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Forschungsstand

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Mehrgenerationenfamilie als Praxis

Part of the book series: Familienforschung ((FAFO))

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Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit nimmt die multilokale Mehrgenerationenfamilie als Herstellungsleistung in den Blick. Dieses Kapitel verdeutlicht, warum es nicht (mehr) hinreichend ist, Familie als „isolierte Kernfamilie“ zu betrachten. Vielmehr ist es notwendig, Familie als multilokale Mehrgenerationenfamilie und damit weniger die Haushalts-, sondern vielmehr die Beziehungsdimension familialer Beziehungen in den soziologischen Blick zu nehmen (Abschnitt 2.1). Denn das familiale Leben der meisten Deutschen ist heute geprägt von einer Drei-Generationen-Konstellation und einer aktiven Ausgestaltung von Beziehungen wie der Großeltern-Enkel-Beziehung oder der Beziehung zwischen erwachsenen Kindern und alten Eltern. Studien von zumeist quantitativer Ausgestaltung und bezogen auf die Dimensionen intergenerationeller Solidarität und Ambivalenz konnten in diesem Zusammenhang etwa nachweisen, dass sich familiale Mehrgenerationenbeziehungen durch kontaktintensive sowie enge und vertraute Beziehungen und das Erbringen umfangreicher Unterstützungsleistungen auszeichnen. Allerdings gibt es auch Hinweise darauf, dass das „familiale Handeln und Tun“ in diesen Beziehungen weit über das hinausgeht, was mit bisherigen familiensoziologischen Arbeiten erfasst wurde. Darüber hinaus ist wenig über den Rollenpluralismus der mittleren und älteren Generation sowie deren Interaktionsbeziehungen bekannt. An diese im vorliegenden Kapitel sichtbar gewordenen Forschungslücken soll im Folgenden angeknüpft werden.Die dieser Arbeit zugrunde liegende qualitative Studie fokussiert dabei im Besonderen auf den Wiedereinstieg der Mutter in den Beruf, beziehungsweise das Arrangement von Familien zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Familie und Beruf zu vereinbaren, stellt für die meisten Eltern eine der zentralen Herausforderung ihres Familie-Seins dar und hat familienpolitisch höchste Relevanz. Die bisherigen Erkenntnisse aus der Forschung zu Vereinbarkeitsarrangements und Enkelkinderbetreuung (Abschnitt 2.2) geben Hinweise darauf, dass es in diesem Zusammenhang sinnvoll ist, auch mehrgenerationale Bezüge zu betrachten. So erbringen Großeltern umfangreiche Leistungen zur Bewältigung dieser Herausforderung durch die Betreuung ihrer Enkelkinder, vor allem im jüngsten Kleinkindalter. Diese sind gleichsam nicht allein als Leistungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf für die Mutter zu verstehen, sondern gehen in ihrer Funktion weit darüber hinaus und tragen etwa zum Wohlbefinden der Großelterngeneration in entscheidender Weise bei. Es wird angenommen, dass sie auch zentrale Bedeutung für die Konstituierung und Ausgestaltung von Familie als Mehrgenerationenfamilie haben. So sollten an dem für Familien entscheidenden Übergang des Wiedereinstiegs der Mutter in den Beruf deren Herstellungsleistungen in besonderer Weise sichtbar werden.

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Notes

  1. 1.

    S. bspw. Grünheid/Scharein 2011. Vgl. auch Engstler/Menning 2005. Insgesamt zu diesem Absatz vgl. Fischer 2016.

  2. 2.

    S. den Beitrag von Hoff (2006) zur Analyse des Wandels intergenerationaler Familienbeziehungen auf Basis der Daten des DEAS in den Wellen 1996 und 2002.

  3. 3.

    Vgl. Hoff 2006, S. 279; Grünheid/Scharein 2011, S. 10.

  4. 4.

    Hans Bertram schränkt die hier formulierte Wandlungsthese ein, indem er darauf verweist, dass „die multilokale Mehrgenerationenfamilie möglicherweise auch in den 50- und 60er Jahren – wenn auch nicht im heutigen Ausmaß – existent war, aber bis auf wenige Ausnahmen von der Wissenschaft und Politik weitgehend übersehen wurde.“ (Bertram 1996, S. 241)

  5. 5.

    An anderer Stelle (Fischer 2016) habe ich in einer ethischen Perspektive von Großelternschaft als „Gut“ gesprochen.

  6. 6.

