Zusammenfassung
Am Beispiel der Analyse der wohlfahrtskapitalistischen Regime Spanien und Deutschland, in denen junge Erwerbslose leben und die sie co-konstruieren, wird der Ertrag einer Wohlfahrtsstaatenforschung von unten erörtert. Sechs beispielhafte Merkmale zeigen, wie eine akteursbezogene Perspektive dominierende politische Rationalisierungen zum Teil bestätigt, aber zum Teil deutlich verwirft, wie an einer Zurückweisung sogenannter Aktivierungspolitik in beiden Ländern deutlich wird. Gleichzeitig belegt die Analyse, wie auch eigensinnige Deutungen die Regime stabilisieren und zum Ausschluss von Erwerbslosen beitragen. Das geschieht z. B., wenn die Akteure die gesellschaftlichen Voraussetzungen von Arbeitslosigkeit negieren, um Handlungsfähigkeit herzustellen, sie damit aber gleichzeitig drastisch verengen. Schließlich ermöglicht die Perspektive, den methodischen Nationalismus der Regimeanalyse zumindest partiell zu überwinden. Wenn auch unterschiedlich in der Form, sind junge Erwerbslose sowohl in Spanien als auch in Deutschland gleichermaßen vom Abbau sozialer Rechte betroffen – eine Dynamik, die wesentlich durch transnationale Veränderungen ausgelöst wird. Durch die akteursbezogene Perspektive kann der andauernde Wandel der Wohlfahrtskapitalismen so auch in seinem transnationalen Charakter sichtbar gemacht werden.
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Gille, C. (2020). Wohlfahrtskapitalistische Regime von unten: Akteursbezogene Erkundungen am Beispiel junger Erwerbsloser in Spanien und Deutschland. In: van Rießen, A., Jepkens, K. (eds) Nutzen, Nicht-Nutzen und Nutzung Sozialer Arbeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23250-4_11
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