Öffentliche Verwaltung bezeichnet den Teil der Exekutive, der mit der Umsetzung legislativer Entscheidungen befasst ist. Aber wie öffentlich ist die öffentliche Verwaltung? Was für den Bereich der Gubernative, also für Regierungen bzw. die politische Spitze von Bundes- und Landesministerien oder Kommunen vielleicht noch ein selbstverständliches, umfassendes Postulat ist, gilt für die Administrative, also v. a. klassische Behörden nach wie vor nicht im vergleichbaren Sinne. Compliance mit Transparenzvorschriften ist natürlich Gebot, aber ein Behördenhandeln, welches auf eine strategische Kommunikation mit Stakeholdern setzt, um ihre organisationalen Potenziale zu heben, das ist eine ganz andere Ebene des kommunikativen Handelns. Schließlich gelten besondere Bedingungen, unter denen öffentliche Verwaltung in und mit den unterschiedlichen, von Stakeholdern gestalteten Öffentlichkeiten agiert. Deshalb hat Verwaltungskommunikation, mithin die strategische Kommunikation in und von Behörden, in jedem Fall die Aufgabe, diese öffentlichen Beziehungen so zu gestalten, dass Verwaltung ihren Auftrag nach einer effektiven und zugleich effizienten Umsetzung des jeweiligen politischen Mehrheitswillens vollständig erfüllen kann.

In dieser Definition schwingt eine normative Erwartungshaltung mit, die besagt, dass die Organisationen der öffentlichen Verwaltung von gelingender strategischer Kommunikation profitieren können – und zwar sowohl aus interner als auch externer Perspektive. Diese Annahme der strategischen Kommunikation bzw. des Kommunikationsmanagements ist für privatwirtschaftliche Organisationen vielfach untersucht, die Wertbeiträge strategischer Kommunikation sind heute – jenseits aller Fachdiskussionen um deren monetäre Messbarkeit – unbestritten, auch und nicht zuletzt im interdisziplinären Diskurs zwischen Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaften. Doch gilt diese Annahme auch für Verwaltung bzw. Behörden? Regierungsseitig sind große Kommunikationskampagnen an der Tagesordnung, sie dienen selbstverständlich der politischen Kommunikation und, innerhalb der u. a. durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 44,125; 63, 230) konkretisierten Grenzen, der legitimen Leistungsschau der gewählten Exekutive. Aber was sagt das schon über die Verwaltung und ihre Beziehungen zur Öffentlichkeit im Allgemeinen aus?

Alle Beiträge in diesem Band zeigen besondere Chancen, die sich aus einer professionellen strategischen und operativen Kommunikation der Verwaltung ergeben können. Diese Chancen werden nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Digitalisierung gesehen, die den gesamten Behördenapparat genauso erfasst wie alle anderen Organisationen. Der Einsatz digitaler Medien berechtigt dabei durchaus zu der Hoffnung auf einen einfachen, schnellen und direkten Austausch zwischen Behörden und Bürger. Gleichzeitig zeigen die Beiträge aber auch, welche Fragen bleiben, die vor allem die (dienst-)rechtlichen Rahmenbedingungen und verwaltungsrechtlichen Verfahrensanforderungen betreffen. Hinzu kommt die oft weder ausreichend analysierte noch praktizierte Rolle von Behörden als Kommunikatoren. Es stellt sich also die Frage, wohin die Reise geht.

