonds Law beschrieben (Jankovic et al. 2010). Neben dem Energieeinsatz ist dieser Effekt auch bei den ökonomischen Betriebskosten sowie Investitionskosten zu beobachten (Bösch und Kornmeier 2014).

Nach der mechanischen Zerkleinerung folgt die mechanische Separation bzw. Sortierung der Partikel anhand deren physikalischer Eigenschaften wie z. B. Dichte, elektrische Leitfähigkeit oder magnetische Eigenschaften. Je nachdem, nach welchen Eigenschaften sortiert werden soll, werden unterschiedliche physikalische Kräfte genutzt. Bei großen Partikeln sind die massenrelevanten Kräfte von entscheidender Bedeutung. Mit abnehmender Partikelgröße nimmt die Masse jedoch um die dritte Potenz ab, während die Oberfläche nur um die zweite Potenz abnimmt. Ab einer bestimmten Partikelgröße dominieren also die Oberflächenkräfte. Die Kräftebilanz, die entscheidend für die mechanische Separation ist, wird dann überproportional von den Oberflächenkräften (Luftwiderstand, elektrostatische Kräfte etc.) bestimmt. Ab einer bestimmten Partikelgröße gilt dann, je kleiner die Partikel, desto ineffizienter ist die Separation (Heiskanen 2014). Das zeigen auch praktische Untersuchungen (Ruan et al. 2017). Die Aufgabe der mechanischen Aufbereitung sollte also die Optimierung der Partikelgröße hinsichtlich Liberation und Separation sein. Demnach sind nie alle Materialien vollständig liberiert, was eine vollständige Separation ebenso unmöglich macht. In den Separationsprozessen existieren noch weitere operationelle Defizite, sodass die Separation selbst bei vollständiger Liberation nie 100 % genau ist. Es gibt immer eine gewisse Überlappung zwischen verschiedenen physikalischen Eigenschaften. Bei der Schwerkraftabscheidung wirkt sich z. B. neben der Dichte auch die Partikelgröße auf das Sortierergebnis aus (Heiskanen 2014; Hagelüken 2006; Reuter et al. 2013).

Die Ineffizienzen der mechanischen Liberation und Separation sowie die Zielkonflikte in Bezug auf die Partikelgröße führen dazu, dass es unmöglich ist alle Materialien in komplexen sekundären Quellen vollständig voneinander zu lösen und zu separieren. In diesem Zusammenhang ist die Grade-Recovery-Curve eingeführt. Diese gibt die Beziehung zwischen der Rückgewinnungsquote, also dem Anteil eines Materials, der in die richtige Fraktion separiert wird und dem Gehalt bzw. der Konzentration des Materials in der separierten Fraktion an (Heiskanen 2014). Wie in Abbildung 2.4 veranschaulicht, kann ein Material zwar vollständig rückgewonnen werden, allerdings nur zu der Konzentration, in der es in der sekundären Quelle vorliegt. In diesem Fall findet also keine Liberation statt. Mit zunehmender Liberation nimmt die Konzentration der separierbaren Materialfraktion zu, die in Abbildung 2.4 auf der Ordinate abgetragen sind. Gleichzeitig nimmt jedoch die Rückgewinnungsquote ab, bedingt durch die Ineffizienzen in Liberation und Separation. Der Aufschluss auf eine geringere Partikelgröße erhöht die Liberation und damit auch die Konzentration der separierbaren Metallfraktionen. Die Kurve, wie in Abbildung 2.4 dargestellt, verschiebt sich entsprechend nach oben. Dieses Beispiel zeigt, dass bei großen Partikeln eine 90 %ige Konzentration nur mit einer Rückgewinnungsquote von 55 % erzielt werden kann. Bei kleineren Partikeln kann diese Reinheit bereits bei einer Rückgewinnungsquote von 85 % erreicht werden. Zahlreiche Publikationen befassen sich mit der Optimierung dieses Verhältnisses durch verschiedenste Maßnahmen (van Schaik und Reuter 2010; Soo et al. 2018; Owada 2012; Chao et al. 2011; Wang et al. 2017). So wird auch der großflächige Einsatz von moderneren Sortiertechnologien (z. B. Lasersortierung) gefordert, die bis dato lediglich in einigen wenigen Bereichen, wie z. B. bei der Sortierung von Superlegierungen (hoher ökonomischer Wert) eingesetzt werden (Reck und Graedel 2012). Eine vollständige und hochreine Rückgewinnung aller Materialien aus komplexen Produkten durch die mechanische Aufbereitung wird aufgrund thermodynamischer Grenzen jedoch auch in Zukunft nicht möglich sein (Reuter et al. 2006; Reuter et al. 2013).

