6.1 Fallstudie «Zielmarktanalyse in der Umwelttechnikindustrie»

Die vorliegende Fallstudie soll zeigen, wie sich Unternehmen, die am Anfang der Entwicklung eines eigenen Internationalisierungsmusters stehen, einen ersten Überblick über stark wachsende Weltmarktregionen und Zielmärkte in ihrer Industrie verschaffen können und wie sie im Anschluss erste Markteintrittspunkte zu den Zielmärkten sammeln können.

Zunächst werden dazu die Grundlagen für eine Zielmarktanalyse basierend auf einer Industrieanalyse gelegt (siehe Abschnitt 6.1.1). Anhand von Codenummern des harmonisierten Systems der Weltzollorganisation wird die Umwelttechnikindustrie von anderen abgegrenzt und segmentiert. Darüber hinaus werden kurz die wichtigsten Handelskennzahlen zur strategischen Handelsdatenanalyse vorgestellt und eine eigenständig weiterentwickelte Methodik für die Prognose von Export-/ Importdaten erläutert. Danach wird mit Hilfe von echten Handelsdaten beispielhaft aufgezeigt, wie Unternehmen in den Bausteinen 1–3 des ISA-Modells vorgehen könnten (siehe Abschnitt 6.1.2).

6.1.1 Zur Segmentierung der Umwelttechnikindustrie und zur Entwicklung einer eigenen Methodik zur Auswahl von Zielmärkten

Die Umwelttechnikindustrie ist eine interdisziplinäre Querschnittsindustrie, d. h. Umweltschutzgüter (im Nachfolgenden bezeichnet als USG) werden von unterschiedlichen Industrien produziert und vertriebenFootnote 1. Diese Verstreuung der Industrie auf mehrere Industrien ist eine Herausforderung für Statistiker und WissenschaftlerFootnote 2. Eine Abgrenzung der Industrie ist aber nötig, um genaue Aussagen über z. B. Marktvolumen oder Handelsvolumen einzelner Segmente der Umwelttechnikindustrie treffen zu können. Büchele et al. schätzen, dass das weltweite Marktvolumen in grünen Leitmärkten von 2.536 Mrd. EUR im Jahr 2013 auf 5.385 Mrd. EUR im Jahr 2025 anwachsen wirdFootnote 3. In Tab. 6.1 sind die wichtigsten Ansätze zur Segmentierung der Umwelttechnikindustrie aufgelistet. Aufgrund der fehlenden Verbindung zu einer Handelsklassifikation kommt Büchele et al.’s Segmentierungsansatz für eine internationale Export-/ Import-Länderwettbewerbsanalyse in der Umwelttechnikindustrie nicht in Frage. Zudem grenzt die Studie von Büchele et al. die Luftreinhaltung nicht konkret genug von anderen Segmenten ab. Die Luftreinhaltung ist bei Büchele et al. nur ein Untersegment des Segmentes Materialeffizienz.Footnote 4 Steenblik fasst in seinem Aufsatz zwei Listen von APEC und OECD zusammen und klassifiziert die USG in drei unterschiedliche Gruppen (siehe Tab. 6.1)Footnote 5. Dennoch ist die Auflistung der Codenummern des harmonisierten Systems der Weltzollorganisation (HS-Codes), z. B. für den Lärmschutz, nicht so umfangreich wie die Güterproduktionsnummern (GP-Nummern) von Gehrke et al.Footnote 6

Tab. 6.1 Vergleich von Abgrenzungs- und Segmentierungsansätzen in der Umwelttechnikindustrie

Der Ansatz von Gehrke et al. hat für die vorliegende Dissertation einen entscheidenden Vorteil, da mit Hilfe der PRODCOM List 2015Footnote 7 die GP-Nummern in HS 2012 Codes umgewandelt werden können. Die HS Codes werden benötigt, um bei der United Nations Comtrade Datenbank für die einzelnen Segmente der Umwelttechnik die Export- und Importhandelsvolumen abzufragenFootnote 8. Die United Nations Comtrade Datenbank wird von der United Nations Statistics Division bereitgestelltFootnote 9. Für Jahrgänge vor 2012 empfiehlt es sich die HS 2012 Codes z. B. in HS 2002 Codes umzuwandeln, um auch Ergebnisse für die Jahre ab 2002 abfragen zu können. Die Umwandlung erfolgt anhand sogenannter KorrelationstabellenFootnote 10. Die letztendlich verwendeten HS Codes können im Anhang zur Fallstudie (siehe auch Tab. 6.12) pro Segment eingesehen werden. Mit Hilfe von Handelskennzahlen und den beschriebenen HS Codes kann die Bedeutung und Entwicklung von Ländern in bestimmten Industrien dargestellt werden und eine nationale sowie internationale Einordnung stattfinden.Footnote 11 Auf die Umwelttechnikindustrie und ihre Segmente werden die nachfolgenden Kennzahlen angewandtFootnote 12:

Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate (in Englisch: Compound Average Growth Rate (im Nachfolgenden bezeichnet als CAGR):

$$\mathrm{CAGR}(\mathrm{\%}) = \left[{\left(\frac{{\text{C}}_{\text{t}}}{{\text{C}}_{0}}\right)}^{\frac{1}{{\text{t}}}}-{1}\right]\text{*100}$$

Für Ct werden die Export- bzw. Importwerte aus dem letzten Jahr des betrachteten Zeitraums (2016) genutzt, für C0 diejenigen aus dem Basisjahr (2012). Dabei steht t für die Anzahl der Perioden. Von 2012 bis 2016 gilt t = 5.Footnote 13 Hat China z. B. eine CAGR von 9 % in der Abfall- und Kreislaufwirtschaft bedeutet das, dass Chinas Exporte in dem Segment in den letzten fünf Jahren durchschnittlich um 9 % gewachsen sind. Das bedeutet nicht, dass die Exporte jährlich mit 9 % gewachsen sind. Die CAGR gibt die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate im betrachteten Zeitraum an.

Weiterhin wurde mit Hilfe der Kennzahl Export Performance (auch normierte Außenhandelsbilanz genanntFootnote 14), die Exportvolumen der Länder in den einzelnen Segmenten beurteilt.

Die Export Performance wird folgendermaßen berechnetFootnote 15:

$$\mathrm{Export \,Performance }= \frac{{\text{Exporte}} \, - \, {\text{Importe}}}{{\text{Exporte}} \, \text{+} \, {\text{Importe}}}$$

Die Export Performance kann Werte zwischen −1 und 1 annehmen. Ist die Export Performance positiv, bedeutet das, dass die heimische Industrie mehr exportiert als sie importiert. Bei einem Wert von 1 hätte das betrachtete Land nichts in diesem Segment importiert. Ist die Export Performance dagegen negativ, bedeutet das, dass die heimische Industrie weniger exportiert als sie importiert. Bei einem Wert von −1 hätte das betrachtete Land nichts in diesem Segment exportiert. Um eine Aussage über die Entwicklung der Export Performance eines Landes treffen zu können, wurden die Export- und Importvolumen in einem Zeitraum von 10 Jahren betrachtet. Derselbe Zeitraum, 2008 bis 2017, wurde für die anschließende Export-GAP Analyse gewählt. Die Export-Gap-Analyse, welche auch vom U.S. Handelsministerium in Veröffentlichungen zur Unterstützung der heimischen Industrie verwendet wird,Footnote 16 wurde für die vorliegende Fallstudie abgeändert. Zum einen enthält die nachfolgende Analyse durch die Vorarbeiten zur Abgrenzung der Industrie nicht nur ein Proxy HS CodeFootnote 17, sondern alle für das Segmente bzw. die Industrie relevanten HS CodesFootnote 18. Zum anderen wird anstelle eines Gravitationsmodells eine Zeitreihenanalyse/ Regressionsanalyse zur Prognose zukünftiger Handelsdaten verwendet. Der Grund dafür ist, dass die Analyse für Unternehmen möglichst einfach umzusetzen sein sollte. Ein Gravitationsmodell benötigt wesentlich mehr Daten und ZeitFootnote 19. Außerdem sollten die Zielmärkte immer mit weiteren Quellen verglichen und überprüft werden.

Für die Analyse von Zielmärkten anhand von Handelsdaten bietet sich z. B. die Zeitreihenanalyse-Methode an. Dabei sind Zeitreihenanalysen Anwendungsgebiete von RegressionsanalysenFootnote 20. Backhaus et al. haben eine allgemeine Vorgehensweise bei Zeitreihenanalysen definiert, wonach die Analysen in dieser Fallstudie stattfinden (siehe Abb. 6.1)Footnote 21.

Abb. 6.1
figure 1

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Backhaus et al. 2016, S. 140)

Vorgehensweise bei Zeitreihenanalysen.

Zunächst wurde mit Hilfe der Software SPSS Statistics die Zeitreihe visualisiert. Anschließend wurde das Modell formuliert:

$$\mathrm{Y}\hspace{0.17em}=\hspace{0.17em}\mathrm{A}\hspace{0.17em}+\hspace{0.17em}\mathrm{K}\hspace{0.17em}+\hspace{0.17em}\mathrm{S}\hspace{0.17em}+\hspace{0.17em}\mathrm{u}$$

Y = Prognosevariable mit den Werten (y1, y2, y3, …yt, …yT)

A = Trendkomponente

K = Konjunkturkomponente

S = Saisonkomponente

u = zufällige Komponente (Störgröße)Footnote 22

Da keine zyklischen Komponenten aus der Visualisierung der Zeitreihe zu erkennen waren, konnte das Zeitreihenmodell auf die folgende Gleichung reduziert werdenFootnote 23:

$$\mathrm{Y}=\mathrm{A}+\mathrm{u}$$

Außerdem wurde ein linearer Trendverlauf angenommen. Dadurch entstand folgendes lineare TrendmodellFootnote 24:

$$\mathrm{Y }=\mathrm{ a }+\mathrm{ b }*\mathrm{ t }+\mathrm{ u}$$

Die Werte a und b sind unbekannte Parameter, welche mit Hilfe einer linearen Regression über SPSS Statistics geschätzt wurden. SPSS Statistics verwendet dazu die Methode der kleinsten Quadrate. Anschließend konnten die Prognosen erstellt werden, die für die Export-Gap Analyse benötigt wurden. Die Güte der Prognose kann anhand von R2 abgelesen werden. Das R2 kann dabei Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Je näher die Werte an der 1 liegen, desto besser die Prognose.Footnote 25

Eine Beispielrechnung:

Lineares Regressionsergebnis für die Exporte Deutschlands an die Tschechische Republik im Segment der Luftreinhaltung:

Y (t) = $−3.160.000.000.000 + $157.478.014,2*2021

Y (2021) = $ 2.263.066.698

R2 = 0,851

6.1.2 Zur Anwendung der Handelsdaten zur strategischen Zielmarktanalyse

Zur Segmentierung und Auswahl einer Weltmarktregion

Mit Hilfe, der in Abschnitt 6.1.1 beschriebenen HS-Codes und Handelskennzahlen lassen sich die Weltmarktregionen für eine bestimmte Industrie, ein bestimmtes Segment sowie eine bestimmte Produktgruppe analysieren. Abb. 6.2 zeigt die Ergebnisse einer Import-Weltmarktanalyse über die gesamte Umwelttechnikindustrie in der Periode 2012–2016. Demnach verzeichnet lediglich Asien ein positives durchschnittliches jährliches Wachstum von 0,6 %. Das Importhandelsvolumen der Regionen Afrika, Amerika, Europa und Ozeanien dagegen sank im betrachteten Zeitraum um −0,8 %, −0,1 %, −1,1 % und −5,4 %. Aus der Import-Weltmarktanalyse lassen sich zudem die Länder mit dem größten CAGR der vergangenen Jahre erkennen. Diese Länder sind z. B. die Seychellen mit 24,0 %, Myanmar mit 25,7 % und die Zentralafrikanische Republik mit 28,7 % (siehe Tab. 6.13 im Anhang zur Fallstudie). Allerdings ist das Import-Handelsvolumen der stärksten durchschnittlichen jährlichen gewachsenen Länder im Vergleich zu den Import-Handelsvolumen von den USA, China und Deutschland relativ gering (siehe Tab. 6.13 im Anhang zur Fallstudie). Abb. 6.2 kann daher nur als erste Einschätzung zu Weltmarktwachstumsregionen herhalten.

Abb. 6.2
figure 2

(Quelle: Eigene Darstellung basierend auf einer eigenen Datenanalyse aus der United Nations Comtrade Databank 2018)

Import-Weltmarktanalyse über die gesamte Umwelttechnikindustrie.

Werden die Ergebnisse der Import-Weltmarktanalyse mit den Ergebnissen der Export-Weltmarktanalyse (siehe Abb. 6.3) verglichen, fällt auf, dass die durchschnittlichen jährlichen Wachstumsraten im betrachteten Zeitraum allesamt negativ ausfallen. Die Weltmarktregion Afrika schrumpfte in der betrachteten Periode am stärksten, und zwar um −5,0 %. Danach folgt Ozeanien mit −4,4 %, Europa mit −1,1 %, Asien mit −0,6 % und Amerika mit −0,5 %. Wie in der Import-Weltmarktanalyse lassen sich die stärksten durchschnittlichen jährlichen gewachsenen Länder aus Abb. 6.3 herauslesen. Diese sind z. B. Myanmar mit 95,8 %, die Zentralafrikanische Republik mit 145,7 % und Guyana mit 145,8 % (siehe Tab. 6.14 im Anhang zur Fallstudie). Die Export-Handelsvolumen dieser Länder sind aber ebenfalls im Vergleich zu den größten Exportländern (China, Deutschland und den USA) relativ gering (siehe Tab. 6.14 im Anhang zur Fallstudie).

Abb. 6.3
figure 3

(Quelle: Eigene Darstellung basierend auf einer eigenen Datenanalyse aus der United Nations Comtrade Databank 2018)

Export-Weltmarktanalyse über die gesamte Umwelttechnikindustrie.

Insgesamt zeigt die Import-/ Export-Weltmarktanalyse einen Rückgang der Handelsvolumen im betrachteten Zeitraum. Das kann mehrere Gründe haben. Zum einen können Unternehmen Exporte und Importe umgehen, indem sie in den jeweiligen Ländern Produktionsniederlassungen aufbauen und vor Ort produzieren und zum anderen kann es an politischen Entscheidungen liegenFootnote 26.

Abb. 6.4
figure 4figure 4figure 4

(Quelle: Eigene Darstellung basierend auf einer eigenen Datenanalyse aus der United Nations Comtrade Databank 2018)

Export- und Import-Weltmarktanalysen für die Segmente der Umwelttechnikindustrie.

Die aufgezeigten Weltmarktanalysen können auch für die einzelnen Segmente der Umwelttechnikindustrie dargestellt werden (siehe Abb. 6.4). Wie bereits aus den Abb. 6.2 und Abb. 6.3 ersichtlich wurde, ist das durchschnittliche jährliche Wachstum für viele Segmente in mehreren Weltmarktregionen im betrachteten Zeitraum negativ ausgefallen. Positive Wachstumsraten verzeichnen die Segmente Energieeffizienz, Erneuerbare Energien, Lärmschutz und Luftreinhaltung. Die Segmente Erneuerbare Energien und Luftreinhaltung verzeichnen darüber hinaus sowohl beim Export- als auch beim Importhandelsvolumen positive durchschnittliche jährliche Wachstumsraten. Die aufgezeigte Weltmarktanalyse kann auch mit Zahlen von Marktvolumen, Marktgrößen, etc. dargestellt werden. Darüber hinaus sollten Unternehmen sich fragen, welche Segmentierung der Weltmärkte für ihr Unternehmen am besten passt.

Abb. 6.5 zeigt zu guter Letzt noch eine Export-/ Importweltmarktanalyse für ein HS-Code. Dabei fällt auf, dass über den betrachteten Zeitraum von 5 Jahren die Exporte in den Weltmarktregionen Amerika, Asien und Europa in der Produktgruppe für Filter gesteigert werden konnte. Die größte Wachstumsrate verzeichnet Asien. Afrika und Ozeanien dagegen haben über den betrachteten Zeitraum weniger exportiert und verzeichnen eine negative Wachstumsrate von −5,6 % und −1,2 %. Bei den Importhandelsvolumen für die Produktgruppe Filter können bei allen fünf Weltmarktregionen positive Wachstumsraten berichtet werden. Dabei sticht Europa mit einer Wachstumsrate von 4,9 % noch vor der Weltmarktregion Asien hervor.

Abb. 6.5
figure 5

(Quelle: Eigene Darstellung basierend auf einer eigenen Datenanalyse aus der United Nations Comtrade Databank 2018)

Export- und Import-Weltmarktanalysen für eine Produktgruppe.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Analyse der Weltmarktregionen unter Zuhilfenahme der Export- und Importhandelsdaten einen groben Überblick über die wichtigsten Handelsregionen verschafft. Um eine Auswahl eines neuen Ländermarktes zu treffen, muss die Analyse auf Zielmarktebene stattfinden. Diese wird im nachfolgenden Kapitel beschrieben.

