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Patientenmobilität

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Sozialraum Europa

Part of the book series: Europa – Politik – Gesellschaft ((EPG))

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Zusammenfassung

Gesundheitspolitik als ein Kernbereich staatlicher Sozialpolitik war lange Zeit eher peripherer Bestandteil eines europäischen sozialpolitischen Skriptes und vielmehr Teil der, von den Mitgliedstaaten eifersüchtig bewachten nationalen Sozialpolitik.

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Notes

  1. 1.

    Da die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nach wie vor gilt und neben den neuen Regelungen fortbesteht, kann von einer Auflösung dieser Konzentration auf Arbeitnehmer nicht die Rede sein; lediglich zeigt sich eine allmähliche Aufweichung der Ausschließlichkeit des Prinzips.

  2. 2.

    So heißt es in Art. 152,1 EGV: „Bei der Festlegung und Durchführung aller Unionspolitiken und -maßnahmen wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt.“

  3. 3.

    Der dem Vetrag von Amsterdam vorausgegangene Skandal um britisches Rindfleisch führte ebenso wie die Skandale um verseuchte Blutkonserven direkt zu einer Ausweitung der Kompetenzen der Union, die im Falle auftretender Risiken nun unmittelbar reagieren konnte. §152 bildete so in den folgenden Jahren die Grundlage für verschiedene EU-Richtlinien, wie die Blood Safety Directive (2002/98/EG) oder die Human Tissue Directive (2004/23/EG). Zudem bildete er in den folgenden Jahren die Grundlage für unterschiedliche Rahmenprogramme der EU, die über die speziellen Themenprogramme der 1980er Jahre (Krebs, Aids) weit hinausreichten und größere gemeinsame Gesundheitsstrategien vorsahen (etwa KOM (1998) 230, vom 15. April 1998).

  4. 4.

    Vgl. z. B. Art. 168 Absatz 4a AEUV; KOM (1997) 605; KOM (1997) 225.

  5. 5.

    Im Kontext der BSE-Krise wurden Fragen des Gesundheitsschutzes in Verbindung mit Lebensmittelsicherheit erstmals als Konsumentenschutz deklariert, diese in den Kontext des Binnenmarktes gestellt und damit auch für den Bereich der öffentlichen Gesundheitsvorsorge eine Handlungsbasis im Gemeinschaftsrecht definiert (vgl. KOM(97) 176; Vos 2000).

  6. 6.

    s. Verordnung 1408/71 bzw. die Nachfolge-Verordnung 883/2004, die sicherstellen, dass Wanderarbeitnehmer ihre einmal erworbenenen Sozialleistungsansprüche bei einem Wechsel des Beschäftigungslandes nicht verlieren und im Fall von Krankheit medizinische Versorgung auch im EU-Ausland gewährt wird. „Dabei gilt das Prinzip der sogenannten Sachleistungsaushilfe nach dem Territorialprinzip: Entsprechende Leistungen werden nach den Vorgaben des Landes gewährt, in dem sich der Urlauber oder Arbeitnehmer befindet. Die Leistungen werden im Besuchsland als Sachleistungen [..] erbracht und dann mit der Krankenkasse des Patienen abgerechnet.“ (Schölkopf 2010, S. 207).

  7. 7.

    Allerdings findet sich auch schon in der Verordnung 1408/71 ein Passus, wonach nach vorheriger Genehmigung des eigenen Versicherungsträgers eine medizinische Behandlung im EU-Ausland möglich sei.

  8. 8.

    Die Frage war, ob Verordnung 1408/71 auch für Rentner und deren Angehörige gelte. Danach wäre zuständiger Versicherungsstaat derjenige Staat, in dem der Lebensmittelpunkt genommen würde und nicht derjenige, von dem die Rente gezahlt wird. Zu Problemen kam es dadurch, dass medizinische Behandlungen vielfach nicht im Wohnland, sondern im Herkunftsland nachgefragt wurden, die Kosten aber der Versicherungsstaat tragen musste. In den Rechtsstreitigkeiten van der Duin und van Wegberg (C-156/01) argumentierte die spanische Regierung, dass von einer solchen Regelung besonders die Mittelmeerländer betroffen seien, da hier eine Vielzahl der Rentner anderer Staaten leben, die häufig von solchen Auslandsbehandlungen Gebrauch machten. Dies sei für das spanische Gesundheitswesen verheerend: Es bestehe die Gefahr, so die spanische Gesundheitsministerin Trinidad Jimenez, dass „Verantwortung übertragen wird von den Ländern, die Rentner exportieren, zu denen, die sie aufnehmen müssen.“ (Süddeutsche Zeitung, 02.12.2009)

  9. 9.

