Durch die fortwährende Verwitterung der Gebirge fallen Gesteinsmassen an, die durch die Bergflüsse in die Täler transportiert werden. Beim Blick auf Abb. 16.1 erstaunt es dabei schon, welche ungeheure Kraft das Wasser entwickelt, um derartige Steinblöcke zu fortzubewegen.

Wir wollen in diesem Kapitel Methoden kennenlernen, wie man die bewegten Geschiebemassen berechnen kann. Dazu müssen wir uns mit den physikalischen Gesetzen des Geschiebetransports auseinandersetzen. Um dies möglichst einfach zu halten, beschränken wir uns zunächst auf homogenes Geschiebematerial, d. h. wir nehmen an, dass alle Steine dieselbe Gesteinsdichte und Größe haben, sie außerdem alle kugelförmig sind.

16.1 Experimentelle Untersuchungen zum Geschiebetransport

Die Gesetze des Geschiebetransports unter Feldbedingungen ausfindig zu machen, gestaltet sich aufgrund der heterogenen Geschiebeeigenschaften und der stark schwankenden Abflussbedingungen sehr schwierig. Daher ist man schon frühzeitig ins Labor gegangen, um möglichst homogene Strömungs- und Geschiebebedingungen herzustellen. Hier ist z. B. auch die uns schon bekannte Shieldsformel zum Bewegungsbeginn empirisch bestätigt worden.

Abb. 16.1
figure 1

Geschiebeführender Bergfluss in den Anden

Abb. 16.2
figure 2

Geschieberinne (aus [98]). Im Anlaufbereich wurde eine Böschung ausgebildet, damit der Transport gleichmäßig und nicht abrupt einsetzt

Abb. 16.3
figure 3

Beispiel für die gemessene Gewichtszunahme des Sedimentfangbehälters zur Ermittlung der Transportrate

Daher werden Laborgerinne eingesetzt, in denen eine mit Geschiebe belegte Sohle durch eine Gerinneströmung belastet wird. Am Ende der Rinne wird das bewegte Geschiebe durch die zeitliche Zunahme der Feststoffmenge \(m_S\) in einem Geschiebefänger bestimmt (siehe Abb. 16.2). Ein so erhaltenes Ergebnis ist in Abb. 16.3 zu sehen.

Nun gilt es, ein Maß für die Intensität des Geschiebetransports zu entwickeln. Dieses soll umso größer sein, desto schneller die Geschiebemenge im Behälter zunimmt. Dabei sollte aber auch berücksichtigt werden, dass in einer breiteren Versuchsrinne mehr Geschiebe anfallen wird als in einer schmaleren. Dabei ist eine breitere Rinne grundsätzlich einer schmaleren vorzuziehen, da die Einflüsse der Berandung dann weniger ins Gewicht fallen.

Damit muss die Massenzunahme im Geschiebebehälter proportional zur Gerinnebreite B und zur Geschiebedichte \(\varrho _S\) sein:

$$\begin{aligned} \frac{d m_S}{dt} \simeq B \varrho _S \quad \Rightarrow \quad \frac{d m_S}{dt} = q_S B \varrho _S \end{aligned}$$

Mit der Einführung der Geschiebetransportkapazität \(q_S\) wurde die Relation sofort in den Stand einer Gleichung erhoben.

Um nun eine empirische Formel für die Geschiebetransportkapazität zu entwickeln, sind zunächst alle denkbaren Einflussgrößen zu benennen und diese im Experiment so zu variieren, dass die quantitativen Zusammenhänge bestimmt werden können.

Hat man so eine Geschiebetransportformel entwickelt, so sollte das Experiment im numerischen Modell nachsimuliert werden, um zu verifizieren, ob die experimentellen Ergebnisse auch tatsächlich reproduziert werden.

16.2 Die Sedimenttransportkapazität

Die Kenntnis der Sediment- oder Geschiebetransportkapazität \(q_S\) ermöglicht die Berechnung des durch eine Querschnittsbreite B durchtretenden Geschiebes, da sich ihre Definitionsgleichung leicht auf die Form

$$\begin{aligned} q_S := \frac{\text {transportiertes Sedimentvolumen}}{\text {Breite} \cdot \text {Zeit}} \end{aligned}$$

bringen lässt. Ihre Einheit sollte also m3/(s m) = m2/s sein.

Seit DuBoys 1879 seine erste Sedimenttransportformel veröffentlicht hat, ist eine große Anzahl weiterer erschienen. Hier seien einige im Folgenden nicht weiter vorgestellten dem Namen nach aufgezählt:

  • Laursen (1958)

  • Colby (1964a, b)

  • Blench Regime Formula (1966)

  • Inglis-Lacey (1968)

  • Toffaleti (1969)

  • Graf (1971)

  • Shen-Hung (1972)

  • Ackers-White (1973)

  • Yang (1973,1979)

  • Maddock (1976)

  • Karim (1981)

  • Brownlie (1981a, b)

  • Zanke (1988)

Die Formeln werden nach verschiedenen Kriterien klassifiziert. So lassen sich Schwellwertformeln und Formeln mit kontinuierlichem Transport, die auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen basieren, unterscheiden [10]. Andere Ansätze basieren auf der Ausbreitungsgeschwindigkeit von Sohlformen oder energetischen Überlegungen.

16.2.1 Das Modell von DuBoys (1879)

In Analogie zu einer laminaren Strömung ging M.P. DuBoys davon aus (nach [45]), dass die einzelnen Kornlagen der Sedimentsohle beim Angriff einer Sohlschubspannung \(\tau _B\) schichtartigen fließen. Die Situation ist in Abb. 16.4 dargestellt. Dort ist die sich bewegende Sohle in n – 1 Schichten der Dicke \(\Delta z \simeq d\) aufgeteilt. Von Schicht zu Schicht nimmt die Bewegungsgeschwindigkeit um den Betrag \(v_S\) zu. Die Sedimenttransportkapazität ergibt sich dann ganz einfach durch Aufsummieren der einzelnen Geschwindigkeitsbeträge multipliziert mit den Schichtdicken:

$$\begin{aligned} q_S = d \sum \limits _{i=1}^{n-1} i v_S = d v_S \frac{n(n-1)}{2} \end{aligned}$$

DuBoys argumentiert weiter, dass mit zunehmender Sohlschubspannung mehr Schichten bewegt werden. Es muss also einen Zusammenhang der Form

$$\begin{aligned} n = \frac{\tau _B}{\tau _c} \end{aligned}$$

geben. Substituiert man dann die Schichtzahl, so bekommt man die nach DuBoys benannte Transportformel:

$$\begin{aligned} q_S = \frac{d v_S}{2 \tau _c^2} \tau _B (\tau _B - \tau _c) \end{aligned}$$

An diesem Modell zum Geschiebetransport wurde viel Kritik geübt, die sich vor allem auf das laminare Fließen einzelner Sedimentschichten bezog. Vielmehr scheint die nochmalige Betrachtung von Abb. 16.1 darauf hinzudeuten, dass lediglich Steine aus der obersten Schicht rollend transportiert werden, die Zahl der bewegten Schichten also \(n = 1\) ist.