Auswahl eines bestimmten Landes als prioritären Zielmarkt

Das Segment Abfall- und Kreislaufwirtschaft

Zunächst einmal sollten Unternehmen sich einen Überblick verschaffen, welche Länder stark in der Industrie sind, in der sie selbst aktiv sind. Dies kann mit Hilfe einer Analyse der strategischen Handelsdaten (siehe Tab. 6.2) erfolgen. Die Zielmärkte mit einer hohen Export Performance 2017, wie z. B. Guyana (starke Steigerung von −0,987 auf 0,801), China, Italien und Deutschland (konstante Performance) haben eine starke eigene Industrie aufgebaut und mehr Produkte im Segment Abfall- und Kreislaufwirtschaft exportiert als importiert. Deutsche und chinesische Unternehmen z. B. sollten sich in einem zweiten Schritt Zielmärkte mit negativer Export Performance anschauen, weil diese Länder potenzielle Zielmärkte sind. Weitere Erkenntnisse für deutsche Unternehmen liefert Tab. 6.3. Demnach sind die TOP 3 der potenziellen Zielmärkte für deutsche Unternehmen, die in der Abfall- und Kreislaufwirtschaft tätig sind, Indonesien mit einer prognostizierten Export GAP von ca. 49 Mio. USD, USA mit einer Export GAP von 47 Mio. USD und Polen mit einer Export GAP von 46 Mio. USD. Weitere Zielmärkte können der Tab. 6.3 entnommen werden.

Tab. 6.2 Export-Performance der Top 40 Exportländer 2017 im Segment Abfall- und Kreislaufwirtschaft
Tab. 6.3 Export Gap Analyse in der Abfall- und Kreislaufwirtschaft

Insgesamt zeigt die Export-Gap Analyse zum Segment Abfall- und Kreislaufwirtschaft eine Export GAP der TOP 30 Zielmärkte von ca. 509 Mio. USD. Die akkumulierte Prognose für den Rest der Welt fällt negativ aus, d. h. nicht, dass alle Länder eine negative Export-Gap haben, sondern dass die akkumulierte Menge negativ ausfällt. Die Exporte sind für die Abfall- und Kreislaufwirtschaft insgesamt leicht rückläufig und pendeln sich bei ca. 9 Mrd. USD ein.

Das Segment (Ab-) Wasserwirtschaft

Die strategische Analyse der Handelsdaten im Segment der (Ab-) Wasserwirtschaft zeigt, dass z. B. Italien, Jamaika, China und Deutschland für das Jahr 2017 eine positive Export Performance aufweisen (siehe Tab. 6.4). Länder mit einer relativ hohen negativen Export Performance sind z. B. Russland, Norwegen und Südafrika. Da diese tendenzielle Zielmärkte darstellen, müssen im Anschluss an eine Zielmarktanalyse weitere Informationen zu den Zielmärkten eingeholt werden (siehe nachfolgender Abschnitt zur Sammlung von Markteintrittspunkten im Zielmarkt).

Tab. 6.4 Export-Performance der Top 40 Exportländer 2017 im Segment (Ab-) Wasserwirtschaft

Tab. 6.5 zeigt die Ergebnisse der Export GAP-Analyse im Segment (Ab-) Wasserwirtschaft. Die mit Abstand größte Export-Gap von ca. 1 Mrd. USD weist Kenia auf. Anschließend folgen die Länder USA und Rumänien mit deutlich kleineren Export-Gaps von ca. 288 Mio. USD und ca. 125 Mio. USD. Weitere potenzielle Zielmärkte können Tab. 6.5 entnommen werden.

Tab. 6.5 Ergebnisse der Export Gap Analyse im Segment (Ab-) Wasserwirtschaft

Insgesamt existiert eine deutlich größere Export-Gap im Segment (Ab-) Wasserwirtschaft als im vorherigen Segment Abfall- und Kreislaufwirtschaft. Mit einer Export-Gap von ca. 2 Mrd. USD besteht viel Exportpotenzial für Unternehmen, die in Deutschland ansässig sind. Aber auch hier fällt die Prognose für das gesamte Segment negativ aus. Insgesamt wird eine Schrumpfung des Exportvolumens auf ca. 26 Mrd. USD prognostiziert.

Das Segment Luftreinhaltung

Im Jahr 2017 waren die drei größten Exportländer im Segment der Luftreinhaltung Deutschland, USA und China (siehe Tab. 6.6). Die USA exportierten Umweltschutzgüter, wie z. B. Filter im Wert von ca. 15 Mrd. USD. China exportierte ca. 14 Mrd. USD. Länder mit einer hohen positiven Export Performance 2017 waren Mazedonien, Italien, Südafrika und China. Eine hohe negative Export Performance 2017 hatten dagegen Länder wie Russland, Australien und Kanada.

Tab. 6.6 Export-Performance der Top 40 Exportländer 2017 im Segment Luftreinhaltung

In Tab. 6.7 werden die Länder aufgelistet, die nach einer Prognose für deutsche Unternehmen die größte Export-Gap in der Luftreinhaltung bis zum Jahr 2021 aufweisen. Auf Platz 1 landet die tschechische Republik mit einer GAP von ca. 904 Mio. USD. Auf Platz 2 und 3 folgen Polen und die USA mit einer prognostizierten Export-Gap von ca. jeweils 300 Mio. USD. Insgesamt wird eine Export-Gap von ca. 3,8 Mrd. U.S. Dollar vorhergesagt. Im Vergleich zu den anderen beiden Segmenten ist die Prognose für das weltweite Wachstum in diesem Segment positiv.

Tab. 6.7 Ergebnisse der Export Gap Analyse im Segment Luftreinhaltung

Bevor im nachstehenden Kapitel die Markteintrittspunkte für drei ausgewählte Zielmärkte erläutert werden, muss beachtet werden, dass dies Prognosen sind, die auf Werten in der Vergangenheit beruhen. Durch politische oder ökonomische Ereignisse, wie z. B. Sanktionen oder eine weltweite Finanzkrise kann jede Prognose zunichtegemacht werden. Deshalb gilt es, wie im nächsten Kapitel beschrieben wird, möglichst viele Informationen zu sammeln.

Zur Sammlung von Markteintrittspunkten im Zielmarkt

Wie aus den Handelsdaten ersichtlich wurde, existieren für die Zielmärkte China, USA und Mexiko in allen Segmenten Export-Gaps. Zudem wurde im Zuge eines gemeinsamen Drittmittelprojektes für das Land Baden-Württemberg die Marktvolumina durch die Prognos AG für die TOP 5 Zielmärkte in der gesamten Umwelttechnikindustrie berechnet (siehe Tab. 6.8).

Tab. 6.8 Top 5 Zielmärkte in der Umwelttechnikindustrie anhand der geschätzten Marktvolumina

Aufgrund der eigenen Ergebnisse, der Möglichkeit von Forschungsaufenthalten in den Ländern und der Ergebnisse der Prognos AG wurden die drei Zielmärkte China, Mexiko und die USA für die Analyse der Markteintrittspunkte beschlossen, die im Nachfolgenden beschrieben werden.

China

Umweltgesetze gehören in der Umwelttechnikindustrie zu den wichtigsten Markteintrittspunkten die Unternehmen nach einer Welt- und Zielmarktanalyse analysieren sollten. Dazu müssen zunächst einmal die zuständigen Ministerien und Institutionen in den jeweiligen Zielmärkten ausfindig gemacht werden. In China gibt es seit dem Jahr 2008 ein Umweltministerium, das sogenannte Ministry of Ecology and Environment. Davor wurden Umweltschutzthemen seit 1974 von einem Team unter dem Staatsrat verwaltet (siehe auch Abb. 6.6). Es bietet sich an, die Umweltgesetze in einem Zeitstrahl darzustellen und ggfs. zukünftige Umweltgesetze, insofern sie bereits angekündigt wurden, mit aufzunehmen. Große GUs analysieren in regelmäßigen Abständen die Gesetzeslage in den für sie relevanten SegmentenFootnote 27.

Abb. 6.6
figure 6

(Quellen: Eigene Darstellung basierend auf The Organisation for Economic Co-operation and Development 2007 und Ministry of Ecology and Environment 2018a und 2018b)

Übersicht über wichtige Umweltgesetze und Umweltinstitutionen in China.

Vergleicht man die Gründung der Umweltministerien mit den anderen Ländern, erfolgt die Gründung des Umweltministeriums in China relativ spät. In Deutschland wurde 1986 ein Ministerium gegründet, in Mexiko 1982 und in den USA bereits 1970.Footnote 28 Die Gesetzeslage in China hat sich in den vergangenen Jahren verschärft und China wird noch strengere Umweltgesetze erlassenFootnote 29. Dies macht auch die jüngste Aussage von Premier Jiangping Xi auf dem 12. Nationalen Volkskongress deutlich:

„We should protect the environment like protecting our eyes and treat the environment the way we treat our lives.“Footnote 30

Das Zitat unterstreicht die Relevanz der Umwelttechnik für die aktuelle chinesische Regierung und deren 13. Fünf-Jahresplan, der im Zuge des 12. Nationalen Volkskongresses verabschiedet wurde. Im 13. Fünf-Jahresplan wurden ehrgeizige Ziele hinsichtlich des Umweltschutzes gesetzt. Zum Beispiel strebt die chinesische Regierung das strengst mögliche Umweltschutz- und Umweltmanagementsystem an.Footnote 31 Weiterhin werden unter anderem detaillierte Ziele für die Umweltsegmente Energieeffizienz und Erneuerbare Energien, Wasserwirtschaft, Landschutz, Abfall- und Kreislaufwirtschaft, MSR-Technik und Luftreinhaltung genannt.Footnote 32

Es kann einige Zeit in Anspruch nehmen, um die zentralen Ministerien und Institutionen in einem Ländermarkt ausfindig zu machen. Weiterhin können Unternehmen sich an Außenhandelskammern wenden, um weitere Informationen zu einem Markteintritt zu gewinnen. In China hat Deutschland Außenhandelskammern an den folgenden Standorten: Peking, Shanghai, Taipei, Guangzhou und Hongkong. Hinzukommend gibt es noch weitere sieben kleinere Büros in Chengdu, Shenyang, Qingdao, Tianjin, Taicang, Hangzhou und Shenzen.Footnote 33 Darüber hinaus sollten Unternehmen bei Wirtschaftsförderungsgesellschaften, wie z. B. Baden-Württemberg-International, nachfragen, ob Delegationsreisen in die Zielmärkte anstehen. Vielen KMUs hilft es, wenn sie mit dem jeweiligen Landesministern einreisen können, um erste Kontakte zu knüpfen. In China, wo der Staat eng mit Unternehmen verknüpft ist, sollte diese Möglichkeit noch mehr überprüft werden als in anderen Ländern. Zu guter Letzt sollten Unternehmen sich auch mit den wichtigsten Messen für ihre Industrie bzw. ihr Segment vertraut machen. In Tab. 6.9 werden einige Messen beispielhaft dargestellt.

Tab. 6.9 Beispielhafte Darstellung einiger Umweltmessen in China

Mexiko

In Mexiko wurde 1982 das Secretaria de Medio Ambiente y Recursos Naturales gegründet, welches gleichbedeutend ist mit dem Umweltamt in Deutschland (siehe Abb. 6.7). In den ersten Jahren nach der Gründung des Amtes wurden bis zum Jahrhundertwechsel wenige Umweltschutzgesetze verabschiedet. Erst Mitte der ersten Hälfte des neuen Jahrzehnts wurde mit dem Gesetz zur Förderung & Entwicklung von Bioenergetik eine Reihe von wichtigen Umweltgesetzen verabschiedet, die es Unternehmen aus Ländern deren Umwelttechnikindustrie bereits stark entwickelt ist, möglich macht ihre Produkte in Mexiko zu verkaufen.

Abb. 6.7
figure 7

(Quellen: Eigene Darstellung basierend auf The Organisation for Economic Co-operation and Development 2013 und Secretaría de Medio Ambiente y Recursos Naturales 2017)

Übersicht über wichtige Umweltgesetze und Umweltinstitutionen in Mexiko.

Erste Kontakte können Unternehmen auf internationalen Fachmessen, wie z. B. der Green Expo, Mexiko WindPower oder Expo ANEAS (siehe Tab. 6.10) knüpfen.

Tab. 6.10 Beispielhafte Darstellung einiger Umweltmessen in Mexiko

Je nachdem in welchem Segment ein Unternehmen tätig ist, gibt es unterschiedliche Fachmessen. Die Expo ANEAS ist z. B. eine internationale Fachmesse für die Wasserwirtschaft und findet regelmäßig jährlich im Oktober/November in Mexiko-Stadt statt. Unternehmen sollten, nachdem sie einen Zielmarkt festgelegt haben, interessante Messen ihrer eigenen Industrie ausfindig machen. Möglicherweise bietet es sich auch an auf Messen von potenziellen Kundenindustrien, wie z. B. die Expo Antad & Alimentaria in Guadalajara zu gehen.

Weitere erste Markteintrittspunkte können aber auch, wie in den vorigen Ausführungen bereits erwähnt, Werbeanzeigen in Fachzeitschriften sein. Für Wasserwirtschaftsunternehmen bietet sich z. B. die Revista Aqua Y Saneamiento an. Es muss sich dabei nicht immer um eine Werbung im klassischen Sinn handeln. Manche Unternehmen berichten in den Fachzeitschriften von interessanten Projekten und bekommen dadurch z. B. Anfragen von Kommunen, die ähnliche Probleme, z. B. beim Abwasser, zu lösen habenFootnote 34. Eine weitere wichtige Zeitschrift ist das Directorio Ambiental, welche im Zweijahresrhythmus herausgegeben wird. In diesem Directorio Ambiental werden Umwelttechnikunternehmen nach den Segmenten mit Kontaktdaten und Internetadressen aufgelistet. Das Directorio Ambiental ist überaus nützlich, denn in Mexiko gibt es kein Handelsregister und viele mexikanische Unternehmen besitzen keine WebseiteFootnote 35. Daher ist das Directorio Ambiental eine nützliche erste Anlaufstelle, um in Kontakt mit potenziellen Handelspartnern oder ersten Kunden zu kommen. Weitere Markteintrittspunkte können durch die Außenhandelskammer in Mexiko-Stadt, dem German Centre for Industry and Trade Mexiko sowie der deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (im Nachfolgenden bezeichnet als GIZ) erschlossen werden. Die Außenhandelskammer verfügt zudem über eine eigene Unternehmensdatenbank aufgrund der oben beschriebenen Problematik eines nicht existierenden Handelsregisters. Sowohl die Außenhandelskammer als auch die GIZ organisieren je nach genehmigter ZielmarktanalyseFootnote 36 Delegationsreisen für deutsche und mexikanische Umwelttechnikunternehmen. Das German Centre for Industry and Trade bietet deutschen Unternehmen hauptsächlich Unterstützung bei der Umsetzung des Markteintrittes an, indem Büros angemietet werden können. Diese Büros bieten sich an, wenn die konkrete Gewinnung von ersten Handelspartnern und Kunden ansteht (siehe z. B. ISA-Modell Baustein 5).

USA

Die USA waren 1970 eine der ersten Nationen, die ein Umweltamt, die sogenannte Environmental Protection Agency, gründeten (siehe Abb. 68). 1972 veröffentlichte der Club of Rome seine Studie mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“Footnote 37. Die Ergebnisse der Studie wurden seither vielfach zitiert und waren vermutlich der Anlass warum in den USA in den 1980er Jahren viele neue Umweltgesetze verabschiedet wurdenFootnote 38 (Vgl. Abb. 6.8).

Abb. 6.8
figure 8

(Quellen: Eigene Darstellung basierend auf The Organisation for Economic Co-operation and Development 2005 und EPA 2017)

Übersicht über wichtige Umweltgesetze und Umweltinstitutionen in den USA.

In Tab. 6.11 sind einige beispielhafte Umweltmessen in den USA dargestellt. Umwelttechnikunternehmen sollten auf den für sie relevanten Umweltmessen z. B. der Waste Expo vertreten sein bzw. nach potenziellen Handelspartnern oder Kunden suchen. Dazu bedarf es einer genauen Vorbereitung, indem z. B. eine ähnliche Liste wie in Tab. 6.11 erstellt wird. Unternehmen müssen dann die Ausstellerlisten durchsehen, um herauszufinden welche Unternehmen als potenzielle Handelspartner oder Kunden in Frage kommen, etc.

