1 Dynamisches Umfeld als Herausforderung

Die öffentliche Verwaltungen Weberscher Prägung mit ihren festgelegten, stabilen silo-artigen Strukturen stehen unter dem gesellschaftlichen und personalpolitischen Druck, sich mit langfristigen Veränderungsprozessen wie Urbanisierung, Digitalisierung und Migrationsbewegungen auseinanderzusetzen (Piepenbrink 2015; Hoepner et al. 2016; Zweck et al. 2015). Gleichzeitig wird von ihnen erwartet, dass sie auf unvorhergesehene, disruptive Ereignisse wie Naturkatastrophen, terroristische Anschläge kurzfristig und flexibel reagieren und diese professionell bewältigen.

Öffentliche Verwaltungen sind also mit zunehmender Volatilität und Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität („VUCA-World“) (Bennett und Lemoine 2014; Hill 2015; Richenhagen 2018) konfrontiert, müssen aber gleichzeitig ihre hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen und für die Mitglieder des Gemeinwesens Orientierung, Rechtssicherheit, Stabilität und Verbindlichkeit sicherstellen. Diesen Spagat zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit kann eine Verwaltung nur bewältigen, wenn sie sich in Struktur und Handeln weiterentwickelt. Erforderlich ist, wie auch bei Organisationen des privaten Sektors, die Weiterentwicklung zu einer sich permanent verändernden, lernenden Organisation.

Zu untersuchen ist insofern, wie das Ziel einer modernen, agilen Verwaltung erreicht werden kann, ohne deren Stabilität und Verlässlichkeit zu gefährden (Hill 2015; Richenhagen 2017).

2 Agilität als Notwendigkeit im öffentlichen Sektor

In den 1950er-Jahren in den Sozialwissenschaften konzipiert und seit den 1990er-Jahren in Produktion und Softwareentwicklung weiterentwickelt, bezeichnet Agilität „innerhalb der Organisationslehre seit etwa 20 Jahren eine Form der flexiblen, schlanken, kundenorientierten Organisationsgestaltung“ (Förster und Wendler 2012, S. 1). Charakteristisch sind eine fachübergreifende Kooperation in Projektteams und (virtuellen) Netzwerken mit flexibler Rollenverteilung, direkte und wiederholende Kommunikation mit Kundinnen und Kunden, eine in kurzen Schritten iterative und kooperative Produktentwicklung mit funktionierenden Zwischenversionen und regelmäßigen Evaluationen sowie eine fehlerfreundliche Kultur, die kreative Problemlösungsprozesse zulässt und gemeinsames Lernen ermöglicht (Hill 2015; Gloger 2017; Lévesque und Steinbrecher 2017).

Eine agile Verwaltung ist nach Wernham (2012) durch die Fähigkeit gekennzeichnet, schnell auf unvorhersehbare Ereignisse reagieren zu können und gegebenenfalls die eingeschlagene Richtung anzupassen. Dies erfordert zum einen neue Rollen und Aufgaben innerhalb der Verwaltung, zum anderen muss klassisches Verwaltungshandeln durch fluide, kooperative, fallorientierte sowie zunehmend selbstgesteuerte Arbeitsformen ergänzt werden.

Um die Handlungsfähigkeit von Organisationen des öffentlichen Sektors in diesen dynamischen Kontexten zu erhalten, sind demnach nicht nur technisch-materielle Infrastrukturen anzupassen, sondern auch tradierte Personal- und Kompetenzentwicklungsstrategien zu modifizieren (Richenhagen 2016, 2018).

Notwendig wird die Erweiterung fachsystematischer Anforderungs- und Kompetenzprofile um sozialkooperative Kompetenzen, die organisations- und tätigkeitsspezifisch modelliert werden müssen (Bergmann et al. 2016). Darüber hinaus sollte die bisher überwiegend standardisierte und fachsystematisch orientierte Kompetenzentwicklung durch selbstgesteuertes und informelles Lernen im Arbeitsprozess (Dehnbostel 2007) und in der Community of Practice (Lave und Wenger 1991) erweitert werden. Dem „Erwerb von Kompetenzen durch Handeln und subjektive Erfahrung im Arbeitsprozess [kommt] eine unverzichtbare Bedeutung für die Leistungsfähigkeit von Unternehmen zu“ (Dick im Erscheinen, S. 253). Lösungen, die in agiler Verwaltungspraxis hervorgebracht werden, sollten, wo sinnvoll, bewahrt werden und im Sinne einer lernenden Organisation (Senge 2017; Argyris und Schön 2008; Dick 2006a) deren Repertoire erweitern.

3 Das Projekt IntraKomp

Das Projekt „Integration der Kompetenzfeststellung in das strategische Kompetenzmanagement“ (IntraKomp) verbindet unterschiedliche Ansätze des Kompetenz- und des Wissensmanagements, um die Anpassungsfähigkeit öffentlicher Organisationen zu erhöhen. Die Zielsetzung des Projekts ist es, ein Vorgehensmodell für die systematische Erfassung von Kompetenzen – speziell für die Bedarfe des öffentlichen Sektors – zu entwickeln.

