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1 Die Rheinregionen und ihre gesellschaftlichen Verankerungen

Von den 20 größten Fluss-Einzugsgebieten Europas belegt das Einzugsgebiet des Rheins mit 185.000 km2, einschließlich seiner Zuflüsse, zwar nur den Rang 11. Aber die gesamtwirtschaftliche Bedeutung und Leistung weist dem Rhein-Einzugsgebiet die Spitzenposition zu. Auch mit einer geschätzten heutigen Bevölkerungsdichte von 330 Einwohnern pro km2 liegt es an der Spitze (Tockner et al. 2009). Die Gesamt-Einwohnerzahl im Einzugsgebiet beträgt knapp 60 Mio. Menschen.

Die offizielle Länge des Rheins wird heute mit 1233 km angegeben, berechnet von der Quelle des Vorderrheins und unter Einschluss der Länge des Bodensees (Kremer 2015). Als Rheinende wird Hoek van Holland unterhalb Rotterdams definiert. In den Jahrtausenden vor der Rheinkorrektion am Oberrhein, die den Lauf um 81 km verkürzte, und Begradigungen an anderen Rheinabschnitten herbeiführte, war der Gesamtstrom seit Ende der Kaltzeit rund 100 km länger, betrug also etwa 1330 km, variierte allerdings im Verlaufe seiner Geschichte infolge natürlicher Laufverlegungen.

Der Rhein ist derjenige europäische Fluss, der vom Hochgebirge bis zur Mündung ins Meer die wohl faszinierendsten Landschaften passiert oder geschaffen hat, die man in den europäischen Fluss-Systemen antreffen kann. Zu diesen Landschaftselementen gehören die alpinen Hochgebirgs- und ehemaligen Gletschertäler, der Durchbruch durch den größten alpinen Bergsturz (den Flimser Bergsturz am Vorderrhein, der sich etwa 7450 v.Chr. ereignet hat), die beiden ökologisch sehr unterschiedlichen Bodensee-Becken und der Rheinfall im Hochrhein. Ganz andere Eindrücke vermittelte zumindest früher der Oberrhein mit dem ehemals breit mäandrierenden und inselreichen Strom im oberen Teil und dem bogenreichen Verlauf im unteren Teil. Am Übergang vom Rheingau zum Mittelrheintal zog sich ehemals ein Quarzit-Querriff über den Fluss, das eine mit Schiffen kaum passierbare Stromschnelle darstellte und das die Wassermassen im Rheingau zurückstaute. Eine Zeichnung oder ein Gemälde jenes Riffs ist nicht bekannt, doch dürfte es so ähnlich ausgesehen und gewirkt haben, wie eines der von M. Merian im 17. Jahrhundert noch festgehaltenen Riffe im Hochrhein (vgl. Abb. 1). Der mit vielen Felsen und Untiefen versehene anschließende Mittelrhein durch das Rheinische Schiefergebirge verlangte von Schiffsführern hohes Können und bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts die Mitwirkung von Lotsen. Der Niederrhein unterhalb Bonns schließlich zieht in weit gezogenen Bögen in Richtung des heutigen Ästuardeltas, des gezeitengeprägten Mündungsbereichs von Rhein und Maas. Der sich in den Niederlanden mehrfach gabelnde und vernetzte Rheinstrom hat sich bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder verändert, indem Verbindungen zwischen Rhein, Maas und IJssel natürlicherweise oder künstlich vereinigt oder wieder getrennt wurden. Die Bezeichnungsweise der Mündungsarme des Rhein-Maas-Systems folgt einer eigenen Nomenklatur und umfasst die IJssel (deutsch: Geldersche Issel), Nederrjin, Lek und Waal, wobei die Waal seit etwa Ende Mittelalter der abflussmäßig bedeutendste Mündungsarm ist. Die Maas war über mehrere Jahrhunderte ein Nebenfluss der Waal, verlief dann selbständig, mündet jetzt aber wieder in den untersten Abschnitt des Rhein-Maas-Deltas; ihr Einzugsgebiet wird heute nicht mehr zum Rheinsystem gezählt.

Abb. 1
figure 1

Einer der Lauffen (= Stromschnelle, Katarakt) des Hochrheins im 17. Jh., Ausschnitt aus einem Stich von M. Merian (um 1650). Links u. hinten die Wutach bei Tiengen. Vorne die (heute meist nur als wellig fließender Flussbereich erkennbare) Stromschnelle mit künstlich erschaffener Bootsdurchfahrt. Ähnlich, aber mit etwa dreimal größerer Wassermasse, könnte damals das Querriff mit Schiffsdurchfahrt am „Binger Loch“ im Mittelrheintal ausgesehen haben. – Abbildung rechtefrei

Welche Bedeutung hat der Strom für die Anwohner, welche Empfindungen und Assoziationen weckt er bei ihnen? Überall ist er Bezugs- und Orientierungspunkt, nach dem sich Ortsanlagen, Straßenverläufe und Eisenbahnlinien, Brücken und Freizeitaktivitäten richten. Auch führen zahlreiche Personen- und Autofähren über den Fluss. Der Rhein ist über weite Strecken Grenzverlauf zwischen Staaten und Bundesländern. Manche Regionen kennen spezielle Geschichten oder Sagen über ihn. Die Fischerei ist zwar faktisch zum Erliegen gekommen, doch verschafft der Strom Einkommensmöglichkeiten über den Schiffs- und Freizeittourismus. Hochwässer haben allerdings immer wieder mal Schäden und Leid gebracht, hingegen die – heute nicht mehr auftretenden – Eisschollen und Eisdecken, von denen noch alte Gemälde zeugen, ehemals eine als Abwechslung empfundene Bereicherung im winterlichen Landschaftserlebnis.

Naturverbundene Menschen suchen ausgewiesene Schutzgebiete auf, die zwar erheblich anders aussehen als früher, aber weiterhin Artenschutzbiotope darstellen und zumindest andeutungsweise einen Eindruck vom früheren Erscheinungsbild und der biologischen Besiedlung geben können. Andere Regionen erinnern an die „Rheinromantik“ des 19. Jahrhunderts, an Weinkultur und „rheinische Fröhlichkeit“. Generell spiegeln der Rhein und seine Nebenflüsse ein buntes und vielfältiges Natur- und Kultur-Erbe wider.

Geplant worden ist diese facettenreiche und in den Regionen auch identitätsfördernde Gemütswirkung nie, sondern sie ist das mehr beiläufige Produkt der historischen und politischen, gesellschaftlichen und kulturellen sowie der wirtschaftlichen und wasserbaulichen Geschichte. Was der Rhein nur noch in Resten bieten kann, ist ein ursprünglicher Flusscharakter, denn er ist heute hydrologisch gebändigt, biologisch umgekrempelt und gesellschaftlich vermarktet. Über all dies macht sich der Alltagsbürger allerdings normalerweise kaum Gedanken.