In den USA gibt es mehrere deutsche Außenhandelskammern. Die Hauptstellen sind in Atlanta, Chicago und New York. Darüber hinaus gibt es sogenannte Zweigstellen in Detroit, HoustonFootnote 39, Philadelphia und San Francisco.Footnote 40 Auf der amerikanischen Seite gibt es den U.S. Commercial Service, der für U.S.-Unternehmen Informationen über Zielmärkte, Markteintrittspotenziale etc. zusammenträgt. Eine weitere Quelle über Märkte ist zudem Germany Trade and Invest.

Tab. 6.11 Beispielhafte Darstellung einiger Umweltmessen in den USA

Anhang zur Fallstudie

Tab. 6.12 Übersicht der verwendeten HS Codes für die einzelnen Segmente der Umwelttechnikindustrie
Tab. 6.13 Import Weltmarktanalyse über die gesamte Umwelttechnikindustrie
Tab. 6.14 Export Weltmarktanalyse über die gesamte Umwelttechnikindustrie

6.2 Fallstudien «Internationaler Vertriebsaufbau und Vertriebsentwicklung»

In Abb. 6.9 sind die Markteintrittsstrategien der in den nachfolgenden Kapiteln beschriebenen Fallstudien dargestellt. Die Einordnung der Fallstudien in Markteintrittsstrategien soll dem interessierten Leser bei der eigenen Entwicklung eines Internationalisierungsmusters helfen, dabei kann er sich anhand der Markteintrittsstrategien eine Orientierung verschaffen. Zudem lassen sich aus Abb. 6.9 die allgemeinen Unternehmensstrategien der in den Fallstudien dargestellten Unternehmen erkennen: internationale, globale, multinationale und transnationale Unternehmensstrategie (siehe auch Abschn. 2.2).

Abb. 6.9
figure 9

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Belz & Reinhold 1999, S. 98)

Übersicht über die Fallstudien und deren Markteintrittsstrategien in bestimmte Länder bzw. Regionen.

Die Auswahl der Fallstudien erfolgte anhand unterschiedlicher Kriterien: Zum einen sollten Internationalisierungsmuster von Unternehmen aus Industrieländern dargestellt werden, die in Schwellenländer (siehe Fallstudien 6.2.1–6.2.6) oder in Industrieländer (siehe Fallstudien 6.2.7–6.2.8) eintreten. Zum anderen sollten erste Internationalisierungsmuster von Unternehmen aus Schwellenländern (siehe Fallstudien 6.2.9–6.2.10) aufgezeigt werden.

6.2.1 Vertriebsaufbau und Vertriebsentwicklung in der Sanitärindustrie im chinesischen Markt

Zur Segmentierung und Auswahl einer Weltmarktregion und zur Auswahl eines bestimmten Landes als prioritären Zielmarkt

Das für diese Fallstudie ausgewählte UnternehmenFootnote 41 ist ein Hersteller von Sanitärkeramik, das bereits weltweite Produktions- und Vertriebsniederlassungen besitzt. Dabei unterteilt das Unternehmen seine Weltmarktregionen nach geographischen Segmentierungskriterien und ist in vier von fünf Kontinenten mit Produktions- und Vertriebsniederlassungen vor Ort aktiv.

Die Auswahl von neuen Zielmärkten hängt von der Markteintrittsstrategie ab. Zum Beispiel bieten sich für die Produktion von Sanitärkeramik Zielmärkte mit tropischen bzw. subtropischen Klimazonen an. Diese Klimazonen schaffen vor Ort ideale Produktionsbedingungen, um die Produkte effizient zu trocknen. Die strategische Auswahl von neuen Zielmärkten, unabhängig von den Produktionsstandorten, erfolgt aufgrund von Kennzahlen, wie z. B. Urbanisierungs- und Kaufkraftentwicklungen. Insgesamt strebt das Unternehmen eine globale Präsenz mit wenigen Produktionsstandorten und strategisch ausgewählten Vertriebsniederlassungen in mehreren Zielmärkten an. Eine dieser Zielmärkte ist der chinesische Markt, dessen Markterschließung im Nachfolgenden beschrieben wird.

Zur Sammlung von Markteintrittspunkten und zur Entwicklung einer Markteintrittsstrategie in der Weltregion Asien und dem chinesischen Markt

Anfang der 1990er Jahre wurden erste Markteintrittspunkte zu Distributoren aus Hongkong geknüpft. Herr SchröterFootnote 42 berichtet, dass damals zahlreiche Unternehmen aus Europa von Geschäftsleuten aus Hongkong angesprochen wurden, um ihnen den Markteintritt zu den Märkten Asiens insbesondere China zu erleichtern. Nachdem erste Exportgeschäfte mit Hongkonger Geschäftsleuten erfolgsversprechend abgewickelt waren, wurden Mitte der 1990er Jahre erste Überlegungen für eine Erweiterung der Markteintrittsstrategie angestellt. Auf internationalen Messen, wie z. B. der ISH Weltleitmesse für Wasser, Wärme und Klima, sammelten Exportleiter des Unternehmens weitere Markteintrittspunkte zu chinesischen Distributoren. Im Anschluss an die Messen wurden Verträge zum Vertrieb der Produkte abgeschlossen.

Zur Entwicklung einer bestimmten Region und zum Aufbau erster Vertriebsstrukturen im chinesischen Markt

Nachdem die Umsatzzahlen über die Distributoren in Hongkong im chinesischen Markt stark gestiegen waren, entschloss sich das Unternehmen Anfang der 2000er Jahre zum Aufbau einer ersten eigenen Vertriebsniederlassung in Shanghai. Um eigene erste Vertriebsstrukturen aufzubauen, warb das Management lokale Vertriebsleiter mit Markenerfahrung von Konkurrenzunternehmen ab. Herr Schröter berichtet, dass dieses Vorgehen einen entscheidenden Vorteil mitbrachte, da die lokalen Vertriebsleiter gute Kontakte zu Großhändlern aufgebaut hatten. Viele der chinesischen Großhändler haben eine bestimmte Region als Aktionsradius, in der sie ihren Kunden Produkte von verschiedenen Marken anbieten. Insgesamt schätzt Herr Schröter, dass es in der Sanitärbranche in China ca. 12 wichtige Großhändler gibt, z. B. Xieli in Suzhou, Wochi in Hangzhou und Odayascent in Beijing. Die Großhändler werden von internationalen Unternehmen hart umkämpft. Eine weitere wichtige Erkenntnis für das Management des Unternehmens war die Tatsache, dass die in Deutschland wichtigen Vertriebskanäle, wie z. B. Baumärkte und Handwerker, im chinesischen Markt weniger erfolgsversprechend waren:

“Die Relevanz, die das Handwerk in Deutschland für den Verkauf von Sanitäranlagen hat, ist in der Welt einzigartig. Ebenso mussten wir in China feststellen, dass das Geschäftsmodell deutscher Baumärkte nicht aufgeht, weil die chinesischen Zielkunden markenbezogener sind. Das heißt die Zielkunden präferierten in exklusiven Markenboutiquen unsere Produkte einzukaufen.”Footnote 43

Die Alternative zu Baumärkten in China nennt sich Building Material Malls. In diesen Building Material Malls stehen exklusive Markenboutiquen, in denen zu kleinem Preis Baumaterial angeboten wird. Außerdem erklärt Herr Schröter bedeutet das Konzept Do-it-yourself (DIY) in China eher Buy-it-yourself (BIY). Chinesische Endkunden wählen zwar die Markenprodukte selbst aus, aber sie würden sie nicht selbst installieren. Diese Aufgabe übernehmen sogenannte Interior Decoration Companies.

Ein weiteres wichtiges Element in der Entwicklung von Vertriebsstrukturen ist die Unterteilung von Kundengruppen und deren erfolgreiche Erschließung. Die Zielgruppen waren in der Anfangsphase die Folgenden: Key Opinion Leader, Einzelhändler, Developer (z. B. die Wanda Plaza Gruppe (Kino King)) und Designer. Bei der Akquirierung der Zielgruppen ist das Team um Herrn Schröter sehr vorsichtig vorgegangen. Die Key Opinion Leader, z. B. sind in der Regel nicht leicht zu gewinnen. Sie sind sehr gut informiert und bekommen viele Anfragen. Daher empfiehlt Herr Schröter sehr gut vorbereitet zu sein. Die Wanda Plaza Gruppe z. B. baut vorwiegend gemischte Center. Die gemischten Center bestehen in der Regel aus einer Einkaufsmall, einem 5 Sterne Hotel, Apartments, Büros und einem Kino – also aus sehr unterschiedlichen Wertschöpfungseigenschaften. Diese Gruppe war sehr erfolgreich im Aufbau solcher Center. Es gibt in fast jeder größeren Stadt ein Wanda Plaza in China. Für die Einzelhändler wurden exklusive Markenboutiquen gebaut, damit sich die Kunden umschauen können.

In der Zeit von 2004–2015 konnte das Unternehmen jährlich ein doppelstelliges Umsatzwachstum verzeichnen. Die Durchschnittspreise waren trotz des schnellen Wachstums mitunter die Höchsten von allen Ländern, in denen das Unternehmen vertreten war. Aufgrund dieser positiven Umsatzentwicklung beschloss das Unternehmen Westchina zu erschließen. Da bereits Kontakte zum Management eines Staatsunternehmens geknüpft waren und dieses in Westchina aktiv war, entschied sich das Management für ein Joint Venture. Mitte der 2000er Jahre war es soweit. Zur damaligen Zeit war der Westen von China noch wenig erschlossen. Der Speckgürtel von China war im Osten. Das Unternehmen merkte jedoch schnell, dass der Joint Venture Partner eine ganz neue Geschäftsstrategie in China verfolgte und nicht mit voller Kraft hinter dem gemeinsamen Projekt stand. Daher trennte man sich schnell einvernehmlich und arbeitete an einem eigenen Aufbau einer Vertriebsniederlassung.

Parallel zum Aufbau eigener Vertriebsniederlassungen wurde, wie bereits weiter oben beschrieben, über Handelspartner der chinesische Markt weiter erschlossen. Bis Ende der 2000er Jahre wurde über ein 1-stufiges Händlersystem vertrieben. Ab den 2010er Jahren konnte das Unternehmen ein mehrstufiges Händlersystem nutzen. Herr Schröter berichtet, dass der Ausbau des Händlersystems in ein 2-stufiges bzw. mehrstufiges Händlersystem von den Händlern selbst vorangetrieben wurde.

Zum Rollout/Marktdurchdringungsstrategie im chinesischen Markt

Um sich von der weltweiten Konkurrenz abzuheben, stellte das Unternehmen bekannte Designer ein. Diese waren als Designer in ihrem Metier bereits einflussreich und hatten sich eine eigene Marke geschaffen oder das Unternehmen half den Designern sie als Marke aufzubauen. Um einen nationalen Bekanntheitsgrad zu erschaffen, wurden zunächst sogenannte Lighthouse-Projekte mit markanten Designs in 5 Sterne Hotels in Tier 1-Städten ausgestattet. Anschließend wurden Flagship-Geschäfte vor Ort in der Nähe der Light House Projekte eröffnet. Herr Schröter erklärt, dass die Lighthouse-Projekte sehr hilfreich waren zur Werbung von Immobilienentwicklern. Die Flagship-Geschäfte vor Ort waren dafür da, die Designbäder für die breite Masse zugänglich zu machen. Der Marktdurchdringungsstrategie des Unternehmens unterliegt das Pareto-Prinzip (80:20). Mit Hilfe von 20 %, d. h. der Key Opinion Leader, will man die restlichen 80 %, d. h. die Gesamtbevölkerung, erreichen. Laut Herrn Schröter sind die Tier 1-Städte, Shanghai und Peking, am wichtigsten für die Markenbildung. Viele Chinesen verfolgen genau, welche Trends in den beiden Städten entstehen. Deshalb eröffnete das Unternehmen Verkaufsbüros in Shanghai und in Peking. Mitte der 2000er Jahren folgten dann weitere Verkaufsbüros, z. B. in Guangzhou und Chengdu.

In Abb. 6.10 ist die Marktdurchdringungsstrategie im chinesischen Markt des Unternehmens abgebildet. Herr Schröter erklärt, dass es in den Tier 1-Städten nach der Finanzkrise von 2009 weniger Wachstumsmöglichkeiten gab. Zudem war die Konkurrenz in den Tier 1-Städte sehr stark. Daher konzentrierte sich das Unternehmen in den Tier 1-Städte auf das Branding. Aus der Abb. 6.10 geht hervor, dass Umsatz und Wachstum hauptsächlich in den Tier 2-Tier 4-Städte generiert werden.

Abb. 6.10
figure 10

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Interview 46 2018, siehe separater und vertraulicher Anhang; siehe auch Hinweis im Quellenverzeichnis)

Marktdurchdringungsstrategie eines Sanitärherstellers im chinesischen Markt.

Da sich die Umsatzzahlen im chinesischen Markt gut entwickelten, entschloss das Management des Unternehmens die Vertriebsniederlassung um eine Produktionsniederlassung in Westchina zu erweitern. Eine Herausforderung bei der Produktion für den chinesischen Markt war die deutsche Qualität mit amerikanischen Standards zu erreichen (siehe Hintergrundinformationen zum chinesischen Sanitärkeramik-Markt).

Hintergrundinformationen zum chinesischen Sanitärkeramik-Markt

Um den chinesischen Markt zu verstehen, muss man wissen, dass die U.S.-amerikanischen Unternehmen die Ersten im Markt waren. Sie haben die Anschlussnormen geprägt, die bis heute noch verwendet werden. Im Konkreten gibt es zwei unterschiedliche Systeme. Das europäische Unterdruck-Siphon-System und das amerikanische Vakuum-Siphon-System. Hinzukommend gehen beim U.S.-System die Anschlüsse durch den Boden, weshalb die amerikanischen Toiletten länger sind, d. h. ca. 70/80 cm im Vergleich zu den europäischen Toiletten die ca. 40/50 cm lang sind. Im Prinzip haben die U.S.-Unternehmen den chinesischen Markt für den American Standard mit modernen Bädern und Lifestyle-getriebenem Markenbewusstsein vorbereitet. Von dem etablierten Bewusstsein für Qualität und Markendesigns konnten europäische Unternehmen und insbesondere das Unternehmen aus der Fallstudie profitieren, in dem sie laut Herrn Schröter mit noch etwas Besserem, d. h. modernere europäische Designs, in den chinesischen Markt eingestiegen sind.

Herr Schröter berichtet, dass z. B. ein spanisches Sanitärkeramikunternehmen versuchte mit den europäischen Standards im chinesischen Markt Fuß zu fassen. Mitte der 1990er Jahre trat das Unternehmen in den chinesischen Markt ein und scheiterte bei dem Versuch europäische Standards im chinesischen Markt durchzusetzen. Daher entschied sich das Management rund um Herrn Schröter Toiletten mit amerikanischem Standard für den chinesischen Markt anzufertigen. Mit Hilfe chinesischer Mitarbeiter und einer deutschen Keramikspezialistin, die gleichzeitig Produktionsleiterin war, wurden amerikanische Toilettenstandards für den chinesischen Markt entwickelt. Seitdem treibt das Unternehmen konsequent weitere Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten im chinesischen Markt voran. Zum Beispiel wurde die Sparte „Dusch-WC“ komplett in China entwickelt. Von China aus wurde dann das Dusch-WC in Deutschland eingeführt. Ein weiterer Trend ist die Digitalisierung der Bäder und WCs, z. B. wird an intelligenten WCs gearbeitet, die mit integrierten chemischen Analysen das Wohlbefinden eines Menschen messen können. Der Digitalisierungstrend wird vor allem vom chinesischen Markt angetrieben. Weitere Trends sind Lichteffekte in Bädern. Die Konzeption dazu stammt aus Deutschland; die Umsetzung aus China. Herr Schröter berichtet zudem von der hohen Geschwindigkeit des chinesischen Marktes. In Deutschland z. B. hätte es viele Jahre gedauert das Dusch-WC zu entwickeln und als erfolgreiches Geschäft zu etablieren.

Zur Implementierung des International Sales Accelerator Modells

Das in der Fallstudie vorgestellte Unternehmen ist ein absolutes Musterbeispiel für die erfolgreiche Anwendung der Bausteine des International Sales Accelerator Modells.

6.2.2 Vertriebsaufbau und Vertriebsentwicklung in der Automobilindustrie im chinesischen Markt

Zur Segmentierung und Auswahl einer Weltmarktregion und zur Auswahl eines bestimmten Landes als prioritären Zielmarkt

Seit 2014 ist Herr LarssonFootnote 44 Geschäftsführer einer Produktionsniederlassung eines AutomobilherstellersFootnote 45 in Chengdu. Das Unternehmen wurde durch ein chinesisches Unternehmen aufgekauft. Vor dem Aufkauf produzierte das Unternehmen seine Modelle hauptsächlich in Europa und Nordamerika. Von diesen Weltmarktregionen aus wurden die Modelle weltweit exportiert und verkauft. Durch den Aufkauf wurde schnell klar, dass das Unternehmen eine Produktionsstrategie für den chinesischen Markt umsetzen muss, um den Anschluss an die Industrie nicht zu verpassen. Herr Larsson erklärt, große Konkurrenzunternehmen seien schon vor Jahren in den chinesischen Markt mit eigenen Produktionsniederlassungen eingestiegen. Außerdem sagte das chinesische Unternehmen großes Marktpotenzial für die Produkte des Unternehmens voraus.

