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Was ist Kommunikation?

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Kommunikationsmacht

Part of the book series: Wissen, Kommunikation und Gesellschaft ((WISSEN))

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Zusammenfassung

Kommunikation zu bestimmen, ist nicht so einfach. Das fängt schon mit der Benennung der relevanten Akteure an. In der wissenschaftlichen Literatur haben sich verschiedene Sprechweisen eingebürgert, die trotz ihrer Verwandtschaft miteinander dennoch deutliche und wesentliche Unterschiede aufweisen. Oft gehören sie auch nicht der gleichen ‚Familie‘ an.

Interaktion ist die „wechselseitige Handlungsbeeinflussung, die Individuen aufeinander ausüben, wenn sie füreinander anwesend sind.“

Erving Goffman 1969: 18

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Notes

  1. 1.

    „Was ist dein Ziel in der Philosophie? Der Fliege den Ausweg aus dem Fliegenglas zeigen.“ (Wittgenstein 1977: 162).

  2. 2.

    Der Hinweis auf die Bestimmheit von Situationen ist deshalb wichtig, weil in vielen Lehrbüchern Kommunikation in unbestimmten Situationen stattfindet. Dort heißt es dann ohne Kontextangabe: „Schließe das Fenster!“ oder: „Die Katze liegt auf der Matte.“ Verständlich werden solche kommunikativen Handlungen für den Leser nur, wenn er sich einen Kontext schafft, also eine bestimmte Situation unterstellt. Nur dann kann er verstehen, ob der andere darum bitten will, das Fenster zu schließen, oder ob er einen Theatertext aufsagt oder aber das Codewort ausspricht, das ihm Einlass in das Versteck gewährt. Ohne die Bestimmung der Situation (=bestimmte Situation) ist die Bedeutung von Kommunikation nicht rekonstruierbar.

  3. 3.

    Zu Searle und Grice siehe weiter oben in Abschn. 6.2. Auch bei Luhmann ist Kommunikation bekanntlich mit der dritten Selektion, nämlich dem Verstehen, abgeschlossen. Die vierte Selektion, nämlich die Annahme oder Ablehnung einer mitgeteilten Sinnreduktion, liegt ausdrücklich außerhalb der Kommunikation (vgl. Luhmann 1984: 203). „Wenn wir sagen, daß Kommunikation eine Zustandsveränderung des Adressaten bezweckt und bewirkt, so ist damit nur das Verstehen ihres Sinnes gemeint“ (ebd.). Und: „Als Ausgangspunkt ist festzuhalten, daß Kommunikation nicht als Handlung und der Kommunikationsprozeß nicht als Kette von Handlungen begriffen werden kann“ (Luhmann 1984: 225).

  4. 4.

    Kommunikation ist in dem hier vertretenen Verständnis immer eine soziale Handlung, die auf Anschlusshandlungen aus ist. Selbst der Ausdruck einer persönlichen Meinung, also die Darlegung einer eigenen, subjektiven Sicht der Welt, ist in diesem Verständnis eine Handlung, die darauf abzielt, andere in ihrem Handeln zu beeinflussen. Verknüpft man die Äußerung einer eigenen und eigentümlichen Ansicht der Welt mit einer Aufforderung an andere, diese Ansicht nicht nur zu teilen, sondern auch entsprechende Handlungen selbst zu setzen, dann ist dies kein kommunikativer Akt, der allein und einzigartig der eigenen Weltsicht einen sprachlichen Ausdruck gibt, sondern der auf die Veränderung der Welt zielt. Insofern müssten die Anwälte von Donald Trump in arge Bedrängnis kommen, wenn sie in den aktuell laufenden Ermittlungen (Stand: Sept. 2023) rund um den versuchten Betrug der Wahl des amerikanischen Präsidenten von 2020 und den Sturm auf das US Kapitol am 6. Januar 2021 zur Verteidigung des Angeklagten vorbringen, Donald Trump habe, als er seinen Vizepräsidenten Mike Pence darum bat, den Vorgang der Bestätigung von Biden als Wahlsieger zu blockieren, nur von seinem Recht auf Äußerung seiner Meinung Gebrauch gemacht. Jemanden zu bitten, so das Argument der Verteidigung, sei noch keine Handlung, sondern Teil einer freien Meinungsäußerung. Aus sozial- und sprachwissenschaftliche Perspektive sind die Verteidiger ganz sicher im Unrecht – ist auch die Deklaration einer Ansicht kategorial verschieden von der Aufforderung an einen anderen, entsprechend dieser Weltsicht selbst tätig zu werden. Das ist ganz klar symbolische Interaktion, also Intervention und in den hier benutzten Begriffen: Es ist der Einsatz sozialer Macht zur Durchsetzung eigener Wünsche.

