Zusammenfassung
Bildungsorientierungen stellen zentrale Weichen für bildungsbiographische Lebensverläufe und sind daher Gegenstand erziehungswissenschaftlicher Forschung zu Bildungs(un-)gleichheit und ihrer (Re-)Konstruktion im Bildungssystem. Der vorliegende Beitrag zielt auf eine Einordnung in der Perspektive qualitativ-rekonstruktiver Forschung – genauer der Dokumentarischen Methode – und Begriffsbestimmung und -abgrenzung des überaus heterogen verwendeten Begriffs der Bildungsorientierung.
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Notes
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Die Empfehlungen für die Bildungslaufbahn sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. In den meisten Bundesländern herrscht das Elternwahlrecht, sodass den Eltern die Verantwortung für die Schulform nach Klasse 4 obliegt. In einigen Bundesländern gibt es weiterhin Laufbahnempfehlungen, die den Eltern von den Lehrkräften ausgehändigt werden. In Bayern gibt es zudem Notengrenzen, die für den Übertritt in die jeweilige Schulform geltend gemacht werden (Ditton und Krüsken 2009).
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Vor dem Hintergrund der Rekonstruktion bildungsförderlicher Passungsverhältnisse zwischen Familie und Schule, meint der Begriff der „Passung“, dass die Orientierungen und Praktiken, wie sie im Erfahrungsraum Familie erworben werden, „in der schulischen Wirklichkeit einen Resonanzboden finden und eine Existenzberechtigung erfahren“ (Kramer 2002, S. 223; siehe hierzu auch Thiersch in diesem Band).
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Hermes, M., Lotze, M. (2020). Bildungsorientierungen in Theorie und Empirie – Methodologie und Rekonstruktion von Bildungsorientierungen aus wissenssoziologischer Perspektive. In: Hermes, M., Lotze, M. (eds) Bildungsorientierungen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28187-8_2
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