Zusammenfassung
Das Kapitel widmet sich dem Zusammenhang von medialer Reiserepräsentation, ideologischer Selbstkonstitution und kapitalistischer Dynamik exemplarisch anhand des Fallbeispiels Weit. Dem Motiv des „langsam Reisens“ bzw. des dezidiert „anders Reisens“, wie es sich exemplarisch in „Weit“ realisiert findet, nähert sich die Argumentation dabei in drei Schritten: Zunächst liegt der Fokus auf zentralen ideologischen Eigenschaften, die den zeitgenössischen Reise-Diskurs prägen, um in einem zweiten Schritt zu erläutern, inwiefern diese ideologischen Eigenschaften mit den im „ästhetischen Kapitalismus“ virulent gewordenen „Begehrnissen“ korrespondieren. Anschließend wird erläutert, inwiefern diese ideologischen Zusammenhänge helfen können, die Medialität und Popularität eines Phänomens wie Weit besser zu verstehen.
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Notes
- 1.
Diese Einschränkung gilt auch im weiteren Verlauf der Analyse, die nicht den Anspruch erhebt, Reisen in seinen globalen Differenzen darzustellen, sondern sich auf die Betrachtung von Reiserepräsentationen beschränkt, die innerhalb der marktwirtschaftlichen Industriestaaten zirkulieren.
- 2.
Für den Account „Travelgram“ werden am 29.07.2019 1,5 Mio. Abonnent*innen gezählt. Vgl. Instagram (2019).
- 3.
Die hier formulierte These entwickle ich aktuell im Rahmen meines Habilitationsprojektes, das im von der VolkswagenStiftung geförderten Forschungskolleg „Neues Reisen – Neue Medien“ entsteht. Für weiterführende Informationen zu meinem Buch und dem Kolleg vgl. www.neuesreisen.uni-freiburg.de.
- 4.
Vgl. Anmerkung 1.
- 5.
Selbstverständlich soll dies nicht implizieren, jeglicher nicht-empirische Reise-Diskurs sei gänzlich unkritisch – zu Subkategorien von ‚Reise‘, wie etwa nachhaltigem Reisen, Overtourism oder Instagrammability erscheinen durchaus kritische Beiträge – es geht mir nur darum, auf das den Diskurs dominierende Merkmal der Positivität hinzuweisen.
- 6.
Für eine aktuelle Beschäftigung mit der aventiure als einem „Grundcharakteristikum von Kultur“ vgl. z. B. Mareike Böth (2017), die zurecht konstatiert, dass jede Gesellschaft ihre eigenen „Aventiure-Vorstellungen“ in „bestimmten Genres“ formuliert, „die bestimmen, welche Herausforderungen überhaupt erzählbar sind und in welcher Form dies zu geschehen hat“. (S. 281)
- 7.
Leider sagt Böhme selbst nicht, wen konkret er damit meint. Aus seinen Ausführungen leitet sich meiner Ansicht nach aber immer wieder ab, dass er sich auf die marktwirtschaftlich organisierten Industriestaaten bzw. die sog. „Staaten der Ersten Welt“ bezieht.
- 8.
Influencer, die für Reiseunternehmen agieren, haben, entgegen einer weitläufigen Annahme, vornehmlich den Auftrag, Kunden etwa für eine bestimmte Destination zu „inspirieren“ und nicht, eine direkt messbare gesteigerte Nachfrage zu produzieren. Vgl. ARD Audiothek (2019).
- 9.
An dieser Stelle folgt eine Pflanzenmetapher, die Idee zur Reise müsse wie ein Keimling versorgt oder frühzeitig gerupft werden.
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Sennefelder, A.K. (2020). Langsam Reisen, schnell vermarkten – Ideologie und Medialität aktueller Reisedokus am Beispiel von Weit. In: Pietzcker, D., Vaih-Baur, C. (eds) Ökonomische und soziologische Tourismustrends. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29640-7_7
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