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Zusammenfassung

Vor dem Hintergrund der dargestellten theoretischen Erklärungsansätze von Bodenmann und Lazarus werden nachstehend das Scheidungsverhalten und die damit einhergehenden Folgen und Bewältigungsbestrebungen türkeistämmiger Frauen näher beleuchtet. Um migrationsspezifische Herausforderungen und zugleich die mit der Ehescheidung verbundenen Veränderungen zu verstehen, wird auf der Basis der Beck’schen Individualisierungsthese zunächst die Entwicklung der Lebenssituation türkischer/türkeistämmiger Frauen in der Türkei und in Deutschland – von veränderten Familienverhältnissen über Funktionsverschiebungen der Geschlechterrollen und die Partnerwahlentscheidung bis hin zur Ehescheidung – erörtert. Die hier erstellte Übersicht erhebt aufgrund der Fülle existierender Studien keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Ihr Zweck besteht vielmehr darin, verschiedene Perspektiven auf die genannten Themenbereiche herauszuarbeiten und voneinander abzugrenzen. Auf einen Exkurs zur Gastarbeiterperiode wurde dabei verzichtet; dies würde den Umfang der Arbeit sprengen.

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Notes

  1. 1.

    Mustafa Kemal, von seinem Volk ‚Atatürk‘ (Vater der Türken) gennant, wurde zum ersten Staatspräsidenten der Türkei ernannt.

  2. 2.

    Die vorliegende Arbeit stützt sich auf den Sozialisationsbegriff von Hurrelmann (2006). Nach Hurrelmann (2006, S. 15 f.) ist Sozialisation ein „[…] Prozess, in dessen Verlauf sich der mit einer biologischen Ausstattung versehene menschliche Organismus zu einer sozial handlungsfähigen Persönlichkeit bildet, die sich über den Lebenslauf hinweg in Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen weiterentwickelt. Sozialisation ist die lebenslange Aneignung von und Auseinandersetzung mit den natürlichen Anlagen, insbesondere den körperlichen und psychischen Grundmerkmalen, die für den Menschen die ‚innere Realität‘ bilden, und der sozialen und physikalischen Umwelt, die für den Menschen die ‚äußere Realität‘ bilden“.

  3. 3.

    Der Ausdruck ‚Laizismus‘, im türkischen ‚Layiklik‘, bezeichnet die Trennung von Religion und Staat (siehe hierzu ausführlicher Hirsch 1974).

  4. 4.

    Nach El-Menouar und Fritz (2009, S. 559) haben neben der sozioökonomischen Entwicklung auch spezifische Kontexteffekte wie die ethnische Zusammensetzung einer Region oder die dort herrschenden Machtverhältnisse Einfluss auf das Leben der Bevölkerung und ihren Wertehorizont.

  5. 5.

    In der türkischen Gesellschaft dominiert die Glaubensrichtung der Sunniten, gefolgt von den Aleviten.

  6. 6.

    Insbesondere im Sorge- und Erbrecht sowie im Bereich der Eheschließung und Scheidung wurde eine rechtliche Gleichstellung der Geschlechter angestrebt, wonach ein Beschluss nur Gültigkeit besitzt, wenn beide Eheleute anwesend sind (vgl. Acet 2008, S. 19). Zudem wurde das öffentliche Verbot des Schleiers eingeführt, der für Atatürk die Unterdrückung der Frau symbolisiert (vgl. ebd.). Anfang der 1930er Jahre erhielten die Frauen offiziell das Wahlrecht, das ihnen bis zu diesem Zeitraum verwehrt wurde.

  7. 7.

    Berktay (2012) zeigt in ihrer vergleichenden Analyse zur Stellung der Frauen im Christentum und Islam, dass gesellschaftliche Benachteiligungen und Diskriminierung von Frauen nicht ausschließlich auf den Islam zu reduzieren sind, sondern dass Frauen in allen Gesellschaften damit konfrontiert sind.

  8. 8.

    Daher das Sprichwort: Karı koca arasına girilmez (sinngemäß: in das Eheleben der Paare sollte sich niemand einmischen).

  9. 9.

    So haben mediale Berichterstattungen und eine zunehmende Thematisierung von (nach-)ehelicher Gewalt gegen Frauen in türkischen Filmen und Serien den Diskurs verstärkt an die Öffentlichkeit getragen, um die Betroffenen von der gesellschaftlich auferlegten Schuld zu befreien; zudem wurde die Plattfrom Wir werden die Frauenermordungen stoppen mit dem Slogan Asla yalnız yürümeyeceksin (sinngemäß: du wirst niemals alleine diesen Weg gehen) durch diverse Frauenbewegungen etabliert.

