Zusammenfassung
Jüngst veröffentlichte die OECD einen Bericht zur unter Druck geratenen Mittelschicht und legte Vorschläge für wirtschafts- und sozialpolitische Interventionen dar. Im vorliegenden Beitrag wird durch eine Maßnahmenanalyse herausgearbeitet, in welchen Bereichen Österreich gut und weniger gut abschneidet. Behandelt werden u. a. die Erhöhung von Einkommen und Vermögen, Strategien zum Umgang mit den überproportionalen Kostensteigerungen bei Wohnen, Bildung, Gesundheit und Pflege und Beschäftigungspotentiale für den zukünftigen Arbeitsmarkt. Nachholbedarf gibt es bspw. bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
In diesem Zusammenhang wird auf ein wesentliches Politik-Dilemma hingewiesen. Da die Mittelschicht den größten Teil an der Bevölkerung ausmacht, bedeutet eine Steuerentlastung für diese Gruppe, dass allgemein weniger Steuern zur Verfügung stehen, mit Hilfe derer aber wieder Entlastungsmaßnahmen für die Mitte finanziert werden müssten (OECD, 2019 f., S. 138).
- 2.
Der Fokus dieses Beitrags auf die von der OECD vorgeschlagenen Schwerpunkte hat den Vorteil, bei konkreten Maßnahmen zur Stärkung der Mittelschicht ansetzen zu können. Das Vorgehen hat aber den Nachteil, dass damit keine generelle oder detaillierte Beurteilung der österreichischen Wirtschafts- und Sozialpolitik zur Beeinflussung der Lage der Mittelschicht vorgenommen werden kann. Die Analyse verbleibt vielmehr selektiv und auf höherem Abstraktionsniveau. Und es werden Themen, die von der OECD nicht explizit aufgegriffen wurden (z. B. der Generationenkonflikt bezüglich Pensionsleistungen, Aufstiegschancen und Abstiegsrisiken von Migrant*innen) in diesem Beitrag nicht behandelt.
- 3.
Diese umfassen befristete Jobs, Teilzeitstellen oder quasi-selbstständige Arbeitsverträge (OECD 2018).
- 4.
Die Erwerbsbeteiligung von Männern belief sich im Jahr 2018 auf 77,4 % (OECD, 2020b).
- 5.
Bei einer differenzierteren Betrachtungsweise reduziert sich die Lohnlücke allerdings weiter (Fritsch, Verwiebe, und Liedl 2019).
- 6.
Vgl. dazu die Ergebnisse der aktuellsten Zeiterhebungsstudie (Statistik Austria 2020).
- 7.
VIF-konforme Einrichtungen sind mindestens 47 Wochen pro Jahr und 45 h pro Woche geöffnet. An vier Tagen der Woche sind sie mindestens 9,5 h offen. Zudem werden die Kinder zu Mittag mit Mahlzeiten versorgt. Diese VIF-Kriterien ermöglichen es theoretisch beiden Elternteilen einer Vollzeitbeschäftigung. VIF – steht für Vereinbarkeitsindikator Familie und Beruf.
- 8.
Für die Einschätzung der Wirksamkeit ist zu bedenken, dass es sich dabei nicht um eine jährliche Verzinsung handelt – da wären 4 % weit über der Inflation, eine Realverzinsung –, sondern um eine Einmalzahlung; das heißt bei sechsjähriger Laufzeit ist der Effekt der Prämie für das erste Jahressparvolumen auf sechs Jahre aufzuteilen, um den Jahreszins zu ermitteln (0,25 % bis 0,67 % pa), für das letzte Jahresvolumen ist die Prämie gleich dem Jahreszins.
- 9.
Lediglich in den Niederlanden ist der Anteil an Sozialwohnung mit 34,1 % noch höher (OECD, 2019a).
- 10.
Eine vollständige Gebührenbefreiung gibt es für einkommensschwache Gruppen, z. B. Bezieher*innen der bedarfsorientierten Mindestsicherung.
Literatur
Altzinger, W., S. Humer, und M. Moser. 2017. Entwicklung und Verteilung der Einkommen. In Sozialbericht: Sozialpolitische Entwicklungen und Maßnahmen 2015–2016, Hrsg. S. u. K. BMASK (Bundesministerium für Arbeit), 227–268. Wien: BMASK.