Das Projekt wird vom Institut für Public Management (ifpm) der FOM Hochschule sowie von der Professur für Betriebspädagogik der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg durchgeführt. Bei der Praxispartnerin und dem Praxispartner handelt es sich um die Stadtverwaltung Recklinghausen sowie um den Wupperverband, ein öffentlich-rechtliches Unternehmen der Wasserwirtschaft. Das Projekt hat eine dreijährige Laufzeit und wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.

Das Forschungsdesign orientiert sich an Methoden der Aktions- und Handlungsforschung (Greenwood und Levin 2007) und basiert auf Fallstudien in zwei Organisationen des öffentlichen Sektors. Es werden unterschiedliche Analysewege kombiniert, um der Forderungen nach Multimodalität in der Kompetenzdiagnostik gerecht zu werden. Bei den eingesetzten Forschungsmethoden handelt es sich um Dokumentenanalysen, qualitative Experten- und Expertinneninterviews (Gläser und Laudel 2010) sowie partizipative Workshops. Einen methodischen Schwerpunkt bildet das Triadengespräch (Dick et al. 2016), das im Rahmen des Projekts im Hinblick auf die Bedarfe des öffentlichen Sektors adaptiert und erprobt wird.

Das Projekt IntraKomp besteht aus zwei Teilprojekten:

  1. 1.

    Im Rahmen des ersten Teilprojekts erfolgt die Analyse des Status quo der Weiterbildungs- und Kompetenzförderungskonzepte beider Projektorganisationen. Des Weiteren werden Strategie- und Jobfamilien-Workshops durchgeführt, um zukünftige Kompetenzbedarfe zu erfassen.

  2. 2.

    Im zweiten Teilprojekt erfolgt mithilfe der Triadengespräche die Analyse der realen Arbeitsanforderungen. Dies umfasst insbesondere auch die Erfassung von praktischem und implizitem Wissen sowie informell erworbene Kompetenzen. Die Zielsetzung ist, mithilfe der gewonnenen Daten das Kompetenzmodell des öffentlichen Sektors zu erweitern sowie den Wissenstransfer zwischen Mitarbeitenden zu unterstützen.

Das Projekt bezieht sich auf ein Verständnis des Kompetenzbegriffs als Selbstorganisationsdisposition (Heyse 2017). Kompetenzen umfassen demnach „Fähigkeiten, selbstorganisiert und kreativ zu handeln und mit unscharfen oder fehlenden Zielvorstellungen und Unbestimmtheit umzugehen“ (Erpenbeck et al. 2017, S. XII). Sie können mithilfe sogenannter Verhaltensanker oder Verhaltensregelmäßigkeiten überprüft werden und gehen über den Qualifikationsbegriff hinaus. Der unterlegte Kompetenzbegriff geht einerseits zurück auf Weinert (2001), der vor allem die motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten für die Lösung von Problemen betont. Andererseits wurde der Kompetenzbegriff durch verschiedene, praktisch anwendbare Verfahren der Kompetenzmessung ausdifferenziert, die sich z. B. im Handbuch der Kompetenzmessung (Erpenbeck et al. 2017) finden.

Den Rahmen für die Entwicklung von Kompetenzen in Organisationen bildet das strategische Kompetenzmanagement. Ortmann folgend (2010, S. 276) umfasst das Kompetenzmanagement „die unternehmensstrategiebasierte Ableitung und differenzierte Beschreibung der zukünftigen Kompetenzanforderungen, die Erarbeitung kompetenzorientierter Anforderungsprofile für Fach- und Funktionsgruppen, die anforderungsorientierte Erfassung der Kompetenzen der Mitarbeiter sowie die Umsetzung von Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung bestimmter Zielgruppen“.

Eine zentrale Zielsetzung des Projekts besteht darin, ein Kompetenzmodell für den öffentlichen Sektor zu entwickeln. Bei Kompetenzmodellen handelt es sich zunächst um Anforderungskataloge an die Mitarbeitenden, „die Kompetenzen zur Leistungserbringung und Problemlösung messbar und für jeden verständlich [dokumentieren]“ (Sauter und Staudt 2016, S. 9). Sie ermöglichen eine systematische Kompetenzerfassung und -evaluation und bilden die Grundlage für ein strategisch orientiertes Kompetenzmanagement.

Bei dem Kompetenzmodell einer Organisation handelt es sich somit nicht um eine statische Beschreibung von Kompetenzanforderungen, stattdessen ist die kontinuierliche Anpassung des Modells erforderlich. Durch die Ausrichtung von Personaldiagnostik und -entwicklung an dem Kompetenzmodell kann somit ein höheres Maß an Agilität erreicht werden (Richenhagen 2016). Die betriebliche Kompetenzentwicklung stellt insofern eine besondere Form dar, „mit Veränderungen umzugehen und Zukunft zu antizipieren“ (Ahrens et al. 2018, S. 198).