  10. 10.

    Dieselbe Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Gewalterfahrungen der Frauen altersspezifisch und je nach Bildungsstand und Milieuzugehörigkeit stark variieren (vgl. hierzu HÜNEE 2009a, S. 9 ff.).

  11. 11.

    Die Begriffe ‚Namus‘ (Ehrgefühl) und ‚Şeref‘ (Wertschätzung, Ansehen) besitzen keine statische Gültigkeit, sondern ihr Bedeutungsgehalt wechselt je nach Ort und steht der Interprationen offen (vgl. Yalçın-Heckmann 2000, S. 143). Beiden Begriffen gemein ist, dass sie einer gesellschaftlichen Bewertung unterliegen und sich gegenseitig voraussetzen. Gleichwohl sie sich ähneln, sind sie inhaltlich nicht gleichzusetzen: Şeref ist im Gegensatz zu Namus entkoppelt vom Geschlecht, ein Wert, der durch hohes soziales Kapital erworben werden kann, während Namus nur verloren werden kann (vgl. Schiffauer 1983, S. 70). Namus wird oft direkt mit dem Verhalten bzw. Missverhalten der Frau in Verbindung gebracht: „So definiert sich die Ehre eines Mannes im Wesentlichen über die Ehre der ihm anvertrauten Frauen […]“ (Schiffauer, S. 74). Zur weiteren Abgrenzung der Konzepte siehe Schiffauer (1983, S. 65 ff.) sowie Yalçın-Heckmann (2000, S. 149 ff.).

  12. 12.

    Der Ausdruck ‚Ehre‘ wird individuell und je nach Region und Milieu differenziert interpretiert.

  13. 13.

    Zu den Einstellungen der Frauen – sowohl verheiratete als auch ledige – in Bezug auf die gesellschaftlichen Geschlechterrollen siehe ausführlicher HÜNEE (2009a, S. 16 f.).

  14. 14.

    Bis in die 1940er Jahre galt die Großfamilie als einzige und dominierende Familienstruktur in der Türkei, deren Dominanz erst durch die Abwanderung vom Land in die (Groß-)Stadt abgelöst wurde (vgl. Birsl et al. 1999, S. 28). Der Begriff ‚Großfamilie‘ bezieht sich auf das Zusammenleben von mindestens einem Ehepaar, deren Kindern sowie Großeltern und/oder weiteren Verwandten und Nicht-Blutsverwandten (z. B. in die Familie eingeheiratete Personen).

  15. 15.

    In der türkischen Gesellschaft gibt es viele Formen der sogenannten ‚traditionellen Eheschließung‘, die streng genommen auch als Zwangsverheiratung definiert werden können. Hierzu zählen u. a. ‚Berdel‘ (Mädchentausch), ‚Beşik kertmesi‘ (Heiratskandidaten werden einander als Kleinkinder versprochen), ‚Polygame Eheschließungen‘ und die ‚Witwenheirat‘ (die Frau ehelicht einen Verwandten ihres verstorbenen Mannes, damit ihre Ehre in der Obhut dieser Familie verbleibt).

  16. 16.

    Eine Untersuchung des TÜIK (2012, S. 27; mit Bezugnahme auf die Zahlen von Aile ve Sosyal Politikalar Bakanlığı 2011) zeigt, dass sich die Ehepaare altersunspezifisch mehrheitlich durch den eigenen Familien- und Verwandtenkreis sowie das Nachbarschaftsumfeld (vor allem Personen ohne oder mit niedrigem Schulabschluss), daneben durch Schule und Studium, das Arbeitsumfeld sowie durch den eigenen Freundeskreis kennengelernt haben. Nur ein geringer Anteil der Paare hat sich (altersunspezifisch) über das Internet, diverse Eheagenturen oder durch andere Möglichkeiten, die im Rahmen der Untersuchung nicht benannt wurden, kennengelernt (vgl. ebd.). Neben sogenannten Verwandtschaftsehen werden ‚nach dem Prinzip der Vertrautheit‘ (vgl. Toprak 2002, S. 160) auch Eheschließungen mit bekannten Familien stark befürwortet.

  17. 17.