Abb. 16.4
figure 4

(Aus [45])

Das Geschiebemodell von DuBoys.

16.2.2 Die Untersuchungen von Shields (1936)

In seiner heute hauptsächlich wegen des Bewegungsbeginns zitierten Arbeit [111] hat Shields auch Untersuchungen zum Geschiebetrieb veröffentlicht.

Abb. 16.5
figure 5

(Aus [111])

Darstellung des Sediment-Wasser-Massenfluss-Verhältnisses gegen das Mobilitätsverhältnis.

Um die unterschiedlichen Ergebnisse der Versuche zu vereinheitlichen, wendet er auch hier die Ähnlichkeitsmechanik an, d. h. er versucht, die Ergebnisse über dimensionslosen Gruppen von physikalischen Größen aufzutragen. Als solche identifiziert er zunächst einmal das Verhältnisse der Massenflüsse des Sediments zu dem des Wassers und die wirkende Schubspannung abzüglich der kritischen Spannung dividiert durch die Dichtedifferenz, Gravitationsbeschleunigung und Korndurchmesser. Die sich aus der Abb. 16.5 ergebende Proportionalitätskonstante ist 10:

$$\begin{aligned} \frac{\dot{m_S}}{\dot{m}} \frac{\varrho _S - \varrho }{J \varrho }= 10 \frac{\tau _B - \tau _c}{\left( \varrho _S - \varrho \right) g d} \end{aligned}$$

Versuchen Sie es doch selbst, hieraus die spezifischen Durchflüsse abzuleiten:

$$\begin{aligned} q_S = 10 \frac{J \varrho }{\varrho _S - \varrho } \frac{\varrho }{\varrho _S} v h \frac{\tau _B - \tau _c}{\left( \varrho _S - \varrho \right) g d} \end{aligned}$$

Natürlich beginnt der Geschiebetrieb erst dann, wenn die Shieldsspannung überschritten wird.

16.2.3 Die Transportformel von Meyer-Peter und Müller (1948)

Um der zunehmenden Akkumulation von grobem Material im Alpenrhein oberhalb des Bodensees und der damit verbundenen Gefahr einer großflächigen Überflutung der Vorländer durch eine Flutwelle vorzubeugen, wurde Professor Eugene Meyer-Peter an der ETH Zürich in der zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts von der Schweizer Regierung beauftragt, eine flussbauliche Maßnahme, die dieser Gefahr entgegenwirkt [32]. Das dahinter steckende Schlüsselproblem bestand also darin, wie weit der Fluss eingeengt werden musste, damit die Transportkapazität so steigt, dass eingetragenes Geschiebe auch weitertransportiert wird, also einen Zusammenhang zwischen Geschiebetransportrate, Abfluss und Sohlneigung zu finden. Dem Ansatz von DuBoys wurde tiefes Misstrauen entgegen gebracht, da das Bewegen des Geschiebes nicht in Schichten stattfand. Ferner gab es schon verschiedene empirische Ansätze zum Geschiebetransport, die allerdings nur für einen Fluss oder gar einen Flussabschnitt galten. In England wurde zu dieser Zeit die Regimetheorie für sandige Gerinne in Indien und Ägypten entwickelt.

Abb. 16.6
figure 6

Darstellung des Geschiebebetriebs mit den originalen Achsengrößen \(x = \left( q_s (\varrho _s - \varrho \right) ^{2/3}/(d \gamma ^{7/9})\), \(y = J q^{2/3} /(d \gamma ^{10/9})\) und \(\gamma = (\varrho _s - \varrho )/\varrho \) nach Meyer-Peter und Müller [81]

Es musste also etwas neues her. Daher ließ Meyer-Peter 1927 das hydraulische Labor der ETH Zürich errichten, in dem seine Doktoranden (darunter auch H.A. Einstein) in den folgenden Jahren die Gesetzmäßigkeiten des Geschiebetransportes untersuchten.

Transportformel für homogenes Geschiebe

Die Transportformel von Meyer-Peter und Müller [80, 81] für homogenes Geschiebe ist das Ergebnis von 139 Einzelversuchen zur Abhängigkeit der Geschiebemenge von den hydraulischen Größen Durchfluss und Wasserspiegelgefälle bei Normalabfluss und stationären Transportbedingungen. Das Sediment bestand sowohl aus uniformen Material unterschiedlicher Größe, es wurden aber auch Mischsohlen und Geschiebematerial unterschiedlicher Dichte (Silikate, sowie Baryt, \(\varrho _S\) = 4200 kg/m3 und Braunkohlengrus \(\varrho _S\) = 1250 kg/m3 getestet. Die Versuchsergebnisse lassen sich mit sehr großer Genauigkeit durch die Gleichung

$$\begin{aligned} \left( q \varrho \right) ^{2/3} J = a \left( \frac{\varrho _S - \varrho }{\varrho } \right) ^{10/9} d + b \left( \frac{\varrho _S - \varrho }{\varrho } \right) ^{1/3} \left( q_S (\varrho _S - \varrho ) \right) ^{2/3} \end{aligned}$$

zusammenfassen, wobei J das Energieliniengefälle, q der spezifische Durchfluss pro Breitenmeter und

  • a \(= 9{,}57 \left( \frac{kg^2}{m^5 s^2} \right) ^{1/3}\)

  • b \(= 0{,}462\)

sind. Der Zusammenhang ist in Abb. 16.6 graphisch dargestellt. In der Originalveröffentlichung [81] schmiegen sich die etwa 40 Messpunkte eng an diese Gerade an. Die in der Legende aufgeschlüsselten Achsenbeschriftungen gilt es natürlich auch in jeder Berechnung erst einmal aufzuschlüsseln; man kommt dann auf die Transportformel:

$$\begin{aligned} q_S = \left( \frac{\varrho }{\varrho _S - \varrho } \frac{q^{2/3} J}{b} - \frac{a}{b} \frac{\left( \varrho _S - \varrho \right) ^{1/9}}{\varrho ^{7/9}} d \right) ^{3/2} \end{aligned}$$

Zur Weiterentwicklung und praktischen Anwendung dieses Zusammenhangs sollten die hydraulischen Größen Durchfluss und Sohlgefälle durch die Sohlschubspannung ersetzt werden, da diese die tatsächliche Verursacherin des Geschiebetransportes ist. Die Autoren stellen fest, dass die Versuche in der Nähe des Überganges zwischen strömenden und schießendem Abfluss stattfanden, hier gilt die Beziehung:

$$\begin{aligned} \frac{q^{2/3} J}{g^{1/3}} = h J = \frac{\tau _B}{\varrho g} \Rightarrow q^{2/3} J = \frac{\tau _B}{\varrho } g^{- 2/3} \end{aligned}$$

und somit:

$$\begin{aligned} q_S = \left( \frac{\tau _B}{\varrho _S - \varrho } \frac{g^{- 2/3}}{b} - \frac{a}{b} \frac{\left( \varrho _S - \varrho \right) ^{1/9}}{\varrho ^{7/9}} d \right) ^{3/2} = \left( 0{,}4723 \frac{s^{4/3}}{m^{2/3}} \frac{\tau _B}{\varrho _S - \varrho } - \frac{a}{b} \frac{\left( \varrho _S - \varrho \right) ^{1/9}}{\varrho ^{7/9}} d \right) ^{3/2} \end{aligned}$$

Natürlich gilt diese Formel nur dann, wenn der erste, den Geschiebetransport antreibende Term größer als der zweite Term ist, der für den Bewegungsbeginn steht.