    So klagten bereits 1993 die selbständigen Arbeitnehmer Christian Poucet und Daniel Pistre gegen die Assurances générales de France (AGF), die Caisse mutuelle régionale du Languedoc-Roussillion und die Caisse autonome nationale de compensation, da sie keine Beiträge zur obligatorischen Sozialversicherung leisten wollten. Dabei bezogen sie sich auf die Wettbewerbsfreiheit nach Art. 85 und 86 EWGV. Demnach, so die Kläger, müsste es ihnen freigestellt sein, innerhalb der Gemeinschaft irgendeine private Versicherungsgesellschaft zu wählen und sich dort sozial zu versichern. Der EuGH hingegen urteilte, dass Krankenkassen Aufgaben ausschließlich sozialen Charakters wahrnehmen, solidarisch organisiert sind und zudem keinen Gewinn erwirtschaften, es sich ergo auch nicht um Unternehmen im Sinne des EWG-Vertrags handelt und so keine Verletzung des Wettberwerbsrechts vorliege (vgl. Urteil vom 17. Februar 1993, verbundene Rechtssachen C-159/91 und C-160/91).

  10. 10.

    Bereits in den Rechtsstreitigkeiten Luisi und Carbone gegen Ministero de Tesoro (C-26/83) hatte der EuGH klargestellt, dass die Binnenmarktfreiheit nicht nur für die Dienstleistung selbst gelte (aktive Dienstleistungsfreiheit), sondern auch für denjenigen, der diese in Anspruch nehmen möchte (passive Dienstleistungsfreiheit). Grundlegend erwies sich dies in der Frage der Geltung von Gesundheitsdienstleistungen, die demnach ebenfalls unter Art. 49 EG fallen würden. Allerdings wurden zugleich die einschlägigen Vertragsbestimmungen als für den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar befunden, da zwischen den Studenten, die sich auf Art. 49 EG berufen, und den Krankenhäusern, die die strittigen Gesundheitsdienstleistungen anbieten, keine wirtschafliche Beziehung im Sinne des Binnenmarktesvorliege (vgl. Hatzopoulos 2002a). Dies änderte sich erst grundlegend mit der Rechtsprechung in den Fällen Decker und Kohll 1998.

  11. 11.

    In einer Stellungnahme der Bundesregierung zum Fall Decker heißt es: „Zunächst ist zu berücksichtigen, daß die Gemeinschaft für den Bereich der sozialen Sicherheit keine originäre Kompetenz besitzt. Die Augestaltung der Systeme der sozialen Sicherheit obliegt dem jeweiligen Mitgliedstaat. […] Wer zur Solidargemeinschaft gehört, bestimmt sich ausschließlich nach dem jeweiligen nationalen Recht. [..] Dementsprechend ist die Frage, ob ein Erstattungsanspruch für Heil- und Hilfsmittel besteht, ausschließlich nach den nationalen Vorschriften der sozialen Sicherheit des jeweiligen Mitgliedstaates, in dem die betroffene Person versichert ist, zu beantworten.“ (Bundesregierung, Bundesrepublik Deutschland 1995, S. 3)

  12. 12.

    Dabei bezog sie sich auf bereits ergangene Urteile des EuGH, in denen dieser die Bedingungen festgelegt hatte, unter denen eine solche stationäre Auslandsbehandlung genehmigt werden muss – wenn nämlich die Behandlung zum Leistungskatalog im eigenen Land gehört und zudem die Behandlung im eigenen Land zu der Zeit, die medizinisch notwendig wäre, nicht zu erhalten ist (C-56/01 Inizan; C-157/99 Smits/ Perbooms; C-385/99 Müller-Fauré und van Riet).

  13. 13.

    Der EuGH stellt hierzu fest, dass zwar die einzelnen Mitgliedstaaten nach wie vor das Recht haben, die Organisation und insbesondere die Finanzierung ihrer je nationalen Gesundheitssysteme zu bestimmen; davon bleibt allerdings die Notwendigkeit, das Gemeinschaftsrecht zu beachten, unbenommen. Und das schließt ausdrücklich auch die Dienstleistungsfreiheit mit ein (vgl. EuGH, C-372/04, S. 92).

  14. 14.

    Vgl. Abschlussbericht der High Level Working Group vom 9.12.2003, „Reflexionsprozess auf Hoher Ebene über die Patientenmobilität und die Entwicklung der gesundheitlichen Versorgung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, SANCO-2003–03.346-02–00-DE-TRA-00 (EN); vgl. Europäische Kommission, 02.07.2008, SEC(2008) 2163.