    Der Anteil der alleinerziehenden Frauen in der Türkei ist im Vergleich zu den alleinerziehenden Männern deutlich höher. Die Auswertungen des TÜIK (2012; mit Bezugnahme auf die Zahlen des TÜIK 2006–2015) zeigen, dass der Anteil der Frauen unter den 1.530.832 (befragten) Alleinerziehenden im Jahre 2011 bei 85,7 % lag (gegenüber 14,3 %, die auf Männer entfielen).

  18. 18.

    Vermutlich rührt die höhere Scheidungsrate in Großstädten auch daher, dass in ländlichen Gebieten nach wie vor eher die zivilrechtlich nicht anerkannte, ausschließlich religiöse Eheschließung (Imam-Ehen bei Sunniten; Dede-Ehen bei Aleviten) praktiziert wird und daher keine zivilrechtliche Ehescheidung erfolgt.

  19. 19.

    In einigen ländlichen und traditionell geprägten Gebieten der Türkei, wie z. B. Ostanatolien, sind Scheidungen seltener zu beobachten, sogar dann, wenn die Frau unfruchtbar ist. Es existieren im Gegensatz zu städtischen Gebieten andere Lösungen, „[…] wenn das patriarchale System der Familie bedroht ist“ (Pasero 1990, S. 77). Eine alternative Lösung stellt die polygame Ehe dar. Sie ist zwar zivilrechtlich verboten, kann aber dennoch in Form einer religiösen Trauung geschlossen werden (vgl. Balaman 1985, S. 213 f.).

  20. 20.

    Das Thema ‚Ehrenmord‘ ist auch in Deutschland in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus wissenschaftlicher und öffentlicher Debatten gerückt, wobei zu vermuten ist, dass der öffentliche Diskurs auch durch zugespitzte und verzerrte Berichterstattungen der deutschen Medien weiter beschleunigt wird. Hier stellt sich zwar die Frage nach den Auswirkungen solcher Darstellungen auf den Rezipienten und folglich auf die gesellschaftliche Entwicklung, doch wird im Rahmen dieser Arbeit aufgrund kontroverser Ergebnisse auf eine vertiefende Analyse verzichtet. Unberücksichtigt bleiben auch die Anzahl und die Beweggründe von Ehrenmorden in der Türkei und in Deutschland. Ohnehin wäre es problematisch, den tatsächlichen Anteil sogenannter Ehrenmorde zu erfassen, zumal keine gesonderte Statistik darüber geführt wird und eine klare Abgrenzung fehlt, welche Gewaltdelikte als Ehrenmorde definiert werden können.

  21. 21.

    In der türkischen Gesellschaft wird Geschiedenen oder Verwitweten geschlechterunspezifisch der Status ‚dul‘ als Familienstand zugewiesen. Für Frauen ist diese Kategorisierung eine nachhaltigere Stigmatisierung als für Männer, denn ihre Scheidung wird öffentlich stärker als unmoralisch betrachtet, wodurch auch eine Wiederheirat gefährdet werden kann. Heutzutage bezeichnen sich viele Betroffene als ‚bekar‘, d. h. als ledig anstatt als getrenntlebend oder geschieden, um so klischeehaften Vorurteilen zu entgehen.

  22. 22.

    „Diese Kontrolle ist besonders auf das Sexualleben der Frau gerichtet“ (Süzen 2003, S. 26; vgl. auch Doğan 1996).

  23. 23.

    Als traditionell-religiöse Familien werden diejenigen bestimmt, die stärker an traditionellen Werten und Normen festhalten und die Glaubensgrundlagen des Islams überwiegend erfüllen.

  24. 24.

    Mit dem Inkrafttreten des neuen Familienrechts im türkischen Zivilgesetzbuch wurde die rechtliche Stellung der Frau wesentlich verbessert. Das Mindestheiratsalter wurde von 15 Jahren für Mädchen und 17 Jahren für Jungen auf 18 Jahre für beide Geschlechter festgelegt. Beiden Partnern wird gleiches Recht zugesprochen. Frauen haben nun das Recht auf eine selbstständige Arbeitsaufnahme ohne die Zustimmung des Ehemannes, die bis in die 1990er Jahre nur mit Erlaubnis des Ehemannes möglich war. Die Schutzmaßnahmen für Frauen in Folge von Gewalt in und außerhalb der Ehe wurden verstärkt. Im Falle einer Trennung liegt keine Mindesttrennungsdauer vor. Bei einer einvernehmlichen Scheidung muss mindestens eine Ehedauer von einem Jahr vor der Urteilsfällung nachgewiesen werden. Das Sorge- und Umgangsrecht kann zum Wohle des Kindes dem Vater oder der Mutter oder beiden Elternteilen zugesprochen werden.

