Unter einem virtuellen Team wird im Allgemeinen die Zusammenarbeit einer Gruppe von Personen auf Distanz mithilfe von Technologie verstanden. Anfang der 2000er Jahre wurde dies zumeist nur temporär praktiziert als Zusammenschluss mehrerer Fachkräfte für ein bestimmtes Projekt oder für einen entsprechenden Zeitraum zur Erarbeitung und zur Durchführung bestimmter Projekte. Vor allem in den letzten fünf Jahren kommt es zunehmend häufig vor, dass ganze Abteilungen dauerhaft durch virtuelle Teams repräsentiert werden oder dass diese von zwei Standorten des Unternehmens aus zusammenarbeiten.

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Fast jeder Arbeitnehmer arbeitet in irgendeiner Form virtuell mit anderen zusammen, sei es über E-Mail oder durch ein Tag Homeoffice pro Woche. Jedoch sind reine virtuelle Teams und die Arbeit von Zuhause (Homeoffice) immer noch selten und nach meiner Erfahrung präferiert die überwiegende Mehrheit von Unternehmen und Arbeitnehmern eher die klassische Arbeit im Büro.

Die Zusammenarbeit von virtuellen Teams ist standortunabhängig und erlaubt es Experten aus verschiedenen Bereichen, länder- und sogar zeitzonenübergreifend miteinander zu arbeiten. Die Videotelefonie dient dabei in der Regel als Kommunikationskanal für digitale Konferenzen. Weitere Kollaborationstechnologien, die ebenfalls von Bedeutung sind, werden in Kap. 3 erläutert. Als Gründe für die zunehmende Etablierung von virtuellen Teams können verschiedene Trends oder Ereignisse der letzten Jahre genannt werden. Die wichtigsten sind:

  • Arbeit 4.0/Homeoffice

  • COVID-19-Pandemie im Jahr 2020

  • Outsourcing

  • Vergünstigung von Technologie

1.1 Arbeit 4.0 und Homeoffice

Der Begriff ‚Arbeit 4.0‘ beschreibt die Zukunft der Arbeit im digitalen Zeitalter. Hintergrund sind vor allem die Chancen (aber auch die Probleme), die sich durch den durch den zunehmenden Einsatz von Technologie im Arbeitsmarkt und in den generellen Strukturen von Unternehmen ergeben. Ähnliches gilt für das Schlagwort ‚New Work‘, das 2004 aufgekommen ist und nach meinem Verständnis hauptsächlich für die orts- und zeitflexible Arbeit unter den Bedingungen der Digitalisierung (z. B. Homeoffice) steht (vgl. Lindner et al. 2018).

Im Jahr 2019 hat das Businessnetzwerk Xing über 17.000 seiner Mitglieder zum Thema Gehalt befragt und ein wesentliches Ergebnis ist, dass jeder zehnte XING-Nutzer für eine Arbeit, die sinnvoller erscheint und mehr Work-Life-Balance (Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit) bietet, den Job wechseln würde. Laut der Studie legt insbesondere die Generation Y (Geburtsjahr 1980–1995) mehr Wert auf Work-Life-Balance im Job als auf den ‚reinen Gehaltscheck am Ende des Monats‘.

In Zeiten des Fachkräftemangels setzen Firmen verstärkt auf die Erprobung spezieller Gleitzeit- und Vertrauensarbeitszeitmodelle sowie auf ortsflexible Arbeit durch virtuelle Teams oder indem sie Homeoffice genehmigen. Laut einer Befragung (vgl. Bitkom 2018) von über 800 Arbeitnehmern bestand schon vor COVID-19 in immer mehr Unternehmen die Möglichkeit für Homeoffice – 2014 waren es 22 % und 2018 schon 39 %.

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Unter Homeoffice wird im Allgemeinen die Verrichtung von Arbeit außerhalb der Gebäude des Arbeitgebers verstanden. Der Gesetzgeber verwendet dafür den Begriff Tele(-heim)-arbeit. Der Ausdruck Homeoffice ist im englischsprachigen Raum nicht in dieser Bedeutung gebräuchlich, hier wird von ‚remote‘ arbeiten gesprochen.

Um zu ermitteln, wie viel Zeit Arbeitnehmer im Homeoffice verbringen möchten, habe ich eine Studie durchgeführt (vgl. Lindner und Niebler 2018) und Fachkräfte nach der Zeit im Homeoffice befragt. Das Ergebnis ist in der Abb. 1.1 dargestellt. Es zeigt, dass Arbeitnehmer zunehmend mehr Zeit im Homeoffice verbringen können und auch gerne oftmals sogar mehr Zeit im Homeoffice verbringen würden. Jedoch ist dieser Wunsch ab drei Tagen Homeoffice pro Woche nicht mehr vorhanden. Die Statistik zeigt auf der linken Seite die aktuelle Zeit (pro Woche in Tagen), die im Homeoffice verbracht wird. Die Teilnehmer wurden befragt, ob sie dies als ausreichend empfinden oder ob mehr Zeit im Homeoffice gewünscht wird. Dabei fällt auf, dass viele Arbeitnehmer in der Befragung gar kein Homeoffice wünschen und dass sich die Mehrheit für ein bis zwei Tage Homeoffice pro Woche ausspricht.