Im Sinne einer zusammenfassenden und zugleich vorausschauenden Betrachtung werden deshalb im Folgenden auf der Grundlage der Beiträge dieses Bandes sowie der dazu von den Herausgebern geführten Gespräche zwei Szenarien entwickelt, die einerseits den Best-Case und andererseits den Worst-Case zeigen. Normativer Bezugspunkt für die best- oder schlechtmöglichste Entwicklungsvariante ist eine Verwaltung, die das Adjektiv ‚öffentlich‘ nicht nur aufgrund des Charakters ihrer Aufgaben bzw. Auftraggeber, sondern auch aufgrund der strategisch gesteuerten kommunikativen Beziehungen zu ihren Stakeholdern verdient. Das Best-Case-Szenario bezeichnen wir als ‚echte öffentliche Verwaltung‘, das Worst-Case-Szenario als ‚pseudo-öffentliche Bürokratie‘. Neben diesen Szenarien ist zumindest theoretisch auch denkbar, dass eine Adaption digitaler Kommunikationskanäle und -techniken seitens der Verwaltungskommunikation nicht oder zumindest nicht in signifikantem Umfang stattfindet. Auch dieses Szenario würde als Worst-Case zu klassifizieren sein, ignorierte es doch technologischen und damit verbundenen kommunikativen Wandel und zugleich auch veränderte normative Kommunikationserwartungen seitens des Bürgers. Angesichts der schon unternommenen vielfältigen Bemühungen von Verwaltungsinstitutionen und ihren Kommunikatoren und der, auch politisch geforderten, zunehmenden kommunikativen Professionalisierung in diesem Bereich ist aber nicht davon auszugehen, dass eine solche Nicht-Adaption im Bereich der Verwaltungskommunikation realistisch zu erwarten wäre. Wir schieben dieses weitere Worst-Case-Szenario also beiseite und fokussieren im Folgenden die ‚echte öffentliche Verwaltung‘ und die ‚pseudo-öffentliche Bürokratie‘ als zwei mögliche Outcomes der in diesem Band diskutierten Entwicklungen.

1 ‚Echte öffentliche Verwaltung‘

Echte öffentliche Verwaltung bezieht externe Stakeholder, mithin Bürger aller Art, als wichtigen Wertschöpfungsfaktor in die Vorbereitung von Verwaltungshandeln mit ein, weil ihre Kenntnisse, Meinungen und Verbesserungsvorschläge die Qualität von Verwaltungshandeln in allen Bereichen verbessern können. In diesem Szenario sorgen vielfältige Formen von Großgruppenveranstaltungen und Beteiligungsverfahren im Zusammenhang mit Planungen und Investitionsprojekten dafür, dass es einen kontinuierlichen Dialog zwischen Bürgern und Behörden gibt, der sowohl die Qualität der Entscheidungen als auch deren Akzeptanz verbessert. Die Kommunikation mit internen Stakeholdern gewinnt, im Vergleich mit privatwirtschaftlichen Organisationen zwar verzögert, aber dennoch unaufhaltsam an Bedeutung. Denn Mitarbeiter spielen auch in Behörden als knappe Ressource eine immer wichtigere Rolle. Dabei wird die interne Kommunikation, die Mitarbeiter für die ‚Extra-Meile‘ mobilisieren soll, von einer Lockerung des öffentlichen Dienstrechts begleitet, das schnelleren Wechsel, Aufstieg und Incentivierungen zunehmend ermöglicht. Auch im Bereich der Risiko- und Krisenkommunikation bieten sich Potenziale: In Krisensituationen aller Art erweisen sich erprobte Social-Media-Tools als schnelle und zuverlässige Kanäle mit hoher Reichweite, die maßgeblich zur Risikominimierung und Verbesserung der Sicherheit der Bürger beitragen.

Die Kommunikation in und von Verwaltungsinstitutionen unterfällt, dies wird in den verschiedenen Beiträgen dieses Bandes deutlich, spezifischen Rahmenbedingungen rechtlicher, organisatorischer und nicht zuletzt auch normativer Natur. In einem Best-Case-Szenario setzt Kommunikation in und von Verwaltungen selbst innovative Lösungen und Standards für kommunikationszentrierte Führung und dialogorientierte Öffentlichkeitsarbeit von Organisationen. Unter Respektierung rechtlicher und normativer Grenzen kann so zeitgemäß und sachlich angemessen kommuniziert und kommunikativ geführt werden. Idealerweise können die so gesetzten Standards auch exemplarisch für Lösungen im privatwirtschaftlichen Bereich werden. Das betrifft insbesondere Beteiligungsverfahren, datenschutzrechtliche Lösungen oder barrierefreie Kommunikation.

In einem Best-Case-Szenario bekommen Behörden ein Gesicht, d. h. die Führung von Behörden ist jederzeit für die Bürger sichtbar und ansprechbar. Mit den Mitteln der kommunikativen Personalisierung wird so Komplexität aus unübersichtlichen Verwaltungsvorgängen herausgenommen. Das gilt nicht nur für Regierungen, sondern vor allem auch für den Bereich der Administrative im engeren Sinne, wie für große ‚technische‘ Behörden, wie die obersten Bundes- und Landesbehörden.

