Zusammenfassung
Die Beratungslandschaft für ältere Menschen mit Sehbeeinträchtigung ist noch weit davon entfernt, flächendeckend verfügbar zu sein. Insbesondere im ländlichen Raum sind Angebote häufig (noch nicht) verfügbar. Zudem besteht noch ein Defizit im Hinblick auf empirische Daten im Bereich der Versorgungsforschung für ältere Menschen mit Sehverlust.
Das Projekt „AugenBus“ wird als Kooperation der Blinden- und Sehbehindertenstiftung Südbaden, dem Blindenheim Freiburg, dem Augennetz Südbaden sowie der Klinik für Augenheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg und der Katholischen Hochschule Freiburg durchgeführt. Der AugenBus ist auf seinen Fahrten durch ländliche Gebiete des Schwarzwaldes ausgestattet mit Hilfsmitteln und ophthalmologischen Untersuchungseinrichtungen; personell mit einem Augenarzt, einem Sozialberater und einer medizinisch-technischen Assistentin. Somit können bei den Untersuchungsterminen mehrere Ebenen der Beratung angeboten werden: medizinische Beratung, Hilfsmittelberatung und Sozialberatung. Das Angebot findet einmalig statt. In der Begleitevaluation konnten N = 114 Personen zu dem Angebot befragt werden. Der Fokus der Befragung lag auf Lebensqualitätsparametern und Aspekte der Alltagsbewältigung. Es konnten keine direkten Verbesserungen im Hinblick auf die Lebensqualität beobachtet werden, jedoch wird die weitgehende Stabilität der Werte aufgrund der häufig progredient verlaufenden, alterskorrelierten Augenerkrankungen als positives Signal gewertet. Insgesamt wäre es für eine Weiterentwicklung des AugenBusses aus unserer Sicht empfehlenswert, wenn die Angebotsstruktur noch durch einen psychosozialen Baustein ergänzt bzw. die Sozialberatung durch nachfassende Termine erweitert werden könnte. Das Projekt bedient damit zweierlei Desiderata: Zum einen möchte es eine neue Versorgungspraxis etablieren und zum anderen soll das Projekt einen Beitrag zur Verbesserung der Datenlage über Versorgungsinfrastrukturen liefern.
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Notes
- 1.
Die hier verwendete Unterscheidung Visus > 0,3 ist gleich nicht oder nur leicht sehbeeinträchtigt und Visus ≤ 0,3 ist gleich mittelschwere Sehbeeinträchtigung wird in den folgenden Ergebnisdarstellungen als Unterscheidungskriterium genutzt.
- 2.
Zugrunde gelegt wurde der „Grad der Verstädterung“ gemäß der Definition von Eurostat, der die Einwohnerdichte einer Gemeinde in Abhängigkeit von der Einwohnerdichte umliegender Gemeinden beschreibt. Die gemeindebezogenen Daten hierzu sowie eine Beschreibung des Indikators können dem Gemeindeverzeichnis des Statistischen Bundesamtes entnommen werden. https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/LaenderRegionen/Regionales/Gemeindeverzeichnis/Gemeindeverzeichnis.html. Zugegriffen am 28.05.2018.
- 3.
Skalierung von 1 – „trifft gar nicht zu“ bis 5 – „trifft genau zu“.
- 4.
Multiple Regression: n = 102, Varianzaufklärung: 43 %, p = 0,000.
- 5.
n = 114, SD = 17,8.
- 6.
Die Effektstärke wurde nach der Formel Cohens d = Mittelwertdifferenz/Standardabweichung der Mittelwertdifferenz berechnet und wird nach gängiger Klassifikation folgendermaßen interpretiert: < 0,2 = kein Effekt; 0,2−0,4 = kleiner Effekt; 0,5−0,7 = mittlerer Effekt; ab 0,8 = großer Effekt.
- 7.
Zur Erläuterung: Das untere Ende der blauen Balken markiert das 1. Quartil (den Wert, den 25 % der Befragten erreicht haben), das obere Ende das 3. Quartil (75 % liegen unter diesem Wert) und die rote Raute das 2. Quartil, den Median (50 % liegen darunter, die anderen 50 % darüber).
- 8.
n = 69, Cohens d = −0,29.
- 9.
Multiple Regression: n = 61, VA = 27 %, p = 0,05.
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Himmelsbach, I., Spiegel, J., Wolski, L., Neß, T. (2021). AugenBus – Mobile sozialmedizinische Beratung Sehbehinderter in Südbaden. In: Lauber-Pohle, S., Seifert, A. (eds) Sehbeeinträchtigung im Alter. Blinden- und Sehbehindertenpädagogik im Kontext Lebenslangen Lernens. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32302-8_8
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