  25. 25.

    ‚Pluralität‘ wird hier in Anlehnung an Hill und Kopp (2006, S. 306) als eine Zunahme von Ungleichheit und Heterogenität hinsichtlich der Verteilung über die vorhandenen Typen verstanden.

  26. 26.

    „Die Differenzierung zwischen der Bevölkerung mit Migrationshintergrund und ohne Migrationshintergrund in Deutschland war bis zum Mikrozensus 2005, aufgrund der hohen Anzahl der (Spät-)Aussiedler und der Einbürgerung der Zuwanderer, sehr komplex und nicht evident genug, um […] [eindeutige] Aussagen treffen zu können. Nach dem Statistischen Bundesamt zählen zur Bevölkerung mit Migrationshintergrund alle, die nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugezogen sind, alle in Deutschland geborenen Ausländer/-innen und alle in Deutschland mit deutscher Staatsangehörigkeit Geborenen mit zumindest einem zugezogenen oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil. Der Migrationsstatus einer Person wird somit sowohl aus ihren persönlichen Merkmalen zu Zuzug, Einbürgerung und Staatsangehörigkeit wie auch aus den entsprechenden Merkmalen der Eltern abgeleitet“ (Statistisches Bundesamt Deutschland: Personen mit Migrationshintergrund, unter: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/MigrationIntegration/Migrationshintergrund/Aktuell.html. (abgerufen am 10.09.2013).

  27. 27.

    ‚Traditionell‘ wird hier nicht mit ‚rückständig‘ und/oder ‚Unterdrückung‘ gleichgesetzt. Unter diesem Begriff werden in Anlehnung an Beck (1986) vielmehr althergebrachte Lebensformen und Normen sowie Denk- und Verhaltensweisen verstanden, die durch kulturelle und religiöse Vorgaben geprägt sind.

  28. 28.

    Zu Unterschieden der Bevölkerungsgruppen in Bezug auf die Lebenssituation, die Partnerwahlentscheidung und das Heiratsverhalten sowie die Ehescheidung siehe ausführlicher die Abschnitt 3.2.1, 3.2.3 und 3.3.

  29. 29.

    Der Terminus ‚Familialismus‘ geht auf Boos-Nünning (1998, 2005a) zurück. Aufbauend auf Naucks (1997) Feststellung, dass sich Arbeitsmigrantenfamilien verglichen mit türkischen Familien in der Türkei verstärkt an der Kernfamilie, statt an der gesamten Verwandtschaft und dem Freundeskreis orientieren, tritt der Familialismus in ihrem Ansatz an die Stelle des Kollektivismus. In der vorliegenden Arbeit finden indes beide Termini nebeneinander Verwendung, da davon ausgegangen wird, dass der Kernfamilie zwar weiterhin eine entscheidende Rolle zukommt, dass der Einfluss des weiteren sozialen Umfeldes aber nicht unterschätzt werden darf. Während noch bei der ersten Generation der Arbeitsmigranten über die Kernfamilie hinaus kaum andere Orientierungspunkte gegeben waren, dürfte der Einfluss von Verwandtschaft und Freundeskreis, z. B. durch Nachzug und Etablierung sozialer Netzwerke, mit der Zeit zugenommen haben.

  30. 30.

    Nach Gümen (2000) unterscheiden sich die aus den subjektiven Erlebnissen und Erfahrungen herausgebildeten Selbst- und Fremdwahrnehmungen (vgl. auch Schmidt-Koddenberg 1989) je nach sozialer Lage der Frauen. Grundsätzlich werde das Fremdbild im Vergleich zum Selbstbild kritischer eingeschätzt und beurteilt: Die ‚fremden Frauen‘ würden von den westdeutschen Frauen nicht als anders wahrgenommen, sondern vielmehr als minderwertig, rückständig und vom Mann abhängig eingestuft.

  31. 31.