2 ‚Pseudo-öffentliche Bürokratie‘

In einem anderen Szenario werden technologischer und kommunikativer Wandel zwar ebenfalls durch die Verwaltung adaptiert, die Umsetzung bleibt aber deutlich hinter dem zurück, was leistbar und normativ angemessen wäre. In diesem Szenario gilt in Bezug auf externe Stakeholder das Prinzip von Offenlegung und Information, nicht aber das von Kommunikation. Es entstehen vielfältige digitale Services, aber keine Dialoge, die einen Mehrwert für das Verwaltungshandeln bringen könnten. Auch im Bereich der internen Kommunikation bestehen Probleme: In diesem Szenario definieren behördeninterne Kommunikation weiterhin vor allem als Methoden der Gesprächsführung und Rhetorik und nicht als motivierende und mobilisierende strategische Kommunikation. Sie weichen damit den Postulaten der strategischen Kommunikation weitgehend aus.

Entgegen dem nur theoretischen denkbaren Szenario einer Nicht-Adaption der kommunikativen Möglichkeiten der Digitalisierung werden hier digitale Kanäle bzw. Social Media von Behörden zunehmend eingesetzt. Neben Problemstellungen hinsichtlich dessen, was und in welcher Form kommuniziert werden darf, spielen hier vor allem Fragen einer dem jeweiligen Medium angemessenen und reichweitenstarken Kommunikation eine Rolle. In diesem Szenario wird die Kommunikation dem jeweiligen Medium nicht gerecht (zeitlich, inhaltlich oder hinsichtlich der Gestaltung) und erreicht nur eine vergleichsweise geringe Reichweite bzw. nicht zufriedenstellende Nutzerzahlen. Ihre Existenz verdankt sie vor allem der Befriedigung von verwaltungsinternen, hierarchisch geäußerten Wünschen, kommunikativen Erwartungen in- und v. a. auch externer Stakeholder wird sie nicht gerecht.

In einem Worst-Case entwickeln Beteiligungsverfahren nicht die gewünschte Befriedung von konträren Interessen, sondern erzeugen im Gegenteil neue Reaktanzen. Erzielte Kompromisse bei Bürgerdialogen erhalten keine Akzeptanz, sondern werden als Partikularinteressen gesehen. Dass trotzdem an aufwendigen, gesetzlich verankerten und freiwilligen Beteiligungsverfahren festgehalten wird, führt dazu, dass die Legitimität von Behördenhandeln insgesamt untergraben wird.

Kommunikationszentrierte Führung mit sichtbaren Behördenchefs nach dem Muster des ehemaligen Vorstands der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, bleibt die absolute Ausnahme. Behörden bleiben weiter gesichtslos und weitgehend anonym. Schließlich findet auch kein sektorenübergreifender Austausch über Best Practices der Kommunikation statt. Die Öffentliche Verwaltung zieht sich auf ihre Sonderrolle zurück, bereichert weder die Kommunikation privatwirtschaftlicher Organisationen mit ihren Spezialitäten, noch lernt sie aus den Erfahrungen aus anderen Sektoren.

3 Conclusio

Die Digitalisierung und der technologisch induzierte Medienwandel haben Kommunikation in all ihren Bereichen erfasst. Dies gilt auch und gerade für den Bereich der politischen Kommunikation im Allgemeinen und für den der Verwaltungskommunikation im Besonderen. Wie aus den beiden kurzen exemplarischen Szenarien deutlich wird, steht Verwaltungskommunikation vor der großen Chance auch kommunikativ echte öffentliche Verwaltung zu etablieren. Zugleich bestehen aber auch spezifische Herausforderungen, die mithilfe in- und auch externer Expertise bewältigt werden wollen, soll nicht eine bloß pseudo-öffentliche Form der Bürokratie etabliert werden. Dazu bedarf es eines sektorenübergreifenden Erfahrungsaustausches zwischen Verwaltung und Unternehmen genauso wie einer interdisziplinären Forschung zwischen Politik-, Rechts-, Verwaltungs-, Sozial- und Kommunikationswissenschaft. Wie in so vielen anderen Themenfeldern auch, herrscht daran aber gerade in Bezug auf die Funktionsbedingungen gelingender Kommunikation in und von öffentlicher Verwaltung ein unübersehbarer Mangel. Es war Ziel dieses Bandes, dem zumindest ein wenig abzuhelfen.