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Die Mitte als klassenloser Ort? Wie Jugendliche moralisieren und Prekarisierung rechtfertigen

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Moralische Kollektive

Part of the book series: Wissen, Kommunikation und Gesellschaft ((WISSEN))

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Zusammenfassung

Dieser Beitrag fragt nach der Wahrnehmung von Klassenstrukturen unter jungen Erwachsenen in Deutschland. Inspiriert durch die Arbeiten von Andrew Sayer (2005, 2010) und Axel Honneth (1981) zur Bedeutung von Alltagsmoral und Klassenbewusstsein wird untersucht, inwiefern die moralische Dimension sozialer materieller Ungleichheit kritische Perspektiven aber auch kollektive Handlungsmöglichkeiten eröffnet (oder versperrt). Konkret wird gefragt, welche moralischen Zuschreibungen und Beurteilungen mit der Wahrnehmung und Deutung der eigenen Situation und Position innerhalb der Gesellschaftsstruktur verbunden sind und inwiefern diese dazu beitragen, die eigene Position zu rechtfertigen oder zu hinterfragen. Die Ergebnisse werden mit Bezug auf den aktuellen Stand zur Klassenanalyse und Prekarisierung in Deutschland diskutiert. Der Beitrag basiert auf der Analyse von 40 biografischen Interviews mit prekär beschäftigten jungen Menschen in Deutschland zwischen 18 und 35 Jahren.

die Frage ‚Klasse oder nicht?‘ (ist) eine entscheidende Frage für die Beurteilung der gegenwärtigen Gesellschaft.

Theodor W. (Adorno 1993: 42)

Der Beitrag basiert auf den Forschungen des Projektes PREWORK TR 1378/1–1, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Wir danken für wertvolle Hinweise unserer Projektkollegin Jule-Marie Lorenzen, sowie den HerausgeberInnen dieses Bandes

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Notes

  1. 1.

    Obschon hier die soziale und moralische Dimension von Klassenverhältnissen in den Blick genommen wird (es also auch um die sprachlich vermittelte Konstruktion von Zugehörigkeiten und Abgrenzungen durch moralische Bewertungsleistungen geht) sollen damit nicht die materielle Ebene sozialer Ungleichheit ignoriert werden. Keinesfalls wollen wir Klasse als ausschließlich moralische oder sprachliche Konstruktion verstanden wissen und genauso wenig gehen wir davon aus, dass die Analyse der Wahrnehmung und Deutung von Ungleichheiten einer konkreten Definition von Klasse entbehrt (zur Kritik an rein diskursiven Betrachtungen siehe Baron 2014). Vergleiche auch das WSI-Schwerpunktheft Juli 2016 zum Thema gesellschaftlich-politischen Bewusstsein der abhängig Beschäftigten).

  2. 2.

    Dies hat Beverly Skeggs (1997) in ihrer ethnografischen Untersuchung von weißen Arbeiterinnen in Großbritannien gezeigt, dass Mittelklasse-Positionen nicht nur eine Frage von ökonomischen Vorteilen sind, sondern auch als moralisch überlegen betrachtet werden, während die Angehörigen der Arbeiterklasse als mangelhaft und unzureichend dargestellt werden.

  3. 3.

    Im Anschluss an die biographische Narration haben wir gezielte Fragen zu Bildungs-, Ausbildungs- und Arbeitskontexten und dazwischenliegenden Übergängen gestellt. Einbezogen wurden auch explizite Fragen nach politischen Orientierungen, zur Selbstverortung innerhalb der Sozialstruktur und der Wahrnehmung gesellschaftlicher Konfliktlinien.

  4. 4.

    Zum Zweck der besseren Lesbarkeit sind die hier ausgewählten Transkriptausschnitte vereinfacht. Die den Analysen zugrunde liegenden Originaltranskripte wurden nach gattungsanalytischen Transkriptionskonventionen angefertigt.

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Seehaus, A., Trappmann, V. (2019). Die Mitte als klassenloser Ort? Wie Jugendliche moralisieren und Prekarisierung rechtfertigen. In: Joller, S., Stanisavljevic, M. (eds) Moralische Kollektive. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22978-8_13

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