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Rationalisierung und Romantisierung in der Moderne

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Deutungen des Geldes
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Zusammenfassung

Wie Simmel, Marx oder Durkheim stellt sich Weber die Frage, was die moderne gesellschaftliche Ordnung zusammenhält und welche Risiken und Unsicherheiten die Moderne mit sich bringt (vgl. Illouz 2011: 20; Frisby 1988: 589ff.; Müller 2018: 31).

Es ist das Schicksal unserer Zeit, mit der ihr eigenen Rationalisierung, Intellektualisierung, vor allem: Entzauberung der Welt, dass gerade die letzten und sublimsten Werte zurückgetreten sind aus der Öffentlichkeit, entweder in das hinterweltliche Reich mystischen Lebens oder in die Brüderlichkeit unmittelbarer Beziehungen der Einzelnen zueinander.

Max Weber

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Notes

  1. 1.

    Festgestellt „sei vorerst nur, dass »Geld« […] niemals nur eine harmlose »Anweisung« [ist] oder eine bloß nominale »Rechnungseinheit« sein wird und kann, solange es eben: Geld ist“ (ebd.: 56, Hervorh. im Orig.). Damit hat auch Weber eine Auffassung von Geld, die über seine Tauschmittelfunktion hinausgeht.

  2. 2.

    Auf die Frage, wie Rationalisierung beziehungsweise Aufklärung und Romantik in Beziehung stehen, deutet Mannheim sogar ein dialektisches Verhältnis an. Die Romantik würde eine zunehmende Rationalisierung, wenn auch unbeabsichtigt, begünstigen: „Die Gläubigkeit an die Vernunftsleistung, an die denkerische Leistung wird nicht aufgegeben. Nur ein Typus des Denkens, das unbewegliche, aus einem Prinzip deduzierende, starre Begriffselemente einfach kombinierende Aufklärungsdenken wird verworfen, und nur diesem gegenüber wird der Horizont des möglichen Denkens erweitert. Auch hier setzt das romantische Denken (eigentlich ungewollt) jene Linie, nur radikaler und mit neuen Mitteln, fort, die auf das aufklärerische Weltwollen bereits zu Ende führen sich vorgenommen hatte – die konsequente Durchrationalisierung der Welt“ (ebd.: 172, Hervorh. im Orig.).

  3. 3.

    Dafür findet sich folgende Begründung bei Weber: „Dabei können wir freilich nur so verfahren, dass wir die religiösen Gedanken in einer »idealtypisch« kompilierten Konsequenz vorführen, wie sie in der historischen Realität nur selten anzutreffen war. Denn gerade wegen der Unmöglichkeit, in der historischen Wirklichkeit scharfe Grenzen zu ziehen, können wir nur bei Untersuchung ihrer konsequentesten Formen hoffen, auf ihre spezifischen Wirkungen zu stoßen“ (Weber 2013: 141, Hervorh. im Orig.).

  4. 4.

    Lichtblau und Weiß sehen in der protestantischen Ethik sogar eine „Theorie der »Triebverdrängung« bzw. der Affektkontrolle und der kulturellen »Sublimierung«“ (Lichtblau/Weiß 2000: XI).

  5. 5.

    Diesbezüglich trage ich die Kritik von Habermas nicht mit, der Weber eine Vernachlässigung der „Rationalisierung der Lebenswelt“ gegenüber der „Rationalisierung von Handlungssystemen wie Wirtschaft und Staat“ (Habermas 1981: 456) vorwirft.

  6. 6.

