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Deutsch-türkische Migrationsgeschichte seit der Anwerbung von Arbeitskräften und Forschungsbefunde

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Part of the book series: Interkulturelle Studien ((IKS))

Zusammenfassung

Einführend soll die Entwicklung Deutschlands als Einwanderungsland ab den 1950er Jahren durch die Anwerbeverträge skizziert und hierbei insbesondere die Situation türkeistämmiger sogenannter „Gastarbeiter*innen“ herausgearbeitet werden. Daran anschließend folgen die Bedingungen und Voraussetzungen, unter denen eine Vielzahl der Kinder der „Gastarbeiter*innen“ als zweite Generation in Deutschland aufgewachsen ist. Ihre Lebenswelten und Alltagswirklichkeiten wurden wiederholend als „zwischen zwei Welten“ problematisiert denn als Potenziale „mit zwei Welten“ erkannt.

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Notes

  1. 1.

    Die folgenden Ausführungen beziehen sich vor allem auf die aus der Türkei angeworbenen Arbeitskräfte. Gleichwohl weder alle „Gastarbeiter*innen“ noch alle türkeistämmigen „Gastarbeiter*innen“ kollektiv unter diesen Begriff gefasst werden können, kann an dieser Stelle nicht auf individuelle Lebenswelten und Erfahrungswerte eingegangen werden. Eine Pauschalisierung, dass die ausgeführten Bedingungen derart für alle (türkeistämmigen) „Gastarbeiter*innen“ zutrafen, soll daher mit dieser Anmerkung ausgeschlossen werden.

  2. 2.

    Genau sind es 1.492.580 Menschen mit türkischer (oder doppelter) Staatsangehörigkeit (vgl. Statista 2017).

  3. 3.

    Nach einem Gesetz von 1913 ist die deutsche Staatsbürgerschaft eng an die „Volkszugehörigkeit“ gekoppelt, die auf dem „Recht des Blutes“ (ius sanguinis), auch als „Abstammungsprinzip“ bezeichnet, beruht (vgl. Bartels 1996, S. 24 f.). Dieses Staatsbürgerschaftskonzept des 19. Jahrhunderts erscheint mit den mobilen Lebenswelten im Zuge der Globalisierung kaum mehr vereinbar, denn Geburts- und Wohnorte stimmen im Verlauf des Lebens selten noch überein. Das „Optionsmodell“ (Ergänzung des ius sanguinis durch ius soli) lässt sich als einen ersten wichtigen Schritt in Richtung Reformierung des Staatsbürgerschaftskonzepts werten.

  4. 4.

    Unter dem singulären Terminus der Religion, der an dieser Stelle auf den Islam verweist, werden die unterschiedlichen Ausprägungen des Islams gefasst.

  5. 5.

    1973 waren rund 650.000 Arbeitskräfte aus der Türkei nach Deutschland gekommen, was einen Höchststand markierte – unter Berücksichtigung nachgezogener Familienmitglieder verzeichnete Deutschland Ende 1973 rund eine Million türkeistämmige Personen (vgl. Hunn 2004, S. 78). Insgesamt waren bis Herbst 1967 rund 500.000 der 1,3 Mio „Gastarbeiter*innen“ in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt, wodurch die Anwerbung vor allem türkeistämmiger Arbeitskräfte verstärkt wurde (vgl. ebd., S. 79).

  6. 6.

    „Anerkennung zielt auf soziale, rechtliche kulturelle und politische Strukturen, in denen einzelne ihren Handlungsmöglichkeiten entsprechende Bedingungen zum Handeln vorfinden“ (Mecheril 2001, S. 45).

  7. 7.

    In der Migrationsforschung wird unter dem Terminus des methodologischen Nationalismus kritisch auf das „Container-Denken“ von Gesellschaften verwiesen: Nationalstaaten werden als abgegrenzte Territorien und als nahezu homogene Einheit begriffen (vgl. Canan 2015, S. 39). Die Transnationalismusforschung reflektiert diese Sichtweise und versucht sich vom methodologischen Nationalismus zu lösen (vgl. ebd.). Näheres hierzu siehe auch Abschn. 2.2.

  8. 8.

    Schiffauer spricht hier von „roots“ und meint damit ethnisch-kulturelle oder religiöse Ursprünge (vgl. 2004, S. 98).

  9. 9.

    Jüngst erklärte der neue Bundesinnenminister, Horst Seehofer (CSU), der Islam gehöre nicht zu Deutschland und befeuerte damit abermals die Integrationsdebatte, die besonders die Vielzahl türkeistämmiger Mitbürger*innen betrifft (vgl. ZEIT Online 2018).

  10. 10.