Abbildung 2.4
figure 4

Grade-Recovery-Curve bei definierter Partikelgröße (Daten nach Heiskanen 2014)

Die durch die mechanische Aufbereitung aus sekundären Quellen erzeugten Metallfraktionen, liegen also nie in Reinform vor. Das liegt zum einen an den oben beschriebenen Ineffizienzen der Liberation und Separation. Zum anderen sind dafür chemische Materialverbindungen und geringste Materialkonzentrationen verantwortlich, die nicht über mechanische Aufschlussverfahren getrennt und separiert werden können. Deren Liberation ist unabhängig von der Partikelgröße. Beispiele hierfür sind Legierungen oder Verschweißungen und der Einsatz von Metallen als Flammschutzmittel oder Pigmenten (Heiskanen 2014). Auch die in Abbildung 1.4 enthaltenen, dispers eingesetzten Technologiemetalle fallen in diese Kategorie. Um die nach der mechanischen Aufbereitung noch unreinen Metallfraktionen weiter aufzukonzentrieren, also von Unreinheiten zu befreien bzw. mehrere Metalle daraus zu gewinnen, werden metallurgische Verfahren eingesetzt.

Die metallurgischen Verfahren und damit auch die metallurgische Infrastruktur haben ihre Wurzeln in der primären Gewinnung der Metalle. Erze bestehen meist aus einem Haupt- bzw. Trägermetall (auch major metal genannt), wie z. B. Kupfer, Eisen oder Aluminium und weiteren Nebenmetallen (auch minor metals genannt). Die Konzentrationen der Nebenmetalle sind meist sehr gering, sodass sie nur durch eine entsprechende Kuppelproduktion mit dem Hauptmetall wirtschaftlich gewonnen werden können. Die metallurgischen Verfahren wurden im Laufe der Zeit deshalb dahingehend entwickelt, dass möglichst viele Nebenmetalle mit gewonnen werden können (Verhoef et al. 2004; Hagelüken und Meskers 2010; Reuter et al. 2005, 66 ff.). Das metallurgische Verfahren ist durch das jeweilige Hauptmetall bestimmt, was wiederum ausschlaggebend dafür ist, welche Nebenmetalle rückgewonnen werden können bzw. als Prozessrückstände oder Emissionen anfallen. Um dieses komplexe und verwobene System zu veranschaulichen, haben Verhoef et al. (2004) das sogenannte Metallrad bzw. Metal Wheel eingeführt. Dieses technologische Wissen der Primärmetallurgie ist auch für die metallurgische Aufbereitung von sekundären Quellen von wesentlicher Bedeutung. Moderne Produkte wie auch die durch die mechanische Aufbereitung erzeugten Metallfraktionen sind jedoch meist weitaus komplexer in ihrer Zusammensetzung als natürliche Erze – was eine entsprechende Herausforderung für die primärbasierte Metallurgie bedeutet.

Ein für das Recycling angepasstes Metallrad haben Reuter et al. (2013, S. 62) entwickelt. Es kann Abbildung 2.5 entnommen werden. Diese Darstellung gibt den aktuellen Status Quo der besten verfügbaren Techniken der metallspezifischen Verfahrensrouten wieder, die durch die jeweiligen Abschnitte des Metallrads repräsentiert sind. Eine grüne Markierung der Elemente gibt an, dass sie mit dem Hauptmetall – das im innersten Ring angezeigt wird – kompatibel sind und über dessen Metallurgie ausgebracht oder auch als Legierungselemente verwendet werden können. Gelbe Markierungen bedeuten, dass die Elemente nicht separat rückgewonnen werden können. Verbleiben die gelb gekennzeichneten Elemente in der Metallphase (zweiter Ring von innen) des Hauptmetalls, so mindern sie jedoch nicht dessen Qualität, sondern fungieren als wertvolle Legierungselemente. Beispiele hierfür sind Molybdän oder Kobalt in Stahllegierungen. Auch bei der Dissipation in die Schlacke oder Abgase, stellen diese Elemente meist keine Qualitätsminderung dar (z. B., wenn die Schlacke in der Zementproduktion eingesetzt wird). Rot markierte Elemente können ebenfalls nicht durch die jeweiligen metallurgischen Verfahren separiert werden. Beim Verbleib in der Metallphase stellen sie zudem eine Verunreinigung und damit Qualitätsminderung des Hauptmetalls dar, was in diesen Fällen als Senke fungiert. Kupfer, das sich in Stahl anreichert ist z. B. eine solche Verunreinigung, die bei zu hoher Konzentration die kontaminierte Stahlfraktion unbrauchbar werden lässt (Pauliuk et al. 2013). Die Beseitigung solcher Verunreinigungen ist bei Aluminium (Rombach 2006; Nakajima et al. 2010) und Magnesium (Hiraki et al. 2011) eine noch sehr viel größere Herausforderung als bei anderen Hauptmetallen. Auch die im Metallrad als wertvolle Legierungselemente gekennzeichneten Elemente (grüne und gelbe Markierung) können das Recycling von Aluminium und Magnesium einschränken. So wird z. B. Mangan nur in der 3000-Serie der Aluminiumlegierungen eingesetzt. Beim Einschmelzen verbleibt Mangan in der Metallphase, was eine Wiederverwendung für alle anderen Legierungsserien ausschließt. Wird die 3000-Serie der Aluminiumlegierungen also in der Metallurgie nicht separat behandelt, ist das produzierte Sekundäraluminium für 95 % aller Aluminiumanwendungen ungeeignet (Nakajima et al. 2010). Um die Probleme der Verunreinigungen zu beheben, wird in den meisten metallurgischen Prozessen Primärmaterial hinzugegeben, um durch eine entsprechende Verdünnung den Erhalt der Metallqualität zu erreichen (Verhoef et al. 2004; Pauliuk et al. 2013).