Der Beginn des Geschiebebetriebs

Wenn wir also diese beiden Terme vergleichen, dann muss

$$\begin{aligned} 0{,}4723 \frac{s^{4/3}}{m^{2/3}} \tau _B \ge \frac{a}{b} \frac{\left( \varrho _S - \varrho \right) ^{10/9}}{\varrho ^{7/9}} d \end{aligned}$$

sein, damit ein Geschiebetransport stattfindet. Der Beginn des Geschiebebetriebs nach Meyer-Peter und Müller ist somit:

$$\begin{aligned} \tau _c = 43{,}8583 \frac{kg^{2/3}}{m s^2} \frac{\left( \varrho _S - \varrho \right) ^{10/9}}{\varrho ^{7/9}} d \end{aligned}$$

Im Vergleich zu Shields bekommen Meyer-Peter und Müller also eine etwas andere Abhängigkeit von der Feststoffdichte heraus. Mit der Potenz 10/9 ist sie allerdings nicht so anders als bei Shields. Daher haben die Autoren hier ebenfalls die Shieldsform angesetzt, wobei man dann die Sedimentdichte in dem Term \(\left( \varrho _S - \varrho \right) ^{1/9}\) einmal vorgeben muss. Für einen Standardwert von 2650 kg/m\(^3\) ergibt der Vergleich:

$$\begin{aligned} \tau _c = 0{,}047 \left( \varrho _S - \varrho \right) g d. \end{aligned}$$

Um eine größere Allgemeingültigkeit dieses Ansatzes zu gewährleisten, rechnet man heute auch in der Meyer-Peter und Müller-Formel zumeist mit dem Bewegungsbeginn nach Shields, verändert also den Vorfaktor in der dort dargestellten Weise.

Damit bekommt die Geschiebetransportformel die schon viel handlichere Form:

$$\begin{aligned} q_S = \left( \frac{0{,}4723s^{4/3} m^{- 2/3} }{\varrho _S - \varrho } \left( \tau _B - \tau _c \right) \right) ^{3/2} = \frac{3{,}1842}{g} \left( \frac{ \tau _B - \tau _c }{\varrho _S - \varrho } \right) ^{3/2} \end{aligned}$$

Die Transportformel nach Meyer-Peter und Müller gilt insbesondere für Korndurchmesser über 1 mm, d. h. im Bereich von groben Sanden bis Kies.

Die so genannte Meyer-Peter-Müller-Formel

Heute wird die Formel zumeist in der Form (siehe z. B. [100])

$$\begin{aligned} q_S = 8 \displaystyle \frac{1}{\varrho ^{1/2} ( \varrho _S - \varrho ) g} \left( \tau _B - \tau _c \right) ^{3/2} \end{aligned}$$

geschrieben. Diese Form hat quantitativ nichts mit der ursprünglichen Meyer-Peter-Müller-Formel zu tun (Abb. 16.7), sie überschätzt die tatsächlichen Sedimenttransportraten zudem erheblich. Man sollte vielleicht einmal untersuchen, woher diese heutige Form kommt.

In ihrer Wirkungsgeschichte wurde die Formel leicht verändert, weil man feststellte, dass sie den tatsächlichen Geschiebetransport überschätzt. Tatsächlich berechnet man mit der Originalformel viel kleinere Transportkapazitäten,

Abb. 16.7
figure 7

Die Sedimenttransportkapazität nach Meyer-Peter und Müller (fette Linien) hat mit der heute oft zitierten Form (dünne Linien) nichts zu tun, was man sofort erkennt, wenn man diese in Abhängigkeit von der Sohlschubspannung für verschiedene Korndurchmesser darstellt

Geschiebegemische

Natürliche Flusssohlen bestehen nicht aus homogenen Sedimenten einer Korngröße und Dichte, sondern aus Gemischen. Meyer-Peter und Müller stellen ernüchternd fest, dass sich die Transportformel für ein homogenes Geschiebe nicht einfach auf ein Gemisch übertragen lässt, indem man z. B. den Korndurchmesser d durch den mittleren Korndurchmesser \(d_m\) ersetzt.

16.2.4 Die Wirkung der turbulenten Fluktuationen: Einstein (1950)

Die Modellvorstellung von H.A. Einstein zum Geschiebetransport unterscheidet sich grundlegend von den Vorgängern wie z. B. DuBoys und Meyer-Peter und Müller. Einstein geht davon aus, dass es weniger die mittlere Strömung als vielmehr die turbulenten Geschwindigkeitsschwankungen sind, die die Sedimentkörner in Bewegung versetzen. Das Konzept einer durch die mittlere Strömung bestimmte Mindestschubspannung taucht daher in seinen Überlegungen nicht auf. Die Modellvorstellung von Einstein wird zudem von einer Verbesserung des aus Experimenten gewonnenen Bildes zum Prozess des Geschiebetransportes geprägt. Dabei wird das einzelne Partikel durch Sprünge transportiert, um danach in langen Ruhepausen an einem Ort zu verbleiben.

Diese Sprünge stellt Einstein sich aus Einzelsprüngen zusammengesetzt vor, die durch kurzfristige turbulente Fluktuationen ausgelöst werden, bei denen die Wirkung der Liftkraft \(F_L\) die Gewichtskraft des Partikels \(F_G\) übersteigt: \(F_L > F_G\). Der Zeitanteil, für den diese Bedingung erfüllt ist, wird als Erosionswahrscheinlichkeit p bezeichnet.

Abb. 16.8
figure 8

Nur wenn die Sohlschubspannung zwischen \(- \tau _{cr}\) und \(\tau _{cr}\) liegt, bleibt ein Korn liegen. In dem dargestellten Fall liegt die mittlere Sohlschubspannung unter der kritischen Schubspannung, der Boden sollte also stabil sein. Tatsächlich treten bei einer gegebenen mittleren Sohlschubspannung \(\overline{\tau }_B\) durch turbulente Fluktuationen auch größere und kleinere Schubspannungen auf, die man als normalverteilt annehmen kann. Die Erosionswahrscheinlichkeit bestimmt sich damit als die Wahrscheinlichkeit, dass ein Korn nicht liegen bleibt

Die Liftkraft ist proportional zur Sohlschubspannung, die in einer turbulenten Strömung irgendeine Verteilung \(f(\tau )\) um ihren Mittelwert aufweist (Abb. 16.8). Die Erosionswahrscheinlichkeit p ist dann:

$$\begin{aligned} p = 1 - \int \limits _{-\tau _{cr}}^{\tau _{cr}} f(\tau ) d\tau \end{aligned}$$

Einstein nimmt vereinfachend an, dass jeder solcher Turbulenzstoß  einen Teilsprung der Länge \(\lambda _b d\) auslöst. Es gibt nun Partikel, die nach einem Turbulenzstoß zu Boden fallen, und Partikel, die durch weitere Turbulenzimpulse weitere Sprünge ausüben. Da die Wahrscheinlichkeit keinen weiteren Impulsstoß zu bekommen \((1-p)\) ist, ist die Wahrscheinlichkeit, nach einem Teilimpuls wieder zu Boden zu fallen, ebenfalls \((1-p)\). In der Wassersäule verbleibt also der Anteil p, weil er von einem Turbulenzimpuls zu einem weiteren Teilsprung genötigt wird.

