Die aktuelle, immer deutlicher werdende fortschreitende Verknappung natürlicher Ressourcen und der Klimawandel sowie vermehrte Luftverschmutzung und Flächenverbrauch insbesondere in Städten lässt die Notwendigkeit einer umfassenden Transformation spürbar werden. So zeigen Konzepte wie das der planetaren Leitplanken (Rockström et al. 2009; Steffen et al. 2015, siehe Abschn. 2.1), dass sich das Erdsystem auf Veränderungen mit teilweise unvorhersehbaren Folgen zubewegt. Um diese Prozesse aufzuhalten, muss die erforderliche Transformation sowohl politische als auch gesellschaftliche Veränderungen beinhalten, neue Technologien sowie neue Werte, Normen und Handlungsroutinen. Doch wie diese Vision erreicht werden kann, ist zu großen Teilen bislang unklar – das sogenannte Transformationswissen fehlt. So wird teilweise darauf gesetzt, Unterstützung aus der Mehrheit der Gesellschaft für die Veränderungen zu erreichen und teilweise auf die Rolle von Nischenakteur*innen mit innovativen Ideen des Wandels fokussiert.

An dieser Stelle setzt die transformative Forschung an, die es zum Ziel hat, Wissen darüber zu generieren, wie eine Transformation gelingen kann sowie Transformationsprozesse zu verstehen. Dazu begleiten und initiieren die Forschenden gemeinsam mit lokalen Akteur*innen selbst Veränderungsprozesse. Dadurch sollen neue Ideen und Narrative in der Gesellschaft verbreitet und Paradigmen verändert werden, die bisher ressourcenschonende Politik und Handlungsroutinen erschweren (Schneidewind, Singer-Brodowski, Augenstein, et al. 2016; Schneidewind und Singer-Brodowski 2013; WBGU 2011, S. 23 f., siehe Abschn. 2.2.2). Indem Forschende bei diesem Ansatz selbst Transformation initiieren und unterstützen und ihre normativen Ansprüche explizit machen, gehen sie über ihre Rolle als Forschende im klassischen Sinne hinaus und werden so selbst zu institutionellen Unternehmer*innen (Campbell 2004, S. 177 f.; DiMaggio 1988, S. 14). Dabei hat die transformative Forschung mit ihrer intendierten Wirkungslogik implizit einige Gemeinsamkeiten mit dem diskursiven Institutionalismus (u. a. Campbell 2004; Schmidt 2008, 2017): Institutionelle Unternehmer*innen mit innovativen Ideen für Policies, Programme und Paradigmen – in diesem Fall mit dem Ziel einer Nachhaltigkeitstransformation – bringen diese Ideen in meist städtische Diskurse, stoßen dadurch Veränderungen an und kooperieren mit lokalen Akteur*innen.

Laut diskursivem Institutionalismus ist das Vorhandensein institutioneller Unternehmer*innen, die eine neue Idee voranbringen, eine Voraussetzung für Politikwandel. Dabei sind der Zugang zu Entscheidungsträger*innen sowie die einfache, anschlussfähige Kommunikation dieser Idee in Diskursen relevant. Darüber hinaus bieten vorhandene Krisen, die als Gefahr für die Macht- und Ressourcenverteilung wahrgenommen werden, geeignete Gelegenheitsfenster, an die die institutionellen Unternehmer*innen mit ihren Ideen anknüpfen können. Beim diskursiven Institutionalismus wird außerdem angenommen, dass Politikveränderungen nicht nur durch Ereignisse von außen ermöglicht werden, sondern auch durch intern wahrgenommene Krisen. Dadurch kann es zu Veränderungen unterschiedlicher Intensitäten kommen, die von gradueller Veränderung einzelner Policies oder der Einführung neuer Programme bis hin zu transformativem Wandel – dem Ersetzen der Paradigmen – reichen können. Teilweise findet außerdem eine langfristige Institutionalisierung der neuen Ideen statt.

