7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse

Das Ziel der Dissertation (siehe auch Abb. 7.1) war ein Modell zur internationalen Zielmarktanalyse und Vertriebsentwicklung zu entwerfen und Unternehmen Methodiken und Fallbeispiele zur Implementierung des Modells aufzuzeigen.

Abb. 7.1
figure 1

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Minto 1987, S. 9)

Forschungsfragen der Dissertation.

Mit Hilfe des entwickelten Modells, dem ISA-Modell, ist ein ganzheitliches Internationalisierungsprozessmodell entstanden. Durch Interviews mit Geschäftsführern, Business Development und Sales Managern in den unterschiedlichsten Industrien und in vier ausgewählten Ländern wurde eine breite Basis an Informationen gesammelt, um ein Modell zu entwickeln, das sowohl für Industriegüter, Konsumgüter- und Dienstleistungsunternehmen von Nutzen ist. Zudem wurden Unternehmen aus Industrie- und Schwellenländern befragt, um sicherzustellen, dass das Internationalisierungsprozessmodell auch die Internationalisierungsmuster von Unternehmen unabhängig von einem Ländermarkt abbildet.

Die Forschungsoberfrage kann mit dem ISA-Modell und dem in Kapitel 5 vorgestellten Schnell-Check zur Einschätzung des eigenen Internationalisierungsmusters und dem Rad der Implementierung beantwortet werden. Die erste Forschungsunterfrage wird mit der in Kapitel 2 aufgezeigten Literatur zu den Bausteinen 1–3, der Synopse zur Internationalen Marktauswahl (siehe Abschnitt 5.1) und der Auswertungsergebnisse zur strategischen Zielmarktanalyse (siehe Abschnitt 3) beantwortet. Die zweite Forschungsunterfrage wird ebenfalls mit der in Kapitel 3 aufgezeigten Literatur zu den Bausteinen 4–7 und den in Kapitel 4 dargestellten Auswertungsergebnissen beantwortet. In Kapitel 5 wurde dann der theoretische Teil mit dem praktischen Teil verknüpft und Rückschlüsse auf die Implementierung des ISA-Modells gezogen. Dazu wird das Rad der Implementierung des ISA-Modell als Business Development und Vertriebsprozess-Tool vorgestellt.

Neben der Erreichung der Beantwortung der Forschungsfragen, können einige der in Kapitel 2 aufgezeigten Forschungslücken im internationalen Vertriebsmanagement gefüllt werden. Zum Beispiel wurde ein großer Teil der Forschung zu dem Thema in Ländern und mit Unternehmen außerhalb der USA durchgeführt sowie ein neues Modell zum internationalen Vertrieb entwickelt, wie zum Beispiel Baldauf & Lee es gefordert habenFootnote 1. Panagopoulos et al. haben ebenfalls Forschungslücken im Vertrieb in Schwellenländern identifiziertFootnote 2. Diese Forschungslücken können mit Hilfe der vorliegenden Fallstudien in China und Mexiko aufgefüllt werden. Zudem wurden mit dem Internationalisierungsprozess-Modell, d. h. dem ISA-Modell, erste Erkenntnisse zum Schnittstellenmanagement zwischen den Abteilungen Business Development und Vertrieb aufgezeigt, wie z. B. Wagner & Szymura-Tyl in ihrem Aufsatz fordernFootnote 3.

Um auf das Eingangszitat von Seneca zurückzukommen, so ist es mit dem ISA-Modell möglich „die Segel richtig zu setzen“, um in einen ausgewählten Hafen zu gelangen und dort die ersten Vertriebsstrukturen aufzubauen. Das ISA-Modell macht somit ein systematisches Vorgehen bei individuellen Internationalisierungsmustern implementierbar. Darüber hinaus ist es praxisorientiert geschrieben und dadurch auch für Personen, die sich mit Internationalisierungsthemen noch nicht auskennen gut geeignet und schnell und verständlich anwendbar.

