Zusammenfassung
Im neunten Kapitel werden wir nun das sozialisationstheoretische Modell der Habitusgenese vertiefen. Zunächst einmal bietet der Begriff des Habitus eine Antwort auf die Frage, worin die soziale Handlungs- und Orientierungsfähigkeit einer Person bestehen könnte, die am Ende des Sozialisationsprozesses stehen soll, folgt man den Überlegungen von Matthias Grundmann oder Klaus Hurrelmann, die wir am Anfang von Kapitel vier bei der Diskussion von Definition der Sozialisation kennengelernt hatten. Im Abschn. 9.1 werden wir zunächst zentrale Aspekte des Bourdieu’schen Habituskonzepts in sozialisationstheoretischer Hinsicht rekapitulieren. Dabei werden seine Vorstellungen zu pädagogischer Kommunikation und insbesondere zur Habitusgenese als Ergebnis pädagogischer Arbeit nachvollzogen. Wichtig ist zudem die Rekonstruktion von Bourdieus Konzeption einer stufenförmigen Entwicklung des Habitus im Rahmen der sukzessiven Einbettung des Individuums in unterschiedliche soziale Kontexte (Abschn. 9.1). Anschließend an diese theoretische Rekonstruktion beschäftigen wir uns sehr ausführlich mit einer neueren bildungssoziologischen und sozialisationsanalytischen Langzeitstudie von Forscherinnen und Forschern der Universität Halle. Wir befassen uns mit dieser ‚echten‘ qualitativen Längsschnittstudie, um nachzuvollziehen, welche methodischen Anforderungen eingehalten werden sollten, um den Prozess der Habitusgenese im Rahmen biografischer Langzeitforschung angemessen empirisch zu untersuchen (Abschn. 9.2). Danach beschäftigen wir uns mit einigen weiteren Studien, die ähnlich wie die Hallenser Studie auf qualitativem Weg Habitusgenese erforschen (Abschn. 9.3).
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Glossar
Glossar
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Strukturgenese
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Der Begriff bezeichnet den Entstehungsprozess von Strukturen bzw. Mustern jedweder Art, wie Wahrnehmungsmuster, Urteilsmuster, Bewertungsmuster, Deutungsmuster, Verhaltensmuster usf.
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Habitus
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Das Repertoire der individuell inkorporierten Handlungsvermögen, innerhalb dessen mehr oder weniger situativ passende Praktiken hervorgebracht werden.
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Habitus, primär, sekundär, tertiär
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Der Habitus als Repertoire von Praktiken lässt sich über den Sozialisationsprozess hinweg phasenspezifisch unterscheiden. Der primäre Habitus bezeichnet das Handlungsrepertoire des Akteurs in der frühen Kindheit innerhalb der Familie, der sekundäre Habitus das Repertoire der Schulzeit und der tertiäre Habitus bezeichnet das Handlungsrepertoire im Erwachsenenalter.
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Habitusgenese
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Der Begriff bezeichnet den Entstehungsprozess des Habitus als Wahrnehmungs-, Urteils-, Bewertungs- und Verhaltensmuster.
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Habitusreproduktion
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Damit wird der Umstand beschrieben, dass sich der Habitus als Muster gleichförmig wiederherstellt und dadurch über die Zeit stabil bleibt.
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Habitustransformation
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Mit diesem Begriff wird der Prozess der Veränderung bzw. Wandlung eines Habitus ausgedrückt.
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Milieu
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Mit Milieu wird ein sozialer Kontext als ein Erfahrungsraum beschrieben, den Angehörige des Milieus als Lebenspraxis miteinander teilen. Die Angehörigen des gleichen Milieus müssen sich dabei nicht persönlich kennen, um über gleichartige Erfahrungen alltäglicher Praxis zu verfügen.
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pädagogische Aktion
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Handlung der Übermittlung bzw. Weitergabe eines beliebigen, jedoch ausgewählten kulturellen Inhalts an einen pädagogischen Empfänger (Kind, Schüler, Auszubildender usf.).
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pädagogische Autorität
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Instanz, die mit der Übermittlung kultureller Weitergabe beauftragt ist. Sie erscheint als legitime Übermittlungsinstanz, so dass die Formen der Übermittlung und die übermittelten Inhalte ebenfalls als legitim erscheinen.
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pädagogische Arbeit
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Der Begriff bezeichnet die Dauer und das Ausmaß an pädagogischen Aktionen, die benötigt werden, damit die Empfänger pädagogischer Aktionen in der Lage sind, die übermittelten Inhalte (kulturell als passend angesehenen Praktiken) regelmäßig selbstständig auszuüben vermögen, d. h. die übermittelten kulturellen Praktiken inkorporiert haben (intuitiv beherrschen).
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Selbstelimination
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Der Begriff beschreibt einen Prozess der sozialen Laufbahn, in dem sich eine Person durch die Aufgabe von (eigenen) Zielen selbst die Möglichkeit nimmt, zunächst angestrebte soziale Positionen zu erreichen, z. B. den Verzicht auf höhere Bildungslaufbahnen.
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Persistenz (von habitualisierten Aspirationen)
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Der Begriff kennzeichnet umgekehrt den Umstand, dass Personen an ihren sozialen (z. B. bildungsmäßigen) Ambitionen dauerhaft festhalten.
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Corsten, M. (2020). Sozialisation und Lebenslauf als Habitusgenese. In: Lebenslauf und Sozialisation. Studientexte zur Soziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30397-6_9
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