2 Rhein-Entstehung und früheste Funde von Menschen und Artefakten ab 600.000 v.Chr.

Der heutige Rheinlauf kann gut 16 Mio. Jahre, ins Mittelmiozän, zurückverfolgt werden (Preusser 2008). Damals entsprang aus der Region der gerade entstandenen Kaiserstuhlvulkane im Oberrheingraben ein Flusssystem, das als Ur-Rhein und Vorläufer des heutigen Ober-, Mittel- und Niederrheins angesehen und definiert werden kann. Dieser damalige Fluss wandte sich beim heutigen Worms in Richtung Alzey und weiter nach Bingen, nutzte also auch das Bett, das den heutigen Unterlauf der Nahe darstellt. Ab dem heutigen Bingen durchfloss er das noch flache Rheinische Schiefergebirge in einem breiten und flachen Tal und vereinigte sich bei Koblenz mit dem noch älteren Flusssystem der Mosel. Bereits im Gebiet um Köln-Düsseldorf war nach rund 500 km die damalige Ur-Nordseeküste erreicht und der Fluss mündete ins Meer. In den Sumpfmooren der Region entstanden die rheinischen Braunkohlelager, die besonders im 20. und beginnenden 21. Jahrhundert stark abgebaut wurden und werden.

Die rechtsrheinischen Nebenflüsse Main und Neckar gehörten in ihrem Mittel- und Oberlauf noch lange dem Donausystem an. Der den Spessart und dessen Vorland entwässernde heutige Untermain dürfte vor gut 2 Mio. Jahren eine Verbindung zum Rheinsystem entwickelt haben; der Ober- und der Mittelmain aus der fränkischen Alb kamen durch rückwärtige Erosion vor vielleicht 1 Million Jahre als Wasserspender für das Rheinsystem hinzu. Ähnliches gilt für den Neckar, einen in seinem Oberlauf ehemaligen Donauzufluss, der vom nahe und tief gelegenen Oberrheingraben durch rückwärtige Erosion des heutigen unteren und mittleren Neckars „angezapft“ wurde. Die damalige Donau bezog allerdings den Großteil ihrer Wassermassen, wie schon zuvor, weiterhin aus dem Alpenbereich, wo die „Aare-Donau“ als größter Wasserlieferant diente. Irgendwann vor einer bis drei Millionen Jahren wandten sich jedoch die Wassermassen von Aare und heutigem Hochrhein in Richtung Oberrheingraben, womit die Verbindung zu dem in die Nordsee entwässernden Ur-Rhein etabliert war. Nur der Alpenrhein oberhalb des Bodensees fungierte noch als Zubringer zur Donau. Er wandte sich wohl erst vor 400.000 bis 500.000 Jahren dem Hochrhein zu. Alle diese Zeitangaben über Laufrichtungen und alte und neue Flussverbindungen sind als grob approximativ anzusehen, da sie sich nicht durch direkte Datierung einordnen lassen. Infolge der beiden Umleitungen, die die Aare und den Alpen- und Hochrhein in Richtung Oberrheinische Tiefebene lenkten, schwoll der Wasserabfluss des Oberrheins um wohl über 1000 m3/s an Wasser an und erreichte damit etwa seine heutige Abflussmenge.

Dies war auch die Zeit, ab der mit Sicherheit Menschen im Rhein-Einzugsgebiet lebten, die paläoanthropologisch als Homo heidelbergensis (Heidelbergmensch) bezeichnet werden. Der älteste Fund stammt vom Rand der Oberrheinischen Tiefebene zwischen Heidelberg und Sinsheim auf der Gemarkung der Gemeinde Mauer und besteht aus einem Unterkiefer, der auf ein Alter von rund 600.000 Jahre datiert worden ist. Damals herrschte eine länger andauernde und eher milde Eiszeitphase, der sogenannte Cromer-Komplex. Der nächstälteste Fund im Rheinsystem wurde bei Steinheim an der Murr gefunden, einem Neckar-Nebenfluss nördlich von Stuttgart. Er wird auf ein Alter von rund 250.000 Jahre geschätzt und stellt einen Übergang zu den Neandertalermenschen (Homo neanderthalensis) dar. Ähnlich alt ist der Präneandertaler-Fund von Reilingen zwischen Mannheim und Karlsruhe. Die Analysen von Neandertalerzähnen sprechen für eine überwiegend pflanzliche Ernährungsweise dieser damaligen Menschen, aber wohl ergänzt durch Großwildnahrung, worauf Artefakte wie Faustkeile und andernorts einige Speerfunde seit der Zeit des Heidelbergmenschen hinweisen. Faustkeile wurden auch am Hochrhein bei Pratteln (oberhalb Basels) gefunden und auf ein Alter von 200.000 bis 300.000 Jahre geschätzt.

Die Nutzung des auf die damaligen Menschen sicher mächtig und erhaben, vielleicht beseelt wirkenden Rheinstroms als Nahrungsquelle war wohl theoretisch möglich, aber spezifische Gerätschaften wie Harpunen und Einbäume sind archäologisch erst von Homo sapiens bekannt. Als Nahrungsquelle hatte er ziemlich sicher wenig bis keine Bedeutung. Gut denkbar ist allerdings, dass die damaligen Menschen am Rheinufer oder an ausgetrockneten Altarmen geeignete Geröllstücke sammelte, die dort in großer Vielfalt zu finden waren und Rohstoffe für unterschiedliche Steinwerkzeuge liefern konnten. Auch jagdbare Auentiere dürften sich in Rheinnähe aufgehalten haben.

3 Mensch und Rhein in der Würm-Kaltzeit (115.000 bis 10.000 v.Chr.)

Irgendwann in der letzten Kaltzeit, vor vielleicht 20.000 bis 70.000 Jahren und möglicherweise in einer Zwischen-Warmphase, wurde der oberste Teil der damaligen Donau, die „Feldberg-Donau“, durch Erosionsarbeit eines Rhein-Nebenflusses, die Wutach, zum Rheinsystem abgelenkt und steuert seitdem ihr Wasser bei Waldshut dem Hochrheinwasser bei. Der weiter stromaufwärts im Hochrhein in Richtung Schaffhausen gelegene Rheinfall ist eine noch jüngere Erscheinung und entstand gegen Ende der letzten Kaltzeit vor 14.000 bis 17.000 Jahren, nachdem der Rheinlauf beim Gletscherrückzug gleichsam sein altes Bett „verpasst“ hat. Für Wanderfische bildet der 23 m hohe Wasserfall seitdem eine Ausbreitungsgrenze. Lediglich von Aalen wird in regionalen Blättern zuweilen berichtet, dass sie in Ufernähe über Land den Rheinfall „umgehen“ können (Arnet 2016).

Im Unterlauf des Rheinstroms gab es zeitweise noch wesentlich größere Veränderungen: In allen größeren Kaltzeiten war der Niederrhein um bis 500 km länger, denn die Mündung des wasserreichen Stroms lag weit draußen im westlichen Ärmelkanal zwischen Cornwall und der Bretagne und rund 100 m tiefer als heute. Bis dorthin nahm er als Nebenflüsse auch Elbe, Weser, Themse, Maas, Schelde, Somme und sogar die Seine auf. Dieser große Paläo-Rheinstrom existierte das letzte Mal vor etwa 12.000 bis 18.000 Jahren und wurde ab dann infolge des Meeresspiegelanstiegs wieder kürzer. Über die damaligen Rheinsiedler wissen wir gar nichts, denn ihre damaligen Wohnplätze und Sammel- oder Jagdreviere liegen heute bis rund 100 m unter dem Meeresspiegel. Das heutige Mündungsgebiet des Rheins (bzw. des Rhein-Maas-Systems) dürfte sich vor ca. 6000 Jahren, am Ende des sogenannten Atlantikums, etabliert haben, als der zuvor noch einmal rascher ansteigende Meeresspiegel in eine endgültig langsamere Anstiegsphase überging.