Zur Sammlung von Markteintrittspunkten und zur Entwicklung einer Markteintrittsstrategie im chinesischen Markt

Durch die chinesische Muttergesellschaft konnte das Unternehmen schnell wichtige Markteintrittspunkte sammeln. Die chinesische Muttergesellschaft hatte wichtige Kontakte zu den lokalen Behörden für den Bau der Produktionsniederlassung bereits geknüpft und verfügte in Westchina über ein großes Händlernetz. Durch die veränderte Markteintrittsstrategie konnte das Unternehmen die Produkte günstiger anbieten, da z. B. Importzölle wegfielen. Weitere ausschlaggebende Gründe die Produktion im chinesischen Markt aufzubauen, waren die Möglichkeit der Reduzierung der Transportzeit und der Kosten. Neben der Produktionsniederlassung besitzt das Unternehmen ein Forschungs- und Entwicklungszentrum in Shanghai. Der Fokus des Forschungs- und Entwicklungszentrums liegt stark auf dem Innendesign der Modelle. Chinesische Kunden wollen häufiger eine luxuriösere und personalisierte Innenausstattung als europäische oder amerikanische Kunden.

Zur Entwicklung einer bestimmten Region und zum Aufbau erster Vertriebsstrukturen im chinesischen Markt

Vor dem Aufkauf durch ein chinesisches Unternehmen bediente das Unternehmen erste Kunden im chinesischen Markt durch Exporte. Die ersten Produkte verkaufte das Unternehmen in Tier-1 Städten in China, wie z. B. Shanghai, Chongqing oder Guangzhou. Die Verkaufszahlen lagen bei ca. 10.000–20.000 Einheiten pro Jahr zum Ende der 2010er Jahre. Als das Unternehmen vor ca. 10 Jahren aufgekauft wurde, setzte das chinesische Unternehmen ein Ziel von 200.000 verkauften Einheiten bis 2020. Das neue Management war sich einig, um das 2020 Ziel zu erreichen, mussten noch mehr Tier-1 Städte erschlossen werden. Dazu mussten weitere Händler akquiriert werden.

Hintergrundinformationen zum chinesischen Automobilhändler-Markt

Die Händlerstruktur im chinesischen Markt ist anders als in Europa. In China verkauft ein Händler unterschiedliche Marken. In Europa bietet ein Händler in der Regel eine Marke an. Aus der unterschiedlichen Händlerstruktur resultiert ein unterschiedliches Machtgefüge. Die Händler in Europa sind stark an die jeweilige Marke gebunden, wohingegen chinesischen Händler sich weniger abhängig von einem Hersteller machen.

Herr Larsson berichtet, dass es relativ leicht war neue Händler in weiteren Tier-1 Städten zu gewinnen. Das lag daran, dass die Produkte qualitativ hochwertig waren und das Unternehmen einem chinesischen Unternehmen gehörte. Das Verfahren für einen Händler läuft in der Regel so ab, dass der Händler sich bewerben muss. Er muss darlegen, dass er hohe Investitionen stemmen kann, dass das Aussehen seines Geschäfts ansprechend ist und er über eine entsprechende technische Ausrüstung verfügt. Letztendlich muss er auch darlegen wie gut sein Personal ausgebildet ist. Händler mit hohen Investitionsneigung und hohen technischen Ausbildungspotenzial werden ausgewählt. Natürlich ist es auch die Aufgabe der Hersteller, dass die Händler bestens geschult und technisch hochwertig ausgerüstet sind. Herr Larsson erklärt, dass im Management auch öfter diskutiert wird, ob die Produkte nicht auch über das Internet verkauft werden können. Im Moment sieht Herr Larsson die Händler aber als wichtigsten Absatzkanal.

Herausforderungen bei der Erschließung weiterer Vertriebskanäle und Kundengruppen im chinesischen Markt

Derzeit sehen Herr Larsson und seine Kollegen die größte Herausforderung in der Distributionslogistik, d. h. dem tatsächlichen physischen Fluss der ProdukteFootnote 46 (siehe auch Abschnitt 2.2). Ein absoluter Erfolgsfaktor im chinesischen Markt besteht darin schnell am Markt zu sein. Allerdings ist das Transportsystem noch nicht der Größe des Landes entsprechend ausgebaut. Daher wird viel in den Zugverkehr investiert. Der Zugverkehr ist billiger als die Produkte per Lastkraftwagen zu transportieren. Außerdem ist er mit dem Binnenschiffstransport konkurrenzfähig.

Eine weitere Herausforderung sieht Herr Larsson in den sich verändernden Kundenwünschen. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas haben die Menschen mehr Geld zur Verfügung und sie wollen, dass die Produkte ihren Erwartungen entsprechen. Sie möchten die Konfigurationen wählen, die ihnen gefallen. Wenn sie eine Luxusmarke kaufen, wie es das Unternehmen anbietet, sind die Kunden bereit für Exklusivität zu bezahlen. Sie wollen auch das neueste Produkt haben. Sie wollen kein Produkt kaufen, das vor einigen Monaten produziert wurde. Herr Larsson denkt, dass sich die Luxusmarke in China so entwickeln wird, wie es in Europa der Fall war. Der Kunde wünscht sich ein einzigartiges Produkt und möchte etwa zwei bis drei Monate warten. Nicht kürzer, weil sie verstehen, wenn es exklusiv sein soll, muss es für sie produziert werden. Wenn Herr Larsson an Europa denkt, insbesondere an die Märkte in Deutschland, Skandinavien, Belgien, die Niederlande und Frankreich, sieht er einen hohen Prozentsatz der Kundenauftragsproduktion. Dort bestellen die Kunden ein Produkt und drei bis vier Wochen später geht das Produkt online. Eine Woche später ist das Produkt bereits auf dem Weg zum Händler. Insgesamt haben die Kunden sechs bis acht Wochen nach der Bestellung das Produkt. Es wird das Produkt sein, das der Kunde, und nicht der Händler bestellt hat. Herr Larsson glaubt, dass das auch die Zukunft für China sein wird.

Eine letzte Herausforderung im Ausbau der Kundengruppen sieht Herr Larsson in der Lieferkette des Unternehmens. Wenn ein Kunde Leder oder andere besondere Merkmale haben möchte, sollten die Kundenwünsche schnell erfasst und umgesetzt werden können. Auch in der Zulieferkette sind kürzere und schnellere Distanzen in Zukunft erforderlich. Insbesondere wenn das Produkt fertig ist, muss dieses schnell an die Händler geliefert werden. Das ist ein weiterer Grund, warum Herr Larsson ein wachsendes Potenzial für den Zugverkehr anstelle des Lastkahnverkehrs sieht. Der Schiffstransport ist zu langsam, um die Kundenwünsche bestmöglich zu erfüllen.

Ähnliches berichtet Herr FischerFootnote 47 von einem großen deutschen LogistikunternehmenFootnote 48:

“Hier ist es für mich sehr schwer jemanden zu finden, der sagt, pass auf, ich kann dir ein Verkehrsnetzwerk von China abbilden. Ich muss immer meine lokalen Helden haben. Die können dann z. B. Jiansu oder Shanghai und Umgebung bis auf Ningbo beliefern. Das ist die Herausforderung im chinesischen Markt. Dazu kommt, dass es auch kein homogenes Preisgefüge gibt. Das ist in der Hinsicht noch ein bisschen Wilder Westen. Dann haben wir das Problem, dass die Flüsse in China bis heute noch nicht so aufgearbeitet sind, dass man auch auf die Binnenschifffahrt vertrauen kann wie bei uns in Europa. Speziell in der Sommerzeit verändern sich die Wasserlevel stark. Das ist alles noch nicht so ausgearbeitet. Ich weiß, dass z. B. Unternehmen X eigene Trucking-Services zu ihren Hot Spots, wo sie große Kunden haben, anbieten damit sie die Automotive-Kunden verlässlich bedienen können. Die können sich auf das chinesische System nicht verlassen. Die haben ihr eigenes Netzwerk aufgebaut.”Footnote 49

Das Unternehmen hat nun vor Kurzem mit der Kundenauftragsproduktion im chinesischen Markt begonnen. Zuerst in Chengdu und später in Chongqing, um zu testen, ob die europäische Marktstrategie der Kundenauftragsproduktion mit Vorlaufzeiten zwischen Bestellung und Lieferung von etwa 8 Wochen auch in China möglich ist. Herr Larsson ist sich sicher, es ist möglich.

Zum Rollout/Marktdurchdringungsstrategie im chinesischen Markt

Der Aufbau einer Marke zur Steigerung der nationalen Präsenz fand einerseits bereits durch die Exportstrategie in der Vergangenheit des Unternehmens statt. Andererseits erarbeitete sich die chinesische Muttergesellschaft parallel dazu eine nationale Präsenz. Durch den Aufkauf profitierte die Marke des Unternehmens von dem guten Ruf der chinesischen Muttergesellschaft. Weiterhin konnte das Unternehmen die etablierten Kontakte und Händlerstrukturen der chinesischen Muttergesellschaft nutzen. Die Rolloutstrategie des Unternehmens profitierte enorm von den bereits etablierten Händlerstrukturen in den Tier 2- bis Tier 4-Städten im chinesischen Markt. Dadurch wurden schnell neue Absatzzahlen erreicht. In den Tier 1-Städten entschied man sich die Händlerstrukturen nicht miteinander zu vermischen, um die Marken unabhängig voneinander zu erhalten.

Zur Implementierung des International Sales Accelerator Modells

Das Unternehmen hat den chinesischen Markt lange mit einer Exportstrategie bedient und erst spät ein Upgrade einer Markteintrittsstrategie vorgenommen. Durch den Aufkauf durch ein chinesisches Unternehmen konnte ein Upgrade der Markteintrittsstrategie schnell nachgeholt werden. Weiterhin konnte das Unternehmen beim Ausbau der Vertriebsstrukturen und der Kundengruppen von den etablierten Strukturen der Muttergesellschaft profitieren. Letztendlich wendet das Unternehmen alle Bausteine des International Sales Accelerator Modells an.

6.2.3 Vertriebsaufbau und Vertriebsentwicklung in der Sicherheitstechnikindustrie im chinesischen Markt

Zur Segmentierung und Auswahl einer Weltmarktregion und zur Auswahl eines bestimmten Landes als prioritären Zielmarkt

Das Unternehmen verarbeitet Stahldrähte zu SchutzsystemenFootnote 50, diese dienen zum Beispiel zum Schutz vor Steinschlag, Erdrutschen und Lawinen. Die Segmentierung der Weltmärkte erfolgt anhand von geographischen Segmentierungskriterien. Für das Unternehmen sind Zielmärkte mit bergigen Regionen von besonderer Relevanz, da dort die Schutzsysteme installiert werden. Das Unternehmen tritt in der Regel zunächst mit ausgewählten Handelspartnern in einen neuen Zielmarkt ein, anschließend folgt eine eigene Vertriebsniederlassung. In Zielmärkten mit großem Marktpotenzial baut das Unternehmen seine Vertriebsniederlassung zu Produktionsniederlassung aus.

Zur Sammlung von Markteintrittspunkten und zur Entwicklung einer Markteintrittsstrategie in der Weltregion Asien und dem chinesischen Markt

Erste Markteintrittspunkte zum chinesischen Markt wurden auf einer internationalen geotechnischen Konferenz in Portugal Mitte der 1990er Jahre geknüpft. Knapp ein Jahr nach dem Beginn der Sammlung von Markteintrittspunkten, stieg das Unternehmen in den chinesischen Markt ein. Das Management wählte einen chinesischen Ingenieur, Herr LiFootnote 51, aus, der ein kleines Ingenieurbüro in China besaß. Herr Li wurde zum Geschäftsführer der chinesischen Vertriebsniederlassung eingestellt und wurde mit der Entwicklung erster Vertriebsstrukturen beauftragt (siehe nachfolgenden Abschnitt). Das Unternehmen merkte schnell, dass die Markteintrittsstrategie parallel weiterentwickelt werden musste. Zu Beginn des Markteintritts fokussierten sich Herr Li und sein Team auf den Aufbau von Vertriebs- und Technikmitarbeitern, um die Sicherheitssysteme installieren zu können. Weiterhin vergab das Unternehmen Produktionsaufträge für bestimmte Teil der Sicherheitssysteme an vor Ort ansässige Unternehmen. Nach ca. fünf Jahren, d. h. zu Beginn der 2000er Jahre, investierte das Unternehmen in seinen zentralen chinesischen Standort, indem es ein Firmengelände in Chengdu kaufte bzw. pachteteFootnote 52.

Zur Entwicklung einer bestimmten Region und zum Aufbau erster Vertriebsstrukturen im chinesischen Markt

Die ersten Projekte zu akquirieren war schwer für das Unternehmen, da es noch vor der Öffnung des Landes und dem Beitritt Chinas in die Welthandelsorganisation 2001 in den Markt eintratFootnote 53. Herr HouFootnote 54, der seit 1995 beim Unternehmen in Chengdu arbeitet, berichtet, dass sie als ausländisches Unternehmen erstmal Vertrauen aufbauen mussten. Das trifft insbesondere für die Branche, in der das Unternehmen unterwegs ist, zu. Die Design- und Bauingenieure müssen ein hohes Risiko abwägen, wenn sie ein neues Unternehmen als Zulieferer für z. B. Autobahnprojekte verwenden wollen. Herr Hou und seine Kollegen mussten also zu Beginn viel Überzeugungsarbeit leisten. Sie sprachen mit Design-Instituten, staatlichen Unternehmen, Politikern und Professoren. Da sie noch keine Referenzprojekte in China aufweisen konnten, wurden wichtige Kunden in die Schweiz eingeladen, um Beispielprojekte anschauen zu können. Es war schwierig die zuständigen Personen bzw. die Entscheider zu identifizieren, da die Kunden nicht einzelne Personen waren, wie z. B. in der Konsumgüterindustrie. Schließlich gelang es der Vertriebs-Tochtergesellschaft ein Projekt in Chongqing zu akquirieren. 2015 feierte das Unternehmen das 20-jährige Bestehen des Projektes.

In Tab. 6.15 können die Marktsegmente, d. h. die Hauptkunden, sowie die Vertriebskanäle des Unternehmens entnommen werden. Aufgrund des technischen Know-hows, das beim Verkauf gefragt ist, wird der Markt mit direkten Vertriebskanälen in Form von Verkaufsingenieuren bedient. Die Aufgaben der Ingenieure sind dabei vielfältig, z. B. müssen sie die Design-Institute, Bauunternehmen und staatliche Unternehmen nicht nur beraten, um den Verkauf damit zu erreichen, sondern auch die Schutzsysteme installieren.

Tab. 6.15 Coverage-Matrix eines Sicherheitstechnikunternehmens im chinesischen Markt

Herr Hou berichtet, dass die Mitarbeitersuche nicht immer leicht ist, da das Unternehmen erfahrenes Personal sucht. Das Personal kommt teilweise von anderen Unternehmen oder direkt von Universitäten. Meistens müssen die Verkaufsingenieure bis zu 2 Jahre vom Unternehmen am Hauptsitz geschult werden. Sie müssen Verkaufsfähigkeiten entwickeln und sich sehr viel technisches Wissen aneignen.

Zum Rollout / Marktdurchdringungsstrategie im chinesischen Markt

Forschung und Entwicklung werden bewusst an einem zentralen Ort am Hauptsitz im Heimatmarkt gehalten. Das Unternehmen hat sehr erfolgreich eine Marke aufgebaut, die im chinesischen Markt als Synonym für die Sicherheitssysteme verwendet wird. Der weitere Ausbau des chinesischen Marktes hängt von der Wettbewerbsstrategie ab. Herr Hou berichtet, dass in den letzten Jahren zunehmend chinesische Unternehmen in Konkurrenzkampf mit dem Unternehmen getreten sind und es schwieriger wird im Preiskampf mitzuhalten. Momentan reicht der Standort in Chengdu aus, um den chinesischen Markt zu bedienen. Chengdu liegt darüber hinaus strategisch günstig, da das Unternehmen von hier aus alle bergigen Regionen Chinas aus bedienen kann.