KompetenzAtlas von Heyse und Erpenbeck als Bezugsrahmen

Den inhaltlichen Bezugsrahmen für die Ermittlung von Kompetenzanforderungen des Projekts IntraKomp bilden Elemente des KODE®-Verfahrens, insbesondere der KompetenzAtlas nach Heyse und Erpenbeck (vgl. Heyse 2017; Heyse et al. 2010). Mit dem KompetenzAtlas werden anhand der Verfahren KODE® und KODE®X individuelle Kompetenzausprägungen im Rahmen des KompetenzAtlas, sowie auf Ebene der Organisation Kompetenzprofile und -potenziale erfasst, quantifiziert und dokumentiert. Der auf empirische Studien beruhende KompetenzAtlas (Heyse et al. 2010; Heyse 2017) dient dabei als grundlegendes Ordnungssystem.

Die Basis KompetenzAtlas bilden 64 Teilkompetenzen, die den vier Grundkompetenzen personale Kompetenz, Aktivitäts- und Handlungskompetenz, sozial-kommunikative Kompetenz und fachlich-methodische Kompetenz zugeordnet werden. Jede einzelne Teilkompetenz wird detailliert mit Identifikationsmerkmalen und Begriffsbestimmungen sowie mit Hinweisen auf Kompetenzübertreibungen beschrieben. Der Beitrag dieses Modells liegt insbesondere darin, dass es eine inhaltliche Konkretisierung sowie Strukturierung für berufliche Kompetenzen zur Verfügung stellt.

4 Strategisches Kompetenzmanagement im öffentlichen Sektor

Beide Teilprojekte des Projekts IntraKomp zielen darauf ab, das strategische Kompetenzmanagement beider Praxisorganisationen weiterzuentwickeln. Im Rahmen des ersten Teilprojekts wurde ein Top-down- und Bottom-up-Ansatz angewendet, um Daten zu Kompetenzbedarfen einer flexiblen, anpassungsfähigen öffentlichen Verwaltung zu gewinnen (vgl. Abb. 26.1).

Abb. 26.1
figure 1

Erhebung von Kompetenzbedarfen top-down und bottom-up

4.1 Ableitung von Kompetenzbedarfen aus der Organisationsstrategie

Der Top-down-Ansatz umfasst die Ableitung aktueller und zukünftiger Kompetenzbedarfe aus den strategischen Organisationszielen. Dazu wurden partizipative Strategie-Workshops eingesetzt. Diese Strategie-Workshops umfassen drei Schritte:

  • Abgleich der zukünftigen Herausforderungen (wie z. B. der Zunahme bereichsübergreifender Zusammenarbeit, Digitalisierung) mit den aktuellen Schwerpunkten des Personalmanagements,

  • Dokumentation relevanter Aspekte in Form von Personalentwicklungszielen,

  • Ableitung zukünftiger Kompetenzbedarfe auf Basis dieser Personalentwicklungsziele und mit Bezug auf das Referenzmodell nach Heyse und Erpenbeck.

In diesen Strategie-Workshops werden unterschiedliche betriebliche Akteurinnen und Akteure, wie beispielsweise Vertreterinnen und Vertreter der Organisationsleitung, Personalräte und -rätinnen, Führungskräfte unterschiedlicher Hierarchieebenen sowie Vertreterinnen bzw. Vertreter der Personalabteilungen eingebunden. Als Ergebnis wird angestrebt, Personalentwicklungsziele sowie Kompetenzbedarfe auf Basis der strategischen Ziele abzuleiten.

Konkret wurde der Versuch unternommen, zukünftige Szenarien und Rahmenbedingungen des öffentlichen Sektors, die die Arbeitsanforderungen betreffen, zu antizipieren. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Entwicklung von Mitarbeitenden an den zukünftigen Umfeldbedingungen ausgerichtet wird. Diese Szenarien wurden dann konkretisiert. Fragestellungen, die in diesem Zusammenhang diskutiert wurden, waren unter anderem die Gestaltung von Digitalisierungsprozessen (E-Government) und der Umgang mit demografischen Herausforderungen, z. B. im Hinblick auf Stadtplanung und Bildungsinfrastruktur.

4.2 Anforderungsanalyse auf der Ebene von Jobfamilien

Parallel wurde dieses Vorgehen, Bottom-up, durch Anforderungsanalysen auf der Ebene von Jobfamilien ergänzt. Jobfamilien sind Stellenbündel und „[…] fassen die Kerntätigkeiten und Basisanforderungen gleicher und hinreichend ähnlicher Stellen zusammen“ (Becker 2013, S. 453; Richenhagen 2016). Jobfamilien erhöhen die Agilität des Personalmanagements insofern, als sie aufgrund des Prinzips der „Elementarisierung“ Anforderungen in relativ dauerhafte sowie situative Elemente differenzieren (Becker 2013; Richenhagen et al. 2014).