Die Deutsche Bucht war nach der Kaltzeit noch für einige Jahrtausende über weite Strecken trocken, wurde mittlerweile von Elbe und Weser durchflossen und wurden nun von den ihrer Jagd nachgehenden modernen Menschen (Homo sapiens) durchstreift. Denn schon ab etwa 40.000 vor heute sind die Populationsgrößen der Neandertaler-Variante des Menschen (Homo neanderthalensis) wohl stark zurückgegangen, wenn nicht schon verschwunden. Die Bevölkerung der alsbald alleinigen (aber partiell auch durch Einkreuzung von Neandertaler-Genen entstandene) Art Homo sapiens, in der europäischen Variante als „Cro Magnon – Mensch“ bezeichnet, besiedelte zunehmend das eisfreie Europa.

Europa zeichnete sich vor 40.000 Jahren durch eine noch reichhaltige Großtierwelt aus, wie z. B. Ausgrabungen im Rheinland aus dem damals relativ milden Zwischenstadium der Würm- oder Weichsel-Kaltzeit (sogenanntes MIS 3) aufdeckten: Dort wurden zwischen Mönchengladbach und Aachen Knochen von Wollhaarmammut, Wildpferden, Wildrindern (Wisent oder Auerochse), Riesenhirsch, Höhlenlöwe und Höhlenhyäne gefunden (Matzerath et al. 2012). Die Funde kennzeichnen eine kühl-gemäßigte Waldumgebung.

Die Menschen der jüngeren europäischen Altsteinzeit, d. h. der Periode von ca. 40.000 bis ca. 9500 v.Chr., erlebten auch die letzten großen Vulkanausbrüche im Bereich der Vulkaneifel und damit der Mittelrheinregion: Vor etwa 12.900 Jahren führten die Ausbrüche des Laacher-See-Vulkans zu einer Barriere im Rheintal, als Vulkanasche und Bims auf der Höhe von Koblenz und Brohl den Abfluss blockierten und vorübergehend den Rheinwasserspiegel bis 18 m hoch ansteigen ließen. Das Resultat war ein zeitweise fjordähnlicher Stausee weit flussaufwärts bis etwa zum Binger Riff (Park und Schmincke 2009).

Ab dieser jüngeren Altsteinzeit findet man zunehmend mehr menschliche Artefakte, die Werkzeuge, Waffen oder Kunstgegenstände darstellten. Manche Rohmaterialien oder Fertigprodukte müssen viele hundert Kilometer transportiert worden sein, was etwa aus marinen Schneckenschalen hervorgeht, die nun mitten auf dem Kontinent zu finden waren. Da es noch keine Tragetiere gab, musste alles zu Fuß transportiert werden, wenngleich auch Transporte über Wasserwege grundsätzlich möglich gewesen sind. Allerdings datieren die archäologisch ältesten Einbaumfunde von vor rund 8000 v.Chr. (vermutete Bootkonstruktion von Pesse in den Niederlanden, leicht spätere Funde auch in Nigeria, China, an der Ostsee usw.), somit erst aus der späteren Mittelsteinzeit (Mesolithikum, in Europa um 9500 bis 4500/5500 v.Chr., je nach Region). Überlegungen zur weltweiten Besiedlungsgeschichte, darunter der Besiedlung Australiens vor 60.000 Jahren, führen allerdings häufig zur Vermutung, dass Boote oder Flöße zumindest in manchen Regionen schon früher bekannt gewesen sein müssen.

In den zwischen den Kaltzeiten liegenden Warmzeiten wanderten üblicherweise wärmeliebende Säugetiere zurück nach Mitteleuropa, darunter auch Waldelefanten sowie entlang der Stromgebiete Flusspferde und Wasserbüffel. Die letzte Warmzeit, in der dies aber für die Tiere gemäß Fossilfunden tatsächlich im großen Maßstab noch der Fall war, war die Eem-Warmzeit vor 126.000 bis 115.000 Jahren, als lediglich Neandertalermenschen in Europa lebten. Aus der jetzigen Warmzeit, die um ungefähr 10.000 v.Chr. begann, finden sich keine Fossilien von Elefanten, Büffeln oder Flusspferden, was mit einiger Wahrscheinlichkeit auf den bereits starken Jagddruck in den süd- und südosteuropäischen Herkunftsgebieten der sich dort mittlerweile stark ausgebreiteten Cro Magnon-Menschen zurückzuführen ist. Die Heidelberg- und Neandertaler-Menschen der vorangegangenen Warmzeiten hatten einen geringeren Jagddruck und eine generell mäßigere Einflussnahme auf die Umwelt ausgeübt. In den französisch-spanischen Höhlenmalereien, die um 40.000 bis 13.000 Jahren entstanden sind, wurden noch etliche Großtiere abgebildet, die teilweise schon bald (Riesenhirsch), teilweise erst in späterer Zeit (Wildpferd, Auerochse) in Europa ausgestorben sind.

4 Vom Mesolithikum bis zur Eisenzeit (9500 bis 1. Jahrtausend v.Chr.)

Die Siedlungsstrukturen änderten sich während der Mittelsteinzeit (Mesolithikum, ab etwa 9500 v.Chr.) und wiesen auf teilweise längerfristige Nutzungen hin und nicht nur temporäre Behausungen permanent nomadisierender Populationen. Parallel änderten sich auch Jagd- und Sammelmethoden. Die in der beginnenden Warmzeit noch verbliebenen Jagdtiere umfassten vor allem Hirsch- und Rinderartige sowie Wildschweine, welche eine immer noch reichliche Fleischversorgung ermöglicht haben dürften, wobei andererseits Rentiere, Saigas und Wildpferde in Mitteleuropa seltener geworden sind. Aber lokal werden ab jetzt auch Einbäume und Paddel bekannt, ebenso Fischernetze aus Weidenbast sowie Netzschwimmer und Angelhaken. Offensichtlich wurden nun auch Sammeltiere, wie Muscheln, und Kleintiere, wie Vögel oder Kleinsäuger, vermehrt als Nahrung verwendet. Die Jagdwaffen wurden weiterentwickelt und angepasst, worauf Feuerstein-Projektile und vereinzelt Dolche – Messer mit beidseitiger Schneide und einem Schaft aus Bast – hinweisen. Vermutlich wurde die Haselnuss als Nahrungsmittel intensiv genutzt und möglicherweise aktiv verbreitet. Ansteigende Bevölkerungsgrößen machte eine solche Verbreiterung der Ressourcenbasis wohl notwendig.

