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Einleitung. Von der Soziologie des Geldes zu einer interdisziplinär informierten soziologischen Geldtheorie in kultur-evolutionärer Absicht

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Geld, Kognition, Vergesellschaftung. Soziologische Geldtheorie in kultur-evolutionärer Absicht
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Zusammenfassung

Das Kapitel skizziert das Programm der Monografie. Unter der Bezeichnung einer soziologischen Geldtheorie in kultur-evolutionärer Absicht geht es darum, anhand der Rekonstruktion der koevolutionären Prozesse von unter anderem Geldentwicklung, Schriftentwicklung und Rationalitätsentwicklung am historischen Material zu demonstrieren, was es bedeutet, eine Wirtschafts- und Geldsoziologie zu betreiben, die das prekäre etablierte Raster von Einbettung und Ausdifferenzierung überwindet.

Das Licht der ratio geht auf mit der Verdunkelung des eigenen Seins für die Menschen. […] Einerseits ist sie [die Ratio, H.P.], als Resultat der Verdunkelung und Entfremdung des menschlichen Seins, das Mittel, sich im Dunkeln zurechtzufinden, das Fremde zur Sache des Menschen zu machen. Andrerseits hat sie diesen rationellen Gehalt auf dem gegebenen Boden ihrer Entstehungsbedingungen, also auf dem Boden der Ausbeutung, nämlich als Mittel, innerhalb des verdinglichten und funktionalisierten Aneignungszusammenhangs die Produktion zu ermöglichen.

Alfred Sohn-Rethel (Sohn-Rethel (1978, S. 86 f.). Das Zitat stammt aus dem bereits 1937 verfassten Text Zur kritischen Liquidierung des Apriorismus: Eine materialistische Untersuchung. Sohn-Rethels Überlegungen gehen damit der in den Jahren 1939 bis 1944 verfassten Dialektik der Aufklärung von Adorno und Horkheimer – wo ähnliche Gedankengänge verfolgt werden – voraus. Bei Sohn-Rethel gibt es freilich ein Licht am Ende des Tunnels.

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Notes

  1. 1.

    Ich danke sehr herzlich Davor Löffler, Axel Paul, Joachim Schaper, Jan Sparsam sowie Franziska Trischler für die kritische Lektüre und Kommentierung vieler Teile des Manuskripts. Es war nicht möglich, alle genannten Hinweise vollständig zu berücksichtigen. Etwaige Unzulänglichkeiten und verbleibende Fehler gehen auf meine Kappe. Ferner danke ich den Mitgliedern der von der Volkswagenstiftung geförderten Projektgruppe „Die Gesellschaft nach dem Geld – Eine Simulation“. Parallel zur Arbeit an diesem Buch habe ich durch die Mitarbeit in dieser Gruppe viel Neues gelernt.

  2. 2.

    Von Literaturverweisen zu wichtigen Arbeiten aus dem Bereich der Geldsoziologie wird an dieser Stelle abgesehen, entsprechende Verweise finden sich im zweiten Kapitel.

  3. 3.

    Selbstverständlich lassen sich zivilisationsspezifische Abstraktionsweisen und Abstraktionstiefen auch ausgehend von anderen Objektbereichen verfolgen, beispielsweise entlang der Entwicklung der Mathematik oder der Technik, wo diese ebenfalls vergleichsweise offen zu Tage liegen. Der Einstieg beim Geld verdankt sich der empirisch begründeten Vermutung, dass Geld – also jeweilige Geldmedien und Geldverwendungsweisen – einen besonders prominenten Knotenpunkt darstellt.

  4. 4.

    Bammé (2020) hat jüngst mit Die vierte Singularität. Perspektiven einer soziologischen Zeitendiagnostik eine Art Fortsetzung zu Homo occidentalis abgeliefert. Das Erscheinen dieses Werks ist in die Zeit der Endredaktion des vorliegenden Bandes gefallen, sein Inhalt konnte daher nicht mehr systematisch berücksichtigt werden.

  5. 5.

    Spengler selbst benutzt noch nicht den Begriff „Formzusammenhang“, sondern spricht von einem „Zusammenhang der Form“, in dem sich jeweils ein „Kulturcharakter“ ausdrücke. Den kulturkonservativen Implikationen von Spenglers Theorie – so der Vorstellung von Kulturzyklen und damit verbunden der Annahme von Kulturen als quasi-organischen Gebilden – wird im vorliegenden Buch dezidiert nicht gefolgt. Zu Spenglers Rolle als Vorbereiter des Faschismus, trotz seiner teils vehementen Ablehnung des nationalsozialistischen Programms, siehe Thurlow (1981).

  6. 6.