Altzinger, W., N. Lamei, B. Rumplmaier, und A. Schneebaum. 2013. Intergenerationelle soziale Mobilität in Österreich. Statistische Nachrichten 2013 (1): 48–62.
Österreich, Arbeitsmarktservice. 2019a. AMS-Qualifikations-Barometer. Wien: AMS.
Österreich, Arbeitsmarktservice. 2019b. Geschäftsbericht 2018: Richtig viel Arbeit. Wien: AMS.
Atkinson, A.B. 2015. Inequality: What can be done? Cambridge: Harvard University Press.
Bacher, J., A. Grausgruber, M. Haller, F. Höllinger, D. Prandner, und R. Verwiebe. 2018. Sozialstruktur und Wertwandel in Österreich: Trends 1986–2016. Wiesbaden: Springer / VS.
Bacher, J., und R. Moosbrugger. 2019. Bildungsabschlüsse, Bildungsmobilität und Bildungsrenditen: Entwicklungen. In Sozialstruktur und Wertewandel in Österreich, Hrsg. J. Bacher, A. Grausgruber, M. Haller, F. Höllinger, D. Prandner, und R. Verwiebe, 131–157. Wiesbaden: Springer VS.
Berghammer, C., und E.-M. Schmidt. 2019. Familie, Partnerschaft und Geschlechterrollen: Alles im Wandel? In Quo vadis, Österreich? Wertewandel zwischen 1990 und 2018, Hrsg. J. Aichholzer, C. Friesl, S. Hajdinjak, und S. Kritzinger, 57–88. Wien: Czernin.
Berghammer, C., und R. Verwiebe. 2015. Die Verbreitung des Doppelernährer-/Doppelbetreuermodells in fünf Ländern Europas. WSI-Mitteilungen 68 (2): 116–124.
Birdsall, N. 2010. The (indispensable) middle class in developing countries. In Equity and Growth in a Globalizing World, Hrsg. R. Kanbur und M. Spence, 157–187. Washington, DC.: The World Bank.
BMASGK. 2018. Sozialstaat Österreich: Leistungen, Ausgaben und Finanzierung 2018. https://www.sozialministerium.at/site/Service_Medien/News_Veranstaltungen/News/Sozialstaat_Oesterreich_Leistungen_Ausgaben_und_Finanzierung_2018.
BMDW. 2020. Partnerschaftsbonus. https://www.oesterreich.gv.at/themen/familie_und_partnerschaft/geburt/3/2/3/2/Seite.080631.html.
BMSGPK. 2020a. Allgemeines zu Pflegekarenz und Pflegeteilzeit. Retrieved from https://www.oesterreich.gv.at/themen/soziales/pflege/5/1/Seite.360527.html.
BMSGPK. 2020b. Begünstigte Weiterversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger. https://www.oesterreich.gv.at/themen/soziales/pflege/5/2/1/Seite.360561.html.
BMSGPK. 2020c. Förderung der 24-Stunden-Betreuung. https://www.oesterreich.gv.at/themen/soziales/pflege/1/Seite.360534.html.
Dearing, H. 2016. Gender equality in the division of work: How to assess European leave policies regarding their compliance with an ideal leave model. Journal of European Social Policy 26 (3): 234–247. https://doi.org/10.1177/0958928716642951.
Die Presse. 2019. Heimische Fahrradzusteller radeln ab 2020 mit Kollektivvertrag. https://www.diepresse.com/5691181/heimische-fahrradzusteller-radeln-ab-2020-mit-kollektivvertrag.
Eurostat. 2000a. Arbeitslosendaten nach Geschlecht und Alter. In https://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=une_rt_a&lang=de (Ed.), Eurostat Database.
Eurostat. 2000b. Ausgaben des Sozialschutzes. In Eurostat Database. https://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=spr_exp_nac&lang=de.
Eurostat. 2020. EU-SILC Survey 2020. https://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=ilc_mded01&lang=en.
Fessler, P., P. Lindner, und M. Schürz. 2019. Eurosystem Household Finance and Consumption Survey 2017: First results for Austria. Retrieved from Wien.
Fessler, P. und M. Schürz. 2017. Zur Mitte in Österreich. In Sozialbericht: Sozialpolitische Entwicklungen und Maßnahmen 2015–2016: Sozialpolitische Analysen, Hrsg. S. u. K. Bundesministerium für Arbeit , 269–292.
