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Zur Kritik der Interpretations- und Rezeptionsgeschichte des 2. Theresienstadtfilms aus kulturgeschichtlicher Perspektive

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Theresienstadt – Filmfragmente und Zeitzeugenberichte

Part of the book series: Wissen, Kommunikation und Gesellschaft ((WISSEN))

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Zusammenfassung

Im Rekurs auf die die noch ungeschriebene Produktions-, Rezeptions-, Interpretations- und Diskursgeschichte des sogenannten 2. Theresienstadtfilms werden die Produktions- und Rezeptionsgeschichte in ihren historischen Kontexten als ein lokales Ereignis der SS-Führungsebene in Prag und der Lagerkommandantur in Theresienstadt rekonstruiert und analysiert. Die Entstehungs- und Produktionsgeschichte wird verknüpft mit den historischen Begebenheiten, die sich vor allem in der Zeit des 23.6.1944 (1. Besuch einer Delegation des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes) und dem 5.5.1945 (Übergabe der Verantwortung für das Lager an das IKRK ereigneten. Die Berichte der Delegierten (Rossel und Henningsen) sowie die von Rossel gemachten Fotos bilden – so die These des Aufsatzes – die Grundlage für das Drehbuch und die im Film episodisch gegliederten Einzelszenen. Der Film spiegelt in der Produktionsschicht der Auftraggeber diese Visitation als eine einzigartige Dokumentation. Dem Drehbuchautor und Regisseur, Kurt Gerron, gelingt es in diesem Werk durch spezifische ästhetische Stilmittel diese 1. Produktionsschicht zu negieren und eine diametral entgegengesetzte Eigenzeit und Eigengeschichte im Film zu implementieren. Hierbei kommt der 1. Szene des Films, in der eine konzertante Aufführung des Elias Oratoriums von Mendelson Bartholdy gezeigt wird, eine besondere Bedeutung zu.

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Notes

  1. 1.

    So bleiben – um ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit zu wählen – die vielen Lobeshymnen, die Charles (Lewinsky 2011) erschienenen Roman Gerron preisen, aus meiner Sicht völlig unverständlich. Im Roman selbst – wie auch in den Besprechungen des Buches – wird ein Geschichtsbild entworfen, das der billigenden Inkaufnahme einer bewussten Geschichtsklitterung gefährlich nahekommt. Dass der Roman weder dem historischen Geschehen noch der Person Kurt Gerrons auch nur annähernd gerecht wird, ist dabei noch das kleinste Übel.

  2. 2.

    Zu den wenigen mittlerweile als sicher zu belegenden Fakten zählt die Urheberschaft der Produzenten. Diese liegt allein in der Verantwortung von Hans Günther und Karl Rahm. Weder das Reichspropagandaministerium (Goebbels) noch die SS-Führung in Berlin (Himmler) waren an der Produktion beteiligt. Inwieweit Adolf Eichmann in Wien über die Pläne und Durchführung des Filmprojektes informiert worden ist kann gleichfalls lediglich spekuliert werden.

  3. 3.

    Michael Bornkamp und Franz von Benda haben 1965 auf den Oberhausener Kurzfilmtagen unter dem Titel So schön war es in Terezín die ersten – unter abenteuerlichen Bedingungen in der Tschechoslowakei gefundenen und in die Bundesrepublik geschmuggelten Fragmente veröffentlicht.

  4. 4.

    Dieser Rezipient ist der letzte Vorsitzende des Ältestenrates, Benjamin Murmelstein, der in einer schriftlichen Stellungnahme (Murmelstein 1946) zu seinem gegen ihn angestrengten Prozess 1946 in Litoměřice diese Erklärung dem Gericht vorlegt.

  5. 5.

    Den Begriff des Dokumentarfilms zu wählen verdankt sich nicht zuletzt einem kommentierenden Hinweis von Käthe Starke (1983, S. 131), den sie als Zeitzeugin der Dreharbeiten formuliert. »Zunächst kam der Film, der die kostspielige Inszenierung [des ICRC Besuches, E.C.] dokumentarisch festhalten sollte, nunmehr in Ruhe und allen Einzelheiten, die die Kommission in der Geschwindigkeit gar nicht hatte würdigen können.« Käthe Starke war als Stellvertreterin von Utitz in der Bibliothek Theresienstadts tätig.

    Weitere Belegstellen, den Film in seinem dokumentarischen Charakter zu bestimmen, finden sich vor allem bei (Philipp Manes 2005) und Richard Feder (2004).

  6. 6.

    Dazu: Adler [1955] (2012).

  7. 7.

    Diese prinzipielle Unterscheidung vom Pragmatischen und Paradigmatischen, die (Eric Voegelin 2005) im Band 2 seines Werkes aus dem historischen Verlauf des Volkes und Staates Israel extrahierend überzeugend entwirft, gilt, so meine These, eben nicht nur in der Synthese der Urstiftung von Real- und Ideengeschichte, in der das geistes- und kulturgeschichtliche noetische Bewusstsein der Neuzeit oszillierend sich bewegt, sondern diese Trennung berührt – wesentlich grundsätzlicher – in ihrer axiomatischen Architektur und methodologischen Tektonik die notwendig zu entwerfenden Bauformen einer auf Erkenntnis und Erfahrung zielenden Beobachtungsmatrix, Beobachtungshierarchie und Experimentalkultur. Das heißt, dass diese Unterscheidung nicht nur für die Observanz aller kulturellen und gesellschaftlichen Phänomene vorausgesetzt werden muss, sondern sie auch für die symbolischen Formen der Natur- und Technikwissenschaften ein Konstituens in der Realisierung ihres eigenen wissenschaftlichen Geltungsanspruches ist.

  8. 8.

    Zukunft und Vergangenheit sind jene Zeitformen, deren ontologischer Status ebenso ungefähr wie vollständig ungewiss ist. Zukunft ist eine Zeitform, die ontologisch nie eintritt, sondern immer nur als neue Gegenwart, deren Verhältnis jeweils nur zu einer vergangenen oder gegenwärtigen Zukunft bestimmt wird und überhaupt nur bestimmt werden kann.

  9. 9.

    Ich übernehme zunächst an dieser Stelle mit allen quellenkritischen Vorbehalten Adlers Vorschlag, das Wort »Element« für einen Schreibfehler zu halten und durch das Wort »Experiment« zu ersetzen, das nach seiner Meinung an dieser Stelle viel mehr Sinn macht. Die weiter unter hierzu von mir formulierte Quellenkritik an Adlers Vorschlag gibt weiteren Aufschluss.

  10. 10.

    (Max Weber 1972, S. 549) hält diese Ideologie der Herrschaft so fest: »Die »Legende« jeder hochprivilegierten Gruppe ist ihre natürliche, womöglich ihre »Bluts«-Ueberlegenheit. In Verhältnissen stabiler Machtverteilung und, demgemäß auch, »ständischer« Ordnung, überhaupt bei geringer Rationalisierung des Denkens über die Art der Herrschaftsordnung, wie sie den Massen solange natürlich bleibt, als sie ihnen nicht durch zwingende Verhältnisse zum »Problem« gemacht wird, akzeptieren auch die negativ privilegierten Schichten jene Legende.«

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Cremers, E. (2021). Zur Kritik der Interpretations- und Rezeptionsgeschichte des 2. Theresienstadtfilms aus kulturgeschichtlicher Perspektive. In: Pellner, L., Soeffner, HG., Stanisavljevic, M. (eds) Theresienstadt – Filmfragmente und Zeitzeugenberichte. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31637-2_5

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