Zur Implementierung des International Sales Accelerator Modells

Das Unternehmen hat alle International Sales Accelerator Modell Bausteine durchlaufen und steht vor der weiteren Umsetzung der letzten Module (siehe Schnell-Check in Abschnitt 5.1) im Baustein 7. Durch den erfolgreichen Aufbau einer Marke, konnte das Unternehmen eine erfolgreiche nationale Präsenz aufbauen. Es steht nun vor der Herausforderung weitere Vertriebsniederlassungen aufzubauen und Forschung und Entwicklung vor Ort zu etablieren, um das Wissen vor Ort zu nutzen. Damit könnte das Unternehmen weitere Weltregionen erschließen bzw. in bereits erschlossenen Weltregionen mit neuen Produkten und Trends weitere Umsätze erwirtschaften.

6.2.4 Vertriebsaufbau und Vertriebsentwicklung in der Getränkeindustrie im chinesischen Markt

Hintergrundinformationen zum Cross-Border E-Commerce in China und chinesischen E-Commerce Großhändlern

Chinas Cross-Border E-Commerce (im Nachfolgenden bezeichnet als CBEC) erwirtschaftete im Jahr 2017 ca. 12 Mrd. €. Das entspricht einer Wachstumsrate von 80 % im Vergleich zum VorjahrFootnote 55. Dabei dominieren einige wenige Anbieter, wie z. B. Tmall, JD und Suning den Markt (siehe Abb. 6.11).

Abb. 6.11
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(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an iResearch 2017)

Marktanteile der B2C E-Commerce Anbieter in China im 2. Quartal 2017.

Die Umsatzentwicklung ist deshalb so interessant, weil es erst seit dem Jahr 2015 sogenannte CBEC Pilotprojekte in China gibt. Das erste Pilotprojekt fand in Hangzhou statt. Weitere Pilotprojekte folgten z. B. in Shanghai, Tianjin, Chengdu und Chongqing.Footnote 56 Herr SchmidtFootnote 57, von der deutschen Außenhandelskammer in China, erklärt, dass CBEC für deutsche Unternehmen sehr verlockend klingt, aber es sei nicht ganz so einfach über CBEC in den chinesischen Markt einzutreten. Zum Beispiel bedarf es speziellen Labellings, die bestimmten Anforderungen genügen müssen und chinesische Kunden erwarten schnelle Lieferungen innerhalb weniger TageFootnote 58. Wenn ein Unternehmen diese Anforderungen nicht leisten kann, schließt es sich auch von den großen Online-Plattformen aus (siehe auch Tab. 6.16).

Tab. 6.16 Übersicht über die größten chinesischen CBEC B2C Online-Plattformen

Weitere große Online-Plattformen sind Alibaba (B2B Online-Plattform) und Taobao (C2C Online-Plattform). In Fallstudie 6.2.9 wird auf den Aufbau eines Online-Geschäfts mit Alibaba eingegangen. Zum Aufbau von Geschäften über Taobao siehe nachfolgende Abschnitte in dieser Fallstudie. Aus Tab. 6.16 lässt sich erkennen, dass die Online-Plattformen strenge Zugangsvoraussetzungen haben und teilweise Kaution und jährliche Plattformgebühren veranschlagen. Herr Schmidt berichtet, dass die Kosten und der Aufwand die Zugangsvoraussetzungen zu erfüllen für die meisten KMUs nicht zu stemmen sind, zumal ein Zugang zu einer Online-Plattform noch keinen Verkauf der Produkte gewährleistetFootnote 63. Im Gegenteil, nach erfolgreichem Zugang zu den Online-Plattformen, müssen die Unternehmen sehr viel Geld in Marketingmaßnahmen investieren. Hat man es aber geschafft, winkt ein schnell wachsender Markt mit stetig steigenden BenutzerzahlenFootnote 64. Aus diesem Grund haben sich die nachfolgend vorgestellten Unternehmen trotz der Risiken für den Markteintritt über chinesische E-Commerce Großhändler entschieden und bauen derzeit ihr E-Commerce Geschäft in China aus.

Zur Segmentierung und Auswahl einer Weltmarktregion und zur Auswahl eines bestimmten Landes als prioritären Zielmarkt

Beide Unternehmen segmentieren die Weltmarktregionen nach geographischen Segmentierungskriterien. Darüber hinaus müssen beide Unternehmen sehr rohstofforientiert handeln und Zielmärkte werden ggfs. auch aus ressourcenorientierten Gründen ausgewählt. Die Gründe für die Auswahl des chinesischen Markt waren die folgenden: Bei Unternehmen 1Footnote 65 erfolgte die Auswahl des chinesischen Marktes als prioritären Zielmarkt nachdem es von einem chinesischen Investor gezielt angesprochen wurde und ein großer Teil des Risikos vom Investor übernommen wurde. Unternehmen 2Footnote 66 wählte den chinesischen Markt aufgrund seines großen Marktpotenzials aus.

Zur Sammlung von Markteintrittspunkten und zur Entwicklung einer Markteintrittsstrategie im chinesischen Markt

Beide Unternehmen sammelten zunächst Markteintrittspunkte bevor sich Unternehmen 1 für die Markteintrittsstrategie Joint Venture und Unternehmen 2 für die Markteintrittsstrategie Handelspartner entschieden. Unternehmen 1 knüpfte unter anderem Kontakte zu anderen lokalen deutschen Unternehmen und zur deutschen Handelskammer. Unternehmen 2 suchte über drei Jahre nach einem geeigneten Handelspartner für den chinesischen Markt. Die Wahl fiel auf einen Handelspartner, der schon sehr lange in der gleichen Industrie tätig ist und bereits Erfahrungen im Aufbau von Vertriebskanälen mit Hilfe chinesischer E-Commerce Großhändler hat.

Zur Entwicklung einer bestimmten Region und zum Aufbau erster Vertriebsstrukturen im chinesischen Markt – Unternehmen 1

Der Joint Venture Partner von Unternehmen 1 wählte eine Stadt in der Provinz Hunan für den Aufbau der deutschen Straße aus, in der Unternehmen 1 ein lokales Geschäft als direkten Vertriebskanal eröffnen konnte. Herr HoffmannFootnote 67 erklärt, dass sie bisher sehr zufrieden mit den Vereinbarungen zum Joint Venture sind. Der Joint Venture Partner ist nur finanziell beteiligt und mindert so das finanzielle Risiko für das Unternehmen. Nachdem der erste Vertriebskanal aufgebaut war, investierte das noch junge Management des Unternehmens viel Zeit in den Aufbau des E-Commerce.

Als erstes musste das Unternehmen eine eigene Webseite beantragen, da Baidu, das «chinesische Google», ausländische Webseiten nicht rankt. Dabei galt es einiges zu beachten:

“In China ist alles kontrolliert. Man muss angeben was das für eine Seite werden soll, wo der Server steht, wie der Domainname lautet, wer der Besitzer ist oder welche ID der Besitzer hat. Der Anmeldeprozess dauert relativ lange, ca. einen Monat. Man muss immer wieder E-Mails bestätigen, abwarten, E-Mails bestätigen etc.”Footnote 68

Weiterhin musste dafür gesorgt werden, dass das Unternehmen in Baidu möglichst weit oben als Suchergebnis auftaucht. Das schafft man durch Suchmaschinenoptimierung, wie z. B. über möglichst viele Verlinkungen. Neben der eigenen Webseite hat das Unternehmen auch intensiv an dem Marktauftritt bei der Online-Plattform Taobao gearbeitet. Mittlerweile sind sieben Mitarbeiter für den Aufbau des Online-Geschäftes verantwortlich. Herr Hoffmann erklärt, warum das so wichtig ist:

“Wenn man bei uns Amazon kennt, dann ist das überschaubar von den Anfragen, die so pro Tag eintreffen. Wenn man hier bei Taobao ist, braucht man eine Person die Vollzeit pro Tag die Anfragen beantwortet. […] es wird erwartet, dass die Fragen gleich beantwortet werden. Am besten Live-Chat-mäßig.”Footnote 69

Weitere Online-Plattformen, die erschlossen werden sollen, sind z. B. Tmall oder JD. Dazu benötigt das Unternehmen aber noch eine gültige Food-Lizenz, welche schon beantragt wurde. Außerdem sollen durch einen direkten Vertriebskanal Hotels, Gastronomien und Firmenkunden bedient werden. Der direkte Vertriebskanal wird somit für das B2B-Geschäft eine wichtige Rolle spielen. Das B2C-Geschäft wird online über indirekte Vertriebskanäle wie die bereits erwähnten Online-Plattformen vertrieben. Die Nähe zu den nicht geschäftlichen Kunden kann durch den Shop in der deutschen Straße aufrechterhalten werden. Die Coverage-Matrix in Tab. 6.17 verdeutlicht das Geschäftsmodell des Unternehmens.

Tab. 6.17 Coverage-Matrix eines Getränkeherstellers im chinesischen Markt (Unternehmen 1)

Zur Entwicklung einer bestimmten Region und zum Aufbau erster Vertriebsstrukturen im chinesischen Markt – Unternehmen 2

Zum Zeitpunkt des Interviews war das Unternehmen ca. 1 Jahr im chinesischen Markt. Die Interviewpartnerin berichtet, dass die Geschäftsleitung des Unternehmens drei Jahre auf der Suche nach einem geeigneten Geschäftspartner im chinesischen Markt war. Die Wahl fiel schließlich auf einen Handelspartner in der gleichen Industrie, der bereits Erfahrung mit dem Online-Handel hat. Derzeit arbeiten 10 Mitarbeiter am E-Commerce Vertriebsaufbau.

Das Ziel des Unternehmens ist es auf den wichtigsten Online-Plattformen präsent zu sein, damit die Kunden die Plattform nutzen können, die sie normalerweise auch nutzen. Das heißt, die Kunden sollen nicht gezwungen werden ihre gewohnte Plattform zu verlassen nur damit sie die Produkte des Unternehmens kaufen können. Wie aus der Tab. 6.18 zu sehen ist, hat das Unternehmen bereits indirekte Vertriebskanäle bei JD, Tmall und WeChat aufgebaut. In Planung sind außerdem Suning und Red Book. Darüber hinaus berichtet die Expertin, dass sie es auch wichtig fände, wenn das Unternehmen Offline-Shops aufbauen würde, um lokale Kunden besser ansprechen zu können. In der Industrie ist es wichtig, dass die Kunden die Produkte anfassen können und den Geschmack des Produktes riechen können.

Tab. 6.18 Coverage-Matrix eines Getränkeherstellers im chinesischen Markt (Unternehmen 2)

Beim Aufbau der Online-Plattformen hat der Handelspartner das neue E-Commerce Team des Unternehmens unterstützt. Die Interviewpartnerin berichtet, dass unterschiedliche Plattformen auch unterschiedliche Regularien haben. Zu Beginn musste das Team viel recherchieren, z. B. welche Unterlagen eingereicht werden müssen oder welche Dokumente vorbereitet werden müssen. Nach erfolgreicher Vorbereitung bekommt das Unternehmen irgendwann ein “Go”, dass es seine Produkte auf der Plattform anbieten kann. Die Interviewpartnerin und ihr Team beginnen sich dann mit der Logistik- und Supply Chain-Abteilung abzustimmen, wie und wann sie die Produkte liefern können. Dabei gibt es Plattformen, die ein eigenes Warenhaus haben und welche die keines besitzen. Je nachdem muss das Unternehmen seine eigene Logistik planen. Bei den Plattformen, die ein eigenes Lager haben, müssen die Füllungsprozesse gut geplant und koordiniert werden. Das Unternehmen muss sich mit den Plattformen abstimmen. Die Expertin sieht hier noch Potenzial, um die Effizienz zu steigern.

Der größte Unterschied im Vertriebskanalmanagement zu Deutschland ist wohl die Tatsache, dass das Unternehmen die Produkte in Deutschland in Supermärkten verkauft. Laut der Expertin würde dieser Vertriebskanal in China nicht funktionieren. Chinesische Kunden suchen in Offline-Supermärkten nach Lebensmitteln aber nicht nach diesem einen Produkt. Dennoch findet die Expertin, dass das Unternehmen einen direkten Kanal durch z. B. eigene Shops zu den Kunden aufbauen sollte, damit die Kunden die Produkte anfassen und riechen können.

Weitere Herausforderungen im Vertrieb der Produkte bestehen darin, die Kunden auf das Unternehmen aufmerksam zu machen. Auch hier setzt das Team auf Offline-Events. Die Expertin berichtet, dass das Unternehmen vor kurzem bei der Shanghai Fashion Week vor Ort war, um die Hauptzielgruppe des Unternehmens anzusprechen. Überhaupt ist es nicht so einfach den chinesischen Kunden, die bereits eine große Auswahl an Getränken haben, die neuen Produkte näher zu bringen. Dabei hilft der Country-of-Origin-EffektFootnote 70. Das Unternehmen wirbt offensiv damit, dass das Produkt aus Deutschland stammt. Das Team um die Expertin ist momentan weiter auf der Suche nach passenden Offline-Events. Bei den Offline-Events geht es darum, die Meinung der Hauptzielgruppe über Geschmack und Marke einzuholen.

Zum Rollout / Marktdurchdringungsstrategie im chinesischen Markt

Beide Unternehmen arbeiten an dem Aufbau einer Marke zur Etablierung einer nationalen Präsenz. Im Gegensatz zu Unternehmen 1 ist Unternehmen 2 im Heimatmarkt national bekannt und kann auf größere Erfahrungswerte aufbauen. Unternehmen 1 ist momentan noch stark damit beschäftigt erste Vertriebsstrukturen aufzubauen und diese auch weiterzuentwickeln. Dennoch arbeitet das Management parallel an dem Aufbau einer Marke. Über WeChat will das Unternehmen Follower mit neuesten Informationen versorgen. Um WeChat Follower zu bekommen, drehte das Unternehmen mit Meinungsführern (Key Opinion Leadern) Produkt-Review Videos und stellte sie im chinesischen Youtube, Youku, ins Netz. Unternehmen 2 arbeitet ebenfalls am Aufbau einer Marke, indem es Meinungsführer auf Fashion Weeks ihre Produkte testen lässt und diese dabei filmt. Weiterhin wirbt das Unternehmen offensiv damit, dass es aus Deutschland stammt, da der Country-of-Origin-Effekt für deutsche Getränkehersteller positiv durchschlägt. Chinesische Kunden haben durch den Milchskandal, der durch chinesische Unternehmen verursacht wurde, Vertrauen in die eigene Industrie verlorenFootnote 71.

Zur Implementierung des International Sales Accelerator Modells

Beide Unternehmen arbeiten stark an dem Aufbau ihrer Marke, um eine nationale Bekanntheit zu erlangen. Darüber hinaus haben die E-Commerce Händler unterschiedliche Dienstleistungen in Bezug auf die Distributionslogistik der Produkte. Manche E-Commerce Händler bieten eigene Warenlager an, andere wiederum verlangen, dass die Produkte durch ein eigenes Warenlager verschickt werden. Beide Unternehmen haben viel Potenzial im Ausbau der Bausteine 6 und 7 und sind auf dem besten Weg weitere Elemente in diesen Bausteinen umzusetzen.

6.2.5 Vertriebsaufbau und Vertriebsentwicklung in der Lebensmittelindustrie im chinesischen Markt

“Last year, President Xi Jinping visited Poland and tried Polish apples. Just after that, everyone wanted Polish apples. One picture, one visitor – was worth more than a multi-million promotional campaign. That is another reason why all these areas interact with each other: politics, cultural exchange, tourism – it all influences our actual trade.”Footnote 72

Zur Segmentierung und Auswahl einer Weltmarktregion und zur Auswahl eines bestimmten Landes als prioritären Zielmarkt

Das Unternehmen ist ein polnisches BeratungsunternehmenFootnote 73, das sich in der Vergangenheit auf den Import von polnischen Getränken und Lebensmitteln in den chinesischen Markt spezialisiert hat. Die Auswahl eines primären Zielmarktes erfolgte aufgrund der hohen Beratungsnachfrage für den chinesischen Markt. Getränke und Lebensmittel machen derzeit einen großen Anteil am täglichen Importgeschäft aus. In Zukunft plant das Unternehmen sein Portfolio für weitere Waren, wie z. B. Kosmetik oder Bekleidung zu erweitern. Das Unternehmen wurde 2009 in Polen, gegründet. Im Jahr 2017 arbeiten ca. 50 Mitarbeiter bei dem Unternehmen. Es besitzt einen Standort in Polen und zwei Standorte in China. In China hat das Unternehmen ein Warenhaus mit Büro in Hangzhou und ein Verkaufsbüro in Chengdu.Footnote 74

Zur Sammlung von Markteintrittspunkten und zur Entwicklung einer Markteintrittsstrategie in der Weltregion Asien und dem chinesischen Markt

Das Unternehmen entwickelte sich von einem Importagenten zu einem Exportagenten. Laut Gillespie & Hennessey identifizieren Importagenten im jeweiligen Ländermarkt Konsumentenbedürfnisse und analysieren dann, wo sie die Produkte zur Erfüllung der Bedürfnisse weltweit einkaufen könnenFootnote 75. Exportagenten dagegen fokussieren sich mehr auf einen Ländermarkt bzw. eine bestimmte Weltregion. Außerdem sind sie meistens spezialisiert auf den Verkauf der Produkte.Footnote 76 Wie Herr NowakFootnote 77 berichtet, agierte das Unternehmen zunächst als Importagent, indem es polnische und andere europäische Lebensmittel für den chinesischen Markt importierte. Mit der Zeit entwickelten die Mitarbeiter weitere Kompetenzen, so dass sich das Hauptgeschäft des Unternehmens wandelte.