Um einerseits die transformative Forschung theoretisch zu fundieren und andererseits den diskursiven Institutionalismus weiterzuentwickeln, wurden in dieser Arbeit beide Perspektiven zusammengeführt und es wurde untersucht, ob durch zwei beispielhafte transformative Forschungsprojekte und ihre geführten Diskurse bereits ein Wandel stattgefunden hat. Anhand von zwei Fallbeispielen aus dem Kontext der Wuppertaler Transformationsforschung wurden Ideen, Akteur*innen, Diskurse und Prozesse untersucht.

Dazu wurden aus der Theorie des diskursiven Institutionalismus Prognosen dazu herausgearbeitet, welche Entwicklungen in den beiden Fällen zu erwarten sind und anschließend im Rahmen einer Kongruenzanalyse mit den Beobachtungen in der Empirie abgeglichen. Die Datenbasis stellten Expert*inneninterviews und Dokumente dar, die mithilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse hinsichtlich ihres Inhaltes sowie mithilfe einer Dokumentenanalyse in Bezug auf ihre Entstehungszusammenhänge untersucht wurden (siehe Kap. 3). Daneben wurden die Transformationsverständnisse des Untersuchungsgegenstandes der transformativen Forschung, der eng damit verbundenen Transition-Forschung sowie dem diskursiven Institutionalismus verglichen, um später den diskursiven Institutionalismus mithilfe einiger Thesen der transformativen und der Transition-Forschung weiterzuentwickeln.

Die Analyse kam zu dem Ergebnis, dass innerhalb des Untersuchungszeitraumes von drei Jahren bereits kleine Veränderungen stattgefunden haben (siehe Abschn. 5.3.3). Es wurden neue Diskurse angestoßen und einige der Ideen sind in Stadtverwaltung und Bürgerschaft hinein diffundiert. Die neuen Paradigmen, die Grundlage einer umweltverträglichen Gesellschaft ohne den Anspruch dauerhaften Wirtschaftswachstums sein sollten, wurden kaum verbreitet. Dadurch hat gradueller Wandel teilweise stattgefunden, also die Umsetzung kleiner neuer Policies. Eine Transformation konnte bislang jedoch keiner der beiden Fälle anstoßen.

Die Forschenden und ihre Organisationen wurden als institutionelle Unternehmer*innen und im Sinne epistemischer Gemeinschaften (Campbell 2004, S. 106 f.; Haas 1992, S. 3 f., 27–29, siehe Abschn. 5.3.1) wahrgenommen, als Berater*innen kontaktiert und in städtische Gremiensitzungen eingeladen. Dass sie gut über die Prozesse in der Stadt informiert waren, ermöglichte es ihnen, konkrete Gelegenheitsfenster zu nutzen und daran anzuknüpfen. Aus der Analyse konnten einige Handlungsempfehlungen abgeleitet werden, die transformative Forschungsprojekte in Zukunft erfolgversprechender machen würden sowie die zentralen Thesen des diskursiven Institutionalismus weiterentwickelt werden.

Bezüglich der theoretischen Weiterentwicklung (siehe Abschn. 6.1) soll hier insbesondere hervorgehoben werden, wie die unterschiedlichen Grade der Veränderung von einer Diffusion der Ideen über Wandel erster und zweiter Ordnung bis hin zu einer erfolgreichen Transformation zusammenhängen. Im Kontext der Transformationsforschung ist zwar die Annahme verbreitet, dass ein transformativer Wandel grundlegender Ideen in Politik und Gesellschaft notwendig ist, doch trotzdem werden meist nur kleine Veränderungen und inkrementeller Wandel initiiert, statt radikale Veränderungen umzusetzen. Dem liegt der Glaube zugrunde, dass inkrementelle Veränderungen sich langfristig zu transformativem Wandel aufsummieren (Brand 2016, S. 24, siehe Abschn. 3.5).