    Das ist zum Beispiel eine Frage, die Boltanski und Chiapello zu ihrem Werk Der neue Geist des Kapitalismus (2013) motiviert hat. Weber spricht nicht eindeutig davon, dass der Kapitalismus zukünftig keiner Ethik mehr bedürfe. Dafür möchte ich ein eher unbekanntes Zitat aus seinen Antikritiken anführen: „Dabei kann selbstredend der Kapitalismus recht bequem existieren, aber entweder, wie heute zunehmend, als eine fatalistisch hingenommene Unvermeidlichkeit, oder […] legitimiert als irgendwie relativ optimales Mittel, aus der […] relativ besten Welt das relativ Beste zu machen. Aber er erscheint gerade den ernsteren Menschen nicht leicht mehr als äußerer Ausdruck eines in einer letzten, geschlossenen und angebbaren, Einheit der Persönlichkeit fundamentierten Lebensstils. Und es wäre ein erheblicher Irrtum, zu glauben, dass dieser Umstand für die Stellung des Kapitalismus innerhalb der Gesamtkultur: seine Kulturwirkungen zunächst, ebenso aber: sein eigenes inneres Wesen und schließlich auch: sein Schicksal, gleichgültig bleiben müsse“ (ebd.: 387f., Hervorh. im Orig.). Welches Schicksal der Kapitalismus nehmen muss oder ob nicht doch ein neuer Geist dieses abwendet, bleibt für Weber eine offene Frage. Anschlussfähig daran ist die Auffassung von Schluchter, dass Weber durchaus auf eine Veränderbarkeit des okzidentalen Rationalismus hinweist: „Die Kontingenzerfahrung des moralischen Bewusstseins basiert nicht mehr, wie noch im Falle der Theodizee, auf der Unvollkommenheit dieser Welt, sondern auf der Unvollkommenheit der »Hinter«- bzw. der Überwelt. Dies ist der systematische Grund, weshalb Weber im modernen okzidentalen Rationalismus ein Bewusstsein formuliert sieht, das universelle Bedeutung und Gültigkeit hat, ohne dass doch sein Inhalt, die mit ihm verbundene besondere Auslegung des Kulturmenschentums, für alle Zeiten und für alle Menschen verbindlich sein könnte“ (Schluchter 1998: 121f., Hervorh. im Orig.).

  7. 7.

    In der frühen Neuzeit bestand eine relevante Rückbindung des „sozialen und politischen Denkens“ (van Dülmen 1997: 110) an das Konzept des Gemeinwohls. Erst im Zuge eines langen „Umwertungsprozess[es]“ (ebd.: 112) erfolgte eine Legitimierung des Eigennutzes.

  8. 8.

    Vgl. dazu auch Fromm: „So sind zum Beispiel das Streben nach Ruhm und Erfolg und der Trieb zur Arbeit Kräfte, ohne die sich der moderne Kapitalismus nicht hätte entwickeln können“ (Fromm 2020: 16).

  9. 9.

    Wohingegen Weiß einen beschränkteren Einfluss der Romantik sieht: „Bereits in ihrer originären Gestalt ist die Romantik, misst man sie an ihren eigenen, sehr weitreichenden Ambitionen, ein großes Projekt ohne umfassende und dauerhafte intellektuelle und sozio-politische Wirkungen geblieben. […] Größere, teilweise auch beträchtliche gesellschaftliche Wirkungen haben nur einzelne, aus dem ursprünglichen Zusammenhang gelöste und nicht selten intellektuell degenerierte Motive der romantischen Kulturkritik gezeitigt, und dies häufig im Umkreis dezidiert antiaufklärerischer Bestrebungen“ (Weiß 1986: 291).

  10. 10.

    Bei Simmel findet sich die Antwort im Konzept des Lebensstils. Geld trägt mitunter zur Pluralisierung der Lebensstile bei (vgl. Papilloud/Rol 2003: 179) und stellt für Simmel keinen Widersacher der Entfaltung einer eigenen Persönlichkeit dar.

  11. 11.

    Campbell betrachtet die Romantik zwar zu einem Teil auch als Reaktion gegen die Aufklärung, sieht aber ihre Entstehung auch aus der Aufklärung heraus, um als ihr Korrektiv zu wirken (vgl. Campbell 2005: 179ff.). Oder in den Worten Honeggers: „Die Romantik mokierte sich dann vor allem über die Lichtmetapher, stellte aber auch die Kontrollsucht, das Herrschaftsverhältnis zur Natur und die Religionskritik in Frage“ (Honegger 2012: 80).

