Zusammenfassung
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den zwei materiell-diskursiv choreografierten Existenzweisen, die die Mutter_Wissen_schaftler*in vereinen muss. Die lange Geschichte der Ideologisierung von Mutterschaft steht der sehr jungen Existenz der Wissenschaftler*in gegenüber. Es ist immer noch „der Wissenschaftler“, der traditionellerweise den Ursprungsmythos intellektueller Wissengenerierung besetzt, und „die Mutter“, die die nicht entlohnte, reproduktive Sorgearbeit leistet. Der Beitrag geht diesen beiden diskursiven Strängen nach und verwebt sie miteinander, um zu zeigen, dass sich die beiden Existenzweisen der Mutter_Wissen_schaftler*in diametral gegenüber stehen. Die Mutter_Wissen_schaftlerin wird als Grenzgänger*in an den ambivalent besetzten Diskursen von Autonomie und Bindung beschrieben.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Notes
- 1.
Ich verweise an dieser Stelle auf ein Kollektiv mit dem Namen mutterschaftlerin.org. Hier formiert sich derzeit eine Gruppe von Wirtschaftswissenschaftler*innen, die gemeinsam Strategien entwickeln, wie frau* als Wissenschaftler*in und Mutter zufrieden sein kann. Neben den notwendigen politischen und strukturellen Änderungen in Gesellschaft und Wissenschaft ist die Solidarität unter Mutter_Wissenschaftler*innen ein zentraler Aspekt für Veränderung.
- 2.
Ein emblematisches Beispiel dafür ist, dass Väter nicht in der Weise in die Verantwortung genommen werden wie Mütter. Vgl. dazu die Studie von Kathleen Heft zu „Kindsmord als Phänomen Ostdeutschlands?“ (Heft, 2020) in der deutlich wird, dass Väter, wenn ein Kindsmord passiert, weder im medialen Diskurs auftauchen noch von deutschen Gerichten als eventuell mitschuldig gesehen werden.
Literatur
Abetz J, Moore J (2018) „Welcome to the mommy wars, ladies“: making sense of the ideology of combative mothering in mommy blogs. Commun Cult Critique 11:265
Apter T (1985) Why woman don’t have wives. Professional success and motherhood. Palgrave Macmillan, London
Aulenbacher B (2010) Arbeit und Geschlecht – Perspektiven der Geschlechterforschung. In: Aulenbacher B, Meuser M, Riegraf B (Hrsg) Soziologische Geschlechterforschung. Eine Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S 141–155
Badinter E (2010) Der Konflikt. Die Frau und die Mutter. C. H. Beck, München
Baerwolf A (2014) Kinder, Kinder! Mutterschaft und Erwerbstätigkeit in Ostdeutschland. Eine Ethnografie im Generationenvergleich. Wallstein, Göttingen
Beauvoir S (1951) Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Rowohlt, Hamburg
Becker-Schmidt R (1983) Entfremdete Aneignung, gestörte Anerkennung, Lernprozesse: Über die Bedeutung von Erwerbsarbeit für Frauen. In: Joachim M (Hrsg) Krise der Arbeitsgesellschaft? Verhandlungen des 21. Deutschen Soziologentages in Bamberg 1982. Campus, Frankfurt am Main/New York, S 412–426
Becker-Schmidt R (1987) Die doppelte Vergesellschaftung – die doppelte Unterdrückung: Besonderheiten der Frauenforschung in den Sozialwissenschaften. In: Unterkirchen L, Wagner I (Hrsg) Die andere Hälfte der Gesellschaft. Österreichischer Soziologentag 1985, Wien, S 10–2.