Die mittlere Gesamtsprungweite \(\lambda \) setzt sich somit aus den mit den Wahrscheinlichkeiten gewichteten Längen von einem, zwei, drei etc. Teilsprüngen zusammen. Sie ist somit:

$$\begin{aligned} \lambda = (1-p) \lambda _b d + (1-p) p 2 \lambda _b d + (1-p) p^2 3 \lambda _b d + \ldots = \sum \limits _{n=0}^{\infty } (1-p) p^n (n+1) \lambda _b d = \frac{\lambda _b d}{1-p} \end{aligned}$$

Die letzte Identität lässt sich recht einfach mit der Methode der vollständigen Induktion beweisen.

Die sich im Sprung befindlichen Partikel bilden die sogenannte Transportschicht.  Um nach dieser Vorüberlegung zur mittleren Sprungweite zu einen Transportformel zu gelangen, betrachtet Einstein den Austausch zwischen dieser Transportschicht und der festen Sohle, auf dem die Partikel ruhen.

Bei der Deposition werden Partikel aus der Transportschicht zur festen Sohle verbracht. Die Depositionsrate D als Wachstumsrate der Sohle in m/s ist beim Transport durch Sprünge der mittleren Weite \(\lambda \):

$$\begin{aligned} D = \frac{q_S}{\lambda } \end{aligned}$$

Da verschieden große Partikel Sprünge unterschiedlicher Länge ausführen, werden die sich in der Transportschicht befindlichen Kornfraktionen der Anteile \(p^T_i\) einzeln betrachtet. Die auf die einzelne Kornfraktion bezogene Depositionsrate ist:

$$\begin{aligned} D_i = \frac{q_S p^T_i}{\lambda _i} = \frac{q_S p^T_i (1-p)}{\lambda _b d_i} \end{aligned}$$

Haben die durchaus unregelmäßig gestalteten Partikel das Volumen \(k_2 d_i^3\), dann werden pro Zeit von der Fraktion i

$$\begin{aligned} n^D_i = \frac{q_S p^T_i (1-p)}{\lambda _b k_2 d_i^4} \end{aligned}$$

Partikel deponiert.

Für den Erosionsfluss, d. h. für die Überführung von Partikeln von der festen Sohle in die Transportschicht nimmt Einstein an, dass dieser zunächst proportional zur Erosionswahrscheinlichkeit p ist. Ist die Sohle aus Sedimentfraktionen der Anteile \(p^B_i\) zusammengesetzt, dann ist der auf die Fraktion bezogene Erosionsstrom proportional zu \(p^B_i p\). Einstein nimmt ferner an, dass die Erosionswahrscheinlichkeit mit zunehmender Partikeloberfläche \(k_1 d_i^2\) und mit der Sprungdauer \(t_e\) abnimmt. Die Anzahl der pro Zeiteinheit erodierten Partikel ist dann:

$$\begin{aligned} n^E_i = \frac{p^B_i p}{k_1 d_i^2 t_e} \end{aligned}$$

Für die Sprungdauer \(t_e\) eines Sedimentkorns ist auf der einen Seite umgekehrt proportional zur Sinkgeschwindigkeit des Partikels und auf der anderen Seite propotional zur Liftkraft des Partikels in der Strömung. Einstein nimmt die folgende Proportionalität an:

$$\begin{aligned} t_e := k_3 \sqrt{\frac{\varrho d_i}{g (\varrho _S - \varrho )}} \Rightarrow n^E_i = \frac{p^B_i p}{k_1 d_i^2 k_3} \sqrt{\frac{\varrho _S - \varrho }{\varrho } \frac{g}{d_i}} \end{aligned}$$

Ein stationärer homogener Sedimenttransport kann nur dann stattfinden, wenn die Anzahl der pro Fraktion in die Transportschicht erodierten Partikel der Anzahl der erodierten entspricht, \(n^E_i = n^D_i\). Somit ergibt sich für die Geschiebetransportkapazität:

$$\begin{aligned} q_S = \frac{p^B_i}{p^T_i} \frac{p}{1-p} \frac{\lambda _b k_2}{k_1 k_3} \sqrt{\frac{\varrho _S - \varrho }{\varrho } g d_i^3} \end{aligned}$$

Die vielen noch verbleibenden unbekannten Relationen schließt Einstein durch den Vergleich mit veröffentlichten Messungen zum Geschiebetransport, darunter auch denen von Meyer-Peter.

Dabei führt er die dimensionslosen Größen

$$\begin{aligned} \Phi = \frac{q_S}{F(D_*) \sqrt{\frac{\varrho _S - \varrho }{\varrho } g d_i^3}} \quad \text {und} \quad \Psi = \frac{(\varrho _S - \varrho ) g d_i}{\tau _B} = \frac{1}{\theta } \end{aligned}$$

mit der Funktion

$$\begin{aligned} F(D_*) = \sqrt{ \frac{2}{3} + \frac{36}{D_*^3} } - \sqrt{ \frac{36}{D_*^3} } \quad \text {mit} \quad D_* = \left( \frac{\varrho _S - \varrho }{\varrho } \frac{g}{\nu ^2} \right) ^{1/3} d \end{aligned}$$

vom dimensionslosen Korndurchmesser \(D_*\) ein. Die Funktion \(\Phi \) beschreibt die Sedimenttransportrate. Die zweite Größe \(\Psi \) ist etwas ungeschickt gewählt, da sie umgekehrt proportional zur Sohlschubspannung, d. h. zur antreibenden Kraft ist. Damit erhält er:

$$\begin{aligned} 0{,}465 \Phi = e^{-0{,}391 \Psi } \quad \text {f}\ddot{\mathrm{u}}\text {r} \quad \Phi < 0{,}4 \end{aligned}$$

Dröselt man diese Beziehung auf, dann ist die Sedimenttransportrate nach Einstein:

$$\begin{aligned} q_S = 2{,}15 F(d) \sqrt{\frac{\varrho _S - \varrho }{\varrho } g d^3} e^{-0{,}391 / \theta } \quad \text {f}\ddot{\mathrm{u}}\text {r} \quad \theta < 0{,}49 \end{aligned}$$

Im Unterschied zu den Ansätzen von Shields und Meyer-Peter und Müller, bei denen die Transportkapazitäten stetig mit der Schubspannung steigen, scheint es bei Einstein so etwas wie ein Sättigungsverhalten in der Transportschicht zu geben (Abb. 16.9). Allerdings hört hier dann auch die Gültigkeit der Formel auf. Eine weitere Besonderheit besteht in der Abhängigkeit vom Korndurchmesser. Schaut man sich dazu die Transportkapazitäten etwa bei 7 Pa an, dann werden hier am meisten Sedimente mit 2 mm Durchmesser transportiert, während 1 mm und 5 mm-Sedimente eine geringere Transportkapazität haben.