Abb. 1.1
figure 1

Anzahl der aktuellen Homeoffice-Tage und Wunsch nach mehr Zeit im Homeoffice in Deutschland (Lindner und Niebler 2018)

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Homeoffice ist in Deutschland weiterhin ein Privileg. Vor der COVID-19-Pandemie haben in Deutschland bis zu 5 % der Arbeitnehmer (vgl. Eurostat 2018) im Homeoffice gearbeitet. Dagegen sind es in den Niederlanden mit 14 %, in Finnland mit 13,3 % und in Österreich mit 10 % deutlich mehr.

1.2 COVID-19-Pandemie im Jahr 2020

Im Rahmen der Sicherheitsmaßnahmen bedingt durch die COVID-19-Pandemie erhielten relativ unvermittelt nahezu alle Mitarbeiter der Unternehmen die Möglichkeit, von Zuhause aus zu arbeiten. Ausgehend von dieser Erfahrung will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD; vgl. Zeit 2020a) das Recht auf Arbeit von Zuhause aus sogar gesetzlich verankern und noch 2021 einen Gesetzesentwurf vorlegen. Laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (vgl. IAB 2020) arbeiten aktuell (04/2020) knapp 25 % der deutschen Arbeitnehmer aufgrund von COVID-19 ausschließlich im Homeoffice. Vorher waren dies laut Schätzungen lediglich 5 %. Kurz nach der Hochphase des Lockdowns geht die Quote für Homeoffice allerdings bereits wieder nach unten (10 %) und wird laut Prognose wieder auf 7,5 % fallen, was weiterhin ein sehr geringer Anteil virtueller Arbeit ist (vgl. Abb. 1.2).

Abb. 1.2
figure 2

Anteil der Arbeitnehmer im Homeoffice

Der Grund für diesen geringen Anteil ist, dass die Arbeit im Homeoffice wie auch in virtuellen Teams nicht üblich und einfach umsetzbar ist. So sind nach einer Befragung von 1000 Angestellten des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (2020) über 45 % der Unternehmen nicht bereit, Homeoffice anzubieten, außerdem wünschen sich (lediglich) 58 % der Angestellten ausdrücklich Homeoffice von ihrem Arbeitgeber.

Schon die aktuelle Berichterstattung zu COVID-19 und den Konsequenzen für die Arbeitswelt zeigt, dass wenige Unternehmen wirklich auf virtuelle Arbeit vorbereitet sind (vgl. Handelsblatt 2020a), dass viele Mitarbeiter keine Erfahrung hatten, wie die Arbeit von Zuhause organisiert werden kann und dass die zusätzliche Kinderbetreuung Familien das Arbeiten von Zuhause erschwert (vgl. Handelsblatt 2020b).

Was die Unternehmen angeht, so fehlt es vielfach an ausreichender technischer Infrastruktur (z. B. Kollaborationssoftware) und entsprechenden Betriebsvereinbarungen. Auch gibt es Bedenken aufseiten der Manager, dass Mitarbeiter im Homeoffice weniger leistungsfähig seien und Arbeit nicht kontrolliert werden könne, weshalb die Genehmigung oft nicht erteilt wird. Auch bei den Arbeitnehmern im Homeoffice können sich die Einrichtung des eigenen Büros, die Bereitstellung eines Internetanschlusses mit ausreichender Datenübertragungsrate sowie die notwendige Organisation zwischen Familie und Arbeit als problematisch erweisen. Besonders die Kinderbetreuung stellt Familien aktuell vor eine Zerreißprobe. Kindergeschrei während der Videokonferenz und Störungen im Arbeitslauf machen das Arbeiten von Zuhause für viele Familien weniger effizient (vgl. Zeit 2020b).

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Die Bedenken von Führungskräften, dass im Homeoffice nichts gearbeitet werde, sind in der Regel unbegründet. Im Rahmen einer Befragung von 30.000 Angestellten fand das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (2019) heraus, dass im Homeoffice durchschnittlich 4 h mehr pro Woche gearbeitet wird als im Büro.

