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Kollektives Bewältigen und Verdrängen in Wiedergutmachungsverfahren für nationalsozialistisches Unrecht in Hannover (1948 bis 1968)

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Zusammenfassung

1933 zerschlugen die Nationalsozialisten die deutsche Arbeiterbewegung. Der NS-Staat eignete sich ihr auf über eine Milliarde Reichsmark geschätztes Vermögen an und setzte es nicht zuletzt für Verfolgung, Propaganda, Kriegsvorbereitung und -wirtschaft ein. Als dann 1948 in Westdeutschland Anträge auf Wiedergutmachung gestellt werden konnten, entbrannte ein erbitterter Kampf um vorhandene Vermögenswerte wie Immobilien, Zeitungsdruckereien oder entsprechende Entschädigungszahlungen. Die Aushandlungsprozesse im Rahmen dieses lange vergessenen Kapitels deutscher Nachkriegsgeschichte reflektieren, wie eng In- und Exklusionen infolge des deutsch-deutschen ‚Kalten Bürgerkriegs‘ mit Vergangenheitsblindheit verwoben waren. Anhand der Wiedergutmachungsverfahren der hannoverschen Konsumgenossenschaft sowie der Pressebetriebe der SPD und KPD diskutiere ich in Anlehnung an Aleida Assmann die hier reflektierten Formen historischen Vergessens und ihre Grenzen im Beziehungsgeflecht zwischen Vergangenheitspolitik, Justiz, wirtschaftlichem Wiederaufbau und Erinnerungskultur.

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Notes

  1. 1.

    Davon entfiel ca. eine halbe Milliarde RM allein auf die deutschen Konsumgenossenschaften.

  2. 2.

    Die Biographie von Werner Blumenberg ist hier einzusehen: https://www.sozialistische-front.de/biografien/bio/blumenberg-werner.

  3. 3.

    1948 wurde die gleichzeitige Mitgliedschaft in der SPD und der als ‚Tarnorganisation der KPD‘ in Verruf gebrachten Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) verboten. Der Unvereinbarkeitsbeschluss wurde formal erst 2010 aufgehoben.

  4. 4.

    Im Rahmen einer Anfrage der Linken von 2016 teilte die Bundesregierung mit, dass nach dem KPD-Verbot Vermögenswerte von ca. 4,5 Mio. RM eingezogen worden waren. Die westdeutsche KPD griff hier auf die Erfahrungen aus der Zeit der Vorbereitung auf ihre Illegalität ab 1933 zurück. Es ist davon auszugehen, dass erhebliche Teile ihres Vermögens ab dem KPD-Verbotsantrag 1951 ‚gesichert‘ wurden.

  5. 5.

    Die Arbeiter zahlten geringfügige Beträge als Geschäftsanteile ein und wurden dafür prozentual entsprechend ihrem Umsatz durch sogenannte Rückvergütung an den Gewinnen der Organisation beteiligt. Die Konsumgenossenschaften bildeten also als ein gemeinwirtschaftliches Eigenversorgungsnetz eine ernstzunehmende Alternative zum Einzelhandel und dem kapitalistischen System überhaupt.

  6. 6.

    Über mögliche kommunistische Mitglieder wurde in den Wiedergutmachungsverfahren nichts überliefert.

  7. 7.

    Die fragmentarisch überlieferten Dokumente wurden 2008 als digitales Archiv vom ver.di-Landesbezirk Niedersachsen-Bremen sowie der coop-Geschichtsgruppe Hannover auf mehreren CDs herausgegeben.

  8. 8.

    Aus demselben Anlass wurde von der Friedrich Ebert Stiftung die Dokumentation von Klaus Mertsching herausgegeben.

  9. 9.

    Informationen zu dieser Gedenktafel vom Netzwerk Erinnerung und Zukunft in der Region Hannover e. V. können hier eingesehen werden: https://netzwerk-erinnerungundzukunft.de/wp-content/uploads/2017/08/Infotafel-Klagesmarkt.jpg.

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Stoklasa, J. (2021). Kollektives Bewältigen und Verdrängen in Wiedergutmachungsverfahren für nationalsozialistisches Unrecht in Hannover (1948 bis 1968). In: Natarajan, R. (eds) Sprache – Bildung – Geschlecht. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28341-4_22

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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