  12. 12.

    Folgt man der Argumentation Campbells, hat die Romantik im Umkehrschluss die industrielle Revolution mitbegünstigt (vgl. Campbell 2005: 2).

  13. 13.

    In der Verbreitung dieser Perspektive, und im Allgemeinen in der Romantik, ist Herder eine wichtige Figur, insofern er eine kulturalistische beziehungsweise kulturrelativistische Argumentation vertritt (vgl. Berlin 1999: 61ff.).

  14. 14.

    In Deutschland habe die Romantik „seinen prägnantesten und auch radikalsten gedanklichen Ausdruck gefunden […], wogegen es sich in Frankreich und England in erster Linie in der künstlerischen Produktion manifestiert habe“ (Weiß 1986: 287).

  15. 15.

    Die Bezeichnung Frankreichs als La Grande Nation findet sich nur im deutschen Sprachraum und ist im Französischen unbekannt. Es handelt sich nicht um eine französische Selbstbezeichnung, sondern um eine deutsche Zuschreibung (vgl. Gauger 2001).

  16. 16.

    Sehr düster wird es von Adorno gezeichnet: „Man kann von der Klaustrophobie der Menschheit in der verwalteten Welt reden, einem Gefühl des Eingesperrtseins in einem durch und durch vergesellschafteten, netzhaft dicht gesponnenen Zusammenhang. Je dichter das Netz, desto mehr will man heraus, während gerade seine Dichte verwehrt, dass man herauskann. Das verstärkt die Wut gegen die Zivilisation. Gewalttätig und irrational wird gegen sie aufbegehrt. […] Soziologisch möchte ich wagen, dem hinzuzufügen, dass unsere Gesellschaft, während sie immer mehr sich integriert, zugleich Zerfallstendenzen ausbrütet“ (Adorno 1970: 94f.).

  17. 17.

    Auch andere soziologische Untersuchungen problematisieren die Leugnung struktureller Voraussetzungen zum Beispiel für den Imperativ der Selbstverwirklichung, ein eigenverantwortliches Selbstwertgefühl oder Glück generell (vgl. u. a. Bröckling 2007; Duttweiler 2007).

  18. 18.

    Im Buch Der Konsum der Romantik finden sich weitere Schlagworte wie zum Beispiel „Informalität“ (Illouz 2014: : 277), „Spontaneität“ (ebd.: 285), „Originalität und Kreativität“ (ebd.: 279). Die Vorstellung der „Liebe als Differenz“ (ebd.: 276) ist auch für Illouz vor dem Hintergrund der Entzauberung der Welt zu interpretieren (vgl. ebd.: 319).

  19. 19.

    Auch zum Beispiel Schimank wendet sich der Erscheinungsform neoromantischer Motive zu, die sich im ökologischen Protest artikulieren (vgl. Schimank 1983).

  20. 20.

    Habermas sieht „[a]utonome Kunst und expressive Selbstdarstellung der Subjektivität“ in einem „komplementären Verhältnis zur Rationalisierung des Alltags“. Die „ästhetisch geprägte Gegenkultur“ gehöre „zum Ganzen der rationalisierten Kultur“ (Habermas 1981: 231).

  21. 21.

    Für Campbell ist die Figur des »Bohème« die idealtypische Verkörperung romantischer Ideale (vgl. Campbell 2005: 195) – dies mag aber nicht für die reaktionär-konservativen Strömungen gelten, welche sich aus der Romantik ergeben haben, denen diese Form des »dekadenten Hedonismus« besonders verhasst sein muss.

  22. 22.

    Oben habe ich allerdings dargelegt, dass Weber in diesem Punkt gar nicht so eindeutig ist.

  23. 23.