    Die deutsche Frauenforschung hat sich erst spät mit den Kategorien ‚Geschlecht‘ und ‚Ethnizität‘ und deren Wechselwirkungen auseinandergesetzt. Das Konstrukt der ‚fremden Frau‘ wurde im bundesdeutschen Diskurs häufig mit Attributen wie ‚rückständig‘ und ‚untergeordnet‘ verbunden, wodurch bestimmte Weiblichkeitsbilder und konstruierte Unterschiede zwischen Frau und Mann, Ausländer und Ausländerin, Türkin und Deutscher geschaffen wurden, die jahrelang in der Öffentlichkeit dominierten (vgl. Gümen 2000, S. 351).

  32. 32.

    Die erste Generation bilden Frauen, die während der Gastarbeiterperiode nach Deutschland immigriert sind (vgl. Süzen 2003, S. 80). Zur zweiten Generation gehören Frauen, „[…] die durch die Familienzusammenführung nachgeholt [worden sind oder in Deutschland] […] geboren [bzw.] aufgewachsen sind, [d. h. alle] […] Kinder von den Gastarbeitern und Gastarbeiterinnen bzw. alle Kinder von GastarbeiterInnen und HeiratsmigrantInnen“ (ebd.).

  33. 33.

    Gültekin (2003, S. 164) weist darauf hin, dass die meisten Untersuchungen aus der Sicht der Aufnahmegesellschaft durchgeführt wurden und somit eine differenzierte Betrachtung der Binnensicht der Migranten ausschließen. Die ‚Doppelperspektive‘ „[…] schließt die sogenannte Binnenperspektive, die Perspektive der […] [MigrantInnen,] und die sogenannte Außenperspektive, die Perspektive der Einwanderungsgesellschaft[,] mit ein“ (ebd., S. 165 f.).

  34. 34.

    Bei der vorliegenden Forschungsreihe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2009) handelt es sich um eine Sekundäranalyse des Mikrozensus’ 2005.

  35. 35.

    Hinsichtlich des Migrationsstatus’ wurden folgende vier Gruppen unterschieden: (1) Bevölkerung ohne Migrationshintergrund: Personen, die nicht eingebürgert sind, aber dennoch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen; (2) Ausländerinnen und Ausländer: Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen; (3) Deutsche ohne Migrationshintergrund: Zugewanderte oder in Deutschland geborene Eingebürgerte und deren Kinder; (4) deutsche Zuwanderinnen und Zuwanderer ohne Einbürgerung: Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, die seit August 1990 eingereist sind oder bis 1993 mit der deutschen Staatsangehörigkeit zugewandert sind (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2009, S. 17).

  36. 36.

    Die Teilerhebung beruht auf einem standardisierten face-to-face-Interview und einem ergänzenden schriftlichen Selbstausfüller (eine Erhebungstechnik zur intensiveren Analyse von Dunkelziffern). Sie wurde im Rahmen der ersten repräsentativen Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland (mit 10.264 Frauen im Alter von 16–85 Jahren) durchgeführt (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2013, S. I, 7).

  37. 37.

    Unter ‚transnational‘ versteht Pries (1997) ‚grenz- bzw. nationalüberschreitende Phänomene‘ und die Konstitution dauerhaft neuer sozialer Beziehungen, sozialer Netzwerke und sozialer Räume.

  38. 38.

    Nach Angaben des Mikrozensus’ 2011 sind nur noch 58 % der türkeistämmigen Migranten in Deutschland türkische Staatsbürger, der Rest ist entweder eingebürgert oder hat bereits bei Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten (vgl. Statistisches Bundesamt 2012a, 2012b).

  39. 39.

    Im Rahmen dieser Arbeit werden ‚innerethnische Ehen‘ und ‚transnationale Ehen‘ voneinander separiert. Innerethnische Ehen bezeichnen hier Ehen zwischen türkeistämmigen Partnern, die beide zum Zeitpunkt der Eheschließung in Deutschland leben – wobei der Ausdruck nichts über die Sozialisationserfahrung besagt –, transnationale Ehen bezeichnen Ehen, die zwischen einer in Deutschland lebenden türkeistämmigen Person und einer zum Zeitpunkt der Eheschließung in der Türkei lebenden Person geschlossen wurden.

  40. 40.

    Siehe hierzu Sinus Sociovision 2007.

  41. 41.

