2.1 Ziel der Arbeit und Abgrenzungen

Das Ziel der Arbeit ist, unter Nutzung der Technikfolgenabschätzung (TFA) als theoretischem Fundament, einen wissenschaftlichen Beitrag zur Untersuchung der Öffnung des öffentlichen Einkaufs im Unterschwellenbereich zu leisten.

Im Fokus der Arbeit stehen der öffentliche Einkauf und eine Bewertung der möglichen Öffnung der öffentlichen Einkaufsdaten des Unterschwellenbereichs. Die Betrachtungen nehmen dabei rechtlich die Perspektive des Bundes ein, das heißt landesspezifische Rechtsnormen werden nur dort, wo sie relevant sind, erwähnt. Eine Betrachtung kommunalspezifischer Besonderheiten erfolgt nicht. Des Weiteren werden die Veröffentlichungspflichten an der Schnittstelle zur Öffentlichkeit betrachtet (die Auftrags- und Vergabebekanntmachung), nicht jene nach innen in Richtung Verwaltung (zum Beispiel die Verfahrensdokumentation).

Zudem wird der Oberschwellenbereich weitgehend außer Acht gelassen. Auf ihn wird referenziert, aber keine detaillierte, datenspezifische Untersuchung geleistet. Ebenso wenig steht die Öffnung des öffentlichen Einkaufs in seiner Bedeutung für Entwicklungsländer im Fokus. Die Bedeutung für Innovationen und Nachhaltigkeit wird aufgezeigt, allerdings nicht im Detail analysiert.

2.2 Leitende Forschungsfragen und Arbeitshypothesen

Die leitenden Forschungsfragen dieser Arbeit sind:

  • Ob, warum und für wen kann eine Öffnung der öffentlichen Einkaufsdaten im Unterschwellenbereich in Deutschland sinnvoll sein?

  • Wie kann dies praktisch und technisch unter Berücksichtigung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen erfolgen?

Mithilfe von insgesamt vier Arbeitshypothesen, die im Folgenden vorgestellt werden, sollen die leitenden Forschungsfragen beantwortet werden.

Öffentliche Einkaufsdaten

Im Zuge der E-Government-Bewegung der letzten 20 Jahre und der Reform der eVergabe werden zunehmend Regierungsdaten und somit auch Daten öffentlicher Ausschreibungen und Vergaben elektronisch hinterlegt. Dies geschieht einerseits auf Portalen, die die transaktionale Abwicklung des Vergabeprozesses unterstützen, andererseits auf sogenannten „offenen“ Verwaltungsportalen (Open Data-Portale). Neben Ländern wie beispielsweise den USA, Frankreich und der Slowakei stellen auch in Deutschland einige wenige Länder und Kommunen öffentliche Einkaufsdaten hierüber bereit. Somit lautet die erste These:

„Öffentliche Einkaufsdaten sind grundsätzlich vorhanden und können für eine Veröffentlichung genutzt werden.“

Vertiefende Fragen in diesem Zusammenhang sind:

  • Welche öffentlichen Einkaufsdaten werden heute entlang des Einkaufsprozesses über Portale und Kataloge für den Unterschwellenbereich bereitgestellt und inwiefern können diese für eine Öffnung genutzt werden?

  • Wie kann ein Vorgehensmodell für die Öffnung und Bereitstellung öffentlicher Einkaufsdaten über ein zentrales Portal aussehen? Wie sollte ein zentrales Portal aufgebaut sein?

  • Welche Einschränkungen aus organisatorischer, rechtlicher und technischer Sicht sind zu beachten?