Becker-Schmidt R, Knapp G, Schmidt B (1984) Eines ist zuwenig, beides ist zuviel. Erfahrungen von Arbeiterfrauen zwischen Familie und Fabrik. Reihe Arbeit, Bd 2. Neue Gesellschaft, Bonn
Biermann I (2002) Die einfühlsame Hälfte. Weiblichkeitsentwürfe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in Familienratgebern und Schriften der Frauenbewegung. Wissenschaftliche Reihe, Bd 140. Kleine, Bielefeld
Bock G, Duden B (1977) Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit. Zur Entstehung der Hausarbeit im Kapitalismus. In: Gruppe Berliner Dozentinnen (Hrsg) Frauen und Wissenschaft. Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen, Juli 1976. Courage, Berlin, S 118–199
Connelly R, Ghodsee K (2011) Professor mommy: finding work-family balance in academia. Rowman & Littlefield Publisher INC, Lanham/Boulder
Craig L (2007) Contemporary motherhood. The impact of children on adult time. Ashgate Publishing, Farnham
Diehl S (2014) Die Uhr, die nicht tickt: Kinderlos glücklich. Eine Streitschrift. Arche Literatur, Zürich
Dietrich A (2007) Weiße Weiblichkeiten: Konstruktionen von „Rasse“ und Geschlecht im deutschen Kolonialismus. transcript, Bielefeld
Dolderer M, Holme H, Jerzak C, Tietge A (2018) O Mother, Where Art Thou? (Queer-)feministische Perspektiven auf Mutterschaft und Mütterlichkeit. Westfälisches Dampfboot, Münster
Donath O (2016) #regretting motherhood. Wenn Mütter bereuen. Albrecht Knaus, München
Eckert L (2016) Atmosphären/Mütter*//social media oder Mamaspheres als transnationale Utopie. Vortrag im Rahmen des Berufungsverfahrens für die W1 Juniorprofessur „Literatur- und medienwissenschaftliche Genderforschung“ am Institut für Neuere deutsche Literaturwissenschaft, der FernUniversität Hagen 30.11.16
Edition F (2019) Jutta Allmendinger: „Im Moment gibt es ein kleines Revival der Abhängigkeit vom Ehemann“. https://editionf.com/jutta-allmendinger-soziologin-karriere-frauenrollen/. Zugegriffen am 13.11.2019
Evans E, Grant C (2008) Mama, PhD. Woman write about motherhood and academic life. Rutgers University Press, New Brunswick
Evertsson M (2013) The importance of work: changing work commitment following the transition to motherhood. Acta Sociologica 56(2):139–153
Firestone S (1970) The dialectic of sex. The case of feminist revolution. Morrow and Co., New York
Greenlee J (2014) The political consequences of motherhood. The University of Michigan Press, Ann Arbor
Guitérrez-Rodrigues E (2010) Migration, demostic work and affect: a decolonial approach on value and the feminization of labor. Routledge, New York
Gysi J, Meyer D (1993) Leitbild: berufstätige Mutter. DDR-Frauen in Familie, Partnerschaft und Ehe. In: Helwig G, Nickel HM (Hrsg) Frauen in Deutschland 1945 – 1992. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, S 139–165
Hallstein DL, O’Reilly A (2012) Academic motherhood in a post-second wave context. Challenges, strategies & possibilities. Demeter Press, Toronto
Hausen K (1976) Die Polarisierung der „Geschlechtscharaktere“. Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben. In: Conze W (Hrsg) Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Neue Forschungen. Industrielle Welt, Bd 21. Ernst Klett, Stuttgart, S 363–393
Herwartz-Emden L (1995) Mutterschaft und weibliches Selbstkonzept. Eine interkulturell vergleichende Untersuchung. Juventa, Weinheim
Hess J, Rusconi A, Solga H (2011) „Wir haben dieselben Ziele …“ – Zur Bedeutung von Paarkonstellationen und Disziplinenzugehörigkeit für Karrieren von Frauen in der Wissenschaft. In: Cornelißen W, Rusconi A, Becker R (Hrsg) Berufliche Karrieren von Frauen. Hürdenläufe in Partnerschaft und Arbeitswelt. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S 65–104