Ab etwa 5800 v.Chr. wanderten neue Menschengruppen nach Mitteleuropa und in die Rheingegend ein, die grundsätzlich neuartige Lebensformen und Fertigkeiten mitbrachten: domestizierte Tiere und Pflanzen, geschliffene Steingeräte und eine reichhaltige Keramik sowie eine generationenlange Sesshaftigkeit. Verzierungsmuster ihrer Keramikgeräte weisen diese Menschen der sogenannten (Linear-)Bandkeramischen Kultur zu, die früher nicht mit bestimmten Populationen in Zusammenhang gebracht werden konnte. „Gewandert“ und nach Mitteleuropa emigriert sind dabei, genetisch nachweisbar, nicht nur die neuen Kenntnisse, Pflanzensamen und Vieh, sondern reale menschliche Bevölkerungsgruppen, die die bisherigen Kulturträger der Region allmählich ersetzten (Hofmanová et al. 2016). Dies musste nicht notwendigerweise auf physischem Druck oder gar Gewalt beruht haben, sondern kann die Folge höherer Reproduktionsraten dank verbesserter Ernährung und damit gleichsam einer demographischen Verdrängung mit zumindest partiellem genetischem und kulturellem Austausch gewesen sein. Vermutlich werden aber auch bisherige Kulturträger ihre Lebensweise den neuen Erkenntnissen gegenüber angepasst haben.

Die Zuzügler kamen vielleicht teilweise aus der ägäisch-pontischen Region, wo sie durch den damals letztmaligen relativ starken Meeresspiegelanstieg im 6. Jahrtausend v.Chr. vertrieben worden sein mögen. Sie siedelten in Mitteleuropa in Regionen fruchtbarer, oft lössreicher Böden. Die von ihnen errichteten Siedlungen dürften oft nicht mehr als 100 Personen beherbergt haben und waren wohl für eine Nutzungsdauer von 1–2 Generationen (40–60 Jahre) konzipiert. Auf rechtsrheinischem Gebiet bzw. dem Einzugsgebiet der entsprechenden Nebenflüsse datiert man älteste Funde auf 5500 bis 5800 v.Chr. Die vielleicht älteste linksrheinische Siedlung wurde in Form eines Bauernhauses bei Düren (zwischen Köln und Aachen) ausgegraben und auf ca. 5200 v.Chr. datiert. Sie zeigt, dass der Rhein keine grundsätzliche Ausbreitungsgrenze darstellte, vielleicht aber doch auch etwas verzögernd auf die Ausbreitung wirkte. Künftige Funde könnten diese Interpretation aber auch modifizieren.

Nahrung aus Gewässern spielte im Rheineinzugsgebiet weiterhin eine untergeordnete Rolle. Dies war in der von Friesland bis Polen verbreiteten Trichterbecherkultur, die auch für eindrücklichen Megalithgräber steht und von 4200 bis 2800 v.Chr. dauerte, wohl anders: Dort sind Aufsammlungen von Mollusken sowie Fischerei und die Jagd auf Robben und Wale nachgewiesen. Diese Kultur reichte aber nicht bis ans Rheinsystem.

Im Zeitraum von ungefähr 3500 bis 1000 v.Chr., somit von der Jungsteinzeit bis in die Bronzezeit, sind an den ehemals am Ende der Kaltzeit entstandenen Seen des Rheineinzugsgebietes Pfahlbau-Siedlungen errichtet worden, teilweise im feucht-sumpfigen Uferbereich, teilweise im ufernahen Litoral der Gewässer selber. Aufgrund der natürlichen Wasserstandsschwankungen dieser Alpenrandseen ist im Allgemeinen schwer zu sagen, ob am Ort der Siedlung wirklich permanent Wasser war und wie tief es war, denn praktisch stets variierten die Wasserstände zwischen Nass- oder Schneeschmelzperioden und Trockenzeiten einerseits und aber als Folge der mitteleuropäischen Niederschlagsverteilung auch regelmäßig zwischen Sommer und Winter. Beim Bodensee-Obersee und Bodensee-Untersee, den beiden einzigen permanenten Seen, durch die der Rhein seit Ende der Kaltzeit fließt, ist dies heute noch eindrücklich erkennbar und macht oft um 1,5 m aus, in besonderen Jahren auch deutlich mehr. Die Bedeutung dieser wassernahen oder im Wasser errichteten Siedlungen mag im Schutz gegen Hochwasser, Raubtiere, Vorratsschädlinge oder feindliche Menschengruppen gelegen haben. Trotz direkter Gewässernähe entstammte die tägliche Nahrung allerdings primär der Landwirtschaft, wie Befunde aus dem Bodenseegebiet lehren: In den aufgefundenen Töpfen fanden sich Reste von Getreidebrei, Erbsen, Bohnen und Linsen, Schlafmohn und Lein, daneben Beeren, Äpfel und Haselnüsse. Milchprodukte, Vogeleier, Wild und auch Fleisch von domestizierten Tieren gab es hingegen wohl seltener, ebenso Fische (Pfahlbaumuseum Unteruhldingen/Bodensee 2020). Aber natürlich besaßen die Bewohner dieser Siedlungen bereits Boote in Form von Einbäumen (Schöbel 2009).

Aus inneralpinen Regionen kennt man Funde mit Jagdausrüstungen. Ein solcher ist der berühmte Fund des „Ötzi“ aus der Zeit um 3200 v.Chr. in den Ostalpen, aber auch Funde aus dem Rhein-Einzugsgebiet bereichern unsere Kenntnisse: In den Berner Alpen fand man Ausrüstungsgegenstände sowie Pfeile und Bögen, die auf 2600 bis 2900 v.Chr. datiert werden (Junkmanns et al. 2015). Solche Funde geben auch Hinweise auf mögliche alte Wanderrouten im Quellgebiet der Ströme, die jeweils ins Nachbar-Einzugsgebiet führen konnten.

Für die Versorgung mit Rohstoffen, Schmuck und Fellen könnten mittlerweile doch Gewässerwege, zumindest entlang großer Niederungsflüsse, eine gewachsene Rolle gespielt haben. Auf einen funktionierenden Fernhandel weisen aus dem Mittelmeer stammende Stachelaustern (Spondylus-Muscheln) und ihre Perlen hin, die zwar sogar schon zuvor gehandelt wurden, deren Schalen jetzt aber in den kontinentalen Bandkeramikkulturen auch zu Armringen, Gürtelschnallen und Anhängern verarbeitet wurden. Wie der Transport und Handel technisch und logistisch ablief, ist unklar. Scheibenräder waren vereinzelt bereits ab rund 3000 v.Chr. bekannt, haben aber vielleicht eher dem Nahtransport gedient. Und ob es den expliziten „Berufsstand“ des reisenden Händlers schon gab, ist unbekannt.

Ab etwa 2800 v.Chr. folgte eine weitere Einwanderungswelle von nunmehr indogermanisch sprechenden Menschen aus südrussischen Steppengebieten (Haak und Lazaridis 2015). Auf sie geht die Dominanz der indogermanischen Sprachen in Europa zurück, die die alteuropäischen Sprachen im Rheingebiet allmählich verdrängten. Die nördliche Einwanderungsgruppe der Indogermanen steht für die schnurkeramische Kulturstufe und repräsentiert offenbar die Vorstufen der slawischen, baltischen und germanischen Sprach- und Kulturgemeinschaften, wobei nur die letzteren das Rheinsystem erreichten, das damit etwa die westliche Grenze der „Schnurkeramiker“ darstellte. Wirtschaftlich war die Kultur auf Landwirtschaft sowie Rind, Schaf, Ziege und Schwein für Fleisch und Milchprodukte ausgerichtet; ein nennenswerter Konsum von Fischen oder anderen Gewässerorganismen ist nicht erkennbar.

