Zusammenfassung
Die BBC-Miniserie The Hour (2011–2012) dreht sich um die Entstehung eines neuen Nachrichtenmagazins zur Zeit der Sueskrise, welches die Trivialität der allgemeinen journalistischen Berichterstattung überwinden will. Dabei revolutioniert es nicht nur auf innerdiegetischer Ebene die Geschichte des Fernsehjournalismus, sondern fungiert auch auf extradiegetischer Ebene als eine Art Spiegel für die Serie selbst. Tatsächlich weist sie eine interessante mise en abyme-Struktur auf und denkt den Moment des Endes beziehungsweise auch des Fragmentarischen, des Bruchs, des Tods wie kaum eine andere stetig mit. Konkret geht es dabei unter anderem um den Einsatz von Selbstreflexivität, die Thematisierung von geschichtlichen Umbrüchen oder die Einbindung des Mediums der Fotografie.
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Notes
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The Hour erhielt unter anderem vier Golden Globe-, drei Emmy- und neun BAFTA-Nominierungen. Ausgezeichnet wurde die Serie 2011 beim Festival Tous Écrans sowohl mit dem Publikumspreis in der Kategorie Best International Television Series als auch mit dem Le Reflet d’Or in der Kategorie Best International Television Series), 2012 mit dem Broadcasting Press Guild Award (in der Kategorie Best Actor für Dominic West) sowie 2013 nachträglich noch mit dem Primetime Emmy Award in der Kategorie Outstanding Writing for a Miniseries, Movie or a Dramatic Special (vgl. IMDb 2019).
- 2.
Der Begriff miniseries kam in den 1960er Jahren in den USA auf und gewann ab den 1970er Jahren unter anderem durch Serien wie Rich Man, Poor Man (1976) oder Roots (1977) an Kontur.
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Vgl. hierzu zum Beispiel den Entschluss, der zwecks der Zuordnung bei den Emmy Awards gefasst wurde: „The TV Academy […] took on the drama series-miniseries debate, renaming the miniseries category as limited series and looking to more clearly define the distinction between series and limited series, with ‚an ongoing storyline, theme and main characters‘ from season to season required for series consideration. The tweaks would no longer allow British shows that produce a handful of episodes a year, like Luther and Sherlock, to compete as miniseries, something they had successfully done until now“ (Andreeva 2015). Insgesamt aber muss festgehalten werden, dass der Begriff Miniserie weiterhin unscharf bleibt, was sich immer dann zeigt, wenn eine als Miniserie beworbene Produktion aufgrund ihres Erfolgs in die zweite Staffel geht (zuletzt die deutsch-luxemburgische Koproduktion von ZDF und arte Bad Banks [seit 2018]) oder wenn eine Serie nur zunächst limited series genannt wird, obwohl man bereits Potenzial für die Fortführung sieht (wie bei der US-amerikanischen, im Jahr 2017 ausgestrahlten Serie Big Little Lies [2017–2019]).
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Eine ähnlich starke Engführung von Serie und Serie in der Serie erleben wir zu Beginn der dritten Folge der ersten Staffel, in der wir als Zuschauer_innen einem Mord beiwohnen, der, wie sich erst im Verlauf der Sequenz herausstellt, dramaturgischer Höhepunkt einer neuen fiktiven BBC-Serie mit dem bezeichnenden Titel „The Man Who Knew“ ist (S1E3). Ironischerweise wird auch diese Sendung abgesetzt.
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Vgl. zum Ende als Zäsur in Fernsehserien allgemein Hahn 2016, S. 83.
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Ästhetisch werden wir in die Umbruchsthematik bereits über die Vorspanne eingeführt, die den Stil der 1950er Jahre aufgreifen sowie in der Manier Saul Bass’ mit grafischen Mitteln arbeiten. In dem Vorspann der ersten Staffel sind vor schwarzem Hintergrund verschiedene abstrakte, sich zusammen- und auseinanderbewegende Figuren in blau zu sehen, die unter anderem die Assoziation eines Kreuzworträtsels, in dem sich die Lösung für den Kriminalfall verbirgt, hervorrufen. Interessant ist, dass während die Figuren im Vorspann der ersten Staffel immer wieder eine Ganzheit in der Form eines Quadrats bilden, im Vorspann der zweiten Staffel an die Stelle des Kreuzworträtsels die Figur eines Aufnahme- oder auch Ausstrahlungsgeräts gesetzt wird, das Wellen aussendet, die mit ihrer Fließbewegung aus dem Bild hinausweisen. Damit konzentriert sich der zweite Vorspann sehr viel mehr auf mediale und serielle Aspekte; das heißt, es findet ein Umbruch statt – weg vom Konkreten, Inhaltlichen, innerhalb einer Staffel abschließbaren Ganzen hin zu etwas Fließendem, Fortlaufendem, über mehrere Staffeln hinweg Gültigem.
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In der Forschung heißt es zu dieser Herangehensweise: „[T]he historical became available as a site of emotive and identificatory interaction. What was described as the ‚nostalgic impulse‘ actually embodied diverse perspectives and resulted in many different types of interaction, all of which cannot be defined simply as wistfulness for a lost past“ (Rymsza-Pawlowska 2014, S. 89).
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Siehe dazu etwa folgenden Wortwechsel: Hector: „I never understand women and magazines. They only ever buy them for the pictures.“ – Bel: „You’re so right. And those things called novels. Impossible, so many words…“ (S1E1, TC 21:36). Oder später: Bel: „How did you know that I like them?“ – Hector: „All beautiful women like orchids.“ – Bel: „Do they really fall for that line?“ (S1E1, TC 52:42).
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Vgl. die Beiträge auf Archive of Our Own vor dem 13. Dezember 2012, als die letzte Episode ausgestrahlt wurde.
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In Bezug auf diese Serie scheint Archive of Our Own die meist frequentierte Plattform zu sein. Es gibt auch Fortsetzungen auf anderen Seiten, aber in deutlich geringerer Anzahl. Vgl. z. B. die 39 Beiträge auf FanFiction.net.
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Verzeichnis der Fernsehserien und Filme
Bad Banks (D/LUX, 2018–, arte, created by Oliver Kienle).
Big Little Lies (USA, 2017–2019, HBO, created by David E. Kelley).
Borgen (DNK 2010–2013, DR1, created by Adam Price).
Dr. Who (UK 1963–1984, 1986–1989, 2005–2017, 2018–, BBC, created by Sidney Newman et al.).
Eternal Sunshine of the Spotless Mind (USA 2004, R: Michel Gondry).
The Hour (UK 2011–2012, BBC, created by Abi Morgan).
Rich Man, Poor Man (USA 1976, ABC, R: David Greene & Boris Sagal).
Roots (USA 1977, ABC, R: Marvin J. Chomsky et al.).
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Ellenbürger, J. (2021). The Hour . In: Fröhlich, V., Einwächter, S.G., Scheurer, M., Cuntz-Leng, V. (eds) Serienfragmente. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29951-4_9
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