Förster, M. F., und S. Königs. 2019. Förderung der sozialen Mobilität in Österreich. In S. BMASGK (Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Konsumentenschutz), (Hrsg.), Soziale Mobilität und Vermögensverteilung (S. 13–70). Wien: BMASGK.
Fritsch, N.-S., Teitzer, R., und R. Verwiebe. 2014. Arbeitsmarktflexibilisierung und wachsende Niedriglohnbeschäftigung in Österreich. Eine Analyse von Risikogruppen und zeitlichen Veränderungen. Österreichische Zeitschrift für Soziologie 39(2): 91–110.
Fritsch, N.-S., R. Verwiebe, und B. Liedl. 2019. Declining Gender Differences in Low-Wage Employment in Germany Austria and Switzerland. Comparative Sociology 18 (4): 449–488. https://doi.org/10.1163/15691330-12341507.
Goffart, D. 2019. Das Ende der Mittelschicht: Abschied von einem deutschen Erfolgsmodell, 2. Aufl. München: Berlin Verlag.
Grausgruber, A. 2019. Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat in Österreich. In Sozialstruktur und Wertewandel in Österreich: Trends 1986–2016, Hrsg. J. Bacher, A. Grausgruber, M. Haller, F. Höllinger, D. Prandner, und R. Verwiebe, 457–481. Wiesbaden: Springer VS.
Höllinger, F. 2019. Einstellungen zur geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung in der Familie. In Sozialstruktur und Wertewandel in Österreich: Trends 1986–2016, Hrsg. J. Bacher, A. Grausgruber, M. Haller, F. Höllinger, D. Prandner, und R. Verwiebe, 243–263. Wiesbaden: Springer VS.
Humer, S., V. Lechinger, und E. Six. 2020. Die Doctrine classique des FamilienbonusPlus - eine Debatte in 5 Akten. Wirtschaft und Gesellschaft - WuG 46 (1): 13–40.
Humer, S., und M. Moser. 2016. Zur kalten Progression und den Verteilungswirkungen ihrer Abgeltung. Retrieved from Wien: https://www.wu.ac.at/fileadmin/wu/d/ri/ineq/INEQVerteilungKalteProgression.pdf.
Kaindl, M., und R. Schipfer. 2019. Familien in Zahlen 2019: Statistische Informationen zu Familien in Österreich. Wien: ÖIF.
Kettemann, A., Kramarz, F., und J. Zweimüller. 2016. Beyond Severance Pay Labor Market Responses to the Introduction of Occupational Pensions in Austria. Retrieved from Universität Zürich: https://www.econ.uzh.ch/en.html.
Köppl, A., und M. Schratzenstaller. 2015. Das österreichische Abgabensystem – Reformperspektiven. WIFO-Monatsberichte 88 (2): 127–135.
Kranzinger, S., und J. Derndorfer. 2016. Das Ende der Mittelschicht? Die Entwicklung der Einkommensverteilung in Österreich und Europa. Momentum Quarterly 5 (3): 121–199.
Land Oberösterreich. 2018. Evaluierungsergebnisse der Befragung zur Einführung der Elternbeiträge am Nachmittag. Pressekonferenz mit Landesrätin Mag.a Christine Haberlander. https://www.land-oberoesterreich.gv.at/Mediendateien/LK/PKHaberlander10092018Internet.pdf.
Mau, S. 2012. Lebenschancen: Wohin driftet die Mittelschicht? Berlin: Edition Suhrkamp.
Müller, B. 2013. Erosion der gesellschaftlichen Mitte: Mythen über die Mittelschicht; Zerklüftung der Lohnarbeit; Prekarisierung & Armut; Abstiegsängste. Hamburg: VSA.
Neue Volkspartei, und Freiheitliche Partei Österreichs. 2017. Zusammen. Für unser Österreich. Regierungsprogramm 2017–2022. https://www.bundeskanzleramt.gv.at/regierungsdokumente.
Obinger, H., und E. Tálos. 2010. Janus-Faced Developments in a prototypical Bismarckian Welfare State: Welfare Reforms in Austria sind the 1970s. In A Long Goodbye To Bismarck? The Politics of Welfare Reform in Continental Europe, Hrsg. B. Palier, 101–128. Amsterdam: Amsterdam University Press.
