Zusammenfassung
Stellen Sie sich einmal vor oder genauer – erinnern Sie sich einmal an ähnliche Situationen mit ähnlichem Personal: Ein ungemütlicher Dezemberabend im Ruhrgebiet. Maria Windelen ist mit ihrem Wagen auf dem Weg nach Hause. Ein anstrengender Arbeitstag liegt hinter der Rektorin einer deutschen Großstadtrealschule. Es regnet und draußen ist es kalt. Die attraktive, schlanke Endfünfzigerin trägt ein blaues Businesskostüm, die Haare sind modisch frisiert und das dezente Make-up hat sie vor der Abfahrt von der Schule noch aufgefrischt.
Die beste Methode dürfte hier wie bei anderen Problemen sein, dass man die Gegenstände verfolgt,
wie sie sich von Anfang an entwickelt haben.
Aristoteles (1973): Politik. Buch I, 2: 47
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Notes
- 1.
Der Mann hat auch einen Namen – nämlich Peter Fischer. Er ist 35 Jahre alt, seit 17 Jahren verheiratet, hat drei Kinder (der Älteste macht eine Lehre, die beiden Jüngsten gehen noch zur Schule). Seine Frau hilft gelegentlich bei einem Friseurladen aus und geht ansonsten putzen. Peter Fischer ist gelernter Friseur, musste aber wegen einer Allergie seine Stelle bei einem großen Friseursalon aufgeben. Nach drei Jahren Arbeitslosigkeit hat er bei der Tankstelle vor einem Monat den sehr schlecht bezahlten Job als Servicemitarbeiter bekommen. Jetzt ist er bereits seit siebeneinhalb Stunden im Dienst. Er ist sehr müde und hat bislang 4,73 € Trinkgeld erhalten. Natürlich könnte der Mann an der Tankstelle auch ein Wissenschaftler sein, der gerade mit einer beobachtenden Teilnahme die Bedingungen von Hilfsarbeiten im Servicebereich erkunden will. Dass er beamteter Wissenschaftler ist, würde erst einmal am Lauf der Dinge wenig ändern. Auch er würde wortlos das tun, was alle in der Position der Servicekraft tun. Allerdings wäre in dem Falle die Wahrscheinlichkeit höher, dass es in der Kommunikation zu Irritationen kommt. Sollten sie einmal entstanden sein, dann wird der weitere Verlauf sich ganz wesentlich anders entwickeln. Wenn hier die Geschichte vor allem aus der Perspektive von Maria Windelen erzählt wird, dann vor allem, um deren (richtige und unrichtige) Wahrnehmungs- und Orientierungsleistungen sichtbar zu machen. Ich hätte auch die Perspektive von Peter Fischer zur Leitperspektive machen können. Möglich und interessant wäre es aber auch gewesen, dabei den Weg Latours beschreitend (Latour 2002, 2007), die Ereignisse aus der Perspektive der heimlichen Hauptdarstellerin, der Zapfsäule, zu berichten: Alle Personen und Dinge bewegen sich um sie herum, müssen sich zu ihr positionieren und erst, wenn sie gegeben hat, was sie geben soll, ist sie nicht mehr Zentrum der Ereignisse.
- 2.
Neckel hat also Recht, wenn er schreibt: „Und wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen geben auch im ökonomischen Feld soziale Institutionen jeweils spezifische Gefühlsregeln vor, nach denen Akteure Emotionen in sozial erwünschter Weise erleben und ausdrücken sollen“ (Neckel 2008: 121). Allerdings, so könnte man ergänzen, variieren diese Regeln auch mit Jahres- und Tageszeit, Belastung und Firmenanspruch, Branche und Kundschaft etc.
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Reichertz, J. (2024). „meintankisleer … super!“ oder: Was ist Kommunikation?. In: Kommunikationsmacht. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31635-8_4
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