Zentrale Bereitstellung öffentlicher Einkaufsdaten und Entwicklung von Geschäftsmodellen

Die öffentlichen Einkaufsdaten stammen – wie eine Vielzahl anderer öffentlicher Daten auch – aus einer heterogenen und verteilten Systemlandschaft. Medienbrüche und unterschiedliche Login-Prozeduren auf verschiedenen Portalen kennzeichnen dabei den Alltag der Anwender. Um im Sinne offener Daten einen barrierefreien Zugriff zu ermöglichen und hieraus tragfähige Ableitungen und Anwendungen herzustellen, erscheint die Aggregation an einer Stelle sinnvoll. Sowohl die zentrale Bereitstellung wie auch die hierauf aufsetzenden Ideen können Raum für Geschäftsentwicklung bieten. Somit lautet die zweite These:

„Mit der Bereitstellung offener öffentlicher Einkaufsdaten auf einem Portal können attraktive Geschäftsmodelle Anwendung finden.“

Vertiefende Fragen in diesem Zusammenhang sind:

  • Inwieweit kann die Bereitstellung öffentlicher Einkaufsdaten über ein zentrales Portal wie GovData zur Geschäftsentwicklung beitragen?

  • Welche Ideen, Geschäftsmodelle und bewährten Lösungsansätze gibt es und welche hiervon sind auf Deutschland übertragbar?

  • Welche Weiterentwicklungen können die Bereitstellung öffentlicher Einkaufsdaten künftig beeinflussen?

Transparenz als Motor für die wirtschaftliche Entwicklung

NGOs betonen seit Langem die Bedeutung von Transparenz als Maßnahme gegen Korruption, die oft im Verborgenem stattfindet. Hiermit verbunden wird zum Beispiel eine erhöhte Anzahl von Bietern und eine bessere Beteiligung von kleineren und mittleren Unternehmen (KMUs) und somit ein stärkerer Wettbewerb, die Stärkung sozialer Kontrolle als wirksames Instrument gegen Korruption sowie geringere Preise beziehungsweise eine verbesserte Ausführung im Sinne der Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit. Eine erhöhte Transparenz im öffentlichen Einkauf scheint die Einkaufsgrundsätze gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zu unterstützen und diesen nicht zu widersprechen. Somit lautet die dritte These:

„Durch eine erhöhte Transparenz ist es möglich, den Einkaufsgrundsätzen gemäß GWB Rechnung zu tragen (unter anderem Wettbewerb, Korruptionsbekämpfung und Wirtschaftlichkeit).“

Vertiefende Fragen in diesem Zusammenhang sind:

  • Inwieweit behindert oder unterstützt die Rechtsprechung Transparenz und damit die Offenlegung öffentlicher Einkaufsdaten?

  • Inwiefern kann eine erhöhte Transparenz im öffentlichen Einkauf ein Treiber für eine wirtschaftliche und nachhaltige Entwicklung durch optimierten Einsatz der Steuermittel sein?

Optimierte Entscheidungen auf Basis offener öffentlicher Einkaufsdaten

Offene Daten implizieren nicht nur ihre technische Bereitstellung, sondern auch ihre Interpretation und Anwendung. Die Interpretation der Daten setzt fachliches Verständnis und den Umgang mit Analysemethoden und -werkzeugen voraus. Sofern dies gegeben ist, können aus den neu gewonnenen und kombinierten Daten Erkenntnisse gewonnen werden, die zu besseren Entscheidungen rund um den öffentlichen Einkauf bei allen Akteuren (außerhalb, aber auch innerhalb der Verwaltung) führen können. Möglichkeiten der Partizipation und Kollaboration können durch die Einbeziehung eines größeren Netzwerks den Erkenntnisgewinn und die Umsetzung verstärken. Die letzte These ist somit:

„Offene öffentliche Einkaufsdaten tragen zu optimierten Entscheidungen in der Wirtschaft und in der Verwaltung bei.“

Vertiefende Fragen in diesem Zusammenhang sind:

  • Was kennzeichnet ein Leitbild im Sinne offener öffentlicher Einkaufsdaten?

  • Welche Rolle nehmen Partizipation und Kollaboration bei der Herbeiführung und Absicherung von Entscheidungen ein?

Um diese Fragen zu beantworten, wird auf einen methodischen und theoretischen Rahmen aufgesetzt, der im folgenden Kapitel erörtert wird.