Die Analyse hat allerdings gezeigt, dass die drei Grade des Wandels in den meisten Fällen nicht nacheinander durchlaufen werden, gradueller Wandel also selten nach und nach zu einer Transformation akkumuliert. Die Ergebnisse dieser Arbeit deuten darauf hin, dass ein gradueller Wandel, also die Einführung neuer Policies und Programme zu einer Transformation nur insoweit beiträgt, wenn die im Hintergrund liegenden radikalen Paradigmen ebenfalls explizit gemacht werden. Werden lediglich die neuen Policies und Programme formuliert und die Paradigmen nicht explizit gemacht, ist es unwahrscheinlich, dass die drei Grade des Wandels nacheinander erreicht werden. Wahrscheinlicher ist, dass die Veränderung nach der Einführung der neuen Policies und Programme endet. Um die alternativen Paradigmen verständlich zu kommunizieren, ist es hilfreich, diese zunächst in kleinen Nischen zu etablieren und erst im nächsten Schritt zu verbreiten. Dazu gehört auch eine Kritik bestehender Paradigmen.

Bei der Kommunikation der Ideen in den Diskursen zeigte sich außerdem, dass eine enge Kooperation mit Akteur*innen, die als Framer*innen und Vermittler*innen agieren können, zielführend ist. Diese sollen nicht nur die neuen Vorschläge für Policies und Programme teilen und verbreiten, sondern ebenso die neuen Paradigmen. Eine Formulierung der Ideen in einer anschlussfähigen und kontextspezifischen Art und Weise, aber ohne Abschwächung ihres Transformationspotenzials, ist ein herausfordernder Balanceakt. Dabei ist eine Verbreitung in die Bevölkerung hinein zielführend, eine konkrete Ansprache der Entscheidungsträger*innen jedoch noch zentraler. Für diese Kooperation mit anderen Akteur*innen zeigte sich, dass die institutionellen Unternehmer*innen über tiefe Netzwerke verfügen müssen, in denen sie mit den Netzwerkpartner*innen Erwartungen teilen und über Ressourcen verfügen.

Daneben konnte in dieser Arbeit eine weitere Voraussetzung für Wandel genauer ausdifferenziert werden. So müssen laut diskursivem Institutionalismus Krisen vorhanden sein, um bei den Entscheidungsträger*innen eine Offenheit gegenüber einer Veränderung zu erreichen. Die Analyse zeigte jedoch, dass als Gelegenheitsfenster in diesem Sinne sowohl wahrgenommene Krisen dienen können, als auch institutionelle Veränderungen. Krisen eignen sich dazu nur, wenn sie von kurzer Dauer sind im Gegensatz zur Phase der Stabilität und daher von den Entscheidungsträger*innen als akute Gefährdung wahrgenommen werden. Längerfristige Strukturprobleme eignen sich hier nicht. Hier konnte die Definition von Krisen also verfeinert werden als von den Entscheidungsträger*innen wahrgenommene kurzfristige, akute Gefährdung für die aktuelle Macht- und Ressourcenverteilung, die die Suche nach neuen Lösungen erfordert (siehe Abschn. 6.1.4). Andere institutionelle Veränderungen eignen sich dann besonders gut als Gelegenheitsfenster, wenn neu geschaffene Institutionen oder neues Personal noch offen für Ideen von außen sind oder wenn Synergien genutzt und Ressourcen durch die Zusammenarbeit mit den institutionellen Unternehmer*innen eingespart werden können.

Weiterhin konnte überprüft werden, ob der diskursive Institutionalismus sich für die Analyse von Veränderungen auf der lokalen Ebene eignet und ob überhaupt Paradigmenwechsel im räumlichen Radius einer Stadt möglich sind. Aus der Literatur zu urbanen Transformationsprozessen und Stadtsoziologie wurde herausgefunden, dass es in Städten unterschiedliche Krisendefinitionen, Lösungsstrategien und Diskurse gibt und sich durchaus eigenständig neue Paradigmen entwickeln und verbreiten können (siehe Abschn. 2.3).