7.2 Empfehlungen für die Weiterentwicklung des International Sales Accelerator Modells

Eine der wichtigsten Weiterentwicklungen des ISA-Modells wäre eine Operationalisierung der ISA-Modell Bausteine. Durch eine quantitative Follow-up Studie zum ISA-Modell könnten neue Erkenntnisse über den Internationalisierungsprozess von Unternehmen gewonnen werden. Zur Weiterentwicklung des ISA-Modells wäre eine Quantifizierung der Hypothesen (siehe Tab. 7.1 und Tab. 7.2) interessant.

Tab. 7.1 Hypothesen für die Operationalisierung der Bausteine des ISA-Modells

Die Hypothesen zu Tab. 7.1 leiten sich aus den Lessons Learned der empirischen Ergebnisse in den Kapiteln 3 und 4 ab. Die in der folgenden Tab. 7.2 dargestellten Hypothesen sind allgemeinere Hypothesen zum ISA-Modell. Mit allen Hypothesen soll eine Überleitung von der Strategieprozessforschung hin zur Strategieinhaltsforschung eingeleitet werdenFootnote 4.

„Die Strategieprozessforschung beschäftigt sich vor allem mit der Frage, wie der Prozess der Strategieformulierung und -umsetzung abläuft bzw. ablaufen sollte. […] Eine zentrale Rolle im Rahmen der Strategieinhaltsforschung nehmen Studien ein, die sich mit Erfolg und Erfolgsursachen unterschiedlicher Strategien auseinandersetzen.“Footnote 5

Im Konkreten kann das ISA-Modell der Strategieprozessforschung zugeordnet werden. Folgestudien zum ISA-Modell sollten sich mit der Strategieinhaltsforschung, d. h. Erfolgsfaktoren im ISA-Modell beschäftigten. Dabei gilt es herauszufinden, wie regelmäßig die in Kapitel 3 und 4 beschrieben Tätigkeiten von Managern durchgeführt werden müssen, um einen Erfolg in den einzelnen Bausteinen zu erzielen. Die Regelmäßigkeit kann z. B. täglich, wöchentlich, monatlich oder jährlich bedeuten. Den Erfolg eines Unternehmens kann z. B. am Auslandsumsatz gemessen werden oder wie reibungslos ein Markteintritt in einen bestimmten Zielmarkt verläuft.

Tab. 7.2 Weitere Hypothesen für die allgemeine Operationalisierung des ISA-Modells

In Tab. 7.2 werden Hypothesen für die allgemeine Operationalisierung des ISA-Modells dargestellt. Mit H 8 z. B. wird angenommen, dass Unternehmen, die alle Bausteine anwenden, erfolgreicher sind als Unternehmen, die nur wenige Bausteine anwenden. Die ersten Auswertungsergebnisse (siehe Abschnitt 5.1) deuten stark daraufhin, dass KMUs weniger Bausteine umsetzen als GUs und deshalb weniger erfolgreich bei der Erschließung von Auslandsmärkten sind. KMUs, die jedoch mehr Bausteine anwenden als andere KMUs, haben einen größeren Auslandsumsatz, d. h. sie sind erfolgreicherFootnote 6. H 9 stellt die Hypothese auf, dass das ISA-Modell für alle Unternehmen – egal aus welchem Land – Gültigkeit besitzt. Die Interviews mit Unternehmen aus SchwellenländernFootnote 7 deuten darauf hin, dass die Bausteine des ISA-Modells auch für mexikanische oder chinesische Unternehmen Anwendung finden. Mit H 10 wird auf die Industrie der Unternehmen angespielt. Auch hier wird eine Gültigkeit unabhängig von der Art der Industrie – Industriegüter, Konsumgüter und Dienstleistungsunternehmen – angenommenFootnote 8.

