Zusammenfassung
Rituale sind aus dem pädagogischen Alltag in Kindertageseinrichtungen nicht wegzudenken. „Kinder brauchen Rituale“ ist eine Alltagsweisheit, die bei einer Internet-Recherche mehr als hunderttausend Treffer bringt. Eltern und Pädagog*innen erhalten in Publikationen Anregungen dafür, wie sie „stressfrei durch den Familien-Alltag“ (Gräßer und Hovermann 2015) kommen oder ihre Kinder „im Alltag mit Ritualen unterstützen“ (Langlotz und Paulzen 2008) können.
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Notes
- 1.
„Natürlich“ meint bei Staack so etwas wie „spontan“.
- 2.
Hieran knüpfen die Überlegungen zur Repetitivität von Ritualen an: Eine Wiederholung ist immer gleich und verschieden.
- 3.
Hierin ähneln sich die Konzepte von Performativität von Derrida und die Demokratietheorie von Ranciére. Demokratische Akte könnten als Bruch mit der vergangenen polizeilichen Ordnung und als ein demokratisches Versprechen an die Zukunft verstanden werden.
- 4.
Bell verweist darauf, dass es nicht überall dieselben Trennlinien zwischen Ritual und Nicht-Ritual gebe, sondern dass diese jeweils anders verlaufe oder mitunter völlig fehle. Dennoch gebe es durchaus Phänomene, die relativ weit verbreitet als Ritual verstanden werden, wie zum Beispiel öffentliche Veranstaltungen, bei denen überlieferte Gesten wiederholt werden, unter anderem um übernatürliche Wesen anzurufen. Die fundamentale Grundlage für Ritualisierung sei jedoch, bewusst so zu handeln, dass die Handlung dadurch zu etwas Besonderem wird (Bell 1997, 138–139; 164–169).
- 5.
Kindertageseinrichtungen wurden von der Studie nicht beachtet.
- 6.
Bildung und Erziehung ‚an sich‘ sind m. E. keine Funktionen, sondern Effekte von Ritualen.
- 7.
Mit diesem Aspekt verbunden ist die Frage danach, ob es in der Pädagogik darum zu tun sein müsse, ausschließlich gute Vorbilder auszuwählen und zuzulassen, was Platon selbst vertreten habe, oder ob in einer kritischen Auseinandersetzung mit ‚schlechten‘ Vorbildern nicht genau das Potenzial liege, Widerstandskraft und Stärke zu bilden, was die Position von Aristoteles sei Wulf (2014, S. 251).
- 8.
Die Differenzen zwischen Habermas und Foucault sind unter dem Stichwort Habermas-Foucault-Streit diskutiert worden (Isenberg 1991). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Habermas richtig kritisiert, dass Foucaults Methode der Genealogie auf sein spezifisches Machtverständnis angewiesen sei, aber zum einen die Komplexität der Verwobenheiten von Macht und Wissen, verkenne: Wahrheit werde bei ihm zu einer reinen Funktion von Macht degradiert (Isenberg 1991, S. 1389). Zum anderen reduziere Habermas Macht auf Repression und verkenne die Produktivität von Macht, die Foucault immer wieder postuliere (Isenberg 1991, S. 1390). Darauf werde ich im Exkurs eingehen. Bo Isenberg kommt insgesamt zu dem Schluss, dass Habermas‘ Kritik mitunter daraus resultiere, dass er Foucaults Position vereinfache und in seine eigene Denkweise übersetze. Dadurch verliere seine Kritik an einigen Stellen jedoch das Eigentliche aus den Augen (Isenberg 1991, S. 1398).
- 9.
Mit der „Geschichte der Gouvernementalität“ bezeichnet Foucault drei Phänomene. Erstens meint er damit eine komplexe Machtform, die eine ganze Bevölkerung zur Zielscheibe hat, deren prinzipielle Wissensform die Politische Ökonomie ist, und die Sicherheitsapparate als essentielles technologisches Mittel nutzt. Diese Macht manifestiert sich in Institutionen, Prozeduren, Analysen und Reflexionen, Berechnungen und Taktiken. Zweitens ist mit dem Begriff die Tendenz gemeint, dass diese Machtform im Westen die Überhand über andere Machtformen (z. B. Souveränität und Disziplin) gewonnen hat und dabei eine ganze Reihe von Verwaltungsapparaten und Wissensgebieten hervorgebracht hat. Drittens meint er damit das Ergebnis des Transformationsprozesses vom Mittelalter bis hin zum „gouvernementalisierten“ Nationalstaat heute (Foucault 1991, S. 102 f.).
- 10.
An dieser Stelle verwendet Foucault Macht und Herrschaft synonym.
- 11.
Natürlich gelingt es in einer Kita nicht, das Verhalten jedes Kindes zu jeder Zeit zu überwachen – allein die zahlenmäßige Überlegenheit der Kinder gegenüber den Erwachsenen, deren Bedeutung durch den Diskurs um geeignete Betreuungsschlüssel immer wieder aktualisiert wird, spricht dagegen. Durch verschiedene Parzellierungspraktiken wird sich jedoch diesem Ideal angenähert, wie ich anhand des empirischen Materials nachweisen werde.
- 12.
In der Kita z. B. beobachten die pädagogischen Fachkräfte die Kinder; die Leitungskraft überwacht die pädagogischen Fachkräfte; die Trägerverantwortlichen überwachen die Arbeit der Leitungskraft. Aus den Beobachtungen werden notwendige Fördermaßnahmen für die Kinder oder Schulungsmaßnahmen für die pädagogischen Fachkräfte usw. abgeleitet.
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Lehmann, T. (2020). Rituale als performative Praktiken. In: Demokratiebildung und Rituale in Kindertageseinrichtungen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31499-6_3
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
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