Zusammenfassung
„Sanctions are coming“ twitterte US-Präsident Donald Trump am 2. November 2018 aus Anlass der von ihm im Mai 2019 verhängten und am 5. November 2018 in Kraft tretenden Sanktionen gegen den Iran. So ungewöhnlich wie diese nonkonformistische, sich von der offiziellen PR des Weißen Hauses abkoppelnde politische Kommunikation ist deren bildliche Form. In Farbigkeit und Typographie der Mittelalter-Fantasy-TV-Serie „Game of Thrones“ ähnelnd, überhöhte der Tweet eine außenpolitische Entscheidung zu einem mythischen Showdown. Der Beitrag untersucht den Tweet als Ikone des neuen Populismus und definiert als dessen Charakteristikum „ästhetische Politik“ im Unterschied zur „politischen Ästhetik“ und zur „Ästhetisierung der Politik“.
Dem Andenken von Martin Warnke.
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Notes
- 1.
Seeßlen deutet die zur Schau gestellte „Breite“ Trumps als Ikonologie des „Selfmademan“.
- 2.
Simms’ und Ladermanns Untersuchung basiert ausschließlich auf dem Vergleich von Texten.
- 3.
Ina Ruck verweist hier auch auf Ähnlichkeiten der Bühnenästhetik Putins und Trumps bei öffentlichen Auftritten.
- 4.
Mit „Der Pate“ stammt Trumps Lieblingsfilm allerdings aus dem Mafia-Milieu. Vgl. Simms und Ladermann 2017, S. 41.
- 5.
Die Düsternis dieser Bildlichkeit entspricht auch einem nur halb ironisch gemeinte, Politik, Religion und Kino verknüpfenden Statement des ehemaligen „Chefstrategen“ Trumps, Steve Bannon: „Finsternis ist gut. Dick Cheney, Darth Vader, Satan. Das ist Macht“. Zit.n.: Seeßlen 2017, S. 15.
- 6.
Trumps Rache dafür ist möglicherweise ein Faktor der gezielten Tötung Soleimanis am 03. Januar 2020; vgl. o.A. 2020.
- 7.
Die Moskauer Ausstellung „Super-Putin“ ließ offen, ob es sich um „ernstgemeinte Propaganda oder ironische Kunst“ handelt und nimmt damit die Qualität des „Sanctions“-Tweets von Trump vorweg.
- 8.
Anders als der 1979 von Jürgen Habermas herausgegebene Sammelband „Zur geistigen Situation der Zeit“ mit einem Beitrag von Martin Warnke enthält die 2017 erschienene zwingende Zeitdiagnose keinen Beitrag der Kunst- und Bildgeschichte.
- 9.
Der Zusammenhang erinnert an das immer wieder kontrovers diskutierte Verhältnis von Walter Benjamin zu Carl Schmitt. Vgl. Bredekamp 1998.
- 10.
Rodriguez‘ Idee, Trumps Gesicht ohne Augen zu zeichnen, gehört in die Ikonologie von Ridley Scotts „Alien“ (1979). Andere Grafiken von Rodriguez zeigen Trump als Super-Meteoriten im Angriff auf den Erdball wie in „Deep Impact“ (Regie: Mimi Leder 1998) oder als auf Washington zurollenden Super-Tsunami wie in „2012“ (Regie: Roland Emmerich 2009).
- 11.
Vielmehr handelt Seeßlens Studie über das Problem der Postfaktizität in der Politik und „davon, dass die Demokratie, so wie wir sie kannten […], mit allen ihren Schwächen und Widersprüchen, nicht mehr der Normalfall sein wird und dass ihre Erzählung langsam im Nebel eines Diskursmärchens verschwindet“ (S. 137).
- 12.
Die beim NATO-Gipfel in Brüssel Anfang Juli 2018 angedeutete, innerhalb weniger Minuten wieder rückgängig gemachte Drohung Trumps, aus der NATO auszutreten, war dafür wohl das extreme Beispiel.
- 13.
Auch weil die Vorgeschichte der ästhetischen Politik im Sinne intuitiver politischer Entscheidungen genuin mit der Militärgeschichte zusammenhängt, ist dieser Moment von so großer ideengeschichtlicher Bedeutung. Thomas Mann und Jean de Pierrefeu erklären das Unheil des 1. Weltkrieges auch mit der damaligen Überbewertung von Intuition und Instinkt durch politische und militärische Entscheider. Vgl. Probst 2017, S. 15.
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Probst, J. (2020). Was ist „Ästhetische Politik“?. In: Panreck, IC. (eds) Populismus – Staat – Demokratie. Staat – Souveränität – Nation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30076-0_2
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