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Gedenkstättenbesuche als emotionales Erlebnis. Welche Rolle weisen Geschichtslehrkräfte den Emotionen ihrer Schülerinnen und Schüler zu?

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Holocaust Education Revisited

Zusammenfassung

Während die Gedenkstättenpädagogik emotionalisierende Zugänge klar ablehnt, heißt es über Lehrkräfte, sie würden mit ihren Klassen genau deshalb Gedenkstätten besuchen, weil sie eine emotionale Erfahrung erwarten. Die Hintergründe solcher Erwartungen werden jedoch kaum thematisiert. In einer Befragung zum Unterrichtseinsatz von Geschichtskultur sprachen Lehrkräfte häufig über Gedenkstättenbesuche, die sie tatsächlich zumeist als emotional beschreiben. Mit den Emotionen ihrer Schülerinnen und Schüler gingen sie jedoch unterschiedlich um. Während ein Lehrer Gefühlsausbrüche als Erfolgskriterium wertete, versuchte eine Lehrerin, die emotionale Belastung ihrer Schülerinnen und Schüler zu verringern. Eine dritte Lehrkraft zeigte sich unsicher angesichts des Dilemmas, Anteilnahme zu erwarten, sie jedoch nicht direkt einfordern zu können. Die Auswertung der Interviews mit der Dokumentarischen Methode rekonstruiert die dahinter liegenden Orientierungen und zeigt, welche Rolle Gefühlen zugeschrieben wird. Emotionen erscheinen stets als angemessene Reaktion, die gefördert, abgemildert oder zugelassen wird, was mit verschiedenen Perspektiven der Pädagogischen Psychologie und Geschichtsdidaktik auf Gefühle korrespondiert. Beide Disziplinen beschäftigen sich zunehmend mit der Idee emotionalen Lernens, also der Wahrnehmung und Reflexion eigener Emotionen. Auch hierfür liefert das Material ein Beispiel. Die schulische Praxis wirft also nicht nur mögliche Probleme für die theoretische Diskussion auf, sondern inspiriert auch zu Lösungen.

Abstract

While the »Pedagogy of Memorial Sites« refuses to use emotional approaches, teachers are said to visit memorial sites with their classes for this exact purpose: They expect an emotional experience. But the background of these expectations is very unclear. In a survey about the use of historical culture at schools, the teachers interviewed often talked about visiting memorial sites and most of them actually described those visits as emotional. However, the ways they deal with emerging emotions of students vary. While one saw strong emotions as an indicator of pedagogical success, another tried to take the pressure from students. A third teacher expressed general insecurity: — Can you expect compassion, but not enforce it? By using the documentary method one can reconstruct the orientations behind these narrations. Which roles are attributed to emotions? In all cases, emotions were regarded as appropriate reactions that can be strengthened, mitigated or just tolerated. This corresponds with perspectives from Educational Psychology and History Education. Both disciplines also postulate a need for emotional learning, thus realizing and reflecting one’s own emotions. The material also offers an example of this. So, school life does not only raise problems for theoretical debates but also inspires solutions.

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Münch, D. (2019). Gedenkstättenbesuche als emotionales Erlebnis. Welche Rolle weisen Geschichtslehrkräfte den Emotionen ihrer Schülerinnen und Schüler zu?. In: Ballis, A., Gloe, M. (eds) Holocaust Education Revisited. Holocaust Education – Historisches Lernen – Menschenrechtsbildung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-24205-3_5

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