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Zum Forschungsstand im Inklusionsdiskurs

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Inklusive Didaktik

Part of the book series: Edition Fachdidaktiken ((EF))

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Zusammenfassung

Der fachwissenschaftliche Zugriff auf den schulischen Inklusionsdiskurs nimmt seinen Ausgangspunkt von dem Bestreben, zunächst dem Forschungsstand zum Inklusionsbegriff nachzuspüren, um dadurch eine transparente und möglichst plausible Verständigungsbasis für die nachfolgenden Ausführungen zu gewinnen. Wird in diesem Kapitel der Forschungsstand zur inklusiven Didaktik innerhalb der Behindertenpädagogik sowie innerhalb der allgemeinen Erziehungswissenschaft referiert, zeigt sich bereits an dieser Stelle, dass die fehlende grundlagentheoretische Klärung bzw. die terminologischen Unklarheiten im Hinblick auf den Inklusionsbegriff und in Bezug auf die Unterschiede zum Integrationsbegriff ein solches Unterfangen verkomplizieren und wissenschaftliche sowohl schulpraktische Verständigungsprobleme bedingen.

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Notes

  1. 1.

    Zudem existieren neben einem nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-BRK der Bundesregierung Aktionspläne der Bundesländer. Mit dem Monitoring dieses Prozesses ist das Deutsche Institut für Menschenrechte in Berlin beauftragt, das in dem sog. Eckpunkte-Papier den Rahmen für die Umsetzung der Inklusion in Deutschland abgesteckt hat (Deutsches Institut für Menschenrechte 2011).

  2. 2.

    Neben der offiziellen Übersetzung existiert auch eine Version in Leichter Sprache, die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2011b) in Auftrag gegeben worden ist und herausgegeben wird.

  3. 3.

    Zur Diskussion eines differenzierten Autononmiebegriffs im Kontext einer inklusiven Didaktik, der auch konstitutive Verletzlichkeit, Begrenztheit und Angewiesenheit des Indivduums beachtet, vergleiche Giese (2019b).

  4. 4.

    Die besondere Hochschätzung der Autonomie hat auch im Kontext des Stichworts Empowerment bereits nachhaltigen Eingang in die Debatte gehalten, womit letztlich ein Art „Selbst-Bemächtigung“ von Betroffenen im Sinne der Selbsthilfe zu verstehen ist, denn „die lautstärksten Zweifel an der besonderen Behandlung kamen dabei von den Betroffenen selbst“ (Hölter 2008, S. 97).

  5. 5.

    Das Prinzip des least restrictive environments wird im deutschsprachigen Raum üblicherweise als am wenigsten eingrenzende Umgebung übersetzt. Dieser Ansatz ist von Beginn an allerdings sehr umstritten. So weist u. a. Hinz auf die Problematik des Umkehrschusses hin: „Diese Logik bedeutet bei schwererer Behinderung eine stärkere Aussonderung, die wiederum zur Folge hat, dass die Sonderschulen, die Kinder und Jugendliche mit schweren Behinderungen aufnehmen, zur Restschule degenerieren“ (Hinz 2002, S. 356).

  6. 6.

    Der Begriff des Paradigmas wird in Anlehnung an Kuhn (1976) verstanden, der ein wissenschaftliches Paradigma durch die Art der Fragen definiert, die in Bezug auf einen Untersuchungsgegenstand gestellt werden und in Bezug darauf, wie die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung zu interpretieren sind.

  7. 7.