In einem ersten Arbeitsschritt wurden Jobfamilien durch die Praxispartnerin und dem Praxispartner identifiziert. Im Anschluss daran erfolgte im Rahmen von Jobfamilien-Workshops die Anforderungsanalyse bezogen auf einzelne Stellenbündel, beispielsweise Sachbearbeitung – gehobener Dienst. Die Jobfamilien-Workshops umfassen die folgenden Schritte:

  • Gemeinsame Erarbeitung von Kernaufgaben der Jobfamilie,

  • Analyse erfolgsrelevanter Anforderungen mithilfe der Methode der kritischen Ereignisse durch die Positionsexpertinnen und -experten,

  • Ableitung von handlungsleitenden Verhaltensanker für die Jobfamilie.

Auf der Basis dieser Arbeitsergebnisse wurde ein Fragebogen erstellt, der auf den KompetenzAtlas nach Heyse und Erpenbeck (Heyse et al. 2010; Heyse 2017) Bezug nimmt, jedoch darüber hinaus die spezifischen Bedarfe der Jobfamilien der Projektpartnerin und des Projektpartners fokussiert. Es erfolgte eine Aggregation der Verhaltensbeschreibung und die Reduktion inhaltlicher Überschneidungen. Weiterhin erfolgte eine inhaltliche und sprachliche Anpassung im Hinblick auf das jeweilige organisationsspezifische Kompetenzmodell. Dieser Fragebogen wurde als Online- bzw. Paper-Pencil-Version zur Verfügung gestellt.

Ergebnis dieses Prozesses ist die Entwicklung von Soll-Profilen für definierte Tätigkeits- und Funktionsgruppen. Beispielsweise erfolgte bei einer der Organisationen die Erarbeitung jobspezifischer Kompetenzanforderungen für die Ebenen Führung, Spezialisten/Spezialistinnen, Projektarbeit, Assistenz sowie für die handwerklich-technischen Berufe. Im Rahmen der Entwicklung der Kompetenzhierarchie erfolgte anschließend die Integration der Ergebnisse des beschriebenen Top-down- und Bottom-up-Ansatzes in ein organisationsspezifisches Kompetenzmodell (Höft und Goerke 2014).

4.3 Rekonstruktion und Analyse realer Arbeitsanforderungen

Die Weiterentwicklung von der klassischen hin zu einer agilen Verwaltung macht eine Erweiterung des traditionell im öffentlichen Sektor vorherrschenden fachsystematisch konzipierten Kompetenzmodells notwendig. Denn unvorhergesehene disruptive Einzelfallereignisse werden in dynamischen Kontexten zunehmen. Insbesondere für die erfolgreiche Bewältigung dieser Ereignisse spielen erfahrungsbasiertes Wissen und informell erworbene Kompetenzen eine zentrale Rolle (Böhle et al. 2004). Diese individuellen, nur lokal vorliegenden, aber für die Handlungsfähigkeit einer Verwaltung relevanten Wissensbestände finden in standardisierten Kompetenzmodellen jedoch kaum Berücksichtigung. Um ein organisations- und tätigkeitsspezifisches Kompetenzmodell zu erstellen, ist es also notwendig, real erlebte Handlungssituationen und die ihnen immanenten Anforderungen zu rekonstruieren sowie die zur Bewältigung dieser Anforderungen genutzten Kompetenzen zu identifizieren (Krumm et al. 2012).

Im Projekt IntraKomp wurde zu diesem Zweck die Methode Triadengespräch bei der Praxispartnerin und dem Praxispartner eingesetzt und in der Auswertungs- und Analysephase mit dem Kompetenzmodell von Heyse und Erpenbeck (2007) sowie dem dazugehörigen KompetenzAtlas (Heyse et al. 2010) verbunden. Auf diesem Weg sollen eine systematische Modellierung realer organisations- und tätigkeitsspezifischer Kompetenzen und in Kombination mit den Forschungsergebnissen aus dem ersten Teilprojekt die Erstellung eines ganzheitlichen Kompetenzmodells möglich werden.

Nach Dick et al. (2016) ist das Triadengespräch ein empirisch erprobtes und überprüftes gesprächsbasiertes, narratives Verfahren zur Weitergabe personengebundenen und erfahrungsbasierten Wissens durch das Erzählen. Es wird von Dick (2006b) definiert als „ein räumlich und zeitlich begrenztes Gespräch zu einem vorher vereinbarten Thema, an dem drei Personen in spezifischen Rollen freiwillig mit dem Ziel teilnehmen, erfahrungsbasiertes Wissen weiterzugeben. Die Rollen der Teilnehmenden definieren sich über deren Verhältnis zum Thema des Gesprächs. Daraus wiederum ergeben sich die spezifischen Aufgaben der drei Beteiligten“ (Dick 2006b, S. 147).