    Mark Terkessidis verweist als zentraler Protagonist der Kritik an der Integrationsdebatte (v. a. in seiner Publikation Interkultur 2010) darauf, dass sich Diskurse über „gescheiterte“ Integration primär um klischeebeladene Themen wie Zwangsehen oder Ehrenmorde drehen und somit das Scheitern von „Multikulti“ belegen sollen (vgl. ebd. 2010, S. 39).

  11. 11.

    Kritisch zu bewerten an Essers Modell ist ein essentialistischer Ansatz von Nationen und Kulturen als in sich geschlossene Systeme und homogene Einheiten. Zwar merkt Esser an, dass er unter Assimilation nicht auf die „spurenlose Auflösung aller Unterschiede zwischen den Menschen“ (Esser 2001, S. 74) ziele, sieht die Sozialintegration hingegen dennoch „eigentlich nur in Form der Assimilation“ (ebd., S. 26, Hervorhebung im Original) als erfolgreich.

  12. 12.

    Der Begriff der „Parallelgesellschaften“ wurde Mitte der 1990er Jahre von dem Bielefelder Soziologen, Wilhelm Heitmeyer, eingeführt.

  13. 13.

    Die Stiftung Zentrum für Türkeistudien hat von 1999 bis 2004 jährlich per telefonischem Zufallsgenerator 1000 in NRW lebende erwachsene türkeistämmige Personen zu ihren Lebenslagen befragt (vgl. Halm und Sauer 2006, S. 18).

  14. 14.

    Der Bericht wird von der Staatsministerin Aydan Özoğuz als Beauftrage der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration vorgelegt.

  15. 15.

    Die Studierenden mit türkischer Staatsbürgerschaft bilden mit deutlichem Abstand die größte Gruppe unter den studierenden Bildungsinländer*innen: Ihnen folgen mit 5,9 % italienische und mit je 4,6 % griechische und kroatische Staatsbürger*innen (vgl. Özoğuz 2016, S. 155 f.). Nicht erkennbar in der Statistik sind die Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit und mit Migrationshintergrund, da bei der Immatrikulation an deutschen Hochschulen aufgrund des Datenschutzes der Migrationshintergrund nicht erfasst wird (vgl. ebd., S. 156).

  16. 16.

    Diejenigen, die sich noch in schulischer oder beruflicher Ausbildung befinden, sind bei den angegebenen Zahlen nicht berücksichtigt (vgl. Özoğuz 2016, S. 8).

  17. 17.

    Unter dem Oberbegriff „Dienstleistungen“ sind hier vor allem Hilfs- und Reinigungsarbeiten zu verstehen (vgl. Zentrum für Türkeistudien 1995, S. 19).

  18. 18.

    Unabhängig davon, ob die Arbeit der Frauen regulär, illegal, in Haushalten oder außerhalb von Haushalten verrichtet wurde (vgl. Zentrum für Türkeistudien 1995, S. 25).

  19. 19.

    In Bezug auf die erste Generation führt die berufliche Verwirklichung nicht selten zur partnerschaftlichen Trennung, was als „eine Form der Emanzipations- und Integrationsbestrebung betrachtet“ werden könne, so eine Hypothese des Zentrums für Türkeistudien (vgl. 1995, S. 114). Im Ergebnis zeigt sich jedoch, dass bei den befragten Frauen die Berufstätigkeit zwar einen hohen Stellenwert einnehme, die Familien aber nach wie vor „ihren festen Platz im Wertegefüge der Gesprächsteilnehmerinnen“ (ebd.) innehaben. Daher bilden eheliche Trennungen eher die Ausnahme, auch, da die Beziehung zum Ehemann die Bindung zur türkischen Community bedeutet und sie durch ihren Partner in der Regel Unterstützung bezüglich ihrer beruflichen Erfolge erfahren (vgl. ebd.).

  20. 20.

    Der Ausdruck „Vergeschlechtlichung“ lässt sich vom Englischen „gendering“ ableiten.

  21. 21.

    Die Frauen aus der Gruppe der „Bildungsaufsteigerinnen“ sind zwar bis auf eine Person alle in Deutschland geboren worden, jedoch hat keine der Frauen die deutsche Staatsangehörigkeit, da sie an der Bürokratie scheitern und sie die Kosten für die Einbürgerung (255,00 EUR) abschrecken (vgl. Cöster 2016, S. 148).

  22. 22.

    Es ist ein Streben nach einem „besseren“ Leben gemeint, dass aus der individuellen Perspektive „besser“ ist und nicht „besser“ aus einer vorgegebenen Außenperspektive.

  23. 23.

    Die Zahlen für 2016 werden erst Ende 2018 gemeinsam mit den Zahlen 2017 veröffentlicht.

  24. 24.