    Dem Künstler des 19. Jahrhunderts sei es um „eine Freisetzung des unterdrückten Wunsches [gegangen], jemand anderes zu sein, nicht der zu sein, der von anderen […] als Projekt konzipiert wurde, so zu sein, wie man es zu einem bestimmten Zeitpunkt zu sein wünscht“ (Boltanski/Chiapello 2013: 467). Auch bei Simmel wird Kunst idealerweise als nicht-entfremdete Sphäre wahrgenommen: „Diese Geschlossenheit des Kunstwerks aber bedeutet, dass eine subjektive Seeleneinheit in ihm zum Ausdruck kommt; das Kunstwerk fordert nur einen Menschen, diesen aber ganz und seiner zentralsten Innerlichkeit nach: es vergilt sich dadurch, dass seine Form ihm der reinste Spiegel und Ausdruck des Subjekts zu sein gestattet“ (GSG 6: 630, Hervorh. im Orig.).

  24. 24.

    Zur Umsetzung dieser Forderung gehört eine kontinuierliche Aufhebung der Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, ähnlich zur ästhetischen Lebensweise der KünstlerInnen. Eine strikte Trennung gilt aus Sicht der Unternehmen als beschränkend, da sie eigentlich miteinander verknüpfte Lebensbereiche voneinander separiere, unmenschlich sei, Affektivität einschränke und Kompetenzen hemmen würde (vgl. Boltanski/Chiapello 2013: 127). Die Optimierung der Arbeitskräfte greift somit auf Elemente der Künstlerkritik zurück und die Opposition zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit wird angegriffen. Die Unterwanderung der Sphärentrennung zwischen Privatem und Arbeit – durch Verfügbarkeit in der Freizeit, flexible Arbeitszeiten und -modelle, dem Aufbau und der Zurverfügungstellung von Netzwerken im Privaten – vollzieht sich allerdings nur in eine Richtung.

  25. 25.

    Beckert äußert sich diesbezüglich ebenfalls skeptisch: „Diese neuen Narrative erhöhen nicht nur Unsicherheit, sondern reduzieren mit ihren Imaginationen auch Kontingenz. Sie tragen damit zu dem immerwährenden Verlauf der kapitalistischen Moderne bei, demzufolge zwar alles Bestehende prekär ist und durch neue imaginierte Zukünfte permanent entwertet wird, doch ermöglichen die neuen Zukünfte erneute Zukunftsorientierung. Dieses Rad scheint sich immer schnell zu drehen. Erst diese Beschleunigung selbst lässt sich möglicherweise als Indikator einer fundamentalen Krise des modernen Kapitalismus deuten, denn immer weniger scheint es zu gelingen, die notwendigen, kognitiven und institutionellen Ordnungsleistungen zur Erzeugung sozialer und politischer Stabilität für mehr als kurze Augenblicke zu sichern“ (Beckert 2017: 14). Hirsch und Roth stellen zwar eine ausgeprägte Flexibilität und Reorganisationsfähigkeit des Kapitalismus fest, warnen aber davor, dass dies nicht als „Ergebnis einer strukturell vorgegebenen »systemischen« Adaptionsfähigkeit gewertet werden“ (Hirsch/Roth 1986: 42) sollte.

  26. 26.

    Fraser beschreibt ein ähnliches Spannungsverhältnis zwischen Kritik und Kapitalismus. Sie bringt die grundlegende Widersprüchlichkeit zwischen feministischer Kritik und kapitalistischer Vereinnahmung auf den Punkt: „In dem Masse, in dem der Diskurs von der Bewegung unabhängig wird, sieht sich letztere zunehmend mit einem seltsamen Schattenbild ihrer selbst konfrontiert, einem unheimlichen Double, welches sie weder umstandslos akzeptieren, noch gänzlich desavouieren kann“ (Fraser 2009: 55).

  27. 27.

    Und auch Hörisch gibt zu bedenken, dass es zu den Paradoxien des Geldes gehöre, zum Durcheinander in der Moderne beigetragen zu haben und dass „dieses Durcheinander gewiss nicht aufhörte, nein: noch ungleich größer würde, wenn Geld seine Geltung verlöre“ (Hörisch 2013: 48).

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Frei, N. (2020). Rationalisierung und Romantisierung in der Moderne. In: Deutungen des Geldes. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31961-8_3

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