Zusammenfassung
Für die Frage der Führung in einer digital vernetzten Welt ist es sinnvoll, sich deren Herausforderungen und Möglichkeiten vor allem aus dem Blickwinkel einer durch digitale Technologie gestützten, massenhaften, globalen und mit hoher Geschwindigkeit verlaufenden Vernetzung zu nähern. Die primäre Herausforderung für die Führung in und von Organisationen besteht im Gestalten und – vor allem – im Nutzen der Möglichkeiten steigender Komplexität (Komplexifizierung), die durch die digital getriebene Vernetzung in vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft entstehen.
„To make knowledge productive, we will have to learn to see both forest and tree. We will have to learn to connect.“ (Peter Drucker)
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Notes
- 1.
Bspw. die Ausbreitung digitaler Produktionstechniken in den 1940er–1960er-Jahren (NC, CAD, SPS, …), das Konzept des Computer Integrated Manufacturing (CIM) seit ca. 1975, die Digitalisierung des Telefon-Netzes (in Deutschland ab ca. 1980) oder die Ausbreitung des Internet in seiner öffentlichen Form seit ca. 1990. Ein weiterer interessanter Aspekt ist zudem, dass die im Prinzip erheblich ältere „Technologie“ digitaler Signal-Übertragung in biologischen Systemen, wie bspw. die Reizleitung im menschlichen Zentral-Nervensystem, und die dadurch möglich gewordenen hochkomplexen Fähigkeiten in der aktuellen Auseinandersetzung mit dem Thema „Digitalisierung“ kaum beachtet werden. Der Blick auf die Neurologie lässt einerseits das enorme Potenzial richtig betriebener Digitalisierung und Vernetzung erahnen, unterstützt aber zugleich auch eine besonnene Betrachtung des Themas in Wissenschaft und Wirtschaft.
- 2.
Nicht nur im Sinne der Bildung (fr. formation) im pädagogischen Sinn, sondern auch im Sinne der Bildung von Handlungssequenzen und ihrer materiellen Ergebnisse.
- 3.
Das Akronym „VUCA“ beschreibt Handlungsbedingungen in Wirtschaft und Gesellschaft, die geprägt sind durch die zunehmende Wahrnehmung von Unbeständigkeit (volatility), Unsicherheit (uncertainty), Komplexität (complexity) und Mehrdeutigkeit (ambiguity).
- 4.
Auch unabhängig von der personalen Führung durch eine Führungskraft.
- 5.
Schmitz-Gielsdorf (2019) entwickelt sein Konzept einer Idealogie als „inneren Dialog zwischen den Menschen und den Idealen der Menschlichkeit“, in dem die Objektivität menschlicher Ideale als Möglichkeit der sozialen Evolution des Menschen anerkannt ist (ebda., S. 212).
- 6.
Bspw. die neuen Ansätze der Corporate Social Responsibility, der Dialogischen Führungstheorie, der Emotionalen bzw. Sozialen Führungstheorie sowie das zuletzt bekannt gewordene Achtsamkeits-Konzept.
- 7.
Eine in der Naturwissenschaft etablierte und auf physikalischer Beobachtbarkeit beruhende Wahrnehmung der Richtung des Zeitflusses in der Reihenfolge „Vergangenheit > Gegenwart > Zukunft“.
- 8.
Ethik und ethische Verantwortung wird hier – in Übereinstimmung mit dem erwähnten idealogischen Konzept bei Schmitz-Gielsdorf (2019) – verstanden als Ausrichtung auf sinnvolles Handeln in der Realisierung objektivierbarer menschlicher Ideale als Möglichkeit der sozialen Evolution.
- 9.
Ein hochgradiger Zugang zu Information führt aktuell vor allem in den westlichen Gesellschaften zur Wahrnehmung vielzähliger solcher Fragestellungen der globalen Entwicklung, beispielsweise zum Schutz der natürlichen Umwelt, dem Zugang zu Information und Bildung, der Verteilung von materiellem Besitz, dem Umgang mit Flüchtlingsströmen, dem Schutz persönlicher Daten, der Lösung der bestehenden Konflikte zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen, politischen und religiösen Systemen u. v. m.
- 10.
Schmitz-Gielsdorf (2019) führt den Begriff der Sinn-Einheit im Rahmen seiner als „Entomik“ bezeichneten Wissenschafts-Konzeption ein, in der er wesentliche Grundfragen der Natur- und Geisteswissenschaften integriert. Als neu begründete wissenschaftliche Vorgehensweise zielt die Entomik auf die Erforschung von Sinneinheiten als Wahrnehmungsobjekte und Realisierungsmöglichkeiten einer humanen sozialen Evolution.
- 11.
Zur Verdeutlichung: Der Respekt für den anderen in seinem „So-Sein“ ist für sich bereits sinnvoll, d. h. eine individuell wahrnehmbare und umsetzbare Sinn-Einheit. Weder ein Dialog, noch gegenseitiges Verständnis oder gemeinschaftliche Identifikation sind dafür notwendig. Selbst da, wo es zwar zu einem Dialog, aber nicht zu gegenseitigem Verständnis kommt, bleibt diese Möglichkeit zur Sinn-Erfüllung ungebrochen. Gleiches gilt für das Vorhandensein von gegenseitigem Verständnis auch ohne die Entstehung gemeinschaftlicher Identifikation.
- 12.
Bspw. im Hinblick auf medizin-ethische Aspekte bei der Verabreichung von Psychopharmaka, bei der Anwendung pränatal-diagnostischer Verfahren oder bei der Organ-Transplantation.
- 13.
Vgl. Fußnote 5.
- 14.
Entsprechend einer Wahrnehmung der Zeitflussrichtung im sog. „entomischen Zeitpfeil“ im Ggs. zum physikalischen Zeitpfeil (ebda.).
- 15.
Neben den Effekten der globalen Vernetzung von Wirtschaftsströmen gibt es auch im non-profit Sektor bzw. auf Basis privaten Engagements eine Vielzahl neuer und positiver Möglichkeiten, bspw. beim Fund-Raising für soziale oder gemeinnützige Zwecke (https://www.justgiving.com/), dem interkulturellen Austausch (vgl. die Initiative „Jugend im Dialog“ unter https://euriade.net/de/jid/) oder beim ehrenamtlichen Engagement (http://www.alliance-network.eu/). Peter Drucker (1990) erkennt im Aufkommen dieses „dritten Sektors“ die Anfänge einer post-industriellen Wissensgesellschaft, in der das Primat der Befriedigung materieller Bedürfnisse der Industriegesellschaft abgelöst wird vom Primat der Befriedigung immaterieller menschlicher Bedürfnisse.
- 16.
Malik (2011) verwendet den Begriff „Master Control“ im Zusammenhang mit der Vorsteuerung und Ausrichtung des Führungshandelns im Zuge der komplexitätsgerechten Strategieentwicklung.
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Lorscheider, B. (2020). Orientierungspunkte für die Führung in einer digital vernetzten Welt. In: Harwardt, M., Niermann, PJ., Schmutte, A., Steuernagel, A. (eds) Führen und Managen in der digitalen Transformation. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28670-5_4
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