  5. 5.

    Eine vergleichbare Unterscheidung hat Bateson eingeführt: Er unterscheidet zwischen dem gezielten und mental gesteuerten Abschießen eines Gewehrs über Kimme und Korn und dem Abfeuern einer Schrotflinte, die sich für den Schützen verborgen unter einer Tischplatte befindet (vgl. Bateson 1987: 247 ff.).

  6. 6.

    Ohne Zweifel kann man in der Kommunikationsanalyse auch die Begriffe ‚Sprecher‘ und ‚Hörer‘ sinnvoll verwenden – solange man dabei nicht vergisst, dass diese Begriffe voraussetzen, „dass wir es mit Akustischem zu tun haben, obwohl ganz offenkundig das Visuelle, manchmal auch das Taktile eine organisatorisch hochgradige Bedeutung hat“ (Goffman 2005: 43). Wer allerdings nur etwas über Hörer und Sprecher sagt, läuft Gefahr, dass ihm das Besondere von Kommunikation systematisch nicht in den Blick gerät.

  7. 7.

    Weiter unten werde ich den Begriff des ‚kommunikativen Handelns‘ noch weiter differenzieren.

  8. 8.

    Diese Umgrenzung ist allerdings noch ungenau, da ich hier noch nicht die Bedeutung des kommunikativen Tuns, des nicht-intentionalen kommunikativen Agierens, berücksichtige. Weiter unten werde ich das kommunikative Handeln weiter ausdifferenzieren und in ‚kommunikatives Handeln‘ und ‚kommunikatives Tun‘ unterteilen.

  9. 9.

    In die gesellschaftlichen Entscheidungskulturen eingelassen sind individuelle Entscheidungsmuster, die teilweise auch quer zu der gesellschaftlichen Kultur liegen oder aber in deren Windschatten. Unterscheiden lassen sich zumindest drei Modelle: das Buridan-Modell (Esel zwischen zwei Heuhaufen), das Hamlet-Modell und das Caesar-Modell. Der erste Entscheider (An welchem Heuhaufen soll ich meinen Hunger stillen, sehen doch beide gleich aus?) kommt aus dem Abwägen nicht heraus und kommt dabei zu Tode, der zweite („Sein oder Nicht-Sein. Das ist hier die Frage“) wägt lange ab und tut wenig und der dritte überlegt kurz und entscheidet dann schnell (Alea iacta est – Rubikon Modell).

  10. 10.

    Weil alles dies (wenn auch nicht immer und an jeder Stelle und nicht mit gleicher Intensität) auch passiert, wenn Menschen miteinander kommunizieren, ist es nicht zutreffend anzunehmen, Kommunikation sei nur für die symbolisch vermittelte Verhaltenskoorientierung zuständig. Kommunikation schafft und festigt auch eigene und fremde Identität, konstituiert und verändert Gemeinschaften und Gesellschaften, legitimiert und unterhöhlt Kultur. Kurz: Kommunikation hat in Gesellschaften vielfältige Funktionen und die unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen wie die Soziologie, die Psychologie, die Erziehungswissenschaft, die Informationstheorie richten ihr Augenmerk auf besondere Aspekte der Kommunikation. Deshalb ergänzen sich die jeweiligen fachdisziplinären Zugänge zur Kommunikation. Sie schließen einander also nicht aus. Interdisziplinäre Kommunikationsforschung integriert die verschiedenen Perspektiven.

  11. 11.

    In der Literatur findet man statt des Ausdrucks face-to-face-Kommunikation oft auch den Begriff der vis-à-vis-Kommunikation. Auch er stellt vor allem auf die intime Begegnung zweier Menschen ab – wie eine Textzeile eines bekannten Liedes von Marlene Dietrich sehr schön zum Ausdruck bringt: „Und wenn sich meine Augen, ganz leise vis-à-vis, ganz tief in deine saugen, was sagen dann sie?“ (Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt). Siehe klassisch zur unvergleichlichen Intimität des Blickkontakts: Simmel 1992: 723 ff.

  12. 12.

    Damit greife ich eine Unterscheidung auf, die auf Oevermann 1981 zurückgeht.

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Reichertz, J. (2024). Was ist Kommunikation?. In: Kommunikationsmacht. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31635-8_5

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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