    Angehörige der zweiten Migrantengeneration haben die Möglichkeit, eine transnationale Ehe mit einem Partner aus der Türkei zu schließen, innerhalb der eigenen Migrantengeneration in Deutschland zu heiraten oder eine interethnische Ehe mit einem deutschen Partner zu schließen (vgl. Nauck 2007a, S. 36; Straßburger 2001a, S. 5). Darüber hinaus besteht die Option, einen Partner zu wählen, der einer anderen ethnischen Migrantengruppe in Deutschland angehört. Dennoch ist der „[…] Kreis der Personen, die für eine Heirat realistischerweise infrage kommen, […] immer noch begrenzt“ (Straßburger 2011, S. 218), da zunächst einmal Kontakte und Gelegenheitsstrukturen hierfür ausschlaggebend seien.

  42. 42.

    Zum Unterschied zwischen arrangierten Ehen und Zwangsehen siehe Abschnitt 3.2.3.2.

  43. 43.

    Auswertungen der Visastatistik des Auswärtigen Amtes und des Ausländerzentralregisters belegen, dass die höchsten Anteile beim Ehegattennachzug aus der Türkei einreisen, gleichwohl in den letzten Jahren ein geringer Rückgang zu verzeichnen ist (vgl. Bundesministerium des Innern 2013, S. 102) Für das Jahr 2011 registrierte das Auswärtige Amt, dass rund ein Drittel aller nachgezogenen Ehefrauen zu Männern mit türkischem Migrationshintergrund eingereist ist und ein Viertel aller türkischen Ehemänner zu deutschen Frauen (ebd., S. 102).

  44. 44.

    Im Mittelpunkt der Untersuchung zu den Determinanten der Partnerwahl steht die Frage nach dem Bildungskapital der jeweiligen Ehepartner, wobei Baykara-Krumme und Fuß (2009, S. 141 ff.) zu dem Schluss gelangen, dass die Entscheidung für einen Partner aus dem Herkunftsland weder mit dem Bildungsniveau gekoppelt ist noch mit einem ausgesprägten traditionellen Verhalten der Frauen. Vielmehr biete der Heiratsmarkt in der Türkei den türkeistämmigen Zuwanderern in Deutschland, unter anderem aufgrund des Ungleichgewichts bezüglich der Geschlechterpopulation (marriage squeeze) oft eine Alternative, einen potenziellen Partner zu finden (vgl. ebd.; siehe hierzu auch Apitzsch 2014, S. 206, 213).

  45. 45.

    Zur Definition der Generationen siehe Baykara-Krumme und Fuß (2009, S. 141 ff.).

  46. 46.

    In der Migrations- und Integrationsforschung existieren sehr unterschiedliche Definitionen und Vorstellungen von Integration. Weitgehender Konsens besteht aber darin, Prozesse der strukturellen, sozialen, kulturellen und identifikativen Integration zu unterscheiden (vgl. Filsinger 2011, S. 53 ff.). Der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (2012, S. 19) beschreibt die Integration als „Teilhabe an den zentralen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Sie reicht von der Erziehung, Bildung, beruflichen Ausbildung und dem Zugang zum wirtschaftlichen Leben, insbesondere zum Arbeitsmarkt, über die sozialen Schutz- und Sicherheitssysteme bis hin zur (statusabhängigen) politischen Partizipation“ (ebd., S. 19).

  47. 47.

    Im vorliegenden Kapitel werden binationale Ehen – bezogen auf die Staatsangehörigkeit der Ehepartner – und auch interethnische Eheschließungen – bezogen auf den Migrationshintergrund der Ehepartner – in Deutschland betrachtet (vgl. Haug 2010, S. 44). Der Begriff ‚bikulturell‘ wurde ausgespart, da der Kulturbegriff wenig konkret ist, wenngleich er gelegentlich in der Forschungsliteratur verwendet wird.

  48. 48.

    Auf eine eigene Berechnung binationaler bzw. interethnischer Ehen auf der Basis der amtlichen Statistik wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit verzichtet, da Angaben über den tatsächlichen ethnischen Hintergrund der Ehepartner fehlen und Nationalität immer weniger mit ethnischer Herkunft gekoppelt ist.

  49. 49.

    Die Daten des Mikrozensus’ für den Zeitraum von 1989 bis 2000 beziehen sich ausschließlich auf Differenzen bezüglich der Staatsangehörigkeit bei Eheschließungen und sind somit nicht aussagekräftig genug, um das tatsächliche Eheschließungsmuster türkischer Migranten widerzuspiegeln, zumal es sich bei Männern deutscher Staatsangehörigkeit um eingebürgerte Türken handeln kann. „Für die Analysen wurde ein Datensatz erstellt, der sich aus den faktischen anonymisierten 70%-Substichproben der Mikrozensen 1989, 1993, 1997 und 2000 zusammensetzt. Eine Ausnahme stellt der Mikrozensus 2000 dar: Aus ihm stammte […] das aktuellste Mikrozensus Scientific-Use-File“ (Schroedter 2006, S. 423).

