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Lebenslaufforschung – eine konzeptionelle Perspektive

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Soziologische Lebenslaufforschung
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Zusammenfassung

Während der Lebenslauf bisher als Forschungsobjekt thematisiert wurde, geht es hier um den Lebenslauf im Sinn einer Forschungsperspektive. Dabei werden zunächst die gängigen Prinzipien der Lebenslaufforschung dargestellt; deren Erörterung zeigt, dass sie lebenslauftheoretisch unzureichend sind und soziologische Lebenslaufforschung nicht als ein eigenständiges Forschungsfeld begründen können. Anschließend werden die beiden analytischen Grundkonzepte der Lebenslaufforschung („transition“ und „trajectory“) behandelt; deren Diskussion zeigt, dass diese lebenslauftheoretisch um ein drittes Grundkonzept („turning point“) zu ergänzen sind.

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Notes

  1. 1.

    Vom Lebenslauf nicht als Forschungsobjekt, sondern einer Forschungskonzeption zu reden, irritiert: Termini wie „Bildung“, „Wirtschaft“, „Organisation“, „Religion“ oder „Familie“ bezeichnen üblicherweise Forschungsobjekte bzw. -felder, d. h. werden ontologisch verwendet, um spezifische Gegenstandsbereiche zu benennen; sie werden im normalen Sprachgebrauch eben nicht methodologisch verwendet, bezeichnen also nicht Forschungskonzeptionen. In der englischsprachigen Fachliteratur ist die Rede vom „life course as a theoretical orientation“ (Elder et al. 2003, S. 4), „as a paradigm“ (Mortimer und Shanahan 2003, S. XI) oder als ein „imaginative framework“ (Shanahan und Macmillan 2008, S. XIII) jedoch gang und gäbe.

  2. 2.

    „Life course study is typically described as a ‘perspective’ or ‘approach’ rather than a scientific theory in the conventional sense of linked hypotheses deduced from postulates tested by empirical evidence“ (Bynner 2016, S. 27; s. dazu auch die Bemerkung zu Elders Theoretisierungsversuch in Abschn. 2.1).

  3. 3.

    Der hochproblematische, viel diskutierte Begriff des Paradigmas, der in der epistemologischen und wissenschaftshistorischen und -soziologischen Diskussion mittlerweile aus guten Gründen aufgegeben wurde, ist hier nicht weiter zu erörtern. In der Lebenslaufforschung wird dieser Begriff schlicht in dem Sinn verwendet, dass Paradigmen, „unlike theories, … are not comprised of statements that are interrelated according to the rules of logic. Rather, paradigms are ideas, concepts, models, and analytic strategies that loosely fit together“ (Shanahan und Macmillan 2008, S. 7).

  4. 4.

    Empirische Belege und Überlegungen zu Prozessen von cumulative advantage/disadvantage im Lebenslauf finden sich z. B. bei Sampson und Laub 1997; Dannefer 2003; Elman und O’Rand 2004; DiPrete und Eirich 2006; Willson et al. 2007; O’Rand 2009; Schafer et al. 2011.

  5. 5.

    Agency ist nicht nur ein viel-, sondern auch höchst kontrovers diskutierter Begriff in der Sozialtheorie (s. dazu z. B. Giddens 1984; Collins 1992; Emirbayer und Mische 1998; Archer 2000; Barnes 2000; Meyer und Jepperson 2000; Fuchs 2001; Sewell 2001) Auf diese allgemein- bzw. sozialtheoretische Diskussion wird hier nicht weiter eingegangen; hier geht es nur um agency in der Lebenslaufforschung.

  6. 6.

    Agency ist in diesem Verständnis eine Art Pendant zum philosophischen Konzept des freien Willens.

  7. 7.

    Die Arbeit von Settersten und Gannon ist dafür typisch: zunächst werden die Modelle einer structure without agency bzw. agency without structure präsentiert, um diese beiden „Strohmann“-Modelle dann als fragwürdig zu kritisieren und durch realitätsangemessene „blended models of agency within structure“ (2005, S. 36) zu ersetzen.

  8. 8.

    So auch Marshall: „In a way, agency functions in this theoretical perspective in the same way that ‘unexplained variance’ functions in statistical models: if behavior is not patterned structurally, then it must reflect resistance to structure“ (2005, S. 63).

