Zusammenfassung
Der folgende Beitrag befasst sich mit der Peer-Beratung als einer Form von Beratung, die erziehungswissenschaftlich bislang erst wenig erforscht ist, in der Praxis jedoch häufig zum Einsatz kommt und hier ihre positive Wirkung entfaltet. Als semiprofessionelle Form findet sie ihren Platz zwischen professionellen Beratungsverfahren und alltagsweltlichen Beratungsgesprächen. Vor dem Hintergrund des zentralen Anliegens des Buches, wie Beratung pädagogisch ermöglicht werden kann, greift der Beitrag mit der studentischen Studienberatung und der Kollegialen Beratung zwei Beispiele von Peer-Beratung auf. Nach einer kurzen Darstellung, in der Prinzipien beider Verfahren vorgestellt werden, werden abschließend vor allem die Chancen für die Initiierung von Lernprozessen im Kontext dieser Form von Beratung erörtert.
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Notes
- 1.
Mitunter findet sich auch die Bezeichnung Peer Counseling als Synonym für Peer-Beratung. Diese betont jedoch stärker den Betroffenheitscharakter (Beratung von Betroffenen für Betroffene). Peer Counseling wird daher oft im Zusammenhang mit der Beratung von Menschen mit Beeinträchtigung verwendet (vgl. Jordan und Wansing 2016).
- 2.
Da auch die Berater*innen immer von einer bestimmten Position heraus beraten, kann es so etwas wie „Neutralität“ möglicherweise nicht geben. So wird spätestens an dieser Stelle klar, dass sich Beratung innerhalb von Spannungsverhältnissen abspielt (vgl. Gieseke 2016), derer sich die Berater*innen bewusst sein müssen, soll den zentralen Prinzipen der Entscheidungsfreiheit der Ratsuchenden und Offenheit des Beratungsprozesses gefolgt werden. Insbesondere an dieser Stelle geht es dann auch um die Frage, über welche professionelle Kompetenzen Berater*innen verfügen müssen (vgl. Weber 2016).
- 3.
In der Literatur hierzu wird beispielsweise auf die sogenannten „Lancaster-Schulen“ verwiesen, die sich im 19. Jahrhundert ausgehend von England in Europa und der übrigen Welt verbreiteten. In ihnen kam das wechselseitige Unterrichten zur Anwendung, indem ältere Schüler*innen als Hilfslehrer*innen eingesetzt wurden. Dies hatte vor allem Effizienzgründe: So sollten möglichst viele Schüler*innen möglichst schnell und kostengünstig lernen. Disziplin, Drill, Bestrafung und Belohnung waren zugrunde liegende Prinzipien (vgl. hierzu Oelkers 2002, S. 15 ff.).
- 4.
Hier ist beispielsweise das „Ex-In“-Modell zu nennen. Ex-In steht für „Experienced Involvement“ und meint „Expert*innen aus Erfahrung“. Menschen, die selbst Erfahrungen mit psychischen Krisen und Psychiatrie gemacht haben, durchlaufen einen Lehrgang und werden zu Beratenden von Menschen in ähnlicher Situation ausgebildet und eingesetzt (vgl. z. B. Utschakowski et al. 2016).
- 5.
Dabei sind nicht alle Probleme, die sich im beruflichen Kontext ergeben, geeignet, um sie innerhalb einer Kollegialen Beratung zu besprechen. Persönliche oder private Probleme gehören ebenso wenig dazu wie umfassendere organisationsbezogene Probleme oder Konflikte in der Gruppe selbst. Hierfür sind jeweils andere Formen der Beratung angemessener.
- 6.
Das so genannte „Heilsbronner Modell“ hat hingegen zehn Schritte, die streng eingehalten werden sollen und aus einem Wechsel zwischen Beratung und Rückmeldung bestehen (vgl. hierzu: https://www.institut.kollegiale-beratung.net/. Zugegriffen: 15. Dezember 2018).
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Egloff, B. (2020). Peer-Beratung als Ermöglichungsraum. In: Benedetti, S., Lerch, S., Rosenberg, H. (eds) Beratung pädagogisch ermöglichen?!. Lernweltforschung, vol 33. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-25917-4_5
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