Zur Entwicklung einer bestimmten Region und zum Aufbau erster Vertriebsstrukturen im chinesischen Markt

Vertriebspolitik

Das Unternehmen empfiehlt kleinen und mittelständischen Unternehmen den indirekten Vertrieb im chinesischen Markt aufzubauen, anstatt in einen direkten Vertrieb zu investieren. Unternehmen sollten lieber Zeit und Geld in die Suche nach einem geeigneten Handelsvertreter investieren. Nach der Erfahrung von Herrn Nowak ist es auch hilfreich mehrere Handelsvertreter auszuprobieren. Manchmal dauert eine Partnersuche bis zu 3 Jahre. Dennoch ist es günstiger den Markt über Handelsvertreter zu erschließen als über einen direkten Vertrieb mit eigenem Personal.

Weiterhin ist das Lebensmittelgeschäft von regionalen Unterschieden geprägt. Zum Beispiel lässt sich Wodka im Norden besser verkaufen als im Süden von China:

„In addition, China is much diversified. When we have certain products like Vodka, it sells very well in Northern China, but not well at all in Southern China. Different places have different tastes.“Footnote 78

Ein weiterer Absatzkanal ist der E-Commerce. Das Unternehmen nutzt E-Commerce allerdings nicht für Lebensmittel, sondern für Bekleidung. Interessanterweise, importiert das Unternehmen Damen-Strumpfhosen von polnischen Unternehmen, die zuvor in China produziert wurden und verkauft diese auf diversen Online-Plattformen, wie z. B. vip.com oder jd.com. Zu diesem Zweck hat das Unternehmen in Hangzhou in der Zhejiang Provinz ein Warenhaus mit Büro eröffnet. Hangzhou ist bekannt für chinesische Unternehmen, die das Controlling und den Verkauf über Online-Plattformen managen. Vip.com öffnet seine Plattform nur für ein paar Tage pro Monat. Die restlichen Tage im Monat wird Spannung aufgebaut und es werden große Rabattaktionen angekündigt. Der Verkauf über vip.com läuft sehr gut, erzählt Herr Nowak.

Produktpolitik

Das Unternehmen überprüft zu Beginn, ob ein Produkt für den chinesischen Markt geeignet ist. Dazu werden Proben des Produktes an Handelspartner geschickt um Feedback bezüglich der Verpackung, des Geschmacks sowie der Zutaten einzuholen. Herr Nowak berichtet, dass viele chinesische Kunden ein Problem mit der Einschätzung der Qualität von Produkten haben:

“Chinese consumers are not very sure how they should judge certain products. Does the product have a good quality, middle quality, or bad quality? The most important factor for them is price. The price is very often the game-changer.”Footnote 79

Anhand des Preises wird die Produktqualität gemessen bzw. manche Produkte werden erst aufgrund eines niedrigen Preises gekauft. Weiterhin berichtet Herr Nowak, dass es schwierig ist, die polnischen Lebensmittelhersteller zu überzeugen, dass sie eine minimale Gewinnmarge in den ersten beiden Jahren nach dem Markteintritt verlangen sollen. Er empfiehlt:

“Build your market, build your brand, the quantity will come.”Footnote 80

Laut Homburg & Krohmer fällt unter die Produktpolitik auch das MarkenmanagementFootnote 81. Für polnische Lebensmittelhersteller ist es besonders schwierig eine Marke zu etablieren, da das Land in China im Vergleich zu Deutschland oder Frankreich nicht so präsent istFootnote 82. Weiterhin erläutert Herr Nowak, dass die Verpackungen der Lebensmittel in der Regel geändert werden müssen, z. B. musste ein Wodka-Hersteller für den chinesischen Markt den Verschluss seiner Flaschen ändern sowie ein chinesisches Label mit Bildern entwerfen.Footnote 83

Preispolitik

Da es sich bei den meisten Produkten des Unternehmens um Lebensmittel handelt und diese in großen Mengen verkauft werden, ist ein niedriger Preis von extremer Bedeutung. Herr Nowak erzählt, dass die meisten seiner Kunden bei ihrem ersten Besuch in China große Augen machen, da die Preise relativ teuer sind im Vergleich zu den polnischen. Was sie nicht wissen ist, dass sie nur einen kleinen Anteil an der Gewinnmarge abbekommen.

“[…] you have import costs, registration costs, taxes, order’s margin, distributor’s margin, another distributor’s margin, supermarket margin, it all adds up and competition is huge.”Footnote 84

Kommunikationspolitik

Um in der Kommunikationspolitik erfolgreich für die polnischen Lebensmittelhersteller Kontakte zu knüpfen, verfolgte das Unternehmen für eine lange Zeit die Strategie auf möglichst vielen Messen präsent zu sein. Laut Herrn Nowak ist das die beste Möglichkeit sich kennen zu lernen. Die Kunst ist es Messen herauszufinden, die qualitativ hochwertig sind. Gute Lebensmittelmessen sind laut Herrn Nowak z. B. die SIAL und die FHC in Shanghai oder die ANUFOODS in Beijing. Weitere kommunikationspolitische Maßnahmen, wie z. B. Online-Werbung werden z. B. über Social Media wie WeChat angeboten.

Zum Rollout / Marktdurchdringungsstrategie im chinesischen Markt

In Baustein 7 hilft das Unternehmen anderen Unternehmen eine Marke zu etablieren und damit eine nationale Präsenz aufzubauen. Allerdings, als Exportagent, wird das Unternehmen früher oder später seine etablierten Kunden verlieren, da diese sich weiterentwickeln müssen, um eigene Vertriebsniederlassungen und bestenfalls auch eine eigene Landesgesellschaft aufzubauen. Die Weiterentwicklung im chinesischen Markt muss von den Getränke- und Lebensmittelherstellern letztendlich selbst vorangetrieben werden.

Zur Implementierung des International Sales Accelerator Modells

Das Unternehmen hat sich, ohne es zu wissen, auf die Umsetzung einiger Elemente der Bausteine 3–7 des International Sales Accelerator Modells spezialisiert. Es übernimmt die Sammlung von Markteintrittspunkten für polnische Getränke- und Lebensmittelhersteller und legt deren Markteintrittsstrategien fest. Dabei empfiehlt das Unternehmen in der Regel mit einer risikoarmen Markteintrittsstrategie, einem Handelspartner, in den chinesischen Markt einzusteigen. Diese Handelspartner können auf etablierte Vertriebskanäle zurückgreifen. Die polnischen Getränke- und Lebensmittelhersteller können dadurch erste Markterfahrungen sammeln und an dem Aufbau einer Marke arbeiten.

6.2.6 Vertriebsaufbau und Vertriebsentwicklung in der Umwelttechnikindustrie im mexikanischen Markt

Zur Segmentierung und Auswahl einer Weltmarktregion und zur Auswahl eines bestimmten Landes als prioritären Zielmarkt

“The Gateway Hypothesis […] involves consideration of future expectations when venturing into a new foreign market. The backbone of the proposition is that the first experience may turn into a stepping-stone-entry which initiates further entry decisions in related markets.”Footnote 85

Wie durch das Zitat erwähnt wird, wollen auch die in dieser Fallstudie vorgestellten Umwelttechnikunternehmen den mexikanischen Markt zum Sammeln von ersten Erfahrungen nutzen, um weitere lateinamerikanische Länder zu erschließen. Alle drei Unternehmen haben dabei die Weltmarktregionen nach geographischen Segmentierungskriterien unterteilt und streben die Erschließung der Länder in Südamerika an. Zunächst aber steht die Erschließung des mexikanischen Marktes an.

Zur Sammlung von Markteintrittspunkten und zur Entwicklung einer Markteintrittsstrategie in der Weltregion Nordamerika und dem mexikanischen Markt

Erste Markteintrittspunkte wurden von allen drei Unternehmen auf internationalen Umwelttechnikmessen geknüpft. Zwei der drei Unternehmen traten in den mexikanischen Markt mit Handelspartnern ein. Ein anderes Unternehmen hatte durch sein Hauptgeschäftsfeld bereits eine eigene Landesgesellschaft aufgebaut und der Geschäftsbereich, der für Umwelttechnik zuständig war, konnte sich bei einem lokalen Ingenieur einklinken und erste Projekte akquirieren. Nach der Sammlung erster Erfahrungen durch die Handelspartner und durch einen eigenen lokalen Ingenieur entschlossen sich alle drei Unternehmen die Markteintrittsstrategie zu “erhöhen”, d. h. die beiden ersten gründeten eigene Vertriebsniederlassungen und das letztere Unternehmen entsandte eigene Mitarbeiter aus Deutschland nach Mexiko, um die Markterschließung weiter voranzutreiben.

Zur Entwicklung einer bestimmten Region und zum Aufbau erster Vertriebsstrukturen im mexikanischen Markt

Unternehmen AFootnote 86 bearbeitete bis zum Jahr 2014 den mexikanischen Markt mit Hilfe eines Distributors. Seit 2015 hat das Unternehmen eine eigene Vertriebsniederlassung in Mexiko-Stadt. Herr HernándezFootnote 87 arbeitet seitdem als lokaler Geschäftsführer für das Unternehmen. Derzeit baut Herr Hernández das indirekte Vertriebskanalsystem weiter aus, indem er mit regionalen Händlern zusammenarbeitet. Diese verkaufen und warten die Produkte des Unternehmens sowohl bei kommunalen als auch bei industriellen Projekten (siehe auch Tab. 6.19).

Tab. 6.19 Coverage-Matrix von drei Umwelttechnikunternehmen im mexikanischen Markt

In der Vergangenheit wurden ca. 90 % der Projekte bei kommunalen Kunden realisiert und ca. 10 % bei industriellen Kunden. Dieses Ungleichgewicht soll nun mit Hilfe von lokalen Händlern ausgeglichen werden. Die Hauptindustrien, für welche die Produkte des Unternehmens interessant sind, sind z. B. Lebensmittelindustrie, Papierindustrie, Bio-Abfallindustrie, Molkereiindustrie, Lederindustrie und Hotelindustrie. Wo die ersten Projekte realisiert werden, hängt dabei von den lokalen Händlern ab. Herr Hernández bekommt vom deutschen Hauptsitz eine Vorgabe, wieviel sie z. B. im Jahr 2016 verkaufen müssen. Das Ziel wird dann unter den Händlern aufgeteilt. Herr Hernández überwacht die Einhaltung des Zieles und versorgt die Händler mit Informationen. Bevor die Händler die Produkte des Unternehmens vertreiben dürfen, werden sie von Herrn Hernández und seinem Team geschult. Mit Hilfe von Google Maps, zum Beispiel, markiert Herr Hernández jeden Standort bzw. jeden Kunden und jedes Produkt, das in Mexiko verkauft wurde. Am wichtigsten aber ist das Teilen der Karte mit den Händlern. Dadurch wissen die Händler welche Unternehmen bereits angesprochen wurden, aber auch welcher Händler am erfolgreichsten ist. Das spornt die Händler untereinander an. Außerdem nutzt das Unternehmen ein Customer-Relationship-Management System, in dem alle Niederlassungen ihre Projekte mit z. B. folgenden Daten eintragen: Projektnummern, Projekt, Kunde, Endkunde, Standort, Verkäufer, Status, etc. Dadurch kann Herr Hernández genau sagen, dass das erste Projekt 1988 in Mexiko verkauft wurde. Neben dem indirekten Vertriebskanal besitzt das Unternehmen aber auch einen direkten Vertriebskanal. Herr Hernández z. B. ist für Mexiko-Stadt und Umgebung zuständig. Außerdem informiert Herr Hernández die Kommunen über die Produkte des Unternehmens via Consultants. Die Consultants werden von Kommunen engagiert, um das bestmögliche Projekt für ihre Kommunen zu realisieren. Darüber hinaus setzt Herr Hernández auf Händler mit regionalem Dialekt. Herr Hernández ist für eine Unterteilung in vier Hauptregionen Mexikos: den Norden, das Zentrum, Mexiko-Stadt und den Süden. So berichtet er, dass mancher Verkauf nicht stattfand, weil ein Händler vom Süden im Norden Geschäfte machen wollte und dieser dem Händler vom Süden nicht vertraute. Ein weiterer Vorteil beim Vertriebsaufbau durch Händler ist, dass diese guten Kontakte zu lokalen Regierungen haben und dadurch auch kommunale Projekte realisierbar werden ohne dass das Unternehmen viel Zeit in den Aufbau dieser Kontakte investieren muss.

Unternehmen BFootnote 88 stieg 1996 in den mexikanischen Markt mit einem lokalen Händler ein. Der Händler verkaufte chemische Produkte und war einverstanden auch Produkte aus der Wasserwirtschaft zu verkaufen. Nach und nach kamen weitere Händler hinzu, bis sich das Unternehmen dazu entschloss, eine eigene Vertriebsniederlassung in Mexiko-Stadt aufzubauen (siehe Tab. 6.16). Fünf Jahre später eröffnete das Unternehmen sogenannte Antennen-Büros (siehe auch Abb. 4.10 in Abschnitt 4.4) in Monterrey, Guadalajara und Santiago de Querétaro. Die Antennen-Büros wurden deshalb gegründet, da das Unternehmen in der Nähe von Fokus-Industrien, wie z. B. der Lebensmittelindustrie sein wollte. Das Unternehmen folgt also den Kunden in unterschiedlichen Industriesegmenten. Herr PérezFootnote 89 schätzt, dass das Unternehmen in naher Zukunft ein weiteres Antennen-Büro in Cancún eröffnen wird, da Meerwasserentsalzungsanlagen immer wichtiger werden. Das Unternehmen hat Mexiko in zwei Teile unterteilt: Den nördlichen und den südlichen Teil. Herr Pérez erhält monatliche Berichte über die Verkaufszahlen und gibt diese dann an den Hauptsitz in Deutschland weiter.

Unternehmen CFootnote 90 ist seit 1994 im mexikanischen Markt aktiv. Frau SchmidtFootnote 91 ist seit zweieinhalb Jahren für den Markteintritt des Geschäftsbereichs Umwelttechnik zuständig. Davor gab es bereits in Mexiko einen Versuch den Markt für Umwelttechnik mit Hilfe eines Verkaufsingenieurs zu erschließen. Dieser Ansatz war aber aus verschiedenen Gründen nicht erfolgreich. Dafür ist nun Frau Schmidt für die Erschließung des mexikanischen Markts zuständig (siehe Tab. 6.16). Frau Schmidts erste Tätigkeit bestand darin, die bereits bestehenden Kunden darauf aufmerksam zu machen, dass nun auch der Geschäftsbereich Umwelttechnik in Mexiko Projekte realisieren kann. Bis Frau Schmidt das erste Projekt akquirieren konnte verging knapp ein Jahr. Für ein Projekt muss mit einem Vorlauf von sechs bis neun Monaten gerechnet werden. Die Hauptkunden sind Industriekunden die Abwasseranlagen benötigen. Zu Beginn ihrer Tätigkeit versuchte Frau Schmidt auch kommunale Kunden zu akquirieren. Allerdings ist es sehr schwer den Zuschlag für eine Ausschreibung als internationales Unternehmen zu bekommen. Frau Schmidt wählte dann vier weitere Hauptindustrien als Priorität aus: Automobil-, Chemie-, Lebensmittel und petrochemische Industrie. Erste Kontakte wurden über die bereits bestehenden Automobilhersteller geknüpft. Weitere Kontakte zum Beispiel in der Chemieindustrie wurden über Fachmessen (ANIQ, Congreso MASH oder Green Expo) angebandelt. Zu Beginn musste Frau Schmidt auch einen Überblick über die mexikanischen Umweltgesetze bekommen. Dazu erwarb das Unternehmen Zugriff auf eine Datenbank, die sogenannte ENHESA für ca. 3000 Dollar pro Jahr. Die Datenbank enthielt nicht nur die Gesetze, sondern auch Aktualisierungen bzw. Gesetzesänderungen, die im Gespräch sind. Im Nachhinein ist Frau Schmidt aber eher enttäuscht von der Datenbank, denn viele Informationen findet man bei gründlicher Recherche auch online. Ein Ausbau bzw. eine Weiterentwicklung der Geschäfte in Richtung anderer Industrien gestaltet sich schwierig. Noch kann das Unternehmen in anderen Industrien außerhalb der Automobilindustrie keine großen Auftragseingänge vorweisen, auch wenn es einige Projekte im Angebotsstadium gibt. Frau Schmidt konzentriert sich regional gesehen auf die Akquise von Projekten in der Automobilindustrie im BajíoFootnote 92 sowie Mexiko-Stadt und -Staat. Das Unternehmen hat mexikanische Zulieferer hauptsächlich im Bereich Behälter- und Rohrleitungsbau, Montage und Stahlbau. Bei Maschinentechnik ist es im Regelfall günstiger, z. B. Pumpen oder Rührwerke in Deutschland einzukaufen. Das Unternehmen besitzt ein CRM-Softwaretool. In diesem Tool werden z. B. Listen mit Kontakten in verschiedenen Industrien angelegt. Zum Beispiel haben Frau Schmidt und ihre Kollegin ca. 200 Chemieunternehmen im mexikanischen Markt identifiziert. Anschließend wurden die Unternehmen in kleine und große Unternehmen unterteilt. Unternehmen, die nur einen Vertrieb in Mexiko besitzen entfernten sie, da diese in der Regel keine Abwasseranlagen benötigen. Anschließend wurden Prioritäten zur Ansprache der Unternehmen vergeben, z. B. Priorität 1: großes multinationales Unternehmen, Priorität 2: mexikanisches Unternehmen bzw. mittelgroßes internationales Unternehmen und Priorität 3: kleine Unternehmen mit dubiosen Webseiten. Nach der erfolgreichen Erstellung einer solchen Liste wurden die Unternehmen gezielt auf Messen oder telefonisch kontaktiert.