Eine Person ist Expertin bzw. Experte und Erfahrungsträgerin bzw. -träger für das Thema des Gesprächs. Sie erzählt im Triadengespräch Episoden aus ihrer beruflichen Tätigkeit mit einem spezifischen Entstehungskontext, in den ihr erfahrungsbasiertes Wissen eingebettet ist. Damit gewährleistet sie die Gültigkeit des explizierten Wissens bzw. die Authentizität der Inhalte. Eine weitere Person ist Novizin bzw. Novize, sie hat also einen Anspruch und die Erwartung, von der Expertin bzw. dem Experten etwas zum Thema und dem geteilten Handlungsfeld zu lernen. Entsprechend fungiert sie als thematischer oder fachlicher Zuhörer bzw. thematische oder fachliche Zuhörerin. Die Novizin bzw. der Novize reflektiert den Anwendungskontext der Erzählung aus ihrer bzw. seiner Perspektive und gewährleistet damit den Nutzen des Wissens für sich. Die dritte Person ist Laie bzw. Laiin in Bezug auf das Thema, sie ist nicht Teil des gemeinsamen beruflichen Handlungsfeldes von Experte bzw. Expertin und Novizin bzw. Novize. Im Gegensatz zur Novizin bzw. zum Novizen hat sie nicht den Anspruch, Wissen aus dem Handlungsfeld zu erwerben. Diese Person fungiert als methodischer Zuhörer bzw. methodische Zuhörerin. Der Laie bzw. die Laiin hinterfragt das scheinbar selbstverständliche, nicht hinterfragte Wissen und gewährleistet die Verständlichkeit der erzählten Episoden.

Das Triadengespräch stützt sich auf eine ausgearbeitete und theoretisch gut begründete Methodologie. Methoden der qualitativen Sozialforschung werden mit dem aus der Familientherapie und Organisationsberatung entliehenen methodischen Prinzip der Inszenierung (Moderation und Rolleninstruktion) kombiniert.

Im Projekt wurden in Kooperation mit den zwei Partnerorganisationen aus dem öffentlichen Sektor (im Folgenden in diesem Abschnitt mit A und B bezeichnet) von Mai 2016 bis Juli 2017 im Rahmen einer empirischen Studie insgesamt 19 Triadengespräche mit einer durchschnittlichen Länge von zwei Stunden zur Rekonstruktion beruflichen Handelns von Experten und Expertinnen durchgeführt. Die Entwicklung und Erprobung eines Vorgehensmodells zur Verknüpfung von Erfahrungstransferprozessen in Triadengesprächen und der Modellierung von Kompetenzprofilen wurde dabei als Ziel angestrebt.

An den Triadengesprächen teilgenommen haben 18 Experten und Expertinnen, 19 Novizen und Novizinnen sowie drei organisationsexterne Personen, die die Laien- bzw. Laiinrolle ausgefüllt haben. In der Organisation A haben neun Triadengespräche zu beruflichen Themen stattgefunden, die sich den Jobfamilien „technisch-handwerkliche Fachkraft“ (n = 4), „kaufmännisch-verwalterische Fachkraft“ (n = 4) und „Projektarbeit“ (n = 1) zuordnen lassen. Die zehn Triadengespräche in Organisation B verteilten sich auf die Jobfamilien „Sachbearbeitung gehobener Dienst“ (n = 7), „Führungsaufgaben höherer Dienst“ (n = 2) und „Ausbildung“ (n = 1). Die Streuung der wichtigsten Merkmale (Organisation, Jobfamilie, Thema, Rollen) in der Grundgesamtheit wurde mit der Stichprobe abgebildet. Nach Prüfung der Daten auf Qualität und Aussagekraft wurde jeweils ein Gespräch pro Organisation nicht zur weiterführenden Analyse herangezogen. Die verbleibenden 17 Triadengespräche wurden nach einheitlichen Regeln transkribiert und anonymisiert. Sie bilden die Grundlage für das im folgenden Abschnitt vorgestellte Analyseverfahren.

5 Ergebnisse und Schlussfolgerungen

5.1 Top-down- und Bottom-up-Ansatz

Ein zentrales Projektresümee ist, dass sich die Verbindung des Top-down-Ansatzes (Ableitung von Kompetenzen aus der Unternehmensstrategie) mit der Bottom-up-Anforderungsanalyse auf der Ebene von Jobfamilien als zielführend erwiesen hat. Bei der Praxispartnerin und dem Praxispartner konnten auf diesem Weg die Flexibilität und Anforderungsorientierung bei den Prozessen der Kompetenzdiagnostik und -entwicklung nachhaltig erhöht werden.

Es wurde deutlich, dass in öffentlichen Organisationen – im Vergleich zu Unternehmen des privaten Sektors – die strategischen Ziele weniger konkret ausformuliert sind und kaum in handlungsleitende Personalentwicklungsziele einfließen. Gründe hierfür sind unter anderem die starke Gebundenheit öffentlicher Organisationen an gesetzliche Vorgaben sowie politische Einflüsse auf die Ziele der Verwaltungen. Die bisherigen Evaluationsergebnisse des Projekts zeigen auf, dass die Praxispartnerin und der Praxispartner diesen Schritt der Zielreflexion und die Ableitung von Kompetenzbedarfen als besonders zielführend für ihre Personalarbeit einschätzen.