Abb. 16.9
figure 9

Die Sedimenttransportkapazität nach H.A. Einstein als Funktion der Sohlschubspannung für verschiedene Korndurchmesser

Eine Merkwürdigkeit in der Transportformel von Einstein scheint die Dichteabhängigkeit zu sein. Es sieht zunächst so aus, als ob die Transportkapazität danach mit zunehmender Partikeldichte steigt. Tatsächlich geht sie aber auch in den Exponenten ein, wodurch sich insgesamt eine Abnahme der Transportkapazität mit der Partikeldichte einstellt.

Die Erweiterung von Einstein-Brown

Tatsächlich soll die Formel von Einstein auch nur bei kleineren dimensionslosen Mobilitätsparametern \(\theta \) mit den gemessenen Geschiebetransportraten gut übereinstimmen. Brown (1950, [16]) erweiterte die Gültigkeit auch auf größere Werte durch:

$$\begin{aligned} q_S = \left\{ \begin{array}{ccl} 2{,}15 F(D_*) e^{-0{,}391 / \theta } \sqrt{\displaystyle \frac{\varrho _S - \varrho }{\varrho } g d^3} &{} \quad \text {f}\ddot{\mathrm{u}}\text {r} \quad &{} \theta < 0{,}2 \\ 40 \theta ^3 F(D_*) \sqrt{\displaystyle \frac{\varrho _S - \varrho }{\varrho } g d^3} &{} \quad \text {f}\ddot{\mathrm{u}}\text {r} \quad &{} \theta > 0{,}2 \\ \end{array} \right. \end{aligned}$$

Die folgende MATLAB-Funktion berechnet die Geschiebetransportrate nach Einstein-Brown:

figure a

Tatsächlich zeigt die Abb. 16.10, dass nun alle Besonderheiten des ursprünglichen Ansatzes von Einstein wieder auf Linie gebracht sind. Nun stellt sich für jede Korngröße ein Ansteigen der Transportkapazität mit der Sohlschubspannung ein (Abb. 16.11).

Abb. 16.10
figure 10

Die Sedimenttransportkapazität nach Einstein und Brown in Abhängigkeit von der effektiven Sohlschubspannung für verschiedene Korndurchmesser

Abb. 16.11
figure 11

Die Sedimenttransportkapazität nach Einstein und Brown in Abhängigkeit vom Korndurchmesser für verschiedene Sohlschubspannungen. Mit zunehmendem Durchmesser nimmt die Transportkapazität kontinuierlich ab

16.2.5 Das energetische Konzept von Bagnold (1966)

Aus energetischer Sicht kann man den Transport von Geschiebe als Übertragung von Bewegungsenergie aus der Wassersäule in den Boden verstehen. Ein Konzept, welches diese energetischen Flüsse quantifiziert und hieraus eine Sedimenttransportformel herleitet, ist 1966 von R.A. Bagnold [3] vorgestellt worden, um seine ursprünglich für den äolischen Transport entwickelten Ansätze zu verallgemeinern.

Eine Besonderheit der Bagnoldschen Formel ist die Berücksichtigung der Sohlneigung auf den Geschiebetransport. Nach seiner Herleitung gilt die ursprüngliche Formel allerdings nur für den Fall, dass die Strömung in Richtung eines abfallenden Hanges angreift. Im Folgenden sei eine Verallgemeinerung vorgestellt, die beliebige Strömungsangriffsrichtungen berücksichtigt. Grundsätzlich kann man zeigen [67], dass der Verlust an kinetischer Energie \(\Phi _E\) der Strömung des Wassers in gewissen Fällen als

$$\begin{aligned} \Phi _E = \tau _{B} \overline{u} \quad \text {(in J/(m}^{2}\, \text {s))} \end{aligned}$$

berechnet werden kann, wobei \(\tau _{B}\) die Sohlschubspannung und \(\overline{u}\) die tiefengemittelte Strömungsgeschwindigkeit ist. Dabei wird allerdings nur ein Bruchteil \(e_b\) der kinetischen Strömungsenergie an die Sohle abgegeben, der weitaus größere Teil wird über die Turbulenz in Wärme umgewandelt.

Dieser Bruchteil \(e'_b\) an Energie steht nun dem Geschiebetransport zur Verfügung, wobei man den dazu erforderlichen Energiebedarf wiederum aus den zu brechenden im Sediment wirkenden inneren Spannungen \(\tau _{S}\) und der mittleren Sedimentbewegungsgeschwindigkeit \(u_S\) berechnen kann:

$$\begin{aligned} \tau _{S} u_S = e'_b \tau _{B} \overline{u} \end{aligned}$$

Wir wollen nun annehmen, dass die inneren Spannungen im Sediment proportional zur kritischen Schubspannung des Bewegungsbeginns unter Berücksichtigung der Böschungsneigung sind. Hierfür wird in Abschn. 15.7 ein Ansatz hergeleitet, der zu folgender Form führt:

$$\begin{aligned} \theta (\varrho _S - \varrho ) g d \left( - \frac{\sin \beta }{\tan \phi } \cos \delta + \sqrt{\frac{\sin ^2 \beta }{\tan ^2 \phi } (\cos ^2 \delta - 1 ) + \cos ^2 \beta } \right) u_S = e'_b \tau _{B} \overline{u} \end{aligned}$$

Wird genau die oberste Kornlage transportiert, dann ist die Sedimenttransportrate \(q_S = u_S d\) und somit:

$$\begin{aligned} q_S = \frac{e'_b \tau _{B} \overline{u}}{\theta (\varrho _S - \varrho ) g} \frac{\tan \phi }{\cos \beta \left( \sqrt{\tan ^2 \beta (\cos ^2 \delta - 1 ) + \tan ^2 \phi } - \tan \beta \cos \delta \right) } \end{aligned}$$

Die Bagnoldsche Transportformel wurde nur für eine Strömung in Richtung des abfallenden Gefälles (\(\delta \) = 0) entwickelt. In diesem Fall bekommen wir:

$$\begin{aligned} q_S = \frac{e'_b \tau _{B} \overline{u}}{\theta (\varrho _S - \varrho ) g} \frac{\tan \phi }{\cos \beta \left( \tan \phi - \tan \beta \right) } \end{aligned}$$

Fasst man die Konstantwerte in der Formel zu dem sogenannten Effizienzfaktor \(e_b = e'_b \tan \phi / \theta \) zusammen, dann erhält man die Bagnoldsche Transportformel:

$$\begin{aligned} q_S = \frac{e_b \tau _B \overline{u}}{\left( \varrho _S - \varrho \right) g \cos \beta \left( \tan \phi - \tan \beta \right) } \end{aligned}$$

Der Effizienzfaktor \(e_b\) liegt zwischen 0,1 und 0,2. \(\tan \phi \simeq 0{,}6\) wird dabei als ‚dynamischer Reibungskoeffizient‘ bezeichnet.