  50. 50.

    Quelle: Statistisches Bundesamt (2010); Angaben in Prozent, nur Verheiratete der jeweiligen Bevölkerungsgruppe; Berechnung von Haug (2010).

  51. 51.

    Im Rahmen der jährlichen repräsentativen Mehrthemenbefragung der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung unter 1000 türkeistämmigen Personen wurde in den Jahren 2010 und 2011 die ethnische Herkunft der Ehepartner erhoben (siehe hierzu ausführlicher Sauer 2012). Die Daten beziehen sich auf Nordrhein-Westfalen und können keinen Anspruch auf Repräsentativität für ganz Deutschland beanspruchen.

  52. 52.

    Zur Definition der Zuwanderergenerationszugehörigkeit siehe Sauer (2011, S. 49).

  53. 53.

    „Es ist nicht möglich, die über den Familiennachzug nach Deutschland eingereisten Ehepartner eindeutig als erste Generation oder als Ehepartner der zweiten Generation zu identifizieren. Der notwendigerweise zu ziehende Schnitt bei heute 52 Jahren wurde gewählt, da ‚Gastarbeiter‘ heute mindestens 57 Jahre alt sein müssen (1973 zum Stopp der Anwerbung 18 Jahre) und von einer ähnlichen Altersstruktur (+/−5 Jahre) der Ehepartner ausgegangen wird, Ehepartner der ersten Generation also 52 Jahre oder älter sein müssen, Ehepartner der zweiten Generation jedoch jünger als 52 Jahre. Anhand der vorliegenden Daten kann nicht nach zweiter und dritter Generation unterschieden werden. Dazu wären Angaben zu den Eltern nötig“ (Sauer 2011, S. 49 f.).

  54. 54.

    Angesichts der zunehmenden Bedeutung im öffentlichen Diskurs und der Fülle an wissenschaftlichen Forschungsarbeiten insbesondere zu arrangierten und Zwangsehen kann der vollständige Forschungsstand hier nicht dargestellt werden, vielmehr wird ein kurzer Überblick aktueller Arbeiten zu diesem Thema präsentiert.

  55. 55.

    Zu unterschidelichen Formen der Zwangsverheiratung siehe Yerlikaya (2012, S. 33 ff.) sowie Yerlikaya und Çakır-Ceylan (2011).

  56. 56.

    Während die ethnische Partnerwahl hier als Partnerschaftsmodell definiert wird, bezieht sich der Partnerschaftsmodus auf die Selbstbestimmung (z. B. Liebesehe), Fremdbestimmung (z. B. Eingreifen von außenstehenden Personen) und Familienorientierung (die Rolle und der Einfluss der Familie).

  57. 57.

    Straßburger (2007, S. 78 f.) unterscheidet zwei Fälle, die die Entscheidungsfreiheit der jungen Frauen beeinträchtigen und somit eine Fehlentscheidung und eine teilweise ungewollte Ehe zur Folge haben können: Das (1) kommunikative Setting bezieht sich darauf, dass viele Frauen sich – zumal das Ansehen der Familie auf dem Spiel steht – nicht gegen den Willen der Eltern durchsetzen können. Der Aspekt des (2) Zeitdrucks ergibt sich, wenn im Zuge einer transnationalen Eheschließung eine schnelle Entscheidung zu fällen ist, wodurch die Gefahr besteht, sich ‚überrumpeln zu lassen‘ (vgl. ebd.).

  58. 58.

    Die in der Studie ermittelten Zahlen lassen keine Rückschlüsse auf die Gesamtrate der Zwangsehen zu, sondern vielmehr auf den (teilweise geschätzten) Stand der in den Beratungsstellen (und Schulen) vorzufindenden Fälle (vgl. Mirbach et al. 2011, S. 7 f.).

  59. 59.

    Obwohl Personen türkischer Herkunft nach Schätzungen die größte Gruppe der von Zwangsverheiratung Betroffenen in Deutschland sind, warnen Mirbach et al. (2011, S. 34) davor, Zwangsehen auf den Islam zu reduzieren, zumal unter den Beratungssuchenden auch Jesiden (9,5 %), Christen (3 %), Hinduisten (1 %) und Menschen ohne Religionszugehörigkeit (2,5 %) zu finden waren.