Literatur zu konkreten Vorgehen zur Definition von Jobfamilie und der Zuordnung von einzelnen Stellen zu den Jobfamilien liegt für den öffentlichen Sektor bislang kaum vor (Richenhagen et al. 2014). Im Projektverlauf zeigte sich, dass die Identifikation dieser Funktionsgruppen einen voraussetzungsvollen und langfristigen Prozess darstellt. Konkret erfolgte im Projekt IntraKomp die Zuordnung von Stellen zu Jobfamilien unter anderem durch die sukzessive Zuordnung einzelner Stellen zu den Kernprozessen der Organisation. Es wurde geprüft, wie stark die Tätigkeiten der Mitarbeitenden in den einzelnen Kernprozessen verankert sind. Bei der Entwicklung bzw. Definition der Jobfamilien handelte es sich um einen iterativen Prozess, bei dem mehrere Abstimmungsschleifen mit inhaltlichen Anpassungen vorgenommen werden mussten. Zentral war die Einbindung aller relevanten Akteure, insbesondere der Positionsinhaber und -inhaberinnen sowie der Organisationsleitung, Führungskräfte, Arbeitnehmer- und Arbeitsnehmerinnenvertretung sowie Schnittstellenpartnerinnen und -partner.

5.2 Erhöhung und Verschiebung der Kompetenzanforderungen

Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass sich bei den beteiligten Projektorganisationen eine grundsätzliche Erhöhung des Anforderungsniveaus in den Tätigkeiten abzeichnet. Diese bezieht sich auf unterschiedliche inhaltliche Kompetenzbereiche. Weiterhin sind nicht nur Führungskräfte unterschiedlicher Hierarchieebenen, sondern auch die Bereiche der Sachbearbeitung/Verwaltung sowie die gewerblichen Berufe von dieser generellen Erhöhung des Anforderungsniveaus betroffen.

Im Hinblick auf die Kompetenzentwicklung im öffentlichen Sektor haben sich insbesondere die folgenden Handlungsfelder abgezeichnet:

  • Die Zunahme von bereichsübergreifender Zusammenarbeit stellt ein zentrales Handlungsfeld öffentlicher Organisationen dar. Die für den öffentlichen Sektor typische „Silostruktur“ wird zunehmend aufgebrochen, stattdessen ist eine deutliche Zunahme projektförmiger, interdisziplinärer Formen der Zusammenarbeit zu beobachten. „Die Ablösung des Weberschen Verwaltungsmodells durch eine agile Verwaltung bedeutet, dass öfter neue verschiedenartige Aufgaben gleichzeitig erledigt werden müssen und eine schnellere, teilweise inkrementelle Aufgabenerledigung, z. B. in behördenübergreifenden Vorgangsteams […] zu praktizieren und zu akzeptieren ist“ (Lévesque und Steinbrecher 2017). Nach Einschätzung der Praxispartnerin und des Praxispartners stellt dies eine notwenige Voraussetzung dar, um der zunehmenden Komplexität des Verwaltungshandelns gerecht zu werden. Bezogen auf den KompetenzAtlas von Heyse und Erpenbeck (Heyse et al. 2010; Heyse 2017) sind für den öffentlichen Sektor daher die Kompetenzen relevant, die sich auf diese bereichsübergreifende Zusammenarbeit beziehen, also insbesondere Kooperationsfähigkeit, ganzheitliches (und interdisziplinäres) Denken sowie Kunden- und Dialogorientierung.

  • Kunden- und Kundinnenorientierung gewinnt sowohl in Richtung der internen als auch der externen Kundinnen und Kunden an Bedeutung. So verändern bzw. erhöhen sich die Anforderungen der verwaltungsexternen Akteure und Akteurinnen an öffentliche Organisationen. Ein Beispiel sind verschärfte gesetzliche Anforderungen. Kunden- und Kundinnenorientierung gewinnt auch deshalb in kommunalen Bereichen nach Einschätzung der Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen stark an Bedeutung, da eine erhöhte Anspruchshaltung von Bürgerinnen und Bürgern zu beobachten ist (Richenhagen 2018). Sie erwarten von den Verwaltungen eine stärkere Transparenz und die Beteiligung an politischen Prozessen. Ein typisches agiles Prinzip, die Einbeziehung von Kundinnen und Kunden bei der Entwicklung von Produkt- und Dienstleistungsinnovationen, wird im öffentlichen Sektor in Teilbereichen bereits praktiziert und führt ebenfalls zu dem Bedeutungszuwachs von Kompetenzen im Feld der Kunden- und Kundinnenorientierung.

