Inhalt der Analyse deutsch-chinesischer bzw. chinesisch-deutscher Hochschulprogramme ist eine empirische Studie, die sowohl die Perspektiven chinesischer Studierender und ihrer deutschen Betreuenden sowie Dozentinnen und Dozenten beinhaltet. Dies dient der Identifikation der Erfolgsfaktoren, welche einen Studienerfolg für chinesische Studierende sicherstellen. Um diese Fragestellung aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu erläutern, werden im Folgenden zunächst sieben Kernhypothesen bezüglich der Erfolgsfaktoren von deutsch-chinesischen Studiengängen entwickelt.

Um diese Hypothesen über die Erfolgsfaktoren von deutsch-chinesischen Studiengängen zu formulieren, wird zunächst eine gültige Bedeutung von Erfolgsfaktoren definiert.

Erfolg lässt sich als ein „positives Ergebnis einer Bemühung“ definieren.

Analog zu dieser Definition werden Erfolgsfaktoren nachfolgend als Faktoren definiert, welchen eine deutsche Hochschule entsprechen muss, um von chinesischen Studierenden als positiv, also überdurchschnittlich gut, wahrgenommen zu werden.

Im Folgenden werden Hypothesen entwickelt, die auf den bereits beschriebenen Rahmenbedingungen beruhen.

Die erste Hypothese leitet sich aus Roglers Analyse ab. Die meisten ihrer Empfehlungen zielen stark auf organisatorische Elemente ab. Diese Empfehlungen sind für Hochschulen zwar mit Sicherheit von großer Bedeutung, aber stellen in diesem Kontext keine direkten „Erfolgsfaktoren“ dar. Sie stellen eher eine Art notwendige Grundlage dar, ohne welche eine Kooperation zwischen deutschen und chinesischen Hochschulen nicht möglich wäre. Diese Grundlage sichert umfänglich die Qualität der Kooperation und ist daher unerlässlich, führt als reiner Hygienefaktor jedoch nicht dazu, dass die Kooperation von chinesischen Studierenden als übermäßig positiv bewertet wird.

Einen klaren Unterschied zu diesen eher formellen Richtlinien und Grundlagen von Rogler, stellt der von ihr angeführte Punkt zur „Betreuung der Studierenden“Footnote 1 dar.

Mit einer sehr guten Betreuung der Studierenden durch das Gastgeberland, kann ein klarer Mehrwert für die Studierenden erzeugt werden. Die Studierenden würden dies als außergewöhnliche Zusatzleistung der Gastgeber sehen und daraus resultierend ihre Zufriedenheit vermutlich steigen. Die erste Hypothese baut auf dieser Grundannahme auf:

Ein hohes Maß an professioneller und intensiver Betreuung ist eine entscheidende Größe für die Zufriedenheit der Studierenden.

Die nächste Hypothese lässt sich von den Ergebnissen von Geert Hofstedes IBM-Studie ableiten. Da hier die Ergebnisse (im Gegensatz zur GLOBE-StudieFootnote 2) einen klaren Unterschied in der Dimension der Machtdistanz aufzeigen, wird vermutet, dass eine professionelle Distanziertheit der Betreuenden und Dozentinnen und Dozenten für die chinesischen Studierenden einen Erfolgsfaktor darstellen kann.Footnote 3

Um zu erreichen, dass sich die Studierenden gut in ihre neue Umgebung eingewöhnen, könnten Lehrkräfte versuchen, den für die Studierenden gewohnten sozialen Abstand zu halten. Eine klare Autoritätsperson wird von den chinesischen Studierenden einem eher „kumpelhaft“ auftretenden Lehrenden vorgezogen. Die Hypothese lässt sich daher folgendermaßen formulieren:

Lehrkräfte für chinesische Studierende sollten eher distanziert als zu freundschaftlich auftreten, um respektiert zu werden.