Hochschild AR, Machung A (2003) The second shift. Penguin Books, New York
Holman L, Stuart-Fox D, Hauser CE (2018) The gender gap in science: how long until women are equally represented? PLoS Biol 16(4)
Irigaray L (1979) Das Geschlecht, das nicht eins ist. Merve, Berlin
Kleikamp T (2017) Akademikerpaare werden Eltern – Rollenfindung, Bewältigungsstrategien, Belastungsfaktoren. Barbara Budrich, Opladen
Kortendieck B (2010) Familie. Mutterschaft und Vaterschaft zwischen Traditionalisierung und Modernisierung. In: Becker R, Kortendieck B (Hrsg) Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, S 442–453
Krüger-Kirn H, Wolf L (2019) Mutterschaft zwischen Konstruktion und Erfahrung. Aktuelle Studien und Standpunkte. Barbara Budrich, Opladen
Leinfellner S (2014) „Ich hatte ein paar mehr Kämpfe auszustehen als mein Mann.“ Dual-Career-Couples auf der Suche nach den Faktoren für gutes Leben und Arbeiten in der Wissenschaft. Gender Z Geschlecht Kult Ges 6(3):78–93
Lewis J (2001) The end of marriage? Individualism and intimate relations. Edward Elgar, Cheltenham
Lukoschat H, Walther K (2008) Kinder und Karrieren. Die neuen Paare. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Lutz H (2007) Vom Weltmarkt in den Privathaushalt. Die neuen Dienstmädchen im Zeitalter der Globalisierung. Barbara Budrich, Opladen
Mason MA, Goulden M (2002) Do babies matter? The effect of family formation on the lifelong careers of academic men and women. Academe 88(6):21–27
Mason MA, Goulden M (2004) Do babies matter (part II)? Closing the baby gap. Academe 90(6):10–15
Mead M (1954) Some theoretical considerations on the problem of mother-child separation. Am J Orthopsychiatry 24(3):471–483
Mead M (1962) A cultural anthropologist’s approach to maternal deprivation. Public Health Pap 14:45–62
Mecklenbrauck A, Böckamnn L (2013) The Mamas and the Papas. Reproduktion, Pop & widerspenstige Verhältnisse. Ventil, Mainz
Mengel F, Sauermann J, Zolitz U (2019) Gender bias in teaching evaluations. J Eur Econ Assoc 17(2):535–566
Meuser M (2001) Männerwelten. Zur kollektiven Konstruktion hegemonialer Männlichkeit. Schr Essen Kollegs Geschlechterforsch 1(2):5–32
Notz G (1991) „Du bist als Frau um einiges mehr gebunden als der Mann“. Die Auswirkungen der Geburt des ersten Kindes auf die Lebens- und Arbeitsplanung von Müttern und Vätern. J.H.W. Dietz, Bonn
Parreñas RS (2001) Mothering from a distance: emotions, gender, and intergenerational relations in Filipino transnational families. Fem Stud 27(2):361–390
Peskowitz M (2005) The truth behind the mommy wars: who decides what makes a good mother? Seal Press, Emeryville
Philosophie Magazin und Reclam Verlag (Hrsg) (2018) Warum haben wir Kinder?: Kluge Antworten auf eine der drängendsten Lebensfragen. Reclam, Ditzingen
Possinger J (2013) Vaterschaft im Spannungsfeld von Erwerbs- und Familienleben. „Neuen Väter“ auf der Spur. Springer Fachmedien, Wiesbaden
Reusch M (2018) Emanzipation undenkbar? Mutterschaft und Feminismus. Westfälisches Dampfboot, Münster
Rich A (1986) Of Woman Born. Motherhood as Experience and Institution. W.W. Norton & Company Ltd, New York/London
Sänger E, Dörr A, Scheunemann J et al (2013) Embodying Schwangerschaft: pränatales Eltern- Werden im Kontext medizinischer Risikodiskurse und Geschlechternormen. Gender Z Geschlecht Kult Ges 5(1):56–71