  • Ein Prinzip agiler Organisationen bzw. Verwaltungen ist die Förderung von Selbstorganisationsprozessen. Dies bezieht sich beispielsweise auf die Zusammenarbeit von Arbeitsgruppen: Dem Team sowie auch den einzelnen Mitarbeitenden wird ein höheres Maß an Autonomie zugestanden. Dies führt zu veränderten Kompetenzanforderungen von Führungskräften und Mitarbeitenden. Der erhöhte Grad an Selbstorganisation und die Erweiterung von Handlungsspielräumen führen dazu, dass von Mitarbeitenden zunehmend eigeninitiatives Entscheiden und Handeln erwartet wird. Diese Kompetenzanforderung hat sich sowohl in den Strategie- als auch den Jobfamilien-Workshops als besonders relevant herauskristallisiert. Bezogen auf den KompetenzAtlas von Heyse und Erpenbeck (Heyse et al. 2010; Heyse 2017) werden die Kompetenzen „Eigenverantwortung“ und „Selbstmanagement“ angesprochen. Die bisherigen Ergebnisse des Projekts weisen darauf hin, dass darüber hinaus insbesondere die Handlungsfähigkeit trotz unklarer Rahmenbedingungen und sich ändernden Zielkonstellationen bzw. das komplexe Problemlösen bei unscharfen Zielvorgaben (Kuhl 2010; Kuhl und Henseler 2017) eine wichtige Kompetenzanforderung des öffentlichen Sektors darstellt.

  • Auch die Rolle bzw. die Anforderung an Führungskräfte verändert sich aufgrund der Zunahme von Selbstorganisation in öffentlichen Verwaltungen. Sie entwickeln sich in Richtung eines transformationalen Führungsstils (Richenhagen 2018). Ein wichtiges Ergebnis des IntraKomp-Projekts ist in diesem Zusammenhang, dass der horizontale Transfer von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den öffentlichen Organisationen als zentral betrachtet wird, um Personalbedarfe decken zu können. Aufgrund demografischer Veränderungen und zunehmenden Budgetrestriktionen wird die Besetzung vakanter Stellen zukünftig in starkem Maße durch Mitarbeitende der bestehenden Belegschaften erfolgen müssen. Auch vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen der Strategie-Workshops die hohe strategische Relevanz von Führungskompetenzen unterstrichen, da die Verantwortung für die Potenzialanalyse und Personalentwicklung zukünftig in deutlich stärkerem Maße durch Führungskräfte verantwortet werden wird. Im Hinblick des Bezugsrahmens von Heyse und Erpenbeck gewinnen insbesondere die Kompetenzen „Zielorientiertes Führen“, „Delegation“ und „Mitarbeitendenförderung“ an Bedeutung.

5.3 Integration von Kompetenzmodellierung und Erfahrungstransfer

Auf Basis der im Abschn. 26.4 beschriebenen empirischen Studie zur Integration von Erfahrungstransferprozessen in Triadengesprächen und der Modellierung von Kompetenzprofilen auf Basis des KompetenzAtlas (Heyse et al. 2010; Heyse 2017) konnte im Projekt IntraKomp ein Analyse- und Vorgehensmodell zur Erweiterung von standardisierten Kompetenzmodellen und in Ergänzung zu den bereits beschriebenen Projektergebnissen entwickelt und erprobt werden. Mithilfe dieses Verfahrens können Episoden beruflichen Handelns und die ihnen immanenten Kompetenzen rekonstruiert werden. Expertinnen- und Expertenhandeln in öffentlichen Verwaltungsorganisationen wird kommunikations- und diskursfähig und kann in unterschiedliche Prozesse der Kompetenzmodellierung und -entwicklung eingespeist, mit fachsystematischen Modellierungen verglichen und diskutiert werden.

Das entwickelte Analysemodell lehnt sich an die in der Biografieforschung fest verankerte Erzähltheorie nach Fritz Schütze (1976, 1977, 1987; Küsters 2006; Lucius-Hoene und Deppermann 2004) an und umfasst, wie Abb. 26.2 zeigt, vier Stufen.

