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CARE-Theorie aus der Küche

Oder: Das Verdampfen feministischer Utopien und die Borretsch-Revolution

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Mutterschaft und Wissenschaft
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Zusammenfassung

Feministische Theorie zu Care-Arbeit ist immer auch ein wenig Utopie. Denn Care-Arbeit, also nicht produktive Tätigkeiten zur Um- und Versorgung von Menschen, ist als Arbeit gering geschätzt. Im professionellen Bereich wird sie daher prekär entlohnt, familiäre Reproduktionstätigkeiten werden in der Regel unbezahlt und meist von Frauen erledigt. Ausgangspunkte der feministischen Care-Theorie sind daher immer Defizite in der Anerkennung und Gleichberechtigung, doch ihr Ziel ist seit jeher, mit guten Ideen aktiv gegen diese Missstände anzuarbeiten. Einige der Forderungen, die im Rahmen der so genannten zweiten Frauenbewegung entwickelt wurden, sind umgesetzt. Aber insbesondere im Care-Bereich sind derzeit Rückschritte zu erkennen. Sich als Feministin damit wissenschaftlich auseinanderzusetzen, bedeutet daher ein ständiges Schwanken zwischen Faszination, Desillusion und Willen zur Veränderung. Sich als Mutter mit Theorie zur Familienarbeit zu beschäftigen, heißt zudem, persönlich im Alltag darüber zu reflektieren. Und es heißt auch zu lernen, mit Wut umzugehen – oder auch nicht.

Der Text ist ein autoethnografischer Abgleich zwischen feministischer Theorie zur Care-Arbeit und der Praxis als alleinerziehende Mutter in einer Gesellschaft, die von konservativen Frauen- und Familienbildern und dem Stereotyp der Care-Arbeit als ‚weibliche Arbeit‘ geprägt ist.

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Notes

  1. 1.

    Mit ihren Überlegungen zur „Gerechtigkeit bei der Verteilung von Erwerbsarbeit (1), Familienarbeit – hier auch als reproduktive Tätigkeiten beschrieben (2), Gemeinwesenarbeit (3) und Entwicklungschancen (4)“ schaffte Frigga Haug eine Utopie, in der sich all diese Tätigkeiten in einem Frauenleben ohne Aufgabe der Selbstsorge verwirklichen lassen. Ihr Ziel war es, einen perspektivischen Kompass für die realpolitische Umsetzung von deren Verwirklichung bereit zu stellen.

  2. 2.

    Der mit 5000 Euro dotierte Titel wurde bereits zum 14. Mal durch die Großbäckerei Meister verliehen, die damit ‚Männeremanzipation‘ fördern will, doch mit der Vergabe an Daniel Eich 2019 wurde medial darüber erstmals ausführlich im Kontext der Frage, wer Reproduktionsarbeiten macht, diskutiert. Vgl. etwa Miller 2019.

  3. 3.

    Das „Internationale Feministische Kollektiv“ wurde im Juli 1972 gegründet von Mariarosa Dalla Costa und Leopoldina Fortunati (Italien), Selma James (England), Silvia Federici (USA) und Brigitte Galtier (Frankreich). Nach: Federici 2012b, S. 38.

  4. 4.

    Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde von feministischen Ökonominnen kritisiert, dass im Marxismus die ‚Frauenfrage‘ zu wenig diskutiert werde. Für den II. Weltkongress der III. Internationale 1920 hatte Clara Zetkind daher „Richtlinien für die kommunistische Frauenbewegung“ erarbeitet. Jedoch konnte man „wegen Zeitmangels die Frauenfrage nicht, wie ursprünglich vorgesehen, behandeln.“ (Zetkin 1977, S. 14).

  5. 5.

    Silvia Federici und Nicole Cox beschreiben das mit den schönen Worten: „Hausarbeit ist weitaus mehr als Hausreinigung. Sie besteht in der psychischen, emotionalen und sexuellen Wartung der Lohnverdiener.“ (Federici und Cox 2012, S. 111).

  6. 6.

    Der Text ist eine Replik auf einen Artikel der amerikanischen Feministin Carol Lopate, in dem die „Lohn für Hausarbeit“-Kampagne als Initiative italienischer Frauen abgetan wird, von denen ein Großteil im Haushalt bleibe, während in den USA mehr als die Hälfte der Frauen „tatsächlich“ arbeiteten.

  7. 7.

    Sigmund Freud verwendete den Begriff Hysterie – nach Hyster = Gebärmutter – für Wutausbrüche von Frauen, die, wie heute bekannt ist, darin ihre Wut über ihre Unterdrückung oder die psychischen Folgen durch Missbrauch kanalisierten. (Vgl. u. a. Strömquist 2017).

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Braunersreuther, C. (2020). CARE-Theorie aus der Küche. In: Czerney, S., Eckert, L., Martin, S. (eds) Mutterschaft und Wissenschaft. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30932-9_3

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