Zugtiere (Ochsen, Pferde) und Wagen mit Speichenrädern sowie zunehmender Bootstransport dürften ab dem 2. Jahrtausend v.Chr. einen intensivierten Fernhandel mit Salz, Rohmaterialien oder auch fertigen Gerätschaften aus Kupfer, Bronze oder Eisen ermöglicht haben. Hierbei musste auch das Wegenetz wagengerecht ausgebaut werden, was möglicherweise erst unter den Kelten im 1. Jahrtausend v.Chr. wirksam geschah. Die Nahrungsgrundlage mitteleuropäischer Keltenstämme basierte primär auf agrarisch gewonnenen Pflanzenprodukten sowie Nutztieren, wie man aus dem Inhalt von Abfallgruben schließen kann. Wildtiere spielten ebenso wie aquatische Nahrung weiterhin eine geringe Rolle. Bei den germanischen Stämmen war dies wohl ähnlich. Von den Kelten sind verschiedene Wagen- und Bootstypen bekannt geworden, darunter Flachboote, wie sie um die Zeitenwende dann auch von den in der Region siedelnden Römern dem Prinzip nach übernommen wurden. Sie erleichterten den römischen Besatzern Kolonisierung und militärische Präsenz über die Nebenflüsse als Waren- und Truppentransportwege.

Keltische Stammesverbände am Rhein zur Zeit der römischen Landnahme waren unter anderem die Helvetier im heutigen schweizerischen Mittelland, die Rauriker am südlichen Oberrhein, die Treverer im heutigen Rheinland-Pfalz von Rheinhessen bis Koblenz. Zu den Treverer-Funden gehören Wagengräber schon aus der Zeit um 600 v.Chr. sowie Kultstätten. Etruskische Schnabelkannen und Weingefäße aus dem Rhonetal zeugen von einem ausgeprägten Fernhandel über Wasserscheiden hinweg.

Der Name für den Rhein geht in der Form Rênos möglicherweise ebenfalls auf die Kelten zurück, vielleicht abgeleitet aus einem indogermanischen Wort für „rinnen“ im Sinne von „fließen“ und verwandt mit dem griechischen ῥέω (rheo, fließen). In seinem Quellgebiet in Graubünden ist das Wort Rhein (bzw. rätoromanisch Rein) jeweils nur Bestandteil des Gesamtnamens verschiedener Quellflüsse (Vorderrhein, Medelser Rhein, usw.).

Personifiziert wurde der Rhein als (männlicher) Flussgott betrachtet und von den Römern Rhenus genannt (angelehnt an die griechische Schreibweise mit Rh), teilweise sogar als Rhenus pater („Vater Rhein“) bezeichnet. Er gehört zu den wenigen großen Flüssen Deutschlands und Frankreichs, die grammatikalisch männlichen Geschlechts sind. Denn die meisten Flüsse und auch fast alle größeren Zuflüsse zum Rhein sind, bis auf Neckar und Main, weiblich. Dem Fluss bzw. Flussgott wurden in der Kelten- bis Germanenzeit verschiedene Riten entgegengebracht, darunter Opfergaben oder auch, wie von antiken Autoren berichtet, das rituelle Eintauchen neugeborener Kinder ins Rheinwasser.

5 Von der Römer- bis zur napoleonischen Zeit

Schon in der Frühzeit der römischen Präsenz am Rhein am Ende des 1. Jahrhunderts v.Chr. entstanden vermutlich Kanalbauten, die den Niederrhein über den damaligen Lacus Flevus, den damaligen Vorgängersee des heutigen Ijsselmeeres, mit dem Nordsee-Wattenmeer verbinden halfen. Welche Teile allerdings mit dem von antiken Schriftstellern genannten Drususkanal (benannt nach Nero Claudius Drusus, 38–9 v.Chr.), gemeint sind, ist unklar. Eindeutiger können wir römische Brücken, Häfen und Hafenstädte identifizieren. Die Römer haben aber auch Flussschiffe selber für die Gewässer des Rheinsystems optimiert und vielleicht auch bereits eine gewisse Verbesserung für Schiffspassagen beim Binger Riff geschaffen – sprengen konnten sie allerdings noch nicht, nur abschlagen. Auf jeden Fall dienten der Rhein und seine Seitenflüsse trotz gut ausgebautem Straßennetz als wichtige Transportrouten speziell für den Schwerverkehr, so für Steinblöcke oder auch Fässer und Gefäße.

An Großtieren gab es im Gebiet des Oberrheins damals wohl noch Elche; hierauf weisen Elchgeweihe, die man in Mainz gefunden hat. Welchen Anteil der Flussfischfang aus dem Rhein für den wöchentlichen Speisezettel hatte, ist schwer zu erfassen, jedenfalls hatte er wohl nicht die durchaus erhebliche Bedeutung, die er später in Mittelalter und früher Neuzeit für die örtliche Bevölkerung haben sollte.

Erst rund 1000 Jahre später begannen die Menschen, die hydromechanische Energie fließender Gewässer sowie deren Fischreichtum intensiver zu nutzen. An Nebenflüssen entstanden Wassermühlen, Kanal- und auch Flussquerbauten. Die Nutzung der Wasserkraft erleichterte die Mechanisierung in der Verarbeitung von Nahrungsmitteln (speziell Getreide) und Materialien. Die Fischerei erlaubte eine zumindest saisonal – nämlich zu den Fischwanderzeiten – üppige Versorgung der Bevölkerung mit frischen Flussfischen. Diese machen nun oft einen wesentlichen Anteil der Nahrung aus und wurden auf dem oft zentralen Fischmarkt der Städte angeboten. Dass sich Dienstpersonal früher aber über zu viel Lachs in Mahlzeiten beschwert haben soll, wie häufig kolportiert wird, wird mittlerweile als ein in ganz Deutschland und für verschiedene Flüsse erzählte ironische Glosse interpretiert (Wolteer 2007).

Die Intensivfischerei belastete aber im Laufe der Zeit auch die Größe der Wanderfischzüge. In Vogelschaugrafiken, wie sie ab dem 16. Jahrhundert aufkamen, erkennt man die sich quer durch Flussläufe ziehenden Netze, beispielsweise vom linken zum rechten Ufer über den Main am oberen Ende der Stadt Frankfurt. Sie ließen lediglich Öffnungen für Boote und die Flößerei. Aus der zeitlichen Entwicklung von Anlandungen, Preisstrukturen und Steuern ist abgeschätzt worden, dass die Populationsstärken der Wanderfische schon früh unter Druck gerieten und abnahmen (Lenders et al. 2016). Der Niedergang der Wanderfischschwärme war somit wohl ein Langzeit-Prozess und entwickelte sich nicht erst in der Neuzeit als Folge plötzlicher Übernutzung oder Gewässerverschmutzung; die letztere beschleunigte und finalisierte lediglich das Verschwinden mancher Arten.