OECD. 2016. Taxing Wages 2016.
OECD. 2017. The Pursuit of Gender Equality: An Uphill Battle. Paris: OECD.
OECD. 2018. The Future of Social Protection: What works for non-standard workers? Policy Brief on the Future of Work. Paris: OECD.
OECD. 2019a. Affordable Housing Database. Paris: OECD.
OECD. 2019b. Bildung auf einen Blick. Paris: OECD.
OECD. 2019c. OECD Social expenditure database (SOCX). Paris: OECD.
OECD. 2019d. Society at a Glance 2019. Paris: OECD.
OECD. 2019e. Taxing Wages 2017–2018. Paris: OECD.
OECD. 2019f. Under Pressure: The Squeezed Middle Class. Retrieved from Paris.
OECD. 2020a. Collective bargaining coverage. In OECD (Hrsg.), (15.04.2020 ed.).
OECD. 2020b. Employment-population ratios. In OECD Employment Database. https://stats.oecd.org/Index.aspx?QueryId=64196.
OECD. 2020c. Gender wage gap. In OECD Employment Database. https://stats.oecd.org/Index.aspx?QueryId=54751.
Parlament. 2019. Parlamentskorrespondenz Nr. 309 vom 27.03.2019. https://www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2019/PK0309/index.shtml.
Riederer, B., L. Seewann, und R. Verwiebe. 2018. Warum schrumpft die migrantische Mittelschicht in der Stadt? Zur Dynamik der Schichtung am Beispiel Wiens zwischen 2003 und 2013. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 70: 539–564.
Schimank, U., S. Mau, und O. Groh-Samberg. 2014. Statusarbeit unter Druck? Weinheim / Basel Beltz Juventa: Zur Lebensführung der Mittelschichten.
Schöneck, N. M., und S. Ritter. Hrsg. 2018. Die Mitte als Kampfzone: Wertorientierungen und Abgrenzugngspraktiken der Mittelschicht. Bielefeld: transcript.
Schratzenstaller, M., und F. Dellinger. 2017. Genderdifferenzierte Lenkungswirkung des Abgabensystems. Wien: WIFO.
Sempelmann, P., und A. Proissl. 2020. Steuerreform: So wirkt sich kalte Progression aus. Retrieved from https://www.trend.at/branchen/steuern/steuerreform-kalte-progression-11326516.
Stadt Wien. 2019. Voraussetzung für eine geförderte Wohnung oder Genossenschaftswohnung. https://www.wien.gv.at/wohnen/wohnbaufoerderung/wohnungssuche/voraussetzungen-miete.html.
Austria, Statistik. 2019a. Kindertagesheimstatistik 2018/19. Wien: Statistik Austria.
Austria, Statistik. 2019b. Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung. Wien: Statistik Austria.
Austria, Statistik. 2019c. Wie geht´s Österreich? Indikatoren und Analysen 2019. Wien: Statistik Austria.
Austria, Statistik. 2019d. Wohnen: Zahlen, Daten und Indikatoren der Wohnstatistik. Wien: Statistik Austria.
Statistik Austria. (2020). Zeitverwendungserhebung 2008/09. In. https://statistik.at/web_de/statistiken/menschen_und_gesellschaft/soziales/zeitverwendung/zeitverwendungserhebung/index.html.
Tálos, E., Hrsg. 2019. Die Schwarz-Blaue Wende in Österreich: Eine Bilanz. Wien: LIT.
Thomas, A., und P. O’Reilly. 2016. The Impact of Tax and Benefit Systems on the Workforce Participation Incentives of Women. Retrieved from Paris.
Verwiebe, R., und J. Bacher. 2018. Gesellschaftlicher Wandel, Werte und ihre soziologische Deutung. In Sozialstruktur und Wertwandel in Österreich: Trends 1986–2016, Hrsg. J. Bacher, A. Grausgruber, M. Haller, F. Höllinger, D. Prandner, und R. Verwiebe, 487–513. Wiesbaden: Springer / VS.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2021 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Derndorfer, J., Heitzmann, K. (2021). Die Mitte in Österreich und der (mögliche) Beitrag der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu ihrer Stabilisierung. In: Verwiebe, R., Wiesböck, L. (eds) Mittelschicht unter Druck. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31523-8_16
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-31523-8_16
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-31522-1
Online ISBN: 978-3-658-31523-8
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)