    Zu nennen wären hier in erster Linie die bekannten Schulversuche an der Fläming- und der Uckermarkschule in Berlin. In Folge des Besuchs erster integrativer Kindertagesstätten entstand bei Betroffenen und Eltern die Forderung nach der Fortführung dieser Ansätze in den Grundschulen, und es entstanden Mitte der 70er Jahre vereinzelt erste Integrationsklassen an staatlichen Regelschulen. „So auch eine Gruppe des Kinderhauses Friedenau inklusive zweier Kinder mit Lernbeeinträchtigung und einem Kind mit Down-Syndrom, welche 1976 an der Flämingschule (eine staatliche Grundschule in Berlin) eingeschult wurde und damit die erste offiziell dokumentierte zieldifferente Integrationsklasse in der Bundesrepublik darstellte. In der Folge startete 1982 an der Uckermarkschule ein Schulversuch zur wohnortnahen Integration; die Schule nahm alle Kinder des Einzugsgebiets – unabhängig von der Art und dem Grad der Behinderung – auf und war somit die erste Schule in Deutschland, die dem Anspruch, ‚eine Schule für alle‘ zu sein, nahe kam. Beide Schulstandorte gelten als Urheber bzw. als Modell für die heute bestehenden Klassenfrequenzmodelle in Integrationsklassen (15 + 5 = Flämingmodell; 20 + 2 = Uckermarkmodell) und gehen weit über das Land Berlin hinaus.“ (Merz-Atalik 2008, S. 14).

  8. 8.

    Die quasi omnipräsente Verwendung des Inklusionsbegriffs für alle Formen gesellschaftlicher Marginalisierungen ist aus sprachlogischer Perspektive nicht unproblematisch. Beruht die sprachlogische Verwendung des Inklusionsbegriff wie in Abschn. 2.1.1 gezeigt wurde, auf dem Konzept der Klassifizierung divergierender Kategorien, kann mit demselben Begriff schlechterdings das inhaltliche Gegenteil, nämlich das Gesamt aller gesellschaftlicher Marginalisierungen, bezeichnet werden. Es stellt sich die Frage, ob dem damit verbundenen Omnipotenzanspruch des Inklusionsbegriffs überhaupt sprachlich Rechnung getragen werden kann, beruhen alle unsere kulturellen Ausdrucksformen doch letztlich auf der Fähigkeit zur Fixierung und Relationierung symbolischer Bewusstseinsinhalte, was im zweiten Kapitel weiter ausgeführt wird (Goodman 1990, S. 20; Schwemmer 1997b, S. 82).

  9. 9.

    Der Index für Inklusion wurde in Großbritannien in einem interdisziplinären Team aller an Schule beteiligter Personen entwickelt, das sich in dreijähriger Arbeit und mehreren Pilotprojekten der ersten Fassung des Index immer weiter näherte. In der zweiten Fassung, die auch der deutschen Übersetzung zugrunde liegt, wurden aufgrund der Rückmeldungen durch die Einrichtungen Änderungen eingearbeitet und vor allem die Sprache vereinfacht (Boban und Hinz 2003, S. 8).

  10. 10.

    Der in diesem Zitat anklingende Aspekt der autonomen Eigenaktivität der Individuen bzw. ihr Verständnis als Agens des Handlungsprozesses ist zu betonen, weil an dieser Schnittstelle die anthropologische Fundierung positioniert wird, die dem bisherigen Inklusionsdiskurs in einer systematischen Form bisher fehlt und den roten Faden der vorliegenden Arbeit bildet (vgl. Abschn. 2.1.3).

  11. 11.

    Die folgenden Ausführungen orientieren sich an den Überlegungen von Boban und Hinz (2003, S. 8 ff.).

  12. 12.

    Wurde diese Einschätzung Thieles ursprünglich im Kontext der Erfahrungsorientierung in der Sport- und Bewegungspädagogik abgegeben, wird sie hier auf den Inklusionsdiskurs in der Behindertenpädagogik übertragen, weil sich die methodologischen Schwächen in den jeweiligen Debatten augenscheinlich ähneln.

  13. 13.

    Diese Bekundung spiegelt sich bereits im Untertitel ihres Werkes wieder, der den Integrations- und dem Inklusionsbegriff unbekümmert nebeneinander trägt: Inklusiven Unterricht, Inklusive Schule gestalten. Ein Handbuch zur integrativen Lehrer/innenaus- und -weiterbildung.

  14. 14.

    Anhand der Inklusiven Universitätsschule Köln (IUS) illustrieren Reich et al. (2015) wie eine solche Schule aussehen kann.

  15. 15.

    Der theorieferne und selbstreferenzielle Tenor der Debatte sowie methodologische Schwächen, die auch an anderer Stelle bereits kritisch angemerkt wurden (vgl. Abschn. 2.3.3), kommen auch hier zum Vorschein, da weder die Kriterien noch die Verfahren für die Auswahl der Ansätze dargelegt werden.