  9. 9.

    Self-efficacy etwa meint die „beliefs in one’s capabilities to organize and execute the courses of action required to produce given attainments“ (Bandura 1997, S. 3).

  10. 10.

    Die theoretisch elaborierteste Konzeption der grundlegenden Zeitlichkeit von agency findet sich bei Emirbayer und Mische, die letztere definieren „as the temporally constructed engagement by actors of different structural environments – the temporal-relational contexts of action – which, through the interplay of habit, imagination, and judgment, both reproduces and transforms those structures in interactive response to the problems posed by changing historical situations“ (1998, S. 970). Es gibt demnach drei – nur analytisch unterscheidbare – „constitutive elements of human agency: iteration, projectivity, and practical evaluation. In broad terms, these correspond to … forms of action that are more oriented (respectively) toward the past, the future, and the present. (…) The iterational element … refers to the selective reactivation by actors of past patterns of thought and action, as routinely incorporated in practical activity, thereby giving stability and order to social universes and helping to sustain identities, interactions, and institutions over time. The projective element … encompasses the imaginative generation by actors of possible future trajectories of action, in which received structures of thought and action may be creatively reconfigured in relation to actors’ hopes, fears, and desires for the future. The practical-evaluative element … entails the capacity of actors to make practical and normative judgments among alternative possible trajectories of action, in response to the emerging demands, dilemmas, and ambiguities of presently evolving situations“ (ebd., S. 970 f.; Hitlins und Elders Typologisierungsversuch kann vor dem Hintergrund der Überlegungen Emirbayers und Misches theoretisch nicht überzeugen).

    Es sei noch darauf hingewiesen, dass Emirbayer und Mische keine – wie in der Lebenslaufforschung verbreitet – individualistische, sondern eine relationale Konzeption von agency vertreten; s. dazu auch die Kritik des individualistischen agency-Verständnisses von Raithelhuber (2011), der im Durchgang durch die allgemein- und sozialtheoretische agency-Diskussion versucht, das Konzept für die Lebenslaufforschung nutzbar zu machen.

  11. 11.

    In diesem Zusammenhang ist auch das „Lebensführungs“-Konzept interessant (Voß 1991; Kudera und Voß 2000).

  12. 12.

    Lebenslaufstrukturell wiederum können für die erneute Aufnahme einer Erwerbstätigkeit weak-tie-Beziehungen eine vorteilhaftere Ressource sein als strong-tie-Netzwerke (Granovetter 1973).

  13. 13.

    Wobei diese empirischen Studien zumeist nicht alle fünf, sondern nur bestimmte Prinzipien verwenden, deren jeweilige Kombination von der Fragestellung der Studie abhängig ist.

  14. 14.

    Die folgende Erörterung basiert auf Sackmann und Wingens 2001; Wingens und Reiter 2011; Wingens et al. 2011, S. 13 ff. und entwickelt dort formulierte Überlegungen weiter.

  15. 15.

    In diesem Zusammenhang (das sei nur angemerkt) muss man konstatieren, dass der life event- bzw. Ereignis-Begriff – trotz seiner Bedeutung für die Lebenslaufforschung (man denke z. B. an die wichtige Methode der Ereignisanalyse bzw. life event analysis) – lebenslauftheoretisch bis heute so gut wie gar nicht thematisiert wurde (s. aber Hoerning 1987).

  16. 16.

    Man denke etwa an die Aggregatzustände des Wassers und dessen Zustandswechsel (fest – flüssig – gasförmig).

  17. 17.

    Für innerpsychische Zustände des Individuums ist das evident, gilt aber für Veränderungen im Leben generell: so stellt z. B. jeder Kauf, ob nun eines teuren Segelboots oder nur einer Quietscheente, einen Zustandswechsel im Leben des Käufers bezüglich seiner finanziellen und Besitzverhältnisse dar.

  18. 18.

    Um einer Irritation vorzubeugen: der Begriff „Statuswechsel“ (bzw. „Status“) wird hier also nicht in der in der Soziologie üblichen ungleichheitstheoretischen (hierarchischen) Bedeutung verwendet, sondern – wie oben gesagt – im Sinn eines sozial definierten, meist institutionell gerahmten Zustandswechsels im Lebenslauf.