Abb. 26.2
figure 2

Vorgehensmodell: 4-Stufen-Verfahren

Die inhaltliche Segmentierung des Triadengesprächs mit dem Ziel, den thematischen Verlauf des Gespräches nachzuvollziehen und daran anschließend eine inhaltlich-thematische Struktur zum subjektiv wahrgenommenen beruflichen Handeln des erzählenden Experten bzw. der erzählenden Expertin zu erstellen, erfolgt im ersten Auswertungsschritt „Segmentierung und Formalanalyse“. Die formalsprachliche Untersuchung der Textstruktur der herausgearbeiteten Segmente schließt diese erste Auswertungsstufe ab. Passagen, die mit der Darstellungsform „Erzählung“ versehen wurden, werden im zweiten Analyseschritt „Segmentanalyse“ der im ersten Schritt erstellten thematischen Struktur zugeordnet. Die herausgearbeiteten Erzählpassagen werden in der dritten Analysestufe „Episodenanalyse“ nun einzeln analysiert. Dabei wird zunächst eine strukturelle Verortung der Passage im Gesamttext vorgenommen, der die detaillierte inhaltsanalytische Situationsbeschreibung folgt. Die Situationsbeschreibung dient der Rekonstruktion des Experten- bzw. Expertinnenhandelns und umfasst unter anderem die konkrete Aufgaben-/Problemstellung, die die Expertin bzw. der Experte zu bewältigen hatte, ihre bzw. seine Vorgehensweise und konkreten Handlungen zur Lösung der Situation und gegebenenfalls entwickelte Hilfsmittel. Darüber hinaus soll im dritten Analyseschritt rekonstruiert werden, welche immanente Logik dem Handeln des Experten bzw. der Expertin zugrunde lag: Wie hat er bzw. sie die Situation erschlossen, welche Bedeutung misst er bzw. sie ihr bei, welche Handlungsstrategie hat seine bzw. ihre Entscheidungen beeinflusst? Die Identifizierung der für die zuvor rekonstruierte Anforderungssituation handlungsrelevanten Kompetenzen erfolgt in der letzten Analysestufe „Kompetenzanalyse“. Zunächst wird die Ableitung der Kompetenzen induktiv aus der Situationsbeschreibung und in der individuellen Formulierung des Analysierenden vorgenommen. Da diese stark subjektiv und durch eigene Wahrnehmungsmuster konnotiert sein können, erfolgt nun der Vergleich mit den standardisierten Kompetenzmodellierungen aus dem KompetenzAtlas nach Heyse und Erpenbeck (Heyse et al. 2010; Heyse 2017). Stimmen die subjektiven Kategorien und die Kompetenzbegriffe des KompetenzAtlas überein, werden diese in einem vorläufigen Kompetenzprofil erfasst. Lassen sich im KompetenzAtlas keine Entsprechungen für die subjektiven Kompetenzbegriffe finden, werden diese unter Kennzeichnung dem vorläufigen Kompetenzprofil hinzugefügt und mit Hinweisen zu den zugrunde liegenden Textpassagen versehen. Das im Schritt 4 beschriebene Vorgehen der Kompetenzidentifikation (induktive Ableitung und Abgleich mit KompetenzAtlas) wird zur Erhöhung der Reliabilität der Kompetenzmodellierungen zusätzlich durch mehrere, in einem Ratingtraining geschulte, Personen unabhängig voneinander vorgenommen. Die entwickelten Kompetenzprofile werden dann abgeglichen und auf Konsistenz geprüft. Abschließend werden alle erarbeiteten Kompetenzprofile entsprechend ihrer zugrunde liegenden Erzählpassagen der im Schritt „Segmentierung und Formalanalyse“ entwickelten thematischen Struktur zugeordnet und zusammengefasst. Im Ergebnis des gesamten Analyseprozesses entsteht für jedes Thema (Handlungssituation) ein auf konkreter Berufserfahrung und real praktizierten Expertinnen- und Expertenhandeln beruhendes Kompetenzprofil.

Organisationen des öffentlichen Sektors können mit der Anwendung dieses Verfahrens in die Lage versetzt werden, ein gemeinsames, erfahrungsbasiertes Verständnis von Experten- und Expertinnenhandeln und den dem zugrunde liegenden Kompetenzen zu entwickeln. Das bestehende System der Episoden zum Expertinnen- und Expertenhandeln und das vorliegende Kompetenzmodell können fortlaufend selbstständig ergänzt und verfeinert werden. Wird die Realisierung dieses Vorgehens als kontinuierlicher Prozess verstanden, kann sich die öffentliche Verwaltung zu einer lernenden Organisation entwickeln, die in einem Umfeld der Unsicherheit in der Lage ist, ihre hoheitlichen Aufgaben im Spannungsfeld von Flexibilität und Stabilität wahrzunehmen und ihre Personal- und Kompetenzentwicklung kontinuierlich und strategisch den gegebenen Herausforderungen anzupassen.

6 Fazit

Es zeichnet sich ab, dass die im Projekt IntraKomp eingesetzten Methoden und entwickelten Verfahren zielführend sind, um Kompetenzmodelle für Organisationen des öffentlichen Sektors zu bestimmen.

Von besonderer Wichtigkeit ist dabei die Verbindung des Top-down-Ansatzes (Ableitung von Kompetenzen aus der Unternehmensstrategie) mit der Bottom-up-Anforderungsanalyse auf der Ebene von Jobfamilien. Die Flexibilität und Anforderungsorientierung der Kompetenzdiagnostik und -entwicklung kann so stark erhöht werden.

Das eingesetzte Instrument des Triadengesprächs hat sich bewährt, um implizites und informelles Wissen von Experten zu heben und auf das unterlegte Kompetenzmodell abzubilden.

Die dargestellten Schlussfolgerungen zu der Fragestellung, wie sich Kompetenzbedarfe des öffentlichen Sektors verschieben, sind insofern begrenzt, als sich die Daten auf nur zwei öffentliche Organisationen beziehen. Es zeichnen sich allerdings grundsätzliche Übereinstimmungen mit Studienergebnissen ab (vgl. z. B. acatech 2016).

Die Ergebnisse des Projekts IntraKomp zeigen weiterhin auf, dass bestehende strukturelle und gesetzliche Vorgaben sich teilweise hemmend auf das strategische Kompetenzmanagement auswirken, dies betrifft etwa Vorgaben zur Stellenbesetzung oder die Entwicklung von Laufbahnmodellen.