    Bspw. Salzburger 2015, Kapitel 5; Sommer-Himmel 2001, S. 233–237; Adam u. a. 2014, S. 43–48, sowie in Bezug auf Enkelkinderbetreuung S. 101 f. Eine auf Großmütter fokussierte Typologie findet sich bspw. bei Herlyn/Lehmann 1998.

  7. 7.

    Das 2008 gestartete Beziehungs- und Familienpanel pairfam („Panel Analysis of Intimate Relationships and Family Dynamics“) ist eine multidisziplinäre Längsschnittstudie zur Erforschung der partnerschaftlichen und familialen Lebensformen in Deutschland. Jährlich werden deutschlandweit über 12.000 Personen der Geburtsjahrgänge 1971–73, 1981–83 und 1991–93 sowie deren Partner, Eltern und Kinder zur Entwicklung von Partnerschafts- und Generationenbeziehungen in unterschiedlichen Lebensphasen befragt. Zu näheren Informationen s. www.pairfam.de.

  8. 8.

    In diesem Kontext übt Nave-Herz Kritik am traditionellen Familienzyklus-Modell und schlägt eine Überarbeitung bzw. Neuformulierung vor (s. Nave-Herz 2005).

  9. 9.

    Hier identifiziert Lauterbach einen u-förmigen Verlauf der Wohnentfernung in Abhängigkeit vom Alter der mittleren Generation (s. Lauterbach 1998, S. 123). Mit zunehmendem Alter der Eltern wird die räumliche Distanz zusätzlich geringer (s. Lauterbach 1998, S. 129).

  10. 10.

    Ledige berichten besonders häufig von engen Gefühlsbeziehungen zu ihren Eltern, wobei Verheiratete sich diesbezüglich eher an ihrer selbst gegründeten Familie orientieren; entsprechend nimmt für diese die Bedeutung gemeinsamer Mahlzeiten und der gemeinsamen Freizeitgestaltung ab, wobei nichtsdestoweniger die Beziehungen zu den Eltern der Verheirateten auch dann aufrechterhalten werden und sich durch enge Gefühle auszeichnen, wenn diese eine eigene Familie gründen (s. Bertram 1996a, S. 245–247).

  11. 11.

    S. Bengtson 1975/1996 zur Konzeption der quantitativen, aber um kleinere qualitative Anteile ergänzte Querschnittsstudie, auf der seine Arbeiten größtenteils beruhen.

  12. 12.

    Vgl. Mahne/Huxhold 2017, S. 226 f.; Bengtson 2001, S. 8.

  13. 13.

    Vgl. Brandt 2009; Haberkern 2009.

  14. 14.

    Vgl. BMFSFJ 2009; Szydlik 2000.

  15. 15.

    Vgl. Templeton/Bauereiss 1994; Sommer-Himmel 2001, S. 176; Mahne/Huxhold 2017.

  16. 16.

    Vgl. Brandt 2009; Schmid u. a. 2012.

  17. 17.

    Zu einer umfassenden Reflexion der Auswirkungen der Flexibilisierung auf Familie und Arbeit s. bspw. Szydlik 2008.

  18. 18.

    Die Verwobenheit der verschiedenen Einflussfaktoren und damit die Komplexität des Aushandlungsprozesses von Paaren im Hinblick auf Elternzeit und innerfamiliale Aufgabenteilung kann Peukert (2015) in ihrer qualitativen Paarstudie deutlich machen. Vgl. BMFSFJ 2011; Bathmann u. a. 2011; Gesterkamp 2007; Kühn 2005.

  19. 19.

    Zu einer problemorientierten Analyse von Wahlfreiheit sowie normativen Reflexionen auf eine in dieser Hinsicht geschlechtergerechte Familienpolitik s. Eckstein 2009.

  20. 20.

    Da sich die Fallstudie ausschließlich auf Westdeutschland bezieht, sei an dieser Stelle nur auf die zu Ostdeutschland bestehenden Unterschiede hinsichtlich der Erwerbsarrangements von Paaren, insbesondere im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit von Müttern verwiesen (s. bspw. Statistisches Bundesamt 2018; Bohr 2014).

  21. 21.

    Vgl. Statistisches Bundesamt 2018, S. 65; Wanger 2011.

  22. 22.

    Der als Panelstudie angelegte Survey „Aufwachsen in Deutschland: Alltagswelten“ (AID:A) erforscht die Lebenssituation von Kindern und Erwachsenen im Rahmen alltäglicher Entwicklungs- und Handlungskontexte, insbesondere der Familie. Bisher fanden zwei Erhebungen, 2009 und 2014, statt. Bei der Basiserhebung wurden über ein Telefoninterview 25.000 Personen im Alter bis zu 55 Jahren befragt; bei der zweiten Erhebung wurde auf die Befragung der über 32-Jährigen verzichtet.

