Zusammenfassung
Obwohl Keller (2006, 2010) das Forschungsprogramm der WDA mehrfach in einschlägigen Publikationen zur historischen Diskursanalyse vorstellte, machten Historikerinnen und Historiker bislang kaum Gebrauch sowohl vom Angebot eines interdisziplinären Dialogs als auch von der Nutzung des Programms. Ich möchte zeigen, dass eine Ursache dieses Schweigens in der disziplinären Logik der Geschichtswissenschaft zu verorten ist – jedoch nicht um einem Fatalismus zu huldigen, sondern um ausgehend von dieser Feststellung, für einen Dialog zu werben. Mit dem folgenden Beitrag verbinden sich daher folgende Ziele: Ausgehend von einer These, die unter Rückgriff auf die Geschichte der Geschichtswissenschaft die Vorbehalte und Missverständnisse der historischen Forschung gegenüber sozialwissenschaftlichen Ansätzen erklärt, möchte ich verdeutlichen, weshalb das Forschungsprogramm der WDA besonders attraktiv für die Geschichtswissenschaft ist; dies dient der interdisziplinären Verständigung, denn erst eine theoretische Reflexion „ermöglicht die Anschlussfähigkeit von Forschungsvorhaben über Disziplinen, Epochen, Räume und Wissenschaftstraditionen hinweg“.
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Notes
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Zudem interessierten mich im Diskursfeld konstruierte Subjektpositionen künftiger Studentinnen und die Wirkung dieser Konstruktionen im universitären Feld nach der Zulassung von Frauen. Auf die letzten beiden Punkte werde ich im weiteren Verlauf jedoch nicht eingehen können.
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Baden hatte 1900 mit den Universitäten Freiburg und Heidelberg den Anfang gemacht. Preußen folgte dieser Politik im Jahr 1908, nachdem bereits alle übrigen Einzelstaaten mit Ausnahme von Mecklenburg-Schwerin in den Jahren zuvor die Frage einer Zulassung von Frauen zum Studium positiv entschieden hatten.
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Neumann, A. (2019). Interdisziplinäre Brücken – disziplinäre Blockade? Potenziale der WDA in der historischen Forschung am Beispiel der Frauenbildungsfrage. In: Bosančić, S., Keller, R. (eds) Diskursive Konstruktionen. Theorie und Praxis der Diskursforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-25799-6_12
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