Weiterentwicklung der Bagnoldschen Formel

Wir wollen die Bagnoldsche Formel weiterentwickeln, indem wir beliebige Sohlneigungen berücksichtigen, führen aber wieder Bagnolds Effizienzfaktor ein:

$$\begin{aligned} q_S = \frac{e_b \tau _{B} \overline{u}}{(\varrho _S - \varrho ) g} \frac{1}{\cos \beta \left( \sqrt{\tan ^2 \beta (\cos ^2 \delta - 1 ) + \tan ^2 \phi } - \tan \beta \cos \delta \right) } \end{aligned}$$

Berechnet man die tiefengemittelte Strömungsgeschwindigkeit dabei mit der Formel von Nikuradse für die Sohlschubspannung, so ergibt sich allgemeingültigere Darstellung:

$$\begin{aligned} q_S = \frac{e_b \ln \frac{12h}{k_s}}{\kappa } \frac{1}{\cos \beta \left( \sqrt{\tan ^2 \beta (\cos ^2 \delta - 1 ) + \tan ^2 \phi } - \tan \beta \cos \delta \right) } \frac{\tau _B^{3/2} }{\sqrt{\varrho } \left( \varrho _S - \varrho \right) g } \end{aligned}$$

Die Transportkapazitätsformel von Bagnold weist keinen Schwellwert für den Bewegungsbeginn auf, weil Bagnold annimmt, dass immer kinetische Strömungsenergie in die Sohle transferiert wird, was sicher nicht der Fall ist. Die resultierenden Geschiebetransportraten (Abb. 16.12) sind zudem von der Wassertiefe abhängig. Bemerkenswert sind ferner die Abhängigkeiten von der Sediment- und der Wasserdichte, die denen in der Formel von Meyer-Peter und Müller entsprechen.

Im Vergleich zu anderen Formeln liefert Bagnold wesentlich höhere Sedimenttransportkapazitäten, so dass dieser Ansatz zusammenfassend nicht empfohlen werden kann.

Abb. 16.12
figure 12

Die Sedimenttransportkapazität nach Bagnold in Abhängigkeit von der effektiven Sohlschubspannung für verschiedene Korndurchmesser bei einer Wassertiefe von 10 m und einem Effizienzfaktor von 0,1

16.2.6 Die Bewegung des Sedimentkorns

Wenn die Sedimenttransportkapazität als Ganzes schon nicht eindeutig erfassbar ist, kann man ansetzen, diese Größe in ihre Einzelbestandteile zu zerlegen. Betrachten wir dazu zunächst einmal den Volumenstrom \(Q_S\) von Feststoff. Er ist das Sedimentvolumen \(V_S\), welches in der Zeit t einen bestimmten Querschnitt durchdringt, also \(Q_S = V_S/t\). Wie beim Wasserdurchfluss kann dieses in die Sedimentbewegungsgeschwindigkeit \(u_S\) und den durchflossenen Querschnitt \(A_S\) zerlegt werden, also \(Q_S = u_S A_S\). Dabei ist \(A_S\) aber nur der von Sedimentkörnern ausgefüllte Fließquerschnitt, also wesentlich kleiner als der vollständige Fließquerschnitt. Bezieht man den Volumenstrom auf die Breite, dann bekommt man die Sedimenttransportkapazität als \(q_S = u_S h_S\), wobei \(h_S\) die Höhe transportierten Sedimentkörner ist.

Grundsätzlich kommt der Bestimmung der Bewegungsgeschwindigkeit der Körner eine Schlüsselfunktion zu. In der Arbeit von Engelund-Fredsøe wird dabei eher der rollende Transport untersucht. Die Höhe des transportierten Sediments entspricht dann genau dem Korndurchmesser d. Bei van Rijn stehen Sprünge der Sedimentpartikel im Zentrum der Untersuchung, womit \(h_S\) mit der Sprunghöhe identifiziert werden kann.

Die Empirie der Sprünge: Van Rijn (1984)

Leo van Rijn geht davon aus, dass der Transport als Geschiebe im Wesentlichen in Form von Sprüngen stattfindet. Er nimmt an, dass die Geschiebetransportkapazität so etwas wie das Produkt aus der mittleren Horizontalgeschwindigkeit \(u_S\) bei den Sprüngen, der mittleren Sprunghöhe \(\delta _b\) und den Volumenanteil \(n_b\) der springenden Körnchen auf mittlerem Sprunghöhenniveau ist:

$$\begin{aligned} q_S = u_S \delta _b n_b \end{aligned}$$

Van Rijn hat die Ergebnisse von verschiedenen experimentellen Arbeiten auf empirische Zusammenhänge für die Einzelgrößen untersucht. Für die mittlere Sprunghöhe schlägt er die Beziehung

$$\begin{aligned} \frac{\delta _b}{d} = 0{,}3 D_*^{0{,}7} T^{0{,}5} \end{aligned}$$

vor, wobei

$$\begin{aligned} T = \frac{\tau _B - \tau _{c}}{\tau _{c}} \end{aligned}$$

der dimensionslose Schubspannungsparameter ist, der die kritische Schubspannung nach Shields \(\tau _c\) und die effektive Bodenschubspannung \(\tau _B\) beinhaltet. Die mittlere Horizontalgeschwindigkeit sei

$$\begin{aligned} \frac{u_S}{\sqrt{\left( \frac{\varrho _s}{\varrho } - 1\right) g d}} = 1{,}5 T^{0{,}6} \end{aligned}$$

und der Volumenanteil der springenden Körnchen am Gesamtvolumen ist:

$$\begin{aligned} \frac{n_b}{n_0} = 0{,}18 \frac{T}{D_*} \quad \text {mit} \quad n_0 = 0{,}65 \end{aligned}$$

Zusammen ergibt sich die Transportformel

$$\begin{aligned} q_S = \alpha \sqrt{ \frac{\varrho _S - \varrho }{\varrho } g d_{50}^3} D_*^{-0{,}3} T^{\beta } \end{aligned}$$
(16.1)

mit den Parametern \(\alpha = 0{,}053\) und \(\beta = 2{,}1\). Sie gibt allerdings nur für \(T\le 3\) gute Ergebnisse. Bei größeren Sohlschubspannungen überschätzt sie die Transportkapazitäten. Deshalb werden für \(T > 3\) die Parameter \(\alpha = 0{,}1\) und \(\beta = 1{,}5\) verwendet. Nach Einsetzen aller Abhängigkeiten gibt van Rijn die Näherungsformel

$$\begin{aligned} q_S = 0{,}005 \overline{u} h \left( \frac{\overline{u} - \overline{u_c}}{ ((\varrho _S / \varrho - 1) g d_{50})^{0{,}5}} \right) ^{2{,}4} \left( \frac{d_{50}}{h}\right) ^{1{,}2} \end{aligned}$$

an.