  23. 23.

    Ganz unberücksichtigt bleibt an dieser Stelle das Erwerbsmodell der Familienernährerin, das in lediglich 7 % der Familienhaushalte verwirklicht wird. Zu einer umfassenden Auseinandersetzung sei die Studie von Klammer u. a. (2012) empfohlen.

  24. 24.

    Der Familienreport des BMFSFJ reflektiert insbesondere auf die negativen Folgen, die mit einer ungleichen Verteilung von Erwerbsarbeit, Einkommen und familiären Aufgaben verbunden sind – etwa Armutsgefährdung, Transferabhängigkeit und prekäre Lebenslagen (s. BMFSFJ 2017, Kapitel 2).

  25. 25.

    Vgl. Jurczyk/Lange 2009; Palz u. a. 2006; Wippermann u. a. 2009. Zu unterschiedlichen Vaterschaftskonzepten bzw. einer Typologie an Lebensentwürfen von Vätern s. bspw. Volz 2007, Matzner 2004.

  26. 26.

    Wochenendarbeit wird vor allem dann problematisch, wenn sie den Sonntag betrifft; s. zur besonderen Bedeutung des Sonntags als Familientag Keddi/Zerle-Elsäßer 2012, S. 222 f.

  27. 27.

    An dieser Stelle unberücksichtigt bleiben die bereits in den neunziger Jahren von Hans Bertram (1997) angestoßenen Diskurse um ein „sequenzielles Lebens- und Berufsmodell“ (BMFSFJ 2012), beziehungsweise eine „institutionalisierte On-off-Biografie“ (Garsoffky/Semback 2014).

  28. 28.

    Vgl. Adam u. a. 2014; Höpflinger u. a. 2006, S. 7; Fendrich/Schilling 2004, S. 137.

  29. 29.

    Die Studie, auf die an dieser Stelle verwiesen wird, entwickelt eine Typologie an Strategien erwerbstätiger Mütter zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und benennt als einen von fünf Strategietypen „Soziale Netze als Strategie der Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ (Ludwig u. a. 2002, Abschnitt 3.2), wobei der „unersetzbaren“ Großmutter eine besondere Relevanz beigemessen wird.

  30. 30.

    Eine umfassende Auseinandersetzung mit der Vereinbarkeitsproblematik von Männern stellt die mixed method-Studie von Gallas (2015) dar. Mit Bezug zum Doing Family-Ansatz sei auch auf die Arbeiten von Caudia Zerle-Elsäßer verwiesen (bspw. Zerle-Elsäßer/Jentsch 2020). Insgesamt haben Väter mit Beginn des 21. Jahrhunderts für die Familienforschung neue und zunehmende Bedeutung erlangt (bspw. Mühling/Rost 2007; Werneck u. a. 2007; Tölke/Hank 2005; Drinck 2005; Fthenakis/Minsel 2002; Walter 1997/2002).

  31. 31.

    Der „Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe“ (SHARE) ist eine interdisziplinäre und länderübergreifende Panelstudie, die seit 2004 in sechs Wellen mehr als 120.000 Personen über 50 Jahren in 27 Ländern Europas und in Israel zu Gesundheit, sozioökonomischem Status sowie sozialen und familiären Netzwerken befragt; Aussagen über den Alterungsprozess sollen auf dieser Grundlage getroffen werden können. Zu näheren Informationen s. https://www.share-project.org/.

  32. 32.

    S. auch Marbach 1994b; Templeton/Bauereiss 1994.

  33. 33.

    Vgl. Sommer-Himmel 2001, S. 157; Adam u. a. 2014, S. 193.

  34. 34.

    S. zu näheren Informationen über die seit 2002 durchgeführte ländervergleichende Studie https://www.europeansocialsurvey.org/.

  35. 35.

    Vgl. Berger/Fend 2005, S. 25; Ulbrich 2011.

  36. 36.

    Vgl. Schmid 2012, S. 122; Brake/Büchner 2007, S. 200; Hoff 2007, Kohli u. a. 2005, S. 178 f.

  37. 37.

    Vgl. Schmid 2012; Attias-Donfut/Wolff 2000.

  38. 38.

    Unberücksichtigt bleibt in diesem Kontext die Übernahme des Sorgerechts der Enkelkinder durch die Großeltern (vgl. dazu etwa Fabian 1994).

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Fischer, L. (2020). Forschungsstand. In: Mehrgenerationenfamilie als Praxis. Familienforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32096-6_2

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