Das Metallrad in Abbildung 2.5 zeigt ein sehr deutliches Bild. Metalle, die metallurgisch nicht mehr separiert werden können (gelbe und rote Kennzeichnung), überwiegen in der existierenden Infrastruktur. Insbesondere die metallurgischen Verfahren von Eisen, Aluminium, Magnesium und Titan ermöglichen keine separate Gewinnung weiterer Metalle und bergen das Risiko von Verunreinigungen. Kupfer, Blei, Zink und Nickel hingegen fungieren als Trägermetalle und können eine Vielzahl an weiteren Metallen ausbringen. Auch wenn andere Metalle bei z. B. Kupfer in die Metallphase übergehen, kann es wieder zu hochreinem Metall raffiniert werden, was im Falle von z. B. Stahl und Aluminium nicht möglich ist. Welche Metalle kompatibel sind und gemeinsam rückgewonnen werden können oder nicht, ist in letzter Konsequenz durch thermodynamische Gesetzmäßigkeiten bestimmt. Je ähnlicher die chemischen Eigenschaften von Metallen sind, desto energieintensiver ist deren metallurgische Separation. Ab einem gewissen Punkt ist deren Trennung sogar unmöglich (Hiraki et al. 2011; Nakajima et al. 2010; Nakajima et al. 2011).

Trägermetalle wie Kupfer und das tiefe Verständnis um deren Metallurgie sind also essenziell für eine gut funktionierende Recyclinginfrastruktur. Insbesondere Markus Reuter verweist immer wieder darauf, dass die metallurgische Infrastruktur und deren optimale Vernetzung das Rückgrat des Metallrecyclings sind und nur so eine optimierte Metallausbeute erzielt werden kann (Reuter et al. 2006; Reuter und Kojo 2012; Reuter et al. 2018). So wird z. B. das Recycling von Edelmetallen aus Elektroaltgeräten, trotz deren geringsten Konzentrationen in dieser sekundären Quelle, durch die Kupfermetallurgie zu hohen Ausbeuten ermöglicht (Nakajima et al. 2010). Würde die edelmetallhaltige Fraktion der Elektroaltgeräte jedoch in der Eisenmetallurgie landen, so würden die Edelmetalle in die Schlacke dissipieren oder sich als Verunreinigung im Stahl anreichern. Die Umicore NV/SA – eines der weltweit größten Recyclingunternehmen – ist mittlerweile in der Lage, basierend auf einer Kombination der Kupfer, Blei und Nickelmetallurgie und der Nutzung dieser Metalle als Trägermetalle für zahlreiche Edel- und Technologiemetalle, über 20 Metalle aus Elektroaltgeräten zu separieren (Hagelüken 2006, 2014a).

Abbildung 2.5
figure 5

Recyclingspezifisches Metallrad bzw. Metal Wheel (Modifiziert nach Reuter et al. 2013 und Reuter et al. 2018, mit freundlicher Genehmigung der Autoren)

Die komplexen sekundären Quellen müssen durch die mechanische Aufbereitung also nicht in jedes einzelne Metall separiert werden – was wie oben gezeigt auch nicht möglich ist – sondern vielmehr in metallurgisch kompatible Metallfraktionen eingeteilt werden (Chancerel et al. 2009). Dafür ist umfangreiches metallurgisches Wissen notwendig, das im Optimalfall auch über entsprechende Informationsrückflüsse im Produktdesign und den Materialwissenschaften genutzt werden kann und sollte, um recyclinggerechter zu produzieren (van Schaik und Reuter 2010). Die existierende Technologie und Infrastruktur der Metallurgie kann und wird stetig, wenn auch über sehr lange Zeiträume, weiter verbessert und vernetzt, um höhere Metallausbeuten und weniger dissipative Verluste (siehe äußerer Ring in Abbildung 2.5) zu erzielen (Reuter 2011; Reuter und Kojo 2012). Es existieren bereits mehrere Studien, die deutliche Verbesserungspotenziale der Recyclingquoten der Metalle in EoL-Produkten wie u. a. LED Lampen und Smartphones durch bessere Vernetzungen der metallurgischen Systeme, aber auch insbesondere durch eine optimierte Abstimmung der mechanischen und metallurgischen Aufbereitung ermittelt haben (Reuter et al. 2018; Reuter und van Schaik 2015; van Schaik und Reuter 2016; Rombach und Friedrich 2019). Dennoch wird die metallurgische Aufbereitung, wie auch die mechanische, immer mit Metallverlusten verbunden sein (Castro et al. 2004). Die absoluten Grenzen des Recyclings sind durch die Thermodynamik gesteckt, an die durch die immer komplexer werdenden sekundären Quellen immer häufiger gestoßen wird (Reuter und van Schaik 2008; Gutowski 2011).