  15. 15.

    Siehe Bericht der Expertenkommission vom Dezember 2003 (HLPR/2003/16), sowie die Reaktion der Kommission in der Mitteilung „Reaktionen auf den Reflexionsprozess auf hoher Ebene über Patientenmobilität und die Entwicklung der gesundheitlichen Versorgung in der Europäischen Union“ (KOM (2004) 301).

  16. 16.

    Die mehr als 270 eingegangenen Stellungnahmen können unter https://ec.europa.eu/health/ph_overview/co_operation/mobility/results_open_consultation_en.htm eingesehen werden. Die von einzelnen Bürgerinnen und Bürgern eingereichten Stellungnahmen geben dabei einen Überblick über die verschiedenen Problematiken der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung aus Sicht von Patientinnen und Patienten, wie Sprachprobleme, Systemunterschiede und vor allem Probleme der Rückerstattung entstandener Kosten.

  17. 17.

    Neben der öffentlichen, maßgeblich von Gewerkschaften getragenen Kritik am Vorschlag, die sich vor allem gegen ein befürchtetes Sozialdumping richtete, zeigten sich auch die Gesundheitsminister der Mitgliedstaaten wenig angetan von der Vorstellung, dass ihr Ressort zukünftig unter die Verantwortung der Generaldirektion Binnenmarkt fallen sollte.

  18. 18.

    Dies war auch Hauptargument der sozialdemokratischen Fraktion im EP, die durch den Vorstoß der Kommission eine Unterminierung nationalstaatlicher Gesundheitspolitik befürchtete und daher auf weitreichende Änderungen drang (vgl. Debatte des EP am 23.04.2009, Straßbourg. https://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=CRE&reference=20090423&secondRef=ITEM-003&language=EN&ring=A6-2009-0233; vgl. Martinsen 2009)

  19. 19.

    Vorgesehn war, dass „die Kosten für eine solche Gesundheitsversorgung in einem anderen Mitgliedstaat vom Versicherungsmitgliedstaat […] bis zu der Höhe erstattet werden, die abgedeckt wäre, wenn die gleiche oder ähnliche Gesundheitsdienstleistungen im Versicherungsmitgliedstaat erbracht worden wären [..].“ (Art. 6, 2). Ambulante Behandlungen wurden von der Pflicht zur Vorabgenehmigung entbunden (Art. 7), stationäre Behandlungen hingegen sollten unter bestimmten Bedingungen eine Vorabgenehmigung zur Kostenerstattung erforderlich machen (Art. 8, 3).

  20. 20.

    Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung. Amtsblatt der Europäischen Union L 88/45, vom 04.04.2011.

  21. 21.

    Vgl. DOK 10.026/09 und DOK 10.345/09

  22. 22.

    vgl. Rat der EU, Mitteilung an die Presse. 2947. Tagung des Rates Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz. 9721/2/09 REV 2, 8./9. Juni 2009

  23. 23.

    Vgl. Rat der EU, Mitteilung an die Presse. 2980. Tagung des Rates Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz. 16.611/1/09 REV 1, 30.11.1.12. 2009; vgl auch Süddeutsche Zeitung, 2.12.2009

  24. 24.

    So heißt es in der Richtlinie,„die Patienten können zwar auf der Grundlage dieser Richtlinie grenzüberschreitende Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nehmen, doch sind die Mitgliedstaaten nach wie vor für die Bereitstellung sicherer, hochwertiger und effizienter Gesundheitsdienstleistungen in ausreichendem Umfang für die Bürger in ihrem Hoheitsgebiet verantwortlich. Zudem sollten Patienten bei der Umsetzung dieser Richtlinie in einzelstaatliche Rechtsvorschriften und bei deren Anwendung nicht dazu ermuntert werden, Behandlungen in einem anderen als ihrem Versicherungsmitgliedstaat in Anspruch zu nehmen.“ (RL 2011/24/EU vom 9. März 2011, Absatz 4, eigene Hervorhebungen)

  25. 25.

    Vgl. hierzu etwa die Argumentation des EuGH in der Rechtssache Kohll, C-158/96, Rdn. 42, I-1948.

  26. 26.

    vgl. insbesondere Rs Kohll, Rdn. 52; KOM (2008) 414, S. 17; vgl. auch Hohnerlein 2014

  27. 27.

    Department of Health 2008: Impact Assessment on European Commission's Proposal for legislation on patient's health.

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Eigmüller, M. (2021). Patientenmobilität. In: Sozialraum Europa. Europa – Politik – Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32799-6_6

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