Gläubiger glauben, Schuldner schulden – zum Image Überschuldeter im Kapitalismus

Zusammenfassung

Ein marktwirtschaftliches Geldsystem erlaubt eine effiziente vergesellschaftete Kooperation. Der Preis dafür ist hoch. Empathie, Kultur und Menschlichkeit, für die der Gelderwerb nur Instrument aber niemals Selbstzweck sein kann, treten als Konkurrenten zum Streben nach dem guten Leben auf. Gut oder viel, nachhaltig oder kurzfristig, Sein oder Haben – so wichtig die produktive Funktion ist, so gefährlich wird es, wo auch kollektiv und auf Dauer das Mittel zum Zweck wird. Wo die Menschen Möglichkeiten zur bewussteren Kooperation, zu solidarischem und kollektivem Handeln nutzen können, brauchen sie eine kognitive Distanz zum Geldsystem. Doch das Geldsystem wehrt sich. Diejenigen, denen es mehr Macht und Herrschaft als anderen verleiht, verteidigen das Primat einer synallagmatischen Geldwirtschaft über die Kultur. Hierfür werden die Verhältnisse verkehrt. Die Geldschulden werden zur Schuld der Menschen, das Profitstreben zur natürlichen Gier und die Einfältigkeit des Geldwertes zur angeborenen Dummheit derjenigen, die mit Geld nicht umgehen können.

Auszug aus Reifner, Das Geld Bd. 2 Soziologie des Geldes Kap. E S. 91- 128. (Reifner 2017b); weiter Reifner, Mythos Schuldnerberatung: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“ (Reifner 2013).