Öffentliche Diskussionen und Demonstrationen wegen verschobener, nicht gewollter oder zu teurer Bauprojekte belegen eindrücklich, dass Bürgerinnen und BürgerFootnote 1 einen transparenten und nachvollziehbaren Einsatz der von ihnen erwirtschafteten Steuermittel verlangen. Prominente Beispiele aus jüngster Vergangenheit sind die Projekte „Stuttgart 21“ oder der Berlin-Brandenburgische Flughafen BER. Die Bundesrepublik ist hier keine Ausnahme. Auch andernorts stehen Bürgerbeteiligung und Transparenz auf der Agenda. In den USA gab Barack Obama schon vor zehn Jahren den Impuls zur Erneuerung der Verwaltung in den USA mit Unterzeichnung des „Memorandum on Transparency and Open Government“ vom 21. Januar 2009:

„My Administration is committed to creating an unprecedented level of openness in Government. We will work together to ensure the public trust and establish a system of transparency, public participation, and collaboration. Openness will strengthen our democracy and promote efficiency and effectiveness in Government“ (Obama, 2009, S. 34).

Damit machte er Open Government zum Mittelpunkt seines Wirkens. Neben Transparenz umfasst Open Government das Angebot eines Staates an seine Bürger, sich an politischen Entscheidungen zu beteiligen (Partizipation) sowie die Zusammenarbeit (Kollaboration) im alltäglichen Verwaltungshandeln zu verbessern.

Eine wesentliche Rolle für die Transparenz spielen die vorhandenen Verwaltungsdaten. Mehrere Untersuchungen zeigen das volkswirtschaftliche Potential dieser Daten auf, beispielsweise kommt eine Studie für Deutschland in einem konservativ gerechneten Szenario auf ein volkswirtschaftliches Potential von etwa 12 Milliarden Euro pro Jahr beziehungsweise in einem ambitionierten Szenario auf etwa 43 Milliarden Euro pro Jahr (Dapp et al., 2016, S. 57 f.). Auch vor diesem Hintergrund erfolgte die zögerliche Offenlegung einiger Daten der öffentlichen Verwaltung in den letzten zehn Jahren: Begleitet von einer Rechtsprechung, die nach und nach die Öffnung der Verwaltungsdaten aufgegriffen hat, kann mittlerweile auf mehr als 86 (zumeist kommunalen) offenen Verwaltungsportalen in Deutschland eine Vielzahl von öffentlichen Daten eingesehen werden (Tursics, 2019). Sie reichen von den beliebtesten Vornamen, Verkehrs- und Mobilitätsdaten im Kontext von Staus, Baustellen, Benzinpreisen, Fahrplänen von Bus und Bahn, über Immobilien- und Grundstückspreisentwicklungen bis hin zu Echtzeit-Pegelständen der deutschen Bundeswasserstraßen. Ausgenommen sind lediglich Daten, die dem Datenschutz unterliegen. Dessen ungeachtet kann die wachsende Anzahl solcher Portale nicht darüber hinwegtäuschen, dass die flächendeckende Verfügbarkeit offener, qualitativ hochwertiger Verwaltungsdaten für Deutschland bei über 11 000 Kommunen (Rudnicka, 2019) noch in weiter Ferne liegt. Ebenfalls herausfordernd gestaltet sich die Analyse, welche Daten überhaupt in welcher Tiefe und Breite bereits heute von wem veröffentlicht werden. Ein Musterdatenkatalog soll hier, zumindest in Nordrhein-Westfalen, für die notwendige Standardisierung sorgen (Krabina & Wiedemann, 2019).

Für die vorliegende Untersuchung sind Datensätze der öffentlichen Verwaltungen zu Vergaben und Verträgen relevant. Bei der Suche erweist sich schnell, dass die Ergebnisse überschaubar sind und die Rechercheoptionen weit hinter den technischen Möglichkeiten zurückbleiben: Bislang enthalten nur zwei von insgesamt 31 194 Datensätzen (Stand Juli 2019) auf dem zentralen Open Data Portal Deutschlands (https://www.govdata.de) hierzu Angaben. Auf den untersuchten 26 Vergabe- und Bekanntmachungsportalen finden sich zwar die rechtlich vorgeschriebenen Auftrags- und Vergabebekanntmachungen der Ausschreibungs- und Vergabephase, allerdings ergeben diese, selbst in Summe, weder ein vollständiges noch ein konsistentes Zahlenwerk zum öffentlichen Einkauf. Sie liefern allenfalls selektive, vergabeprozessbezogene Informationen. Angaben zur Planung von Einkaufsentscheidungen sowie Projektausführung fehlen gänzlich.

Ebenso wenig lassen sich aus amtlichen Statistiken einheitliche Aussagen zum Beschaffungsvolumen der Bundesrepublik Deutschland ableiten. Allein die Frage, wie groß das Gesamtvolumen der öffentlichen Einkäufe pro Jahr ist, kann nur geschätzt werden. Während der Oberschwellenbereich aufgrund von EU-weiten Ausschreibungsverpflichtungen höheren Transparenzanforderungen genügen muss, ist der Unterschwellenbereich weitgehend intransparent. Jedoch werden eben in diesem Bereich die meisten Verfahren nach Anzahl und Volumen abgewickelt. Vor dem Hintergrund, dass der öffentliche Einkauf in Europa im Durchschnitt etwa 15 % des BIP beträgt (das sind für Deutschland etwa 300–400 Milliarden Euro jährlich), ist dies nicht nur überraschend, sondern im Jahr 2019 auch unzureichend. Es sind somit weder verlässliche, rückblickende Informationen (zum Beispiel nach Ablauf eines Jahres) erhältlich noch aktuelle Informationen über die Planung und den Fortschritt laufender Projekte und ihre Beteiligten.

Der Einsatz von Technologie kann hier eine Brücke schlagen und als Vehikel einen weiteren Beitrag zur Transparenz im öffentlichen Einkauf leisten. Diese Transparenz kann für diverse Akteure Potential bieten: Interessierte Unternehmen könnten schneller die für sie relevanten Ausschreibungen identifizieren und effizienter an Vergabeverfahren teilnehmen, Verwaltungen könnten interne Aufwände in der Beantwortung von Fragen oder für die Bereitstellung von Informationen reduzieren, der Bürger könnte sich jederzeit zum Stand eines Projektes informieren und Medien sowie Wissenschaft könnten Analysen auf idealerweise qualitativ hochwertige Daten stützen. Und letztlich könnte die Politik einerseits die Glaubwürdigkeit ihrer Entscheidungen erhöhen, andererseits einen Beitrag zur Vermeidung von Korruption leisten. Die mit der Transparenz einhergehenden Risiken und Nachteile müssen zwar identifiziert und abgewogen werden, doch zeigen Beispiele anderer Länder, dass dies durchaus möglich ist, zum Beispiel die Slowakei oder Frankreich.

Die vorliegende Arbeit will daher, ausgehend vom Status quo des öffentlichen Einkaufs, erstens klären, ob, warum und für wen eine Öffnung der öffentlichen Einkaufsdaten im Unterschwellenbereich sinnvoll sein kann. Zweitens gilt es zu hinterfragen, wie dies praktisch und technisch erfolgen kann, wo mit Einschränkungen zu rechnen ist und welche Best Practices es gibt. Abschließend ist zu diskutieren, wie das Leitbild einer offenen Vergabepolitik mit konkreten Handlungsempfehlungen aussehen kann.