  19. 19.

    Wenn – im Sinne eines Übergangs – verschiedene Zeiträume für das Scheidungsereignis modelliert werden, bliebe das Problem, dass diese inhaltlich „leer“ sind, d. h.: man weiß nicht, was sich in diesen Zeiträumen ereignet und schließlich zur Scheidung geführt hat.

  20. 20.

    Die meisten Scheidungen des Heiratsjahrgangs 2001 (für Svenjas und Martins Heiratskohorte 2002 waren keine statistischen Daten zu finden) erfolgten nach sechs Ehejahren (www.bib.bund.de/DE/Fakten/Fakt/L133-Scheidungsziffer-Ehedauer-Westdeutschland-ab-1991.html). Berücksichtigt man das rechtlich vorgeschriebene Trennungsjahr und die der Beantragung der Scheidung zumeist vorausgehende längere Krisenphase, ist nicht das siebte, sondern eher das dritte oder vierte das „verflixte“ Ehejahr.

  21. 21.

    Sei es also, weil die beiden ihre Liebesbeziehung vor anderen nicht länger „verstecken“ wollen oder gezwungenermaßen, weil z. B. zwei Arbeitskollegen ihren Mallorca-Urlaub zufällig im selben Hotel wie Svenja und Martin verbracht haben.

  22. 22.

    Eine der strukturfunktionalistisch-rollentheoretischen Perspektive verhaftete, deskriptiv aber interessante Untersuchung von Rollenwechseln ist Ebaughs Studie über den Prozess des „Becoming an Ex“ (1988), in der sie u. a. ehemalige Polizisten, Strafgefangene, Alkoholiker, Nonnen sowie Transsexuelle zu ihrem role exit und der Formierung einer neuen Rollenidentität interviewt hat.

  23. 23.

    Das mag in Svenjas und Martins subjektiv-biographischer Sicht z. B. ihre zweite oder die fünfte Verabredung sein, als sie zum ersten oder zum vierten Mal Sex hatten oder ihr erster Urlaub zu zweit. In der Außenperspektive, also aus Sicht der Anderen könnte das z. B. der Antrittsbesuch bei den Eltern des Partners oder der Tag sein, an dem eine Kollegin sie händchenhaltend spazieren gehen sieht.

  24. 24.

    Diese konzeptionelle Aussage steht nicht im Widerspruch zu der empirischen Beobachtung, dass im Zuge wachsender De-Standardisierungstendenzen Übergänge diffuser, unklarer, reversibel werden (s. Abschn. 5.3.2; zu „entstandardisierten“ Übergängen s. auch das von Schröer u. a. 2013 herausgegebene – sozialpädagogisch orientierte – „Handbuch Übergänge“ sowie Stauber et al. 2007.

  25. 25.

    Und gilt traditionell als „complete when an individual has experienced all events“ (Buchmann und Kriesi 2011, S. 482; zu diesem Übergang und seinen „transition events“ s. den entsprechenden Absatz in Abschn. 5.2.1).

  26. 26.

    Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang noch auf das – zwischen dem transition- und trajectory-Konzept angesiedelte – Sequenztypen-Konzept von Sackmann und Wingens (2001, S. 32 ff., 2003), das zwar keine längeren Lebenslaufphasen, aber doch mehr als singuläre Ereignisse und Übergänge zu analysieren erlaubt. Das Konzept umfasst mindestens zwei Statuswechsel (z. B. die Abfolge „erwerbstätig → arbeitslos → in Umschulung“) und lässt sich mit Blick auf den Zusammenhang der jeweiligen Status formal typisieren. Empirisch hat z. B. Brzinsky-Fay (2007) mit den von Sackmann und Wingens vorgeschlagenen formalen Sequenztypen gearbeitet.

  27. 27.

    Zur Möglichkeit einer Kombination von Sequenzmuster- und Ereignisanalyse bzw. einer holistischen Lebenslaufanalyse s. jüngst Piccarreta und Studer 2019; Han und Moen (1999) haben anhand der Abhängigkeit des Renteneintrittsalters von unterschiedlichen Erwerbsverlaufstypen schon früh gezeigt, dass sequenzmusteranalytisch erhobene Verlaufstypen als eine erklärende Variable in kausalanalytische Methoden eingebunden werden können.

