Zusammenfassung
Bezirksamt B gehört nicht zu den Berliner Bezirksämtern, von denen zuallererst aktive Maßnahmen zur Öffnung gegenüber migrationsbedingter Diversität vermutet würden. Der Bezirk liegt im Ostteil der Stadt und hat einen deutlich geringeren Bevölkerungsanteil mit Einwanderungsgeschichte als die meisten Westberliner Stadtbezirke. Dennoch wurde im Berliner Vergleich schon relativ früh eine lokale Integrationspolitik entwickelt, in der die Interkulturelle Öffnung der Verwaltung und dabei auch die Einstellung von Personal migrantischen Hintergrunds einen zentralen Stellenwert einnahmen. Die Frage nach den Bedingungen dieser aktiven Einstellungspolitik, ihren Folgen für die Rekrutierungspraxis und für Veränderungen in der Belegschaft steht im Mittelpunkt dieses Kapitels.
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Notes
- 1.
Der Rat für Migrantenangelegenheiten wurde nach der Wiedervereinigung entsprechend den Ausländerbeiräten der Westberliner Bezirke als unabhängiges beratendes Gremium gegründet (siehe Int_B3, §59).
- 2.
Mit der Wiedervereinigung war ein Großteil der vietnamesischen Vertragsarbeiter erwerbslos geworden und in eine unsichere rechtliche Situation geraten, da ihr Aufenthalt an den Arbeitsvertrag geknüpft war. Erst schrittweise wurden Bleiberechtsregelungen ausgehandelt, die jedoch nur einen befristeten legalen Aufenthaltsstatus ermöglichten und dafür den Nachweis eines Einkommens erforderten (Weiss 2005, S. 77 f.). In dieser prekären ökonomischen und rechtlichen Situation blieb den Betroffenen kaum eine andere Möglichkeit als sich mit Klein- und Familienbetrieben selbstständig zu machen, wie Blumenläden, Lebensmittelläden, Imbissen (Weiss 2005, S. 83; Schmiz 2011, S. 237–248). Die langen Arbeitszeiten wiederum lassen wenig Zeit für die Familie, was intergenerationelle Konflikte befördert (Weiss 2005, S. 92).
- 3.
Ein sprechendes Beispiel dafür ist der Titel eines Artikels in der Zeitung „Die ZEIT“: „Integration: Das vietnamesische Wunder“ (Spiewak 2009).
- 4.
Die Kontroversen untersuchen z. B. Berghahn et al. (2009); Elver (2012); Ziegler (2011).
- 5.
Ein Beispiel hierfür ist die Darstellung der Ausbildungsleiterin von Verwaltung C (dem dritten ausgewählten Fall), die zunächst Diskriminierung, die offenbar von Auszubildenden benannt wurde, als unbegründete Vorwürfe zurückweist und de-legitimiert, dann jedoch durch den Hinweis auf Diversity-Schulungen für die Mitarbeiter andeutet, dass offenbar doch Nährboden für diskriminierende Praxis bestand – um auch dies wieder zu relativieren, indem sie solche eventuell vorhandenen Haltungen als überwunden beschreibt: „Also es gab immer mal wieder latente Vorwürfe, dass sich einzelne Mitarbeiter nicht angemessen verhalten oder Vorurteile haben, aber unterm Strich haben die sich dann in persönlichen Gesprächen als ziemlich haltlos herausgestellt, weil wenn’s darum geht, Leistung zu kritisieren, muss auch ein Auszubildender diese Kritik hinnehmen, egal welchen Hintergrund der hat. Und das war dann ganz gerne mal so’n Mittel zu sagen: „Na ja, der gibt mir jetzt ’ne schlechte Note, weil ich türkisch bin“, oder ähnliches. Aber das haben wir hier ganz gut rausgekriegt, wir haben die Ausbilder hier vor Ort auf Freiwilligenbasis, also denen haben wir Diversity-Trainings angeboten, was extrem gut angenommen worden ist, und die transportieren dann natürlich ihre neu gewordenen Einsichten oder ihre Haltung auch weiter in die Arbeitsgruppen rein, und das gibt dann natürlich ’n ganz anderes Klima“ (Int_C2, §154).
- 6.
Die befragten Auszubildenden und Beschäftigten aus Einwandererfamilien werden hier im Unterschied zu den anderen Verwaltungsakteuren häufig mit ihrem (pseudonymisierten) Vornamen benannt. Dies drückt zum einen mein Verhältnis zu den Interviewten aus: Aufgrund des relativ geringen Altersunterschieds (die meisten waren etwas jünger als ich), haben wir uns in vielen Fällen geduzt. Zum anderen reflektiert es, dass die Interviews mit ihnen von einem Interesse an der individuellen Biografie geleitet waren, also persönlicher ausgerichtet waren als die Interviews mit den Verwaltungsakteuren, in denen vor allem die professionelle Praxis interessierte.
- 7.
Eine ähnliche Strategie der Trennung zwischen professioneller und privater ‚Welt‘ in Reaktion auf erfahrene und antizipierte Diskriminierung finden Schneider und Lang (2014, S. 98).
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Lang, C. (2019). Verwaltung B: Temporärer Wandel der Einstellungspraxis. In: Die Produktion von Diversität in städtischen Verwaltungen. Migrationsgesellschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-25955-6_8
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
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