Im Vergleich zu der Formel von Meyer-Peter und Müller liefert van Rijn teilweise etwa fünffach geringere Transportkapazitäten.

Ein Problem den Ansatzes von van Rijn ist die Fallunterscheidung bezüglich der dimensionslosen Sohlschubspannung, die, wie Abb. 16.13 sehr deutlich zeigt, zu Knicken in den Graphen der Transportkapazität führt. Diese erscheinen jetzt zwar unwesentlich zu sein, wenn wir später aber auch Ableitungen der Transportkapazität nach der Sohlschubspannungen benötigen, werden diese zu nicht mehr hinnehmbaren Unstetigkeiten. Der Autor empfiehlt daher, einen der beiden Fälle auf den ganzen Wertebereich auszudehnen.

Abb. 16.13
figure 13

Die Sedimenttransportkapazität nach van Rijn in Abhängigkeit von der effektiven Sohlschubspannung für verschiedene Korndurchmesser

16.2.7 Vergleichende Bewertung

Vergleichen wir die unterschiedlichen vorgestellten Geschiebetransportformeln, so fällt zunächst einmal auf, dass sie mit unterschiedlichen Eingangsgrößen versorgt werden müssen:

  • Der Korndurchmesser wird in allen Formeln, außer in der von Bagnold benötigt.

  • Die Sohlneigung und der Winkel der inneren Reibung geht explizit nur in die Formel von Bagnold ein.

  • Manchmal wird der Transport nur durch die Sohlschubspannung, manchmal auch durch die mittlere Geschwindigkeit angetrieben.

  • Schwellwertformeln transportieren erst ab Überschreitung eines kritischen Werts für den Bewegungsbeginn, stochastische Formeln transportieren immer Sediment.

Um diese Vielzahl von Eingangsparametern vergleichbar zu machen, wollen wir das Sohlsediment durch einen repräsentativen Korndurchmesser d und die Korndichte \(\varrho _S\) = 2650 kg/m\(^3\) beschreiben.

Abb. 16.14
figure 14

Vergleich der Sedimenttransportkapazitäten nach verschiedenen Formeln für einen repräsentativen Korndurchmesser von 2 mm und einem Gefälle von 0,01 %

In einem breiten, rechteckförmigen Kanal der Neigung J soll für einen spezifischen Abfluss q nun Normalwassertiefe, mittlere Strömungsgeschwindigkeit und Sohlschubspannung berechnet werden. Alle diese Werte werden in die entsprechenden Sedimenttransportformeln übernommen und so die Sedimenttransportkapazität \(q_S\) berechnet. Schließlich kann diese gegen den spezifischen Durchfluss aufgetragen werden.

Die Abb. 16.14 zeigt diesen Vergleich. Ganz offensichtlich fällt die Formel von Bagnold hier heraus, denn sie produziert im Unterschied zu den anderen Formeln ein lineares Ansteigen der Sedimenttransportkapazität mit dem Durchfluss.

Die Formel von Shields ergibt über den gesamten Bereich größere Sedimenttransportkapazitäten als die Formeln von Einstein-Brown, von van Rijn und die von Meyer-Peter und Müller. Für letztere wurde die genannte Originalform gewählt. Mit der heute oftmals erwähnten Form ergeben sich wesentlich höhere Transportraten, die mit der Formel von Shields vergleichbar sind.

Somit liefern die Formeln von Meyer-Peter und Müller, von Einstein-Brown sowie van Rijn sehr ähnliche Transportraten, was auf die quantitative Richtigkeit der Ansätze hindeutet.

Übung 88

Ein 10 m tiefer Fluss mit einer ebenen, um 2 Promille geneigten Sohle aus Feinsand ( \(d_{50}\) = 0,1 mm, \(d_{90}\) = 0,2 mm, \(\varrho _S\) = 2650 kg/m3) werde von einer tiefengemittelten Strömungsgeschwindigkeit von 1 m/s durchströmt.

  1. a)

    Berechnen Sie den Shieldsparameter \(\theta _c\) und die kritische Schubspannung des Bewegungsbeginns \(\tau _c\).

  2. b)

    Berechnen Sie die Kornrauheit und die Sohlschubspannung nach Nikuradse.

  3. c)

    Berechnen Sie die Geschiebetransportkapazität nach Meyer-Peter und Müller.

  4. d)

    Berechnen Sie die Geschiebetransportrate nach Einstein.

  5. e)

    Berechnen Sie die Geschiebetransportkapazität nach Bagnold.

  6. f)

    Berechnen Sie die Geschiebetransportkapazität nach van Rijn.

  7. g)

    Berechnen Sie die Geschiebetransportkapazität \(Q_S\), wenn der Fluss einen Rechteckquerschnitt der Breite 1000 m habe. Die Reibung der Strömung an den lateralen Rändern sei wieder vernachlässigt.

16.3 Geschiebetransport im Flussquerschnitt

Die Vielzahl der Berechnungsansätze für den Geschiebetransport legt nur eine Vorgehensweise für die wasserbauliche Systemanalyse nahe: Man muss die Ergebnisse der einzelnen Formeln in einer Abbildung gegeneinander auftragen und das sich ergebende Bild zusammen mit den Wassertiefen, der Spiegellinie und den Geschiebetransportkapazitäten im Querschnitt diskutieren.

Wir erweitern also also das Spiegellinien- und das Sohlstabilitätsdiagramm um ein weiteres Diagramm, das Geschiebetransportdiagramm. In ihm werden die Ergebnisse der verschiedenen Formeln aufgetragen, um dann bewertet werden zu können. Als Fallbeispiel soll der Fluss mit Trapezprofil und Vorland untersucht werden, dessen Schlüsselkurve in Abb. 15.12 dargestellt ist.

Abb. 16.15
figure 15

Querprofile in einem Fluss mit Trapezprofil und 50 m breitem Vorland. In dieser Situation ist nur der Flussschlauch gefüllt. Der repräsentative Korndurchmesser beträgt 2 mm, das Gefälle 0,01 %

Abb. 16.16
figure 16

Querprofile in einem Fluss mit Trapezprofil und 50 m breitem Vorland. In dieser Situation ist auch das Vorland überflutet

Die Abb. 16.15 zeigt zunächst einmal eine Situation, bei der das Vorland noch nicht überflutet ist. Dies erkennt man an der Geschwindigkeit im oberen Teil der Abbildung, die auf den Vorländern Null ist. Der mittlere Teil zeigt erniedrigte Stabilitäten und gleichzeitig erhöhte Sohlschubspannungen auf den Böschungen. Die entsprechenden Geschiebetransportraten sind also vor allem auf den Böschungen sehr hoch, dort arbeitet die Strömung also an der Abflachung des Profils.