7.3 Limitierungen und Ausblick auf zukünftigen Forschungsbedarf

Beim Thema internationale Zielmarktauswahl herrscht eine große Lücke zwischen Theorie und Praxis. Viele Manager und Geschäftsführer verlassen sich bei der internationalen Marktauswahl auf einige wenige FaktorenFootnote 9, wohingegen in der Forschung der Trend zu erkennen ist, immer größeren Mengen an Faktoren mit Daten zu unterfütternFootnote 10. Auf der einen Seite haben Praktiker keine Zeit über Monate Daten zu sammeln, um einen neuen Markt auszuwählen. Auf der anderen Seite haben Forscher immer mehr Möglichkeiten Daten zu sammeln und immer größere Datensätze auszuwerten. Beide Seiten sollten sich annähern. Die Forschung muss geeignete Modelle zur Marktauswahl für Praktiker entwickeln, die diese ohne größeren Aufwand benutzen können. Mit dem vorliegenden ISA-Modell ist ein solches Modell zur Marktauswahl und Aufbau von Vertriebsstrukturen entwickelt worden. Die entwickelte Methodik lässt sich schnell umsetzen.

Zukünftige Forschungsarbeiten sollten am Rad der Implementierung des ISA-Modells ansetzen und weitere konkrete Tätigkeitsfelder zu den einzelnen Bausteinen des ISA-Modells identifizieren. Darüber hinaus sollte die Gewichtung der Tätigkeitsfelder im Schnell-Check zur Einschätzung des eigenen Internationalisierungsmusters empirisch getestet werden, um die erfolgreichsten Tätigkeitsfelder zu identifizieren und diesen letztendlich auch mehr Gewicht bei der Einstufung des eigenen Internationalisierungsmusters zu verleihen.

Ein weiterer Forschungsbedarf besteht im Hinblick auf die Internationalisierungsmuster von Unternehmen aus Entwicklungs- und Schwellenländern. In der vorliegenden Dissertation wurden hauptsächlich Internationalisierungsmuster von Unternehmen aus Industrieländern in Industrie- und Schwellenländer analysiert. In zwei Fallstudien in Kapitel 6 werden aber Internationalisierungsmuster von Unternehmen aus Schwellenländern in Schwellenländer dargestellt. Weitere interessante Erkenntnisse können Fallstudien bzw. Analysen von Internationalisierungsmustern von Unternehmen aus Schwellenländern oder Entwicklungsländern in Industrieländer darstellen. Ein erstes Interview dazu wurde bereits mit einem chinesischen Unternehmen durchgeführt, welches in den deutschen Markt eingetreten istFootnote 11. Interessant wären aber auch Unternehmen aus Entwicklungsländern, die in Industrieländer eingetreten sind.

Die Export-Gap Analyse ist aufgrund fehlender HS Codes für Dienstleistungen nicht anwendbar. Außerdem gibt es eine logische Limitierung bei der Export-Gap Analyse. Unternehmen können auch vor Ort produzieren. Eine Zielmarktauswahl erfolgt dann aufgrund anderer wie in Abschnitt 3.2 beschriebenen Auswahlkriterien. Weiterhin beruht die Export-Gap Analyse auf vergangenheitsbasierten Daten. Eine 100 % Prognose über zukünftige Exportvolumen kann mit keinem bisherig bekannten Prognoseverfahren erreicht werden.

Weiterhin besteht Forschungsbedarf im Hinblick auf die Produktentwicklung beim Markteintritt in ausländische Märkte. In manchen Interviews wurde berichtet, dass die Unternehmen die Produkte für die Märkte anpassen müssenFootnote 12. Einige Unternehmen aus Industrieländern können ihre Produkte erst in Schwellenländern durch eine weniger komplexe und dadurch günstigere Ausgabe verkaufenFootnote 13. Interessanterweise erschaffen manche Unternehmen Innovationen für einen Auslandsmarkt. Anschließend führen sie die veränderten und günstigeren Produkte im Heimatmarkt wieder ein.Footnote 14 Hierzu wäre es interessant Fallstudien von Unternehmen zu erarbeiten, die mit den komplett im Auslandmarkt entwickelten Innovationen auf den Heimatmarkt zurückkehren.