Infolge von Bevölkerungszunahmen und vermehrtem Bauholzbedarf kam es schon seit dem Hochmittelalter in vielen Wäldern zum Kahlschlag und zu Ferntransporten von Holz aus entlegeneren Regionen, insbesondere aus Mittelgebirgen. In deren Hängen begann man Abflussrinnen zu bauen, durch welche mittels ausgelösten Wasserschwalls aus ebenfalls neu ausgehobenen Floß- oder Schwellteichen oberhalb der Rinnen Baumstämme talwärts in ein größeres Fließgewässer flottiert werden konnten. Dort wurden daraus – sofern die Gewässer breit genug waren – Flöße gebaut. Floßteile konnten auch miteinander verbunden werden, sodass das Gesamtfloß, einem Eisenbahnzug ähnlich, den Windungen der Bäche und Flüsse folgen konnte.

Speziell auf der rechten Rheinseite gegenüber Mainz wurden ab dem 17. Jahrhundert kleinere Flöße zu großen, ab Koblenz zum Teil zu sehr großen Flößen, den Holländerflößen, zusammengebaut. Sie wurden so genannt, weil ihre Fahrt häufig über die Waal nach Dordrecht in Südholland führte. Diese Floßzüge benötigten zur Steuerung bis über 500 Mann, die nachts, nachdem jeweils ein Verankerungsplatz angesteuert war, in Holzhütten auf der Floßmitte schliefen. Die Holländerflöße konnten bis 300 m Länge und 60 m Breite messen und einen Tiefgang bis 2 m aufweisen. Die verwendeten Baumstämme mussten aus Konstruktionsgründen normiert sein und maßen vielfach 23 m. Nach dem Bau von Schiffsbrücken in Koblenz und Köln im 19. Jahrhundert musste die Floßgröße allerdings redimensioniert werden; die letzten Flöße flottierten in den 1960er Jahren den Rhein hinunter.

Floß-Havarien waren infolge der schwerfälligen Manöverierbarkeit nicht selten und ein großes Hindernis stellte auch lange Zeit das Binger Riff dar. Eine entscheidende Sprengung hat dort Ende des 17. Jahrhunderts ein Frankfurter Holzhändler veranlasst und dadurch für die Schifffahrt ein „Loch“, das ab dann so genannte „Binger Loch“, geschaffen (Stumme 2016). Später folgten weitere Sprengungen und Erweiterungen mit auch bis in die Gegend von Mainz reichenden Folgen für das Erscheinungsbild der Rheinlandschaft im Rheingau.

6 Die großen Veränderungen und Gewässerbelastungen nach 1800

Mehrere technische Großeingriffe in das Rheinsystem erfolgten nach 1800, darunter die Bingerloch-Erweiterungen für die bereits um 1830 am Rhein einsetzende Dampfschifffahrt. Später erfolgten großräumige Umgestaltungen und Umlenkungen der dortigen Fahrrinnen, wobei schließlich infolge des freien Wasserabflusses das bereits kurz erwähnte Rheingau-Landschaftsbild erheblich verändert wurde: Infolge der rund zwei Meter starken Rheinspiegelabsenkung und der stärkeren Strömung vereinigten sich die bisherigen rund 30 Kleininseln zu wenigen großen, andere verlandeten oder wurden abgetragen. Die ehemals am Wasser erbauten Burgen von Eltville und Rüdesheim scheinen ins Landinnere verlegt und überall sank der Grundwasserspiegel.

Aber auch anderswo am Rhein und in seinen Nebenflüssen wurden die Flussbetten jetzt zwischen feste Uferböschungen eingefasst. Vom Oberrhein bis zum Niederrhein wurden im Laufe der Zeit zahlreiche längsverlaufende Leitwerke und quer zur Fließrichtung angeordnete Buhnen zwecks Erleichterung des Schiffsverkehrs errichtet. An manchen Stellen entstanden Winter- und Schutzhäfen sowie dem Umschlag dienende Großhafenanlagen.

Die größte ökologische Veränderung begann 1817 durch die Oberrhein-Begradigung. Damals wurde der bis zwei Kilometer breite Flachlandfluss mit seinen zahlreichen Kiesinseln im südlichen Teil und mit seinem imposanten kurvigen Verlauf im nördlichen Teil im Verlaufe weniger Jahrzehnte in ein einheitlich ausschauendes 200 bis 250 m breites und verkürztes Bett gezwängt (vgl. Abb. 2b im Vergleich mit 2a). Hierdurch sollten neue Agrarflächen und Ansiedlungen ermöglicht sowie Hochwässer durch raschen Abfluss vermindert werden. Die Maßnahme führte aber zu einer in diesem Ausmaß nicht erwarteten Tiefenerosion von bis rund 10 m infolge des verkürzten und schneller fließenden Wasserlaufs. Damit verbunden kam es auch zu einer Grundwasserabsenkung, welche Randgewässer und Feuchtgebiete austrocknen ließ. Die am Rhein in den vorangegangenen Jahrhunderten noch heimischen Biber, Fischotter und Sumpfschildkröten, die allerdings schon zuvor äußerst selten geworden waren, fanden ab jetzt definitiv keinen natürlichen Lebensraum mehr. Auch für die Landwirtschaft war der Grundwasserstand nunmehr zu tief und Hochwasserkalamitäten verlagerten sich von jetzt an schlicht rheinabwärts. Viele bisherige Auengebiete wurden gemäß einem schon im 18. Jahrhundert begründeten Konzept der nachhaltigen Holzbewirtschaftung mit – allerdings nun anderen – Baumarten großflächig aufgeforstet.

Abb. 2a und 2b
figure 2

Links der mäandrierende und bis ca. 2 km breite Hochrhein (aus Holdenecker 1836), rechts das kanalisierte Rheinbett (Karte des Deutschen Reiches 1889) mit Einzeichnung der neuen Wirtschaftsforste im früheren Auengebiet. Im 20. Jahrhundert wurde ein zusätzlicher, der Stromerzeugung und Schifffahrt dienender Seitenkanal erbaut, der auch dem neuen Rheinbett nur noch wenig Wasser belässt. – Abbildungen rechtefrei

Auch am Alpenrhein zwischen etwa Chur und dem Bodensee-Obersee wurden ab den 1860er Jahren Binnenkanäle und Begradigungen sowie eine völlig neue und schnurgerade See-Einmündung erbaut. Der weitgehende Umbau des gesamten Rheinbetts vom Oberlauf bis zur Mündung in die Nordsee – unter Einschluss auch praktisch aller Nebenflüsse – führte dazu, dass Fischarten, die Flachufer benötigen, kaum noch Lebensräume fanden. Krautlaichende Arten, wie Hecht, Karpfen, Schleie und Rotfeder wurden deutlich seltener. Die klassischen mitteleuropäischen Fischregionen, die sich aus der Forellen-, Äschen-, Barben- und Brachsen-Region zusammensetzen, sind im Rhein kaum noch erkennbar; die verbliebenen Fischarten haben sich neu sortiert, insbesondere nach den ab 1898 im Hochrhein und später auch im Oberrhein errichteten Flusskraftwerken.