Zum Rollout / Marktdurchdringungsstrategie im chinesischen Markt

Alle drei Unternehmen arbeiten derzeit an der Etablierung einer Marke und einer nationalen Präsenz. Während Unternehmen A weiterhin trotz eigener Vertriebsniederlassung auf regionale Handelspartner setzt, arbeitet Unternehmen B an der kontinuierlichen Vertriebsentwicklung mit eigenen Mitarbeitern und eigenen Vertriebsniederlassungen. Unternehmen C strebt eine breitere Kundschaft an und entwickelt Projekte um unabhängiger vom Hauptgeschäftsfeld des Unternehmens zu werden. Insgesamt tut sich die Industrie mit der Entwicklung des Marktes schwer, da die Durchsetzung der Umweltgesetze in Mexiko nicht streng genug überwacht werden. Zum Beispiel berichtet Frau Schmidt, dass es in Mexiko keine Vorgaben für die Unternehmen zur Eigenüberwachung gibt:

“Die Überwachung durch den mexikanischen Staat erfolgt so, dass alle sechs Monate jemand vorbeikommt. Der Termin zur Kontrolle wird, anders als in Deutschland, vorher angekündigt. Für Unternehmen ist es daher ein Leichtes die Abwasserwerte zu manipulieren. Sie können an dem Kontrolltag einfach vorher mehr Wasser durchspülen und die Werte damit verändern. Mexikanische Unternehmen haben daher noch viel weniger Anreize in Umwelttechnik zu investieren als die deutschen Unternehmen.”Footnote 93

Darüber hinaus berichten alle drei Unternehmen, dass die Zahlungsmoral eine Herausforderung für ausländische Unternehmen darstellt. Unternehmen sollten auf die vollständige Bezahlung im Voraus bestehen oder Referenzen verlangen. Bei Unternehmen C erfolgt die Zahlung von großen Projekten in vier Schritten: 1. Zahlung für die Planung (ca. 30 %), 2. Zahlung bei der ersten Auslieferung (ca. 30 %), 3. Zahlung bei abgeschlossener Montage der Anlage (ca. 30 %) und 4. Abschlusszahlung nach 1 Jahr bzw. nach Inbetriebnahme (ca. 10 %).

Zur Implementierung des International Sales Accelerator Modells

Alle drei Unternehmen arbeiten derzeit an der Umsetzung der Bausteine 5–7 des International Sales Accelerator Modells. In Baustein 7 stoßen sie im mexikanischen Markt auf Grenzen, die sie so vom deutschen Markt nicht gewohnt sind. Das Problem ist die Umsetzung der Umwelttechnikgesetze. Der mexikanische Staat hat zwar strenge Umweltgesetze erlassen, aber es fehlt an den geeigneten Institutionen zur Überwachung und Durchsetzung der Umweltgesetze. Der Druck zur Einhaltung der Gesetze wird oft von den internationalen Unternehmen erzeugt, die überall auf der Welt die gleichen Standards für ihre Produktion einhalten wollen. Die deutschen Umwelttechnikunternehmen sollten zusammen vor Ort für eine Einhaltung der Gesetze einstehen und gegebenenfalls mit Hilfe von internationalen Unternehmen für den Umweltschutz werben.

6.2.7 Vertriebsaufbau und Vertriebsentwicklung in der Diagnostica-Industrie im U.S.-Markt

Zur Segmentierung und Auswahl einer Weltmarktregion und zur Auswahl eines bestimmten Landes als prioritären Zielmarkt

Das UnternehmenFootnote 94, ein Diagnostik-Hersteller, unterteilt seine Weltmarktregionen nach geographischen Segmentierungskriterien und hat bisher weltweit ca. 80 Zielmärkte in allen geographischen Weltmarktregionen erschlossen. Herr MüllerFootnote 95, Geschäftsführer des Unternehmens erklärt: Die Geschäfte im U.S. Markt laufen gut, könnten gemessen am Marktvolumen für In-Vitro Diagnostika aber noch besser laufen. Wir müssen einen Weg finden neue Vertriebskanäle im U.S. Markt zu erschließen. Am besten wäre eine Zulassung für unsere Produkte durch die U.S. Food and Drug Administration (im Nachfolgenden bezeichnet als FDA). Damit könnten wir unsere Produkte im U.S. Markt selbst vertreiben.Footnote 96 In diesem Sinne wird in den nachfolgenden Abschnitten zu den Bausteinen des ISA-Modells erläutert wie das Unternehmen seine Marktpräsenz im U.S. Markt ausbauen kann.

Zur Sammlung von Markteintrittspunkten und zur Entwicklung einer Markteintrittsstrategie in der Weltregion Nordamerika und dem U.S. Markt

Erste Markteintrittspunkte konnte das Unternehmen durch seinen Handelspartner mit Sitz an der Ostküste der USA sammeln. Seit drei Jahren bedient das Unternehmen den U.S. Markt mit In-Vitro Diagnostika, die bisher ausschließlich in Deutschland produziert werden. Den U.S. Handelspartner hat das Unternehmen auf einer internationalen Leitmesse kennengelernt. In der Diagnostik Industrie gibt es zum Beispiel die MEDICA (Leitmesse für Medizintechnik und In-Vitro Diagnostik) und die Clinical Lab Expo Messe (Leitmesse für In-Vitro Diagnostik), die von besonderer Wichtigkeit sind, um neueste Informationen über Wettbewerber und potenzielle Handelspartner zu erhalten. Das Unternehmen steht nun vor der Herausforderung eines Upgrades der Markteintrittsstrategie. Der bisherigen Markteintrittsstrategie über einen Handelspartner soll eine eigene Vertriebsniederlassung folgen.

Zur Entwicklung einer bestimmten Region und zum Aufbau erster Vertriebsstrukturen im U.S. Markt

Das Unternehmen hat sich für einen Handelspartner mit Sitz an der Ostküste der USA entschieden, um die Zeitdifferenz zum Heimatmarkt gering zu halten und um in der Nähe von ersten wichtigen Kunden zu sein. Dabei unterteilt das Unternehmen den Markt in folgende Kundensegmente: Krankenhäuser, Labore und Arztpraxen. Der U.S. Handelspartner hat sich auf Labore spezialisiert (siehe Tab. 6.20). Um den U.S. Markt zu entwickeln, wäre auch eine weitere Akquirierung von Handelspartnern denkbar. Weitere potenzielle indirekte Vertriebskanäle sind ebenfalls in Tab. 6.20 aufgelistet.

Tab. 6.20 Coverage-Matrix für ein In-Vitro Diagnostika Unternehmen im U.S. Markt

Zum Beispiel sollte das Unternehmen Kontakt mit sogenannten Group Purchasing Organizations (Im Nachfolgenden bezeichnet als GPOs) aufnehmen. Diese GPOs agieren als Schnittstellen zwischen Anbietern und Kunden von In-Vitro Diagnostik. Die GPOs geben Sammelbestellungen für ihre Kunden in Auftrag. Damit könnte das Unternehmen die Marktsegmente der Krankenhäuser, Apotheken und Arztpraxen im U.S. Markt erschließen. Die GPOs haben eine hohe Marktmacht und dadurch eine gute Ausgangsposition für Verhandlungen. Unternehmen, die diese GPOs als Kunden akquirieren wollen, müssen sich auf Forderungen nach Preisnachlässen einstellen. Im Gegenzug versprechen die GPOs eine sichere Absatzmenge für einen vereinbarten Zeitraum.Footnote 97 Ein weiterer potenzieller indirekter Verkaufskanal kann über sogenannte Co-Promotion Relationships eröffnet werden. Darunter versteht man die Vermarktung zweier Produkte von unterschiedlichen Unternehmen zur Reduzierung der Kosten. Je nach Ausarbeitung der Kooperation, können unterschiedliche Marktsegmente dadurch bedient werden.Footnote 98

Am interessantesten für das Unternehmen wäre es aber, wenn es die In-Vitro Produkte selbst mit Hilfe eines direkten Verkaufskanals, z. B. durch eine eigene Vertriebsniederlassung, verkaufen könnte. Dazu bedarf es einer Zulassung durch die U.S. Food and Drug Administration. Für die Zulassung gibt es ein strenges Genehmigungsverfahren, welches die In-Vitro Produkte gemäß ihrem Risiko einer Klassifizierung zuordnet. Das Risiko bezieht sich auf den Verwendungszweck, d. h. welches Risiko für den Patienten bei einem inkorrekten Testresultat besteht. Insgesamt gibt es drei Klassifizierungen, die das weitere regulatorische Zulassungsverfahren bestimmen: Kategorie 1 – niedriges Risiko, Kategorie 2 – mittleres Risiko und Kategorie 3 – hohes Risiko.Footnote 99 Da der bürokratische Aufwand für eine Zulassung durch die U.S. Food and Drug Administration enorm ist, empfiehlt es sich diesen Prozess an sogenannte Clinical Research Organizations (im Nachfolgenden bezeichnet als CROs) auszugliedern. Die CROs sind Dienstleistungsunternehmen, die sich auf die strategische Beratung von klinischen Studien und die operative Umsetzung dieser Studien spezialisiert haben.Footnote 100 Erst nach erfolgter Genehmigung der U.S. Food and Drug Administration können Diagnostik-Hersteller ihre Produkte im U.S. Markt selbstständig vertreiben.

Zum Rollout/Marktdurchdringungsstrategie im U.S. Markt

Das Unternehmen strebt eine nationale Präsenz im U.S. Markt an. Durch die besonderen Bedingungen im In-Vitro-Diagnostik Markt stellen der Aufbau einer eigenen Vertriebsniederlassung sowie der Aufbau einer Marke eine große Herausforderung dar. Letztendlich hängt eine erfolgreiche Marktdurchdringung von einer FDA-Zulassung ab. Im Anschluss an die FDA-Zulassung bieten sich dem Unternehmen zahlreiche Möglichkeiten die Auslandsumsätze im U.S. Markt systematisch hochzufahren, um letztendlich eine vollwertige Landesgesellschaft zu gründen. Das Unternehmen würde von einer lokalen Beschaffung, Produktion und Forschung & Entwicklungsabteilung profitieren, da die U.S. In-Vitro-Diagnostik-Industrie laut Herrn Müller weltweit führende Unternehmen hervorbringt.

Zur Implementierung des International Sales Accelerator Modells

Das Unternehmen steckt momentan sehr viel Arbeit in die letzten beiden Bausteine des International Sales Accelerator Modells. Derzeit bedient das Unternehmen nur ein von drei Marktsegmenten über einen Handelspartner, der die Produkte in seiner fokussierten Region vertreibt. Eine Erweiterung der indirekten Vertriebskanäle sowie der Aufbau eines direkten Vertriebskanals werden dem Unternehmen Umsatzwachstum in den USA ermöglichen und letztendlich auch zu einer vollwertigen Landesgesellschaft verhelfen.

6.2.8 Vertriebsaufbau und Vertriebsentwicklung in der Süßwarenindustrie im U.S.-Markt

Zur Segmentierung und Auswahl einer Weltmarktregion und zur Auswahl eines bestimmten Landes als prioritären Zielmarkt

Herr ArmstrongFootnote 101 arbeitet seit dem Jahr 2002 bei einem deutschen LebensmittelherstellerFootnote 102. Das Unternehmen segmentiert seine Weltmarktregionen nach geographischen Segmentierungskriterien. Derzeit weist das Unternehmen einen Umsatz von ca. 500 Mio. EUR aus. Seit dem Jahr 2002 hat das Unternehmen seinen Auslandsumsatz von ca. 16 % auf 42 % im Jahr 2018 gesteigert. Herr Armstrong war maßgeblich an der Internationalisierung des Unternehmens beteiligt und hat zu diesem Zweck ein Länderauswahlmodell entworfen, das er regelmäßig mit neuen Daten aktuell hält (siehe Ausschnitt aus dem Länderauswahlmodell in Tab. 6.21).

Tab. 6.21 Ausschnitt aus dem Länderauswahlmodell eines Lebensmittelherstellers

Mit Hilfe der beiden Dimensionen – Marktpotenzial und Marktbewertung – erstellt Herr Armstrong ein Marktschätzungsverfahren, d. h. die Ländermärkte werden in eine Reihenfolge gebracht und abhängig von ihrem erreichten Score Vermarktungsebenen zugeordnet. Je nachdem welche Vermarktungsebene ein Land erreicht hat, werden Ressourcen zur Erschließung und Weiterentwicklung des Marktes zur Verfügung gestellt.

Zur Sammlung von Markteintrittspunkten und zur Entwicklung einer Markteintrittsstrategie in der Weltregion Nordamerika und dem U.S. Markt

Herr Armstrong berichtet, dass wichtige Kennzahlen zum Sammeln von Markteintrittspunkten dazugehören, z. B. veröffentlichen Marktforschungsunternehmen in regelmäßigen Abständen Informationen über die Größe des Tafelmarktes in verschiedenen Ländern. Für die Süßwarenindustrie ist die Größe des Tafelmarktes eine enorm wichtige Kennzahl. Es ist Teil von Herrn Armstrongs Aufgaben diese Informationen zusammenzutragen. Vor ca. 10 Jahren lag die Tafelmarktgröße in Deutschland z. B. bei 222 Mio. Tonnen bei einer Einwohnerzahl von ca. 82 Mio. Menschen. Dies entsprach einem pro Kopfverzehr von ca. 2,7 Tafeln. Zum Vergleich die USA hatten zum damaligen Zeitpunkt einen pro Kopfverzehr von 0,85 Tafeln. Eine weitere wichtige Kennzahl ist der Schokoladenkonsum. In Deutschland wurden vor einem Jahrzehnt ca. 9 kg Schokolade von einer Person pro Jahr verzehrt. In den USA waren es ca. 6 kg pro Person pro Jahr. Weiterhin gehört laut Herrn Armstrong das Sammeln von Informationen über die Konkurrenz zu den Markteintrittspunkten. Der U.S. Markt ist ein fragmentierter Markt, d. h. die fünf größten U.S. Süßwarenhersteller haben einen Marktanteil von ca. 30 %. Der Rest der Marktanteile verteilt sich auf kleinere Unternehmen. Insgesamt wurde die U.S. Marktgröße vor zehn Jahren auf ca. 4,7 Mrd. EUR geschätzt.

Das Unternehmen hat sich für eine internationale Unternehmensstrategie entschieden, d. h. sie produzieren ihre Produkte ausschließlich in Deutschland und von hier aus werden die Produkte in zahlreiche Länder exportiert. Der Markteintritt in den U.S. Markt fand vor Herrn Armstrong statt. Die Unternehmensleitung hatte sich damals mit mehreren Importeuren an der Ost- und Westküste getroffen. Es wurden schließlich zwei Importeure zur Erschließung des U.S. Marktes ausgewählt – einen an der Ostküste und einen an der Westküste.