Schadler C (2013) Vater, Mutter, Kind werden: eine posthumanistische Ethnographie der Schwangerschaft. transcript, Bielefeld
Scheele A, Wöhl S (2018) Feminismus und Marxismus. Beltz Juventa, Weinheim
Seidel I (1930) Das Wunschkind. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart
Smyth L (2012) The demands of motherhood. Agents, roles and recognition. Palgrave Macmillan, London
Sonnert G (2005) Geteiltes soziales Kapital oder innerpartnerschaftliche Konkurrenz in Dual Career Couples? In: Solga H, Wimbauer C (Hrsg) „Wenn zwei das Gleiche tun …“ Ideal und Realität sozialer (Un-)Gleichheit in Dual Career Couples. Barbara Budrich, Opladen, S 101–122
Statistisches Bundesamt, CEWS (2017) Fachserie 11, Reihe 4.4
Tazi-Preve M (2013) Motherhood in patriarchy. Animosity toward mothers in politics and feminist theory – proposals for change. Barbara Budrich, Leverkusen/Opladen
Thiessen B, Villa P (2008) Die „Deutsche Mutter“ – ein Auslaufmodell? Überlegungen zu den Codierungen von Mutterschaft als Sozial- und Geschlechterpolitik. In: Brunner J (Hrsg) Mütterliche Macht und väterliche Autorität. Elternbilder im deutschen Diskurs. Wallstein, Göttingen, S 277–292
Tolasch E (2016) Die protokollierte gute Mutter in Kindstötungsakten. Eine diskursanalytische Untersuchung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Tolasch E, Seehaus R (2017) Mutterschaften sichtbar machen. Sozial- und kulturwissenschaftliche Beiträge. Geschlechterforschung für die Praxis, Bd 4. Barbara Budrich, Opladen
Villa P, Thiessen B (2009) Mütter – Väter: Diskurse, Medien, Praxen. Forum Frauen- und Geschlechterforschung, Bd 24. Westfälisches Dampfboot, Münster
Vinken B (2001) Die deutsche Mutter. Der lange Schatten eines Mythos. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main
Walgenbach K (2005) „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur. Koloniale Diskurse.“ Koloniale Diskurse über Geschlecht, „Rasse“ und Klasse im Kaiserreich. Campus, Frankfurt am Main
Walker R, van Zyl L (2017) Towards a professional model of surrogate motherhood. Palgrave Macmillan, London
Ward K, Wolf-Wendel L (2004) Academic motherhood: managing complex roles in research universities. Rev High Educ 27(2):233–257
West JD, Jacquet J, King MM, Correll SJ, Bergstrom CT (2013) The role of gender in scholarly authorship. PLoS ONE 8(7)
Weyrahter I (2015) Muttertag und Mutterkreuz. Der Kult um die „deutsche Mutter“ im Nationalsozialismus. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main
Williams J (2000) Unbending gender: why family and work conflict and what to do about it. Oxford University Press, Oxford/New York
Williams K, Kurz T, Summers M et al (2012) Discursive constructions of infant feeding: the dilemma of mothers’ ‚guilt‘. Fem Psychol 23(3):339–358
Wojahn K (2019) Berufspendelnde Mütter: Ambivalenzen – Grenzen – Kritik. Barbara Budrich, Opladen
Zündorf I, Dingermann T (2012) Kommt bald die Pille für den Mann? Pharm Unserer Zeit 41(6):442–443
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2020 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Eckert, L. (2020). Mutter_Wissen_schaftler*in – ein paradoxes Phänomen?. In: Czerney, S., Eckert, L., Martin, S. (eds) Mutterschaft und Wissenschaft. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30932-9_2
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-30932-9_2
Published:
Publisher Name: Springer, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-30931-2
Online ISBN: 978-3-658-30932-9
eBook Packages: Business and Economics (German Language)