  60. 60.

    Die Ergebnisse beruhen auf einer zusätzlichen Teilerhebung im Rahmen der ersten repräsentativen Untersuchung zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Teilerhebung, bei der 143 Frauen befragt wurden, erhebt keinen Anspruch auf Repräsentativität, sondern zeigt nur mögliche Tendenzen auf, weswegen die Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden sollten (vgl. Schröttle 2007, S. 149).

  61. 61.

    Die Institutionen ‚Ehe‘ und ‚Familie‘ waren lange Zeit durch die Kirche geprägt, denn das Verständnis von Ehe und Eherecht wurde bis zur Einführung der bürgerlichen Zivilehe durch das kirchliche Eherecht bestimmt und beeinflusst. „Während die Evangelischen Kirchen die Ziviltrauung als rechtmäßige Eheschließung betrachten […], wird nach katholischem Kirchenrecht bis heute eine Eheschließung nur dann als gültig angesehen, wenn die Trauung kirchlich vollzogen wurde“ (Schwab 2007, S. 507). Bei Letzterem gilt die Ehe als unlösbarer Bund des Lebens und kann nur unter eng begrenzten Bedingungen rechtmäßig geschieden werden (vgl. Herzer 1998, S. 24 f.).

  62. 62.

    Die verwendeten Daten gründen auf der qualitativen Untersuchung Ursachen des zeitgeschichtlichen Anstiegs von Ehescheidung von Nave-Herz et al. (1990). In dieser Studie wurden anhand einer qualitativen und halbstandardisierten Befragung Geschiedene und als Kontrollgruppe dienende Verheiratete aus verschiedenen Eheschließungs- bzw. Geburtenkohorten befragt (vgl. Scheller 1992, S. 11).

  63. 63.

    Bodenmann und Cina (2000, S. 127) unterscheiden hauptsächlich zwischen Makrostressoren (kritische Lebensereignisse) und Mikrostressoren (tägliche Widrigkeiten).

  64. 64.

    “The divorce process can be viewed as a series of transitions that mark the family’s change from married to divorced status, from nuclearity to binuclearity“ (Ahrons 1980, S. 534; siehe auch Ahrons 1979).

  65. 65.

    ‚Kritische Lebensereignisse‘ werden hier mit Filipp (1990, S. 3) als abrupte und unvorhersehbare Übergangsprozesse im Leben eines Individuums betrachtet, d. h. als abrupte Veränderungen in der Personen-Umwelt-Beziehung der Betroffenen. Die Konfrontation mit ihnen kann eine Herausforderung zur Folge haben und eine Umorientierung im Handeln und Denken sowie in den Überzeugungen und Verpflichtungen verlangen (vgl. ebd.). Aus entwicklungspsychologischer Perspektive werden „kritische Lebensereignisse entweder als konstitutives Merkmal des menschlichen Lebenslaufs betrachtet und/oder als Erklärungsprinzip für ontogenetische Veränderungen über die Lebensspanne […]“ (ebd., S. 5).

  66. 66.

    “The reorganization of the nuclear family through divorce frequently results in the establishment of two households, maternal and paternal. These two interrelated households, or nuclei of the child’s family of orientation, form one family system – a binuclear family system“ (Ahrons 1979, S. 500).

  67. 67.

    Unter ‚Transition‘ verstehen Fthenakis und Walbiner (2008a, S. 3) einen Übergang, der im entwicklungspsychologischen Sinne auf den weiter unten näher erläuterten Ebenen (individuelle, interaktionale und kontextuelle Ebene) verarbeitet und bewältigt wird.

  68. 68.

    Die Zahlen müssen mit großer Vorsicht interpretiert werden, denn sie reflektieren nicht die tatsächliche Zahl der Scheidungen Türkeistämmiger. So werden in den deutschen Statistiken in der Türkei vollzogene Heiraten und Scheidungen – einschließlich solcher in einem türkischen Konsulat geschlossener und geschiedener Ehen – nicht erfasst, ebenso wenig rein religiös geschlossene und geschiedene Ehen, sondern nur solche, die vor einem deutschen Standesamt geschlossen bzw. geschieden werden.

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Mollenhauer, T. (2020). Forschungsstand. In: Eheliche Partnerschaftsverläufe und -abbrüche bei türkeistämmigen Frauen in Deutschland. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30940-4_3

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