  16. 16.

    Vorausgreifend sei bereits angemerkt, dass diese Bezüge kongeniale Nähen zu den eigenen Positionen aufweisen, die allerdings auf Grundlage semiotischer Ansätze formuliert werden (vgl. Abschn. 4.1.3).

  17. 17.

    Es soll nicht verschwiegen werden, dass Seitz inklusive Didaktik an anderer Stelle auch als Weiterentwicklung einer integrativen Didaktik beschreibt. Welche Veränderungen des zugrundliegenden theoretischen Systems sich dann allerdings in dieser weiterentwickelten Didaktik spiegeln, bleibt jedoch offen und wird von Seitz m. W. auch an anderer Stelle nicht systematisch diskutiert (Seitz 2006, S. 3).

  18. 18.

    Ausführliche Ausführungen zur konstruktivistischen Didaktik finden sich beispielsweise bei Reich (2010) oder auch bei Reich (2012).

  19. 19.

    Folgen wir beispielsweise den soziologischen Analysen von Welsch (2002), befinden wir uns in einer postmodernen Gesellschaft, die durch das Grundaxiom der Pluralität gekennzeichnet ist. Bestimmt wird die Postmoderne durch den veränderten Stellenwert von Paradoxien, die Radikalisierung der Pluralität und den Bedeutungszuwachs von Dissensstrukturen. Eine paradoxiefreie Abbildung plural verfasster Lebenswelten ist nicht möglich, weshalb Paradoxien in der Postmoderne nicht mehr negativ stilisiert werden können, sondern als Faktum anzuerkennen sind. Dies führt zu der Forderung, Heranwachsende zu einem „vernünftigen Umgang mit Dissens“ (Thiele 1996, S. 10) zu befähigen, denn „die Wahrscheinlichkeit des Aufeinanderprallens heterogener Sichtweisen ist angesichts der veränderten Ausgangsbedingungen ausgesprochen hoch und erfordert ein Einüben von Bewältigungsstrategien“ (Thiele 1996, S. 9).

  20. 20.

    Dispositive werden hier in Anlehnung an die Analysen von Foucault (2003) als räumlich-institutionelle Konfigurationen verstanden, in denen sich Machtbeziehungen artikulieren. So drückt sich im Mobiliar eines Klassenzimmers, der Verteilung der Bänke, der Sitzordnung, dem räumlichen Verhältnis zwischen Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern usw., die gesellschaftliche Ordnung der Institution aus. Diese Ordnungen durchdringen die Mitglieder einer Sozialgemeinschaft von den äußeren Arrangements der Räume bis hin zur Präsentation ihrer eigenen Körper. Die Wahl der Kleidung ist dabei, ebenso wie das Verhalten, Ausdruck einer bestimmten gesellschaftlichen Kodifizierung, die auch dann Bestand hat, wenn Schüler bewusst dagegen rebellieren. Gerade in diesen Akten der Auflehnung wird die Wirkung der Dispositive besonders evident, da sie ihre obstinate Bedeutung erst vor dem Hintergrund eines allen gegenwärtigen Kodex entfalten können und erst in diesem sozialen Deutungsrahmen zu dem werden, was sie sind. So sind die Subjekte keineswegs Opfer dieser Konfigurationen, sondern werden – meist unbewusst – vielmehr zu Komplizen ihrer Realitätsmächtigkeit, da sich diese erst in den gesellschaftlichen Aufführungen der Dispositive durch die Subjekte materialisieren.

  21. 21.

    Mit dem Verweis auf die Autonomie ist hier keine einseitige und kognitivistisch überladene Form der Autonomie gemeint. Vielmehr ist eine relative Autonomie adressiert, die bejaht, dass Autonomie immer auch „auf Kooperation und Anerkennung durch andere angewiesen ist“ (Jakobs 2010, S. 87).

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Giese, M. (2019). Zum Forschungsstand im Inklusionsdiskurs. In: Inklusive Didaktik. Edition Fachdidaktiken. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-26602-8_2

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-26602-8_2

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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