  28. 28.

    Der Karriere-Begriff wurde schon von der Chicago School – im Rahmen ihres life history approach – in ihren Untersuchungen (im weitesten Sinn) abweichenden Verhaltens verwendet, wie schon der Titel von Shaws Studie über „The natural history of a delinquent career“ (1931) zeigt; erst gegen Ende der 1950er Jahre setzte sich der primäre Bezug des Karriere-Begriffs auf den Arbeits- und Berufsbereich durch (Barley 1989).

  29. 29.

    Dass die diversen Trajekte, die einen Lebenslauf ausmachen, mehr oder weniger miteinander verschränkt sind, ist in den vorangegangenen Kapiteln deutlich geworden und muss hier nicht mehr erläutert werden.

  30. 30.

    Was Elder nicht bewusst zu sein scheint (jedenfalls gibt es in seinen Arbeiten keine Anzeichen dafür) – und weil die Lebenslaufforschung seine Konzepte einfach, d. h. unkritisch übernommen hat, ist auch dieses lebenslauftheoretische Problem bis heute auch so gut wie nicht thematisiert worden.

  31. 31.

    S. neben Hareven und Masaoka 1988 z. B. Elder 1986; Clausen 1995; Rutter 1996; Sampson und Laub 1993, 1996; Wheaton und Gotlib 1997; Uggen 2000; Roos 2002; Wethington et al. 2003.

  32. 32.

    Was erklärt, dass dieses turning point-Verständnis grundlegend und vorherrschend in einschlägigen Studien der life span development- und Entwicklungspsychologie ist.

  33. 33.

    S. dazu Bertaux 1981; Harrison 2009; Goodson 2016. Die Rede vom life story approach suggeriert einen Grad an konzeptioneller Einheitlichkeit, der bei dessen Vertretern nicht gegeben ist; der Begriff meint eher eine Forschungsperspektive, unter deren Dach diverse theoretische Akzentuierungen und methodische Ausprägungen zu finden sind.

  34. 34.

    Man bedenke aber Geertz bekannte Warnung, dass „there is nothing so coherent as a paranoid’s delusion or a swindler’s story“ (1973, S. 18).

  35. 35.

    Was – dies sei hier betont – nicht im Sinne eines retrospektiven Erinnerungsfehlers zu verstehen ist: solche Bias kann es im Rahmen des life story approach (anders als in retrospektiven Erhebungen von Lebensverlaufsdaten; Reimer 2003) gar nicht geben.

  36. 36.

    Um das zu illustrieren: die verbreitete (vor allem bei Abiturfeiern strapazierte) Redensart vom „Ernst des Lebens“, der – je nach Anlass der Rede – mit der Einschulung oder dem Studienbeginn oder dem Berufseintritt anfängt, legt dem Individuum nahe, sein Selbstbild der neuartigen Rolle und Lebensphase, die die entsprechende Transition markiert, anzupassen – und diese biographische Veränderung ist der Grund dafür, dass der mit dem Schul-, Studien- oder Berufseintritt verbundene Statuswechsel vom Individuen auch als lebensgeschichtlicher Wendepunkt erfahren und dargestellt wird.

  37. 37.

    Grundlegend ist – wie schon das Zitat von Strauss besagte – die identitätstheoretisch-biographische Erfahrung, nicht mehr dieselbe Person wie bisher zu sein – für das Individuum ist keine biographische Diskontinuität im Sinn einer Richtungsänderung seines Lebens(laufs) erforderlich „to feel that a turning point has occurred. But one must have a feeling that new meanings have been acquired, whether or not life experiences are much changed“ (Clausen 1995, S. 371).

  38. 38.

    Abbott thematisiert turning points nicht nur in lebenslauftheoretischer Perspektive, sondern in ihrer allgemein-soziologischen und sozialtheoretischen Relevanz; die Lebenslaufliteratur dient ihm nur als Aufhänger für seine Überlegungen.

  39. 39.

    So auch Wheaton und Gotlib: „Indeed, the essential characteristic of a turning point is that it changes the direction of a trajectory. The concepts of trajectories and turning points require each other in order to be understood“ (1997, S. 1).