2.3 Methodischer und theoretischer Rahmen

Methodisch und theoretisch basiert die Arbeit auf vier wesentlichen Bausteinen:

  • Literaturauswertung

  • Online-Befragung

  • Portalanalyse

  • Vergleichende Analyse internationaler Best Practices

Die Auswertung der Literatur umfasst die Analyse der vorhandenen Erkenntnisse rund um die Themen öffentlicher Einkauf beziehungsweise Öffnung öffentlicher Einkaufsdaten. Da diese Auswertung den Großteil vorliegender Arbeit ausmacht und die Veröffentlichungen einschließlich Rechtstexten und anderer Primärliteratur ausgesprochen viele sind, wird sie in Kapitel 3 noch ausführlicher erläutert.

In einer ergänzenden Online-Befragung wurden 161 Führungskräfte und Experten aus dem Feld des öffentlichen Einkaufs kontaktiert, von denen 22,5 % teilnahmen. Die empirische Studie wurde von Oktober bis Dezember 2018 in drei Wellen durchgeführt. Der Fragebogen umfasste 40 Fragen zum Status quo, zur Zukunft und zu Rand- und Rahmenbedingungen eines offenen öffentlichen Einkaufs. Den Abschluss der Befragung markierte ein Workshop im Juli 2019 mit etwa 20 % der Studienteilnehmer. Hier wurden die Ergebnisse der Studie diskutiert und die Implikationen für ein Leitbild weiter vertieft. Die Anregungen hieraus sind in Kapitel 10 eingeflossen.

Mit „Portalanalyse“ ist die Analyse vorliegender öffentlicher Einkaufsdaten gemeint. Konkret wurden öffentliche Einkaufsdaten von 2018 und 2019 auf einem Portal des Bundes, auf vier Länderportalen (Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz) sowie auf 26 Vergabe- und Bekanntmachungsportalen in Deutschland analysiert. Hierüber kann ein erster Überblick zum Status quo der verfügbaren öffentlichen Einkaufsdaten gewonnen werden.

„Best Practices“ beinhalten die Zusammenstellung von 48 Erfolgsmethoden und -beispielen. Wenn ein thematischer Bezug hergestellt werden kann, erfolgt bereits im Verlauf der Arbeit ein Vorgriff auf ausgewählte Beispiele. Da die Slowakei und Frankreich verschiedene Maßnahmen unterschiedlicher Art integrieren, werden diese ausführlich erörtert und mithilfe einer erweiterten Kriterienliste verglichen. Abschließend werden drei zukunftsweisende Best Practices im Kurzüberblick vorgestellt, welche technologisch aufzeigen, welche Chancen in der Nutzung offener öffentlicher Einkaufsdaten bereits heute bestehen. Alle Best Practices sollen einen Einblick in die Vielzahl realer Anwendungsmöglichkeiten geben und eine Reflektion erlauben, was hiervon auf Deutschland übertragbar wäre.

Den theoretischen Rahmen setzt die TFA, die eine breite Betrachtung entlang von Wirkungsdimensionen (Strategie, Organisation, Recht, Technologie, Transparenz, Partizipation und Kollaboration) zulässt und dazu beiträgt, das Thema interdisziplinär zu beleuchten. Die TFA selbst wird in Kapitel 4 vertieft.

2.4 Gliederung

Die Dissertation gliedert sich insgesamt in elf Kapitel. Nach der Einleitung (Kapitel 1) und Beschreibung des Vorgehens der Arbeit (Kapitel 2) stellt Kapitel 3 die vorgenommene Literaturauswertung eingehender vor, unter anderem die Suchworte und die Resultate dieser Suche. Kapitel 4 widmet sich der theoretischen Einordnung. Hier steht die Erläuterung der TFA im Zentrum, ihre Entstehung und Definition, das Projektvorgehen und Methoden sowie wissenschaftliche Herausforderungen.