Zu einem optischen, geruchlichen und gesundheitlichen Problem führten die Einleitungen zunehmend größerer Mengen an ungeklärten Abwässern als Folge der im 19. und 20. Jahrhundert stark ansteigenden Bevölkerungen und Industrieanlagen bei noch weitgehend fehlenden Kläranlagen. Dabei wurde der im Rheinwasser gelöste Sauerstoff stark aufgezehrt, was an heißen Sommertagen das Überleben vieler Insektenlarven verunmöglichte und auch zu Fischsterben führen konnte. Die Schwermetall- und Salz-Frachten waren im 20. Jahrhundert lange Zeit hoch und führten zusammen mit den erniedrigten Sauerstoffkonzentrationen zu weiteren Krankheits- und Todesursachen für die Flussbesiedler. Häusliche und industrielle Abwässer wurden erst ab dem dritten Viertel des 20. Jahrhunderts nennenswert Klärprozessen zugeführt. Im Niederrhein verminderte sich die Zahl größerer Wirbelloser, die als Stoffzersetzer und als Fischnährtiere fungieren, von über 100 Arten im Jahre 1900 auf rund 25 Arten gegen Mitte des 20. Jahrhunderts. Um 2000 zählte man dank verbesserter Wasserqualität wieder 70 bis 80 Arten (nach Uehlinger et al. 2009). Allerdings trugen nun primär die massiv auftretenden „Neubürger“ zum numerisch besseren Gesamtergebnis bei. Denn die Biozönose hatte sich mittlerweile grundlegend gewandelt.

7 Der Rhein als biologisches Exotarium

Ab dem 16. Jahrhundert entstand ein Binnenkanalsystem, das europaweit getrennte Fluss-Systeme und auch Meeresteile miteinander verband und neue direkte Schiffsverbindungen ermöglichte. Als eine ökologische Frühfolge dieser Kanalverbindungen gilt heute die Einschleppung der Wandermuschel (auch Dreikant- oder Zebramuschel genannt), die aus dem Schwarzmeergebiet nach Mitteleuropa und 1826 in den Rhein eingeschleppt wurde. In den 1960er bis 1980er Jahren wurde sie gar zu einer bedrohlichen Massenplage in Seen und Flüssen und verstopfte Wasserrechen und Entnahmerohre. Lange Zeit wurde aber den Einschleppungen, Einwanderungen und Aussetzungen gebietsfremder Arten öffentlich und wissenschaftlich kaum Beachtung geschenkt. Um 1900 waren im Rhein aber immerhin schon 12 gebietsfremde Arten, 1950 bereits 37 Arten zu verzeichnen. Zu einem medialen Thema wurde der biologische Wandel im Rhein, mittlerweile auch im Hochrhein und Bodensee einsetzend, ab Beginn der 1990er Jahre (Streit 1992), als insgesamt schon 63 gebietsfremde Arten im Rhein gezählt wurden (Kinzelbach 1995). Dem Laien und Spaziergänger fielen jetzt auch die Millionen leeren Schalen der knapp 2 cm großen Asiatischen Körbchenmuschel auf, die vom Ober- bis Niederrhein am Ufer angespült lagen. Ab der Jahrtausendwende wurde die Exotenplage auch auf und über dem Wasser evident, als sich die durchsetzungsstarken Nilgänse ausbreiteten. Diese werden inzwischen teilweise bejagt; gegen die exotischen Kleinorganismen, die die einheimischen im Gewässer weitgehend verdrängt haben, lässt sich aber faktisch nichts unternehmen.

Etliche der Zuzügler im Rhein sind nach einiger Zeit selber wieder durch andere invasive Arten verdrängt worden, bislang nie allerdings durch Wiederausbreitung einheimischer Arten. So wurden die Dreikantmuscheln nach den 1980er Jahren durch Millionen kleiner Röhrenkrebschen (Chelicorophium) an der Anheftung der Larven auf den Stein- und Felsoberflächen gehindert, worauf die Muscheldichte wieder deutlich zurück (und die der Krebschen hoch) ging. Fast lehrbuchartig deutlich waren solche Verdrängungabfolgen bei Flohkrebs-Arten, wo einheimische Arten zunächst von einer nordamerikanischen Art (Gammarus tigrinus) abgelöst wurden, die aber selber nach Eröffnung des Main-Donau-Kanals (1992) durch größere Arten, darunter den Großen Höckerflohkrebs (Dikerogammarus villosus), verdrängt wurde (Haas et al. 2002). Ein derartiges sich manchmal mehrfach wiederholendes Phänomen der Massenwechsel ist in Anlehnung an Fluktuationen in der Finanzwelt als Boom and Bust Cycle (Auf- und Abschwung-Zyklus) bezeichnet worden. In die Rhein-Nebenflüsse dringen exotische Flohkrebse im Übrigen ungefähr so weit ein, wie der Schiffs- und Bootsverkehr reicht; erst weiter flussaufwärts finden sich noch die angestammten heimischen Arten (Chen et al. 2012). Selbst im Bodensee tritt der Große Höckerflohkrebs seit etwa 2013 im Uferbereich massenhaft auf (ANEBO 2020).

Unter den Rheinfischen sind aus dem Donaugebiet eingeschleppte und in Bodennähe lebende kleine Grundeln (Gobiidae) auffällig und dominant geworden: Die Flussgrundel und die Kessler-Grundel sind wohl direkt über den Main-Donau-Kanal in den Rhein gelangt, die Schwarzmundgrundel wahrscheinlich zunächst über die Ostsee. Die Verschleppungen basierten wohl meist auf der auch im Binnenschiffsverkehr zuweilen durchgeführten Aufnahme von Ballastwasser direkt aus dem Fahrwasser. Diese Art der schiffsunterstützten Ausbreitung wurde hier wohl durch das spezielle Verhalten der Grundel-Jungfische begünstigt: Sie kommen nachts an die Wasseroberfläche, um Zooplankton zu fressen und bei diesem Vorgang sind wohl verschiedentlich Exemplare unbeabsichtigt aufgenommen und wo anders wieder ausgesetzt worden.

Allerdings verschiebt sich die Artenzusammensetzung der Rheinfische regional auch infolge wirtschaftlicher und betrieblicher Veränderungen: Die Bodensee-Aale, die bislang dank künstlichem Besatz im See lebten, werden möglicherweise bald verschwunden sein, weil der natürliche Aal-Nachzug über den Rheinfall zu gering ist und der künstliche Besatz aus wirtschaftlichen Gründen schon Anfang des 21. Jahrhunderts aufgegeben worden ist.

Die aus Natur- und Artenschutzüberlegungen initiierten Wiedereinbürgerungen von Wanderfischarten, wie Lachs, Maifisch, Stör und Nordseeschnäpel, wurden zwar medienwirksam inszeniert und brachten Exemplare dieser Arten wieder in die Zuflüsse zurück, doch bleiben sie bezüglich Individuenzahl und ökologischer Relevanz für das Rheinsystem von randständiger Bedeutung. Ihr Vorkommen beschränkt sich auch primär auf Regionen des Niederrheins. Die zahlreichen Kraftwerke, die von Iffizheim am Oberrhein an aufwärts installiert sind, erlauben zwar über die Fischtreppen Flussaufwanderungen, sind aber bei der Abwärtswanderung durch den Turbinensog oft tödliche Hindernisse für die Fische.