In der Abb. 16.16 ist dagegen auch das Vorland überflutet, womit sich in allen dargestellten Größen ein anderes Querprofil einstellt.

Feststofftransport als deterministisches Chaos

Zur Bilanzierung der Sedimentfracht in Flüssen muss man die Sedimenttransportkapazität \(q_S\) über den Fließquerschnitt integrieren. Sei n eine Achse senkrecht zur Flussachse, \(B_r\) und \(B_l\) die Koordinaten des rechten und linken Ufers, dann ist die Gesamtfracht

$$\begin{aligned} Q_S = \int \limits _{B_l}^{B_r} q_S d n \end{aligned}$$

Die Gesamtfracht hat die Einheit m3/s, sie ist eigentlich ebenfalls nur eine Transportkapazität. Sie bestimmt den Abtransport der von der Erdoberfläche erodierten Sedimente mit den Flüssen über die Ästuare in die Küstengewässer.

Wir wollen nun untersuchen, wie diese Gesamtfracht \(Q_S\) vom Abfluss Q abhängig ist, da diese zentrale hydrologische Größe für die meisten Fließgewässer sehr gut bekannt ist.

Abb. 16.17
figure 17

Sedimentfracht eines um 0,01 % geneigten, Kies (d \(=\) 3 cm) führenden Flusses mit Vorland berechnet nach Meyer-Peter und Müller in Abhängigkeit von Oberwasser

Abb. 16.17 zeigt das Ergebnis für unseren trapezförmigen Fluss mit Vorland. Das Ergebnis weist zwar eine Tendenz auf: Mit zunehmendem Abfluss steigt auch die Geschiebefracht. Diese ist aber von scheinbar chaotischen Fluktuationen überlagert, die in Wirklichkeit nicht chaotisch sind. Jeder dieser Anstiege und Abfälle kann durch irgendeinen Prozess, den wir bisher in unserem Modell berücksichtigt haben, erklärt werden: Und das sind schon ziemlich viele Prozesse:

  • Die Wasserstands-Abfluss-Beziehung (Schlüsselkurve) für diesen komplexen Querschnitt

  • das sich aus turbulenter Dispersion und Sohlschubspannung ergebende Querprofil der Geschwindigkeit

  • Zu- und Abnahme der Sohlschubspannung auf Böschungen.

  • Abnahme der kritischen Schubspannung des Bewegungsbeginns auf Böschungen.

Wenn wir dann einmal zusammentragen, welche weiteren Prozesse wir schon kennen, hier aber nicht berücksichtigt haben, dann wird sehr schnell klar, dass jede Beziehung zwischen dem Abfluss und der Geschiebefracht in einem Fluss nur chaotischer Natur sein kann:

  • In einem Fluss herrscht nur selten Normalabfluss, weil jede Störung (Kurven, Querschnittsänderungen, ...) stromab diesen auch stromauf beeinflussen.

  • Die zeitliche Variation des Abflusses führt zu instationären Prozessen.

  • Ein Flussboden besteht nicht nur aus Geschiebe mit einer Korngröße, sondern aus einer Korngrößenverteilung, die sich zudem lokal ändert.

  • Dieses Geschiebe kann auch unterschiedlichste Formen und unterschiedliche Dichten haben.

Der Transport von Sedimenten und die damit verbundene Dynamik der Morphologie eines Fließgewässers ist damit ein hochkomplexer Prozess mit sehr vielen Einflussgrößen.

16.4 Die Verlandung von Stauräumen

Der Bau eines Staudamms mit dem stromauf gelegenen Stauraum oder Reservoir hat einen immensen Einfluss auf das Geschiebetransportgleichgewicht in einem Fluss. Durch den großen Querschnitt des Stauraum und den damit einhergehenden geringen Strömungsgeschwindigkeiten nimmt die Transportkapazität so stark ab, dass das eingetragene Sediment daherhaft im Reservoir verbleibt (vgl. Abb. 16.18). Erst wenn der Stauraum nahezu mit Geschiebe aufgefüllt ist und die Wassertiefen wieder so gering sind, dass die Shieldsspannung überschritten wird, findet wieder Sedimenttransport im Stauraum statt. Dieser hat dann allerdings viele seiner Funktionen verloren. So kann er im Fall eines Hochwassers keine Wassermengen mehr zwischenspeichern oder im Fall einer Trockenperiode den Fluss unterhalb der Staumauer mit Wasser zur Erhaltung der Mindesttiefen für die Schifffahrt versorgen.

Abb. 16.18
figure 18

Stauraumverlandung an der Lechstaustufe Feldheim. Im rechten Teil des Bildes ist der Damm oberhalb der Staustufe zu erkennen. Der Wald im linken Teil des Bildes war ursprünglich einmal wasserbedeckter Stauraum

Das einzige, was in einem verlandeten Stauraum weiterhin erhalten bleibt, ist die Fallhöhe für die Wasserkraftanlage. Verloren geht allerdings auch hier die gleichmäßige Produktion von Energie, da nur wenig Wasser im verlandeten Stauraum zwischengespeichert werden kann und der Betreiber der Wasserkraftanlage der Launigkeit der Hydrologie unterworfen ist.

Aber nicht nur der Verlandung des Reservoirs, sondern auch der damit verbundene Mangel an Sediment unterhalb der Stauanlage ist mit erheblichen wasserbaulichen Problemen verbunden. So führt der Sedimentmangel zu einer erhöhten Erosion des Flussbetts, die Kolkbildung an Brückenpfeilern wird erhöht und die Flusssohle vergröbert sich, weil feines Material nicht nachgereicht wird. Selbst die vorgelagerte Küste kann von zunehmenden Landverlusten geplagt sein, wenn deren Stabilität nur durch fluviale Sedimente gewährleistet ist.

Eine besondere Bedeutung haben viele Dämme, vor allem in Schwellen- und Entwicklungsländern, zur Versorgung von Bewässerungssystemen in der Landwirtschaft, womit ihre Funktionstüchtigkeit die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln gewährleistet.

Damit wird das Geschiebemanagement eines der wichtigsten Daueraufgaben bei der Unterhaltung von großen Stauanlage, nachdem diese errichtet worden ist. Hiervon gibt es nach der International Commission on Large Dams 1996 weltweit über 42.000 Anlagen mit einer Fallhöhe über 15 m. Morris und Fan [84] bemerken hierzu, dass die meisten dieser Anlagen im 20. Jahrhundert errichtet worden sind. Bei einer durch Stauraumverlandung begrenzten Lebenserwartung von etwa 100 Jahren wird die Herausforderung des 21. Jahrhundert das Feststoffmanagement in diesen Anlagen sein.

Als Maßnahmen zur Vermeidung der Stauraumverlandung sind

  • die Verminderung der Bodenerosion im Einzugsgebiet,

  • Maßnahmen zur Umleitung des Geschiebes um die Staustufe,

  • das Spülen des Stauraums über Grundablässe und

  • das Ausbaggern des Stauraums

zu nennen.