Zur Entwicklung einer bestimmten Region und zum Aufbau erster Vertriebsstrukturen im U.S. Markt

Wie bereits kurz erwähnt, entschied sich die Unternehmensleitung für die Entwicklung von zwei Regionen im U.S. Markt – Ost- und Westküste. Dabei verließ sich das Unternehmen beim Aufbau von ersten Vertriebsstrukturen auf erfahrene Importeure. Die ersten Kunden waren sogenannte Mass-Kunden, die von den Importeuren angesprochen wurden. Insgesamt unterteilt das Unternehmen seine Kunden im U.S. Markt in drei Kategorien:

  • Mass-Kunden (z. B. Target, Wallmart, etc.)

  • Drugs-Kunden (z. B. Walgreen)

  • Food-Kunden (z. B. H.E.B).

Herr Armstrong berichtet, dass der Fokus in der Vergangenheit lange auf den Mass- und den Drugs-Kunden lag, weil diese gut durch die Importeure beliefert werden konnten. In Zukunft möchte Herr Armstrong die Food-Kunden besser erschließen. Dazu plant er die Markteintrittsstrategie zu ändern. Mit Hilfe einer eigenen Vertriebsniederlassung könnten die Food-Kunden national betreut werden. Herr Armstrong erzählt, dass diese Kundengruppe anspruchsvoller ist als die Mass- und Drugs-Kunden und eine nationale Betreuung Grundvoraussetzung ist, um ins Geschäft zu kommen.

Zum Rollout / Marktdurchdringungsstrategie im U.S. Markt

Wie Herr Armstrong berichtet haben die U.S. Importeure das Rollout im U.S. Markt selbstständig vorangetrieben (siehe Tab. 6.22). Die USA wurden dazu in acht verschiedene Regionen unterteilt: California, West, Plains, South Central, Great Lakes, Mid-South, South-East und North-East. Die Region mit den meisten verkauften Waren ist California. In der Region South-East sind die Verkaufszahlen noch nicht so stark.

Tab. 6.22 Übersicht über verkaufte Waren eines Lebensmittelherstellers nach Regionen in den USA

Mit Hilfe von Multiplikatoren und Key Opinion Leadern soll zudem die Marke in den USA bekannter gemacht werden, um eine nationale Bekanntheit zu erlangen.

Zur Implementierung des International Sales Accelerator Modells

Das Unternehmen verwendet alle Bausteine des ISA-Modells. Eine Schwachstelle ist laut Herrn Armstrong allerdings die seit Jahren unveränderte Markteintrittsstrategie im U.S.-Markt. Das Unternehmen könnte zum Beispiel einen der Importeure aufkaufen und als eigene Vertriebsniederlassung ausbauen oder neben den Importeuren eine eigene Vertriebsniederlassung aufbauen. Mit einer veränderten Markteintrittsstrategie hätte das Unternehmen die Chance näher am Markt zu sein und ungefilterte Marktdaten zu bekommen. Darüber hinaus empfiehlt das ISA-Modell eine Weiterentwicklung der Markteintrittsstrategie zu einer eigenen Landesgesellschaft mit eigener Produktion, Beschaffung und Forschung & Entwicklung.

6.2.9 Vertriebsaufbau und Vertriebsentwicklung eines chinesischen Umwelttechnologieunternehmens in der Region Asien

Zur Segmentierung und Auswahl einer Weltmarktregion und zur Auswahl eines bestimmten Landes als prioritären Zielmarkt

Das chinesische Unternehmen für Recycling- und AbwassermaschinenFootnote 103 unterteilt die Weltmarktregionen in entwickelte Regionen und Entwicklungsregionen. Zudem hat es sich für die Erschließung der Region Asien entschieden, nachdem es sich vom U.S. Markt zurückziehen musste. Laut Herrn WeiFootnote 104, Manager der Internationalen Vertriebsabteilung, war das Unternehmen nicht mit den qualitativ hochwertigen Produkten im U.S. Markt konkurrenzfähig. Deshalb entschloss sich das Management, dass sich Herr Wei und sein Team zukünftig auf Entwicklungsländer konzentrieren sollten, um mehr Markterfahrung zu sammeln, bevor wieder eine Zielmarktauswahl von einem Industrieland angestrebt wird. Die Produkte des Unternehmens reichen von Müllzerkleinerungs- und Recyclinganlagen für feste Abfälle bis zu Abwassermühlen für Kläranlagen.

Zur Sammlung von Markteintrittspunkten und zur Entwicklung einer Markteintrittsstrategie in der Weltregion Asien

Das Unternehmen ist gerade dabei erste Markteintrittspunkte in ausländischen Märkten zu sammeln. Um sich über die Wettbewerber und die allgemeine Entwicklung der Industrie zu informieren, nimmt Herr Wei z. B. auf internationalen Messen wie der IFAT, der Weltleitmesse für Umwelttechnologien, in München teil. Erst ausländische Märkte wurden über Exporte beliefert. Das Unternehmen produziert ausschließlich in China und verfolgt derzeit eine internationale Unternehmensstrategie.

Zur Entwicklung einer bestimmten Region und zum Aufbau erster Vertriebsstrukturen in Asien

Die ersten Exporte gingen 2011 nach Thailand. Mittlerweile beliefert das Unternehmen Kunden in über 20 Länder weltweit. Der wichtigste Absatzmarkt ist derzeit Russland. Anschließend folgen die Ländermärkte Indien, Thailand, Malaysia und Indonesien. Der indische Markt ist auch für chinesische Hersteller von UmwelttechnologienFootnote 105 einer der schwierigsten Märkte. Herr Wei berichtet, dass der indische Markt deshalb so schwierig zu erschließen ist, da das generelle Entwicklungslevel sowie das kommunale Bau-Level Indiens auf einem niedrigen Niveau sind. Herr Wei erklärt, dass in der Region Asien, die B2B Online-Plattform Alibaba (siehe Abb. 6.12) beim Aufbau eines ersten Vertriebskanals dienen kann.

Abb. 6.12
figure 12

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kung 2017)

Übersicht über Alibabas Geschäfte.

In den meisten Fällen sehen Kunden die Produkte des Unternehmens auf Alibaba und kontaktieren ihn dann über Alibaba berichtet Herr Wei. Herr Wei nutzt aber auch Alibaba für eine aktive B2B Kundenrecherche. Tritt ein potenzieller Kunde via Alibaba in Kontakt mit Herrn Wei, überprüft Herr Wei zunächst wer der Kunde ist und warum er von seinem Unternehmen kaufen möchte. Findet Herr Wei dabei heraus, dass der Kunde bekannt dafür ist nicht pünktlich zu bezahlen, lehnt Herr Wei auch mal einen Verkauf ab. Wenn der Kunde aber positive Rezessionen hat, kann Herr Wei die georderten Produkte zum Export freigeben.

Herr Wei berichtet, dass es dennoch ein Problem ist neue Kunden zu gewinnen und mehr Aufträge zu erhalten. Potenzielle neue Kunden sieht Herr Wei vor allem in ausländischen Märkten. Dabei gilt es abzuwägen, ab welchem Zeitpunkt man im heimischen Markt eine gute Wettbewerbsposition erreicht hat, bevor man in Konkurrenz mit ausländischen Unternehmen in ihren Heimatmärkten tritt. Diese könnten sich angegriffen fühlen und ebenfalls eine Internationalisierung anstreben.

Zum Rollout / Marktdurchdringungsstrategie in Asien

Herr Wei glaubt, dass europäische Unternehmen Vorteile beim Verkauf ihrer Produkte haben, zumal sie sich über einen langen Zeitraum eine Marke aufbauen konnten. Chinesische Unternehmen fehle es an Marken, die für eine gute Qualität stehen. Aus diesem Grund beschränkt sich das Unternehmen auf eine Internationalisierungsstrategie in Schwellenländer in der Region Asien. Fan beschreibt in einer Studie über chinesische Klavierhersteller, dass der Country-of-Origin Effekt (siehe auch Fallstudie 6.2.4) beim Aufbau einer Internationalisierungsstrategie hilfreich sein kannFootnote 106. Außerdem hat der Country-of-Origin Effekt einen Einfluss auf die Marke. Fan findet weiter heraus, dass negative Country-of-Origin Effekte verblassen, wenn die Unternehmen eine höhere Stufe im Internationalisierungsprozess, z. B. eigene Vertriebsniederlassungen in ausländischen Märkten, erreichen.Footnote 107 Noch lassen die Auslandsumsätze des chinesischen Umwelttechnikunternehmens kein Upgrade der Markteintrittsstrategie zu, aber mit zunehmender Erfahrung in ausländischen Märkten wird es dem Unternehmen möglich sein den Country-of-Origin Effekt zu überwinden.

Zur Implementierung des International Sales Accelerator Modells

Das Unternehmen sollte sich auf die Umsetzung weiterer Elemente der Bausteine 6 und 7 konzentrieren. Insbesondere sollte das Unternehmen systematisch seine Auslandsumsätze “hochfahren”, um eigene Vertriebsniederlassungen in den ausgewählten asiatischen Märkten aufzubauen. Alibaba hilft dem Unternehmen bei der Erschließung ausländischer Märkte, allerdings hindert ein indirekter Vertriebskanal, dass das Unternehmen an ungefilterte Marktdaten herankommt. Darüber hinaus sollte das Unternehmen an einem Aufbau einer Marke arbeiten, um nationale Bekanntheit in den Zielmärkten zu erreichen.

6.2.10 Vertriebsaufbau und Vertriebsentwicklung von einem mexikanischen Umwelttechnologieunternehmen in der Region Lateinamerika

Zur Segmentierung und Auswahl einer Weltmarktregion und zur Auswahl eines bestimmten Landes als prioritären Zielmarkt

Die Grupo wurde 1994 in Mexiko gegründetFootnote 108. Erste Geschäfte machte das Unternehmen in der Auto- und Schuhindustrie. Seit circa zehn Jahren ist das Unternehmen auch in der Umwelttechnikindustrie tätig. Dazu kaufte die Grupo ein deutsches Solarunternehmen auf und integrierte es in die Unternehmensgruppe. Herr KunzeFootnote 109 arbeitet seit circa einem Jahr bei der Grupo. Laut Herrn Kunze besteht großes Potenzial für Solar- und Windkraftanlagen im mexikanischen Markt.

Hintergrundinformationen zum mexikanischen Solaranlagen-Markt

Für Solaranlagen bietet das Unternehmen z. B. zwei Varianten an: Low-Cost- und Premium-Module. Die Wettbewerber bieten meistens Low-Cost-Module aus China oder den USA an, die circa 250 Watt pro Modul produzieren. Wettbewerber im mexikanischen Markt sind z. B. Onyx Solar (Mexiko), Solartec (Mexiko), Jinko Solar (Mexiko), Canadian Sol (Kanada) und C-Sun Solar (China). Das Low-Cost-Modul des Unternehmens produziert circa 260 Watt und damit circa zehn Watt mehr als die Low-Cost-Module der Konkurrenz. Das Premium-Modul liefert circa 290 Watt. In Mexiko darf ein Privathaushalt zehn Kilowatt ins Netz einspeisen, das entspricht z. B. 34 Premium-Modulen. Hinzukommend bietet das Unternehmen seinen Kunden eine Reparaturgarantie für zehn Jahre und eine Ersatzteillieferungsgarantie für 25 Jahre für bis zu 80 Prozent der Solaranlage an. Kunden sind unter anderem Privatkunden, aber auch Architekten, Bau- und Immobilienunternehmen oder Industrieunternehmen. Insgesamt hat das Unternehmen bereits mehr als 5000 Solarprojekte in Mexiko realisiert.

Zukunftsmärkte sieht Herr Kunze in Lateinamerika. Unter anderem sind folgende Zielmärkte bzw. Zielregionen für die Grupo interessant: Guatemala, Honduras und die Karibik. Guatemala grenzt direkt an Mexiko und ist deshalb besonders interessant für Herrn Kunze, da die Reisewege für ihn und andere Mitarbeiter in der Grupo sich in Grenzen halten. Derzeit arbeitet Herr Kunze an der Erschließung dieser Zielmärkte und Zielregionen.

Zur Sammlung von Markteintrittspunkten und zur Entwicklung einer Markteintrittsstrategie in der Weltregion Lateinamerika

Erste Kontakte für neue Projekte werden auf unterschiedliche Weise akquiriert, z. B. durch die Internetpräsenz des Unternehmens, Mund-zu-Mund-Werbung, Fachmessen oder auch über die ursprünglichen Kontakte des Unternehmens aus der Automobil- und der Textilindustrie. Weitere hilfreiche Informationen findet Herr Kunze über das Magazin „Commission Federal“.

Als ersten ausländischen Markt wurde vor circa drei Jahren der chilenische Markt durch Exporte von Solarmodulen erschlossen. Herr Kunze berichtet, dass damals die Geschäftsleitung großes Potenzial in Chile für Solarmodule gesehen habe. Die Konkurrenz folgte ebenfalls mit massiven Investitionen in die Erschließung des chilenischen Marktes. Hinzukommend wurde die Erschließung stark von der chilenischen Regierung gefördert. Aufgrund der intensiven Förderung und des Andrangs an Unternehmen in den letzten drei Jahren, gilt der chilenische Markt für viele Unternehmen mittlerweile als gesättigt. Vor circa einem Jahr eröffnet die Grupo in Bogotá, Kolumbien, eine Verkaufsrepräsentanz. Herr Kunze erzählt, dass die Geschäfte in Kolumbien gut anlaufen. Derzeit gibt es allerdings keine Pläne weitere Repräsentanzen im Land aufzubauen.

Zur Entwicklung einer bestimmten Region und zum Aufbau erster Vertriebsstrukturen in Lateinamerika

Als erstes überprüft Herr Kunze die verschiedenen Vorschriften einzelner Länder bezüglich der Einspeisung von Strom für Privathaushalte sowie der notwendigen Zertifizierungen. Hat die Grupo z. B. nicht die nötigen Zertifikate, fällt der Ländermarkt weg. Für den Verkauf von Solarmodulen ist es zudem wichtig zu wissen, ob der Großteil der Bevölkerung in eigenen Häusern lebt oder in Wohnungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Privathaushalte in einem Haus zusammentun, um eine Solaranlage zu kaufen, ist gering.

In der Regel recherchiert Herr Kunze anschließend nach den größten Städten in den Zielmarktländern, da nur in den großen Städten der Strom aus Solaranlagen an ein Netz angeschlossen werden kann. Herr Kunze berichtet, dass es natürlich die Möglichkeit gibt, den Strom in Batterien zu speichern, aber diese Variante sei für die allermeisten kleinen Unternehmen und Privathaushalte zu teuer.

Anschließend recherchiert er per Internet nach potenziellen Partnern über z. B. Webseiten für Solaranlagen oder entsprechenden Foren. Weiterhin recherchiert Herr Kunze nach sogenannten „Integratores“, das sind Personen, die das notwendige technische Knowhow zur Installation von Solaranlagen haben. Wird Herr Kunze fündig, fliegt er z. B. nach Bogotá, um sich dort mit den identifizierten potenziellen Partnern bzw. potenziellen „Integratores“ zu treffen. Die Installation von Solaranlagen muss auch bei Privathaushalten von Fachkräften durchgeführt werden. In Mexiko, so erzählt Herr Kunze, gab es in der Vergangenheit immer mal wieder einen Fall, dass eine Solaranlage auf Grund falscher Installation Feuer gefangen hat.

Zum Schluss erstellt Herr Kunze eine Liste mit potenziellen Kunden z. B. große Unternehmen, die in dem Land tätig sind und die sich die Solaranlagen leisten können. Diese Listen verteilt er dann an die neu gewonnenen Handelspartner.

Zum Rollout / Marktdurchdringungsstrategie in Lateinamerika

Das Unternehmen ist derzeit noch in einer Aufbauphase des eigenen Internationalisierungsmusters. Herr Kunze ist froh, wenn er erste Handelspartner bzw. Lizenzunternehmen in ausländischen Märkten ausfindig machen kann. Die sogenannten „Franquicias“, Lizenzunternehmen, übernehmen die Installation der Solaranlagen vor Ort. Herr Kunze berichtet, dass die mexikanischen „Franquicias“ z. B. jeden Monat einen Report über die verkauften und installierten Solarmodule abgeben. Das Unternehmen sollte an dem Aufbau einer Marke und weiteren Vertriebsniederlassungen bzw. Landesgesellschaften arbeiten, indem es langfristig die Auslandsumsätze steigert.

Zur Implementierung des International Sales Accelerator Modells

Das Unternehmen hat sich dazu entschlossen Zielmärkte in der eigenen Weltregion zu erschließen. Dazu hat es Technologien aus einem Industrielandunternehmen aufgekauft. Mit dem Know-how des deutschen Solarunternehmens steht der Grupo die Tür zur Erschließung lateinamerikanischer Länder offen. Das Unternehmen sollte in Zukunft in eine lokalisierte Produktion investieren und an dem Aufbau einer Marke arbeiten.