  40. 40.

    Die Differenz „in nature“ zwischen vorangehendem und nachfolgendem Trajekt wird hier – weil der hier interessierende Aspekt sprachlich dann einfacher und platzsparender darzustellen ist – mit unter den Begriff der Richtungsänderung subsumiert. Das ist durchaus gerechtfertigt, weil Abbot damit entweder den „turn“ von einem stabilen Verlaufsmuster zu zufälligen Ereignis- und Übergangsabfolgen – in diesem Fall spricht er von einem „randomizing turning point“ (1997, S. 94) – oder aber die umgekehrte Wende – in diesem Fall spricht er von einem „focal turning point“ (ebd.) – meint.

  41. 41.

    Denn: „Indeed, if we follow a causal theory of the social world, of whatever sort, it seems necessary to believe in this duration. Without it, we would have to assume that the social process sometimes took on new directions instantaneously. But then, there would be no source, in some sense, for change. It would simply arise de novo“ (ebd., S. 96).

    Abbott sieht sehr wohl, dass sich dieses „Problem des Anfang“ auch für prozessual gedachte Wendepunkte stellt: „this issue of instants actually arises even if we allow for turning points with finite duration. That beginning is either instantaneous or extended, and if extended, must have a beginning, and so forth. (…) The problem, again, is how it is that change begins. In particular, if turning points are the embodiment or extended process of change, how is it that they get started? This start must take place at a moment, and yet it would seem that given normal ideas about causality, an instant cannot see the production of enduring change“ (ebd., S. 96 f.). Seine Überlegungen zur „Lösung“ dieses generellen sozialtheoretischen Problems sind hier nicht weiter relevant.

  42. 42.

    Eine vergleichbare Problematik zeigte sich schon in der fiktiven Liebesgeschichte Svenjas und Martins: die Frage nach dem Zeitpunkt, dem einen Moment, in dem sie ein Paar wurden, war nicht einfach bzw. nicht unabhängig vom jeweiligen Fragekontext zu beantworten, d. h. es gab nicht nur eine „objektive“ Antwort darauf.

  43. 43.

    Selbstverständlich darf die zeitliche Dauer eines turning point nicht „überdehnt“, d. h. so weit gefasst werden, dass der Unterschied zu sozialen Veränderungsprozessen, die über längere Zeiträume erfolgen, verschwimmt – eben darin besteht ja überhaupt der Sinn des Wendepunkt-Konzepts: „that is the point of having a concept of turning point, as opposed to simply one of change or causality or succession, all of which would cover a turning point of this extremely gradual kind“ (ebd., S. 104).

  44. 44.

    Es ist wichtig, stets im Auge zu behalten, dass diese Pfadabhängigkeit bzw. Richtungskontinuität zu jedem Zeitpunkt kontingent ist, weil der Begriff „Trajekt“ in seiner alltagssprachlichen Verwendung die Flugbahn eines Geschosses bezeichnet – würde man dieses aus der Ballistik kommende Verständnis auf die Lebenslaufforschung übertragen, wären Trajekte durch ein verlaufsprägendes Anfangsmoment bestimmt. Diese deterministische Vorstellung ist mit der theoretischen Grundannahme der Lebenslaufforschung nicht zu vereinbaren (s. auch die kritische Erörterung der Annahme einer Individuen lebenslang prägenden „formativen Phase“ im Kohorten- und Generationsansatz in Kap. 4).

  45. 45.

    Als Beispiel dafür sei die Scheidung einer langjährigen Ehe und das Eingehen einer neuen Zweierbeziehung bzw. der erfolgreiche Studien- oder berufliche Ausbildungsabschluss und die Einmündung in eine entsprechende Erwerbstätigkeit genannt.

  46. 46.

    „Timing … refers to the age at which experiences occur. Sequencing refers to the order in which experiences occur, spacing to the amount of time between two or more ordered experiences, and density to the compression of transitions within a bounded period of time. Duration refers to the length of time spent in any particular role or ‘state’“ (Settersten 1999, S. 138).

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Wingens, M. (2020). Lebenslaufforschung – eine konzeptionelle Perspektive. In: Soziologische Lebenslaufforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28951-5_6

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