    Diese Klassifizierung ist nicht als Kritik intendiert. Bammé hat eine exorbitante Menge an theoretischer sowie historisch-empirischer Literatur aus oftmals sehr verschiedenen Bereichen gesichtet, pointiert kondensiert, kompatibel gemacht und weiterverarbeitet. Er hat hierbei eine Vielzahl von Querverbindungen identifiziert und konsistent zu einem Netz von Theoriemodulen verwoben, das dann seinerseits nochmals im Sinne einer modularen Theorie arrangiert wurde. Mit der Zentralstellung des Konzepts der „Bemächtigung von Welt“ wurde zudem ein Meilenstein für eine auf interdisziplinärer Grundlage neu zu konzipierende Soziologie geliefert.

  7. 7.

    Inwieweit der gegenwärtige Mainstream innerhalb der Volkswirtschaftslehre noch als flächendeckend neoklassisch dominiert bezeichnet werden kann, ist eine eigenständige Fragestellung, der im vorliegenden Buch nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Der Stand bis vor wenigen Jahren lässt sich einigermaßen zureichend Pahl (2018) entnehmen.

  8. 8.

    In jüngster Zeit gibt es verschiedene Anzeichen für ein Revival Sohn-Rethels. Hier sei nur auf die von Oliver Schlaudt sorgfältig edierte Gesamtausgabe im Ça ira Verlag verwiesen sowie auf den Sammelband zur Philosophie der Realabstraktion von Oliva et al. (2020).

  9. 9.

    Sohn-Rethels Forschung ist für das vorliegende Buch noch aus einem zweiten Grund relevant. Die zentrale Frage, wie Formen von Handlungsrationalität und Rechenhaftigkeit, die heute als „wirtschaftlich“ klassifiziert werden, historisch-genetisch entstanden sind, wird weder seitens der Mainstream-Ökonomik noch der Neuen Wirtschaftssoziologie hinreichend beantwortet. In der Mainstream-Ökonomik wird – wie im zweiten Kapitel demonstriert wird – Rationalität nur formal thematisiert. Es werden Optimierungskalküle herangezogen, damit die favorisierten mathematischen Modelle lösbar sind und zu eindeutig bestimmbaren Gleichgewichtszuständen konvergieren. Die Neue Wirtschaftssoziologie verweist ökonomische Rationalität kategorisch in die zweite Reihe und liefert so (unfreiwillig?) weniger eine soziologische Erklärung von Rationalität als vielmehr eine Auflösung von Ökonomie in Soziales sans phrase.

  10. 10.

    Hudson (2018, S. xix) geht soweit, zu behaupten, dass der bronzezeitliche Nahe Osten als die eigentliche formative Ära unserer heutigen ökonomischen Institutionen zu betrachten ist. Die zivilisationsgeschichtliche sowie insbesondere die geldhistorische Bedeutung Mesopotamiens wurde lange Zeit in der Forschung übersehen, alle Gesellschaftsformationen, die vor der griechischen Antike lagen, galten in ökonomischer Hinsicht weithin als so primitiv, dass sie einer vertieften Analyse kaum wert seien (vgl. kritisch dazu Steinkeller 2016, S. 3). Noch heute finden sich voluminöse Abhandlungen zur Geschichte des Geldes, die die Errungenschaften Mesopotamiens nur in wenigen Sätzen erwähnen (etwa Davies 2005 sowie Ferguson 2009).

  11. 11.

    Im Zuge der Aufarbeitung des historischen Materials über Rekurs auf breit gestreute einschlägige Forschungsliteratur erfolgt zugleich eine weitere Entfaltung zentraler Komponenten der Bezugstheorien von Bammé und Löffler.

  12. 12.

    Im Kapitel zu Mesopotamien sind zudem aus Gründen einer weiteren Konturierung des diachronen Vergleichs zahlreiche Bemerkungen zu den prä-metrischen Sozialitäten und Weltverhältnissen von Wildbeuterkulturen eingeflochten.

  13. 13.

    Neben dieser umfangsbezogenen Problemlage stehen selbstverständlich auch Kapazitätsgründe einer vollständigen Abhandlung im Wege. Ebenfalls einschlägige Phänomene wie die Religionsentwicklung oder die Rechtsentwicklung konnten – mehr aus Kapazitätsgründen als aus systematischen Gründen – nur am Rande gestreift werden.

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Pahl, H. (2021). Einleitung. Von der Soziologie des Geldes zu einer interdisziplinär informierten soziologischen Geldtheorie in kultur-evolutionärer Absicht. In: Geld, Kognition, Vergesellschaftung. Soziologische Geldtheorie in kultur-evolutionärer Absicht. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32684-5_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-32684-5_1

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-32683-8

  • Online ISBN: 978-3-658-32684-5

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