    An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass während der Arbeit an dieser Studie Erdoğan im Jahr 2014 zum zwölften Präsident der Türkei gewählt wurde. Seine restriktive Politik hat die Abwanderung türkeistämmiger Hochqualifizierter, die von 2006 bis 2014 einen womöglich „nachhaltigen Trend“ markierte, zu einem in dieser Form einmaligen Phänomen werden lassen. Interviewmaterial aus dieser Zeit ist daher rar und bedeutsam. Nach aktuellen Prognosen verlassen eher viele Intellektuelle die Türkei, als dass sie dorthin auswandern. Fälle, wie die Inhaftierung der deutsch-türkischen Journalist*innen Deniz Yücel oder Meşale Tolu, wirken abschreckend und sorgen für eine angespannte Atmosphäre zwischen Deutschland und der Türkei.

  25. 25.

    In Deutschland „aufgewachsen“ verweist darauf, dass einige, insbesondere der zweiten Generation, in der Türkei geboren wurden und als (Klein–)Kinder nach Deutschland gekommen sind.

  26. 26.

    Die Ergebnisse der TASD-Studie wurden vielfach zitiert und in den Medien reproduziert, sodass eine vermeintliche „Massenauswanderung“ von gut ausgebildeten türkeistämmigen Mitbürger*innen zeitweise eine enorme öffentliche Aufmerksamkeit erfahren hat. Unter Titeln wie „Nie mehr braver Türke“ (Karasu 2010, Spiegel Online), „Viele Deutschtürken planen Rückkehr in Türkei“ (ZEIT Online 2012) oder „Servus Münih!“ (Wetzel 2013, Süddeutsche Zeitung) wurden die Erkenntnisse aus der Studie mit Interviews ausgewanderter Personen präsentiert.

  27. 27.

    Zwischen November 2015 und April 2016 wurden deutschlandweit 450 türkeistämmige Studierende und 676 türkeistämmige Hochschulabsolvent*innen zu ihrem Arbeitsmarktzugang und ihren Migrationsabsichten befragt, von denen 51 % weiblich und 49 % männlich waren (vgl. ZfTI 2016 S. 2).

  28. 28.

    Die Tatsache, dass die in den Studien fokussierte Untersuchungsgruppe in das Heimatland der (Groß-)Eltern auswandert, ist ein besonderer Aspekt, der bpsw. von Wessendorf als „root migration“ (Wurzelmigration) bezeichnet wird: „Most studies on second-generation migration to the country of origin describe this relocation as a ‘return’. […] They emphasize that they cannot 'go back' to a place where they had never lived” (Wessendorf 2013, S. 111).

  29. 29.

    Die Annahme der „escape route“ basierte zuvor auf Narrativen der zweiten Generation deutsch-griechischer Frauen, die sich durch die Auswanderung gegen patriarchale Familienverhältnisse und traditionsorientierte griechische Communities auflehnten (vgl. ebd.). Das hat sich so bei den türkeistämmigen Interviewpartner*innen in der Studie von King und Kılınc nicht gezeigt, da die Elternhäuser eher als „open-minded“ (ebd.) präsentiert worden seien (vgl. ebd.).

  30. 30.

    Am Beispiel der Vergabe von Lehrstühlen zeigt sich im Vergleich beider Länder: In Deutschland sind ca. 10 % der Lehrstühle von Professorinnen besetzt sind, in der Türkei sind es rund 40 % (vgl. Castro Varela 2007, S. 64).

  31. 31.

    Olivier-Mensah und Scholl-Schneider sehen keine Trennung zwischen den Konzepten bzw. Migrationstypen von Transmigration und Remigration und konzeptualisieren daher den „transnational return“ (2016): „Return“ bedeutet für die Autorinnen nicht der Ort im Sinne von „Herkunft“ („origin“), sondern vielmehr „re-emigratin to a former country of immigration“ (ebd., S. 2).

  32. 32.

    Eine Prognose während der Zeit der erhöhten Abwanderung türkeistämmiger Hochqualifizierter von Deutschland in die Türkei, war, dass dieses neue Migrationsphänomen wohl künftig die deutsch-türkische Migrationsbeziehung prägen würde (vgl. Alkan 2011, S. 5). Die Frage, ob sich Deutschland zum Auswanderungsland und die Türkei zum Einwanderungsland entwickeln würde, rückte allmählich ins Bild. Allerdings ist aufgrund der harschen politischen Wende unter Präsident Erdoğan diese Wanderung zum Erliegen gekommen.

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Warrach, N. (2020). Deutsch-türkische Migrationsgeschichte seit der Anwerbung von Arbeitskräften und Forschungsbefunde. In: Hochqualifizierte Transmigrantinnen. Interkulturelle Studien. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-27705-5_4

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