Kapitel 5 geht auf die Rahmenbedingungen des öffentlichen Einkaufs ein, wesentliche Definitionen der Arbeit, politische Positionen zur Öffnung des öffentlichen Einkaufs, die Ziele und Akteure. Kapitel 6 analysiert den öffentlichen Einkauf im Ist-Zustand aus rechtlicher, organisatorischer und technischer Sicht. Überdies werden Transparenz, Partizipation und Kollaboration mit Blick auf die Nutzung von IKT im öffentlichen Einkauf dargelegt. Kapitel 7 befasst sich dann ausführlich mit eben der Öffnung des öffentlichen Einkaufs, den offenen öffentlichen Einkaufsdaten, und zwar analog zum vorherigen Kapitel aus rechtlicher, organisatorischer und technischer Sicht. Transparenz, Partizipation und Kollaboration werden dort als die drei Säulen eines offenen Verwaltungshandelns mit Blick auf den öffentlichen Einkauf erörtert.

Kapitel 8 schafft mit der Online-Befragung die Verbindung zwischen dem Status quo und einem künftigen Leitbild, in dem es einerseits die Ergebnisse der Befragung zum bestehenden öffentlichen Einkauf ausführt und andererseits aus Sicht der Befragten darstellt, wie ein künftiger, offener öffentlicher Einkauf aussehen sollte. Kapitel 9 bietet Best Practices an und ergänzt somit die Arbeit um praktische Umsetzungsmöglichkeiten. Hiermit soll die Bandbreite bestehender Lösungsansätze gezeigt werden, die auch für Deutschland eine Anregung in der konkreten Gestaltung bieten können. So werden einerseits 48 Best Practices zusammengefasst vorgestellt, andererseits erfolgen Vertiefungen für die Slowakei und Frankreich als europäische Länderbeispiele sowie drei zukunftsweisende Lösungsansätze aus dem technologischen Bereich.

Kapitel 10 umfasst die Beschreibung des künftigen Leitbilds mit 15 Handlungsfeldern entlang der zuvor genannten Wirkungsdimensionen Strategie, Organisation, Recht, Technologie, Transparenz, Partizipation und Kollaboration.

Abgerundet wird die Arbeit mit einem Fazit in Kapitel 11. Hier werden die Ergebnisse zusammengefasst, interpretiert, wissenschaftliche Lücken und weiterführende Forschungsfragen sowie die Einschätzung der Verfasserin dargelegt.

2.5 Zusammenfassung

Das Thema der Öffnung des öffentlichen Einkaufs umfasst sehr viele unterschiedliche Bereiche und Fragen aus politischer, organisatorischer, rechtlicher, technischer und gesellschaftlicher Sicht. Gleichzeitig sind der aktuelle Stand und eine künftige Vision zu skizzieren und eine Verbindung beider durch mögliche Handlungsfelder zu schaffen. Die Breite des Themas darf dabei die nötige Tiefe nicht vernachlässigen, so dass eine kontinuierliche Abgrenzung – auch im Fortgang der Arbeit – erforderlich ist. Um dieser Vielfalt gerecht zu werden, wird mit einem Methodenmix gearbeitet.

Bevor die empirische Überprüfung der Arbeitshypothesen geleistet werden kann, sind im Vorfeld eine ganze Reihe an Fragen unterschiedlicher Tiefe und Komplexität zu beantworten. Sie reichen von vergleichsweise einfachen definitorischen Fragen und Sachfragen über die Klärung des Status quo bis hin zu übergreifenden Forschungsfragen des Nutzens offener Einkaufsdaten für verschiedene Akteure und Best Practices.

Herangezogen werden zunächst die vorhandene Forschungsliteratur sowie Quellen wie Rechtstexte, Projektbeschreibungen, Selbstaussagen von Institutionen und Organisationen. Die daraus generierten Erkenntnisse werden ergänzt um die Ergebnisse der eigenen Erhebungen auf Basis der Portalanalyse und der Online-Befragung von Führungskräften und Experten. Der Blick auf bewährte Best Practices sowie ein Leitbild sollen einen möglichen Umsetzungsrahmen für Deutschland in der Öffnung öffentlicher Einkaufsdaten aufzeigen.