Der anthropogene Klimawandel beeinflusst die Lebensgemeinschaft des Rheins ebenfalls, ist aber vermutlich nicht von dominanter Bedeutung, zumal die kühl adaptierten und zugleich sauerstoffbedürften Arten, darunter viele Insektenlarven, ohnehin schon früher im Rhein selber ausgestorben sind (Streit 2016). Die heutzutage um oft über 2°C gegenüber früher erhöhten Wassertemperaturen sind außer auf die Erwärmung des Regionalklimas zu einem guten Teil auf die Einleitungen von Klärwerken und Kühlwässern zurückzuführen, die meist wärmer in den Rhein gelangen, als dessen eigene Wassertemperatur ist. Als Hauptursachen für den Faunenwandel der letzten 40 Jahre gelten daher der globalisierte Frachtverkehr, der Durchstich des Main-Donau-Kanals, die bewusste oder unbewusste Freisetzung von Arten aus privater und kommerzieller Haltung, die Uniformität des Flussbetts, das siedlungsfeindliche, stark hydraulische Regime und eben auch die erhöhte Wassertemperatur.

8 Zeitbezogene Nachhaltigkeitsstrategien

Jede Epoche und jede Gesellschaft hatte ihre besondere Beziehung zum Rhein und zum Rheinsystem. War der Rheinstrom in der Altsteinzeit vermutlich primär ein Ausbreitungshindernis, das nur unter besonderen Bedingungen überquert werden konnte, so entwickelte sich später eine ehrfürchtige und quasi-religiöse Beziehung zu dem großen Fluss, der schließlich gar personifiziert dargestellt wurde. Ab der Römerzeit dienten der Rhein und die Nebenflüsse als Handels- und Truppentransportwege. Jetzt wurden, im Gegensatz zur Keltenzeit, Siedlungen auch vielfach in Form militärischer Anlagen und ziviler Wohnstädte gebaut. Das Nachhaltigkeitskonzept jener Zeit zielte auf die Errichtung einer langfristig angelegten, städtisch geprägten und militärisch gesicherten Kolonialzone mit guter Verkehrsinfrastruktur und blühendem Handel ab.

Die mittelalterliche und frühneuzeitliche Gesellschaft nutzte mit zunehmendem Know-How effizient die Energie- und Nahrungsressourcen des Rheinstroms und seiner Nebengewässer, gründete Fischerdörfer und Städte – diese verschiedentlich als Fortsetzung ehemaliger römischer Städte. Sie dienten als Handelsumschlagorte und neue Machtzentren, betrieben im Rhein Wassermühlen, professionalisierten den Fischfang und lagen verkehrsgünstig am Rhein als Transportroute für Waren und Personen. Das Rheinsystem wurde dadurch in einen ganzheitlich und langfristig konzipierten volkswirtschaftlichen Produktions- und Logistikprozess integriert.

Als nach 1800 die Anrainerregierungen anfingen, die imposante Fluss-Großlandschaft des Oberrheins, die heute unbestrittener Kandidat für die UNESCO-Welterbe-Liste wäre, in eine ökologisch und optisch eher monotone Gerinnelandschaft umwandeln zu lassen, wurden wieder andere Aspekte der Nachhaltigkeit propagiert, so die Aussicht auf neue und nachhaltig nutzbare landwirtschaftliche Flächen für die wachsende europäische Bevölkerung, daneben auch ein Schutz vor Überschwemmungen und (dies war zunächst allerdings eher sekundär) Verbesserungen für die Schifffahrt. Die forstliche Bewirtschaftung der ehemaligen Auenregion wurde im Sinne einer nachhaltigen Holzproduktion optimiert. Der Verlust der reichhaltigen Auen- und Randgewässer-Flora und -Fauna wurde in Kauf genommen und möglicherweise von nur wenigen Menschen bedauert.

Nur gerade Reste der wahrlich für Mitteleuropa einmaligen Stromlandschaft, von der uns noch einige Gemälde und Stiche einen wehmütigen und entrückt wirkenden Eindruck hinterlassen, blieben erhalten (vgl. auch Abb. 3). Selbst diese Reste sehen heute anders aus als früher, auch in den als Naturschutzzonen ausgewiesenen Randgebieten. Allerdings ist dies meist nur Spezialisten und Heimatforschern bekannt und bewusst. Selbst an weltbekannten Orten, wie der Loreley, ist das Rheingerinne breiter und sicherer für die Schifffahrt gestaltet worden und lässt die früher gefährliche Flussfahrt um den Felsen kaum noch nachempfinden. Nur im Bodensee-Hochrhein-Gebiet sind noch gewisse wertvolle ursprüngliche Landschaftselemente zu finden: So gehören der Bodensee-Obersee und -Untersee zu den wenigen mitteleuropäischen Seen, bei denen kein Wehr den Seespiegel reguliert, sodass sie noch die natürlichen jahreszeitlichen Spiegelschwankungen voralpiner Seen von ein bis zwei Metern zeigen. Auch der 150 m breite Rheinfall bietet einen nahezu unverfälschten Gesamteindruck, ebenso – in Grenzen – einige wenige Stellen des übrigen Hochrheins, des Seerheins und der Quellflüsse in den Graubündner Alpen.

Abb. 3
figure 3

(Copyright Bruno Streit 7. Mai 2011)

Linke Rheinseite oberhalb der Loreley. Manche der von Schiffern ehemals gefürchteten Felsen sind bei Niedrigwasser noch deutlich zu sehen, andere sind weggesprengt. Signalbojen weisen die sichere Durchfahrt aus. Die Lärmbelästigung durch die beidseitigen Straßen und Eisenbahnlinien wird oft moniert. Am Steilhang zur Hochebene Rebhänge mit Stützmauern und teilweiser Verbuschung.

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In Nachhaltigkeitsdebatten und -strategien wird oft argumentiert, dass in einem Gesamtkonzept „Ökologie“, „Ökonomie“ und „soziale Funktion“ der jeweils betrachteten Einheit, sei es ein Betrieb, eine Siedlung oder eine Landschaft, generationengerecht erhalten bleiben sollen. Dabei lässt man sich bei Natursystemen bezüglich „Ökologie“ fast immer vom momentanen, im Vergleich zu früher bereits deutlich manipulierten System leiten und geht davon aus, dass dieser derzeitige Ist-Zustand bewahrt werden könne und solle. Das wird aber allein schon aus Gründen ökologischer Dynamiken, wozu Sukzessionen, biologische Invasionen und chemische Depositionen gehören, für keines der verbliebenen Schutzgebiete langfristig funktionieren. Die Rheingeschichte lehrt darüber hinaus auch, dass Umweltveränderungen stark durch politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ziele und Zwänge hervorgerufen werden und dass ein gleichsam museales Konservieren von belebten Naturausschnitten illusorisch ist. Jede Generation formuliert neue Ansprüche und Ziele und ist sich auch nie über alle Folgen von vornherein im Klaren – oder nimmt sie bewusst in Kauf.

Es werden sich auch am Rhein und in seinen Nebenflüssen neue Veränderungen einstellen, ohne dass wir deren Richtung und die zukünftigen gesellschaftlichen Veränderungen und Vorstellungen abschätzen können. Die weitgehende Umwandlung der einheimischen Flussfauna in eine unspezialisierte Exotenfauna, die sich im Rheinsystem ausgerechnet in einer Zeit etabliert hat, als Bevölkerung und Politik sogar besonders sensibel für Natur- und Artenschutz eintraten, illustriert dies prägnant: Die erfolgten Veränderungen bei gleichzeitigem Verlust der ehemaligen einheimischen Fauna waren von keiner Seite gewollt, lassen sich jetzt aber auch nicht mehr zurück abwickeln.