1.3 Outsourcing

Outsourcing wird allgemein verstanden als die Abgabe von Unternehmensaufgaben an externe Dienstleister, die sich oftmals im Ausland befinden. Outsourcing im europanahen Raum wird als Nearshoring bezeichnet, wenn es weltweit stattfindet (z. B. in Indien), ist von Offshoring die Rede. Die größeren Herausforderungen bestehen in der Regel im Offshoring, da neben den üblichen Anforderungen auch sprachliche und kulturelle Unterschiede zu berücksichtigen sind, während diese im Nearshoring, beispielsweise zwischen Deutschland und Rumänien, weniger entscheidend sind. Ihre eigenen Mitarbeiter arbeiten dabei anschließend virtuell mit dem Outsourcing Provider zusammen.

Da viele Unternehmen mittlerweile ihre Dienstleistungen outsourcen, gewinnen die virtuellen Teams zunehmend an Bedeutung und werden künftig eine immer größere Rolle bei der Entwicklung von Unternehmen spielen. Laut einer Erhebung von Statista (2020) liegt der Umsatz durch Outsourcing bei deutschen Unternehmen in der IT-Infrastruktur und in der Administration für das Jahr 2019 bei über 15 Mrd. EUR und ist damit in den vergangenen fünf Jahren fast kontinuierlich gestiegen. Unternehmen profitieren vor allem davon, dass wenig relevante Arbeit günstig abgegeben und der Fokus auf das Kerngeschäft gelegt werden kann.

1.4 Vergünstigung von Technologie

Ein weiterer Faktor, der die virtuelle Zusammenarbeit begünstigt, ist der Zugang zu Technologie. Um sinnvoll virtuell zusammenarbeiten zu können, wird eine bestimmte mobile Soft- und Hardware benötigt.

Software war bis vor einigen Jahren noch vergleichsweise kostenintensiv. Mittlerweile können günstige Pakete als Software as a Service (SaaS) erworben werden. SaaS bietet die Möglichkeit, Anwendungen direkt über das Internet bzw. über den Browser zu nutzen. Dafür ist in der Regel ein internetfähiges Gerät ausreichend. Der Nutzer muss sich lediglich mit seinen Anmeldedaten in der Webanwendung einloggen (vgl. Lindner et al. 2020). Beispiele für solche Software sind:

  • ownCloud.online – Filesharing (13 EUR pro Monat)

  • Jira Cloud – Aufgabenverwaltung (10 EUR pro Nutzer pro Monat)

  • Wordpress – Website (25 EUR pro Monat)

  • Freshdesk – Support Tool (29 EUR pro Nutzer pro Monat)

Weiterhin ist eine mobile Hardware, z. B. ein Laptop, für eine ortsflexible Arbeit erforderlich. Diese Technologie wurde noch vor einigen Jahren von den Unternehmen als zu teuer betrachtet und es wurde kein Nutzen darin gesehen (vgl. Abb. 1.3).

Abb. 1.3
figure 3

Häufig war Technologie in den letzten Jahren für Unternehmen zu teuer und wurde daher als unwirtschaftlich angesehen

Mittlerweile gibt es günstige Laptopmodelle für 100–300 EUR, die für den normalen Gebrauch oft ausreichend sind. In zehn Jahren ist laut einer Befragung der GfK (2019) der Preis für einen Laptop von durchschnittlich 1000 EUR (2005) auf knapp 600 EUR (2015) gesunken.

1.5 Fazit

Die virtuelle Zusammenarbeit wird durch die vier genannten Trends bzw. Ereignisse wesentlich gefördert. Ein Hauptpunkt in der Entwicklung der kommenden Jahre wird wohl die COVID-19-Pandemie bleiben, durch die sich die Unternehmen relativ unvermittelt dazu gezwungen sahen, Homeoffice zu erproben und virtuell zusammenzuarbeiten. Die weiteren Aspekte, Arbeit 4.0, Outsourcing und die Vergünstigung von Technologie, tragen schon seit Jahren wesentlich zur Etablierung neuer virtueller Arbeitsmodelle bei.

Trotz dieser Treiber sind virtuelle Teams und Homeoffice noch als Nischenthema zu betrachten und kaum etabliert. Nur etwa 25 % der deutschen Arbeitnehmer arbeiten aktuell (04/2020) aufgrund von COVID-19 im Homeoffice und weniger als die Hälfte der deutschen Unternehmen ist generell bereit, Homeoffice zu genehmigen. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass virtuelle Teams tiefe Einschnitte in bestehende Unternehmensprozesse bedeuten und nicht jedes Unternehmen sich dieser Veränderung stellen möchte (vgl. Abb. 1.4).

Abb. 1.4
figure 4

Virtuelle Teams bewirken tiefe Einschnitte in die Unternehmensprozesse, weshalb sie oftmals im Unternehmen nicht genehmigt werden