Schlussfolgernd aus der Analyse konnten Empfehlungen für zukünftige transformative Forschungsprojekte abgeleitet werden (siehe Abschn. 6.2). Insbesondere soll hier hervorgehoben werden, dass sich der lokale Kontext sehr gut eignet, wenn die Forschenden dort über gute Reputation, tiefe Netzwerke und Wissen über lokale Prozesse verfügen. Die transformativen Forschenden müssen im Laufe des Forschungsprozesses auf aufkommende Gelegenheitsfenster reagieren, um ihre transformativen Ideen in städtische Diskurse zu integrieren und als konkrete Lösungswege zu kommunizieren. Daher ist eine gewisse Flexibilität vorteilhaft, weshalb nicht alle Schritte des Forschungsprojektes bereits im Voraus festgelegt werden sollten.

Die Forschenden müssen mit ihren Ideen als konkrete Lösungsvorschläge an Prozesse anknüpfen und die Ideen aller drei Ebenen – Policies, Programme und Paradigmen – klar formulieren. Transformative Forschungsprojekte sollten daher in Zukunft noch gezielter kommunizieren, wie die Entscheidungsträger*innen von den Ideen profitieren können, beispielsweise durch die Vergrößerung ihrer Macht und wie sie diese gewinnbringend nutzen können. Dies geschieht nur, wenn die Entscheidungsträger*innen selbst eine grundlegende Krise wahrnehmen, die sie als ihre Paradigmen infragestellend empfinden und so offen für fundamentalen Wandel sind. Aus den an die Entscheidungsträger*innen kommunizierten alternativen Paradigmen müssen dann wiederum konkrete Programme und Policies hergeleitet werden, die an die wahrgenommenen Krisen gut anknüpfen können und trotzdem umsetzbar erscheinen. Hierzu ist die enge Kooperation mit weiteren Akteur*innen notwendig. Diese sollten die Policies und Programme so übersetzen, dass der Bezug zum eigentlichen Paradigma und das Transformationspotenzial nicht eingebüßt werden. Transformative Forschende benötigen daher enge Verbindungen zu Akteur*innen, die als Vermittler*innen und Framer*innen die Ideen verständlich verbreiten können.

Wie genau dies am besten gelingt und wie Paradigmen aus radikalen Nischen diffundieren können, dazu besteht noch weiterer Forschungsbedarf. Bei diesen Fragen könnte auf Erkenntnissen aus dem Bereich der Transition-Forschung zurückgegriffen und diese weiterentwickelt werden (u. a. von Wirth et al. 2019). Daneben sollte genauer untersucht werden, auf welche Dauer transformative Forschungsprozesse angelegt sein müssten, um die Chance eines transformativen Wandels zu steigern und wie sich dies mit den aktuellen Praktiken der Forschungsförderung vereinbaren ließe. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wie radikal die Forschenden dabei in der Formulierung ihrer neuen Paradigmen sein können, ohne ihr Ansehen als epistemische Gemeinschaft zu gefährden. Diese Aspekte sind jedoch nicht mehr Teil dieses Buches, sondern stellen mögliche Forschungsfragen für die weitere Entwicklung transformativer Forschung dar.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in dieser Arbeit sowohl ein Beitrag zur Weiterentwicklung des diskursiven Institutionalismus geleistet werden konnte als auch praktische Empfehlungen für transformative Forschung gegeben wurden: Bezüglich der Theorie konnten die Voraussetzungen für Transformation und die Definition von Gelegenheitsfenstern für Politikwandel verfeinert und neue Erkenntnisse bezüglich des Zusammenhangs zwischen graduellem und transformativem Wandel gewonnen werden. Im Hinblick auf die Praxisempfehlungen zeigt sich, dass der Ansatz transformativer Forschung durchaus erfolgversprechend ist, wenn einige Aspekte beachtet werden, so insbesondere die Kooperation mit lokalen Akteur*innen sowie die explizite Kommunikation der alternativen Paradigmen. Auch wenn ein Anstoßen von Transformation innerhalb von kurzen Projektlaufzeiten unwahrscheinlich ist, so kann Wissenschaft in längerfristigen Prozessen als institutionelle Unternehmerin wichtige Beiträge zu städtischen Transformationsdiskursen und der Verbreitung neuer Paradigmen leisten.