In der Dimension der Kollektivität unterscheidet sich die chinesische Kultur von der deutschen Kultur sowohl bei Hofstedes IBM-Studie, als auch in der GLOBE Studie. Das Gruppengefühl der Chinesen ist tief in ihrer Gesellschaft verankert.Footnote 4 Daher könnte es wichtig sein, dass während den Unterrichtszeiten, aber auch während der Freizeit der Studierenden darauf geachtet wird, dass genügend Möglichkeiten für Gruppen- und Teamarbeiten eingeplant werden.

Diese Aktivitäten in der Gruppe sind für die kulturelle Bedürfnisbefriedigung der chinesischen Studierenden von enormer Bedeutung und könnten daher einen Erfolgsfaktor darstellen, welcher sogar ein wichtiger Faktor für das Hochschulmarketing werden könnte. Die dritte Hypothese formuliert daher Folgendes:

Eine Vielzahl an Gruppenaktivitäten sollte den chinesischen Studierenden in Deutschland geboten werden, um das Studienprogramm attraktiv zu machen.

Die vierte Hypothese leitet sich von Luos und Kücks empirischer Studie ab. Sie stellte fest, dass chinesische Studierende dazu neigen können, nicht verstandene Inhalte zu vernachlässigen.Footnote 5 Da sie jedoch trotzdem sehr prüfungsorientiert sind,Footnote 6 ist es wichtig, dass Lehrkräfte versuchen, herauszufinden, ob Lehrinhalte tatsächlich verstanden wurden, damit sich die chinesischen Studierenden in den Klausuren mit keinen größeren Problemen konfrontiert fühlen.

Diese Art von zusätzlicher Aufmerksamkeit der Lehrkräfte gegenüber den chinesischen Studierenden würde vermutlich als sehr positiv anerkannt werden und stellt daher einen weiteren möglichen Erfolgsfaktor dar. Die Hypothese lautet daher:

Lehrkräfte müssen sicherstellen, dass ihre chinesischen Studierenden die Inhalte der Vorlesung komplett verstanden haben.

Die fünfte zu überprüfende Hypothese leitet sich ebenfalls von Luos und Kücks Studie ab. Sie fanden durch ihre Befragung heraus, dass chinesische Studierende im Gegensatz zu Deutschen eher ein kontinuierliches und intensives Lernen bevorzugen.Footnote 7

Hausaufgaben können chinesischen Studierenden helfen, sich kontinuierlich vorzubereiten und sollten regelmäßig vergeben werden.

Für Hochschulen von großem Interesse ist auch die Frage, ob und inwieweit sich chinesische Studierende an die deutsche Kultur anpassen können. Sollten sich die Studierenden gut und schnell eingewöhnen, könnte dies den Erfolg für chinesische Studiengänge in Deutschland sehr vereinfachen.

Luo und Kück fanden in ihrer Studie heraus, dass sich die chinesischen Studierenden während ihres Aufenthalts in Deutschland tatsächlich an die deutsche Kultur anpassen können.Footnote 8 Daraus leitet sich folgende Hypothese ab:

Chinesische Studierende sind offen dafür, sich an die deutsche Kultur anzupassen.

„Deutschland hat im Reich der Mitte einen guten Ruf, immer mehr Chinesen wollen hierzulande studieren“.Footnote 9 Auf diese und ähnliche Aussagen trifft man in aktuellen Pressemitteilungen immer wieder. Die chinesischen Studierenden sehen demnach in ihren Auslandsaufenthalt vordergründig ein Karrieresprungbrett für ihre Zukunft.

Ob dieser von der Presse beschriebene „Erfolgstrieb“ jedoch tatsächlich das Hauptmotiv der chinesischen Studierenden darstellt, soll in der nächsten Hypothese analysiert werden.

Die Hauptmotivation der chinesischen Studierenden für ein Studium in Deutschland ist die Verbesserung der zukünftigen Karrierechance.