2.1 Strategie

2.1.1 Strategieentwicklung

2.1.1.1 Mehr Zeit nehmen für strategische Themen

In vielen mittelständischen Unternehmen ist die Ressource Management knapp. Oft fühlt sich der Unternehmer für alles verantwortlich und trifft nahezu alle Entscheidungen selbst. Dies gilt gerade dann, wenn der Unternehmer gegen Ende seiner aktiven Tätigkeit befürchtet, die Kontrolle über sein Unternehmen zu verlieren. Er wird selbst zum Nadelöhr in der Entscheidungsfindung, die dann zunehmend schwerfällig abläuft. Dies kann dazu führen, dass wichtige Marktchancen und interne Probleme zu spät erkannt und bearbeitet werden.

Eine Gefahr für die langfristige Unternehmensentwicklung ist vor allem dann gegeben, wenn operative Entscheidungen die strategischen verdrängen. Es gilt das Gresham’sche Planungsgesetz – Unwichtiges, aber zeitlich Dringliches verdrängt Wichtiges, aber zeitlich nicht als dringlich Wahrgenommenes. Der Chef unterliegt den Zwängen des Alltagsgeschäfts und vernachlässigt die Analyse von wichtigen Zukunftsfragen und die damit verbundenen Entscheidungen.

Diese Verhaltensweise lässt sich auf zwei Ursachen zurückführen:

  1. 1.

    Am Ende eines langen Arbeitstages steht ein Erfolgserlebnis – der volle Kalender mit operativen Themen ist abgearbeitet worden!

  2. 2.

    Manche Führungskräfte vermeiden die Auseinandersetzung mit unbequemen Strategiefragen, die oft mit einem hohen Maß an Unsicherheit und Komplexität verbunden sind.

Wie kann man dieses Problem lösen? Notwendig ist vor allem die Schaffung von Zeitautonomie – dies umfasst im Wesentlichen zwei Dinge: erstens die Einführung eines strikten Zeitmanagements und zweitens die frühzeitige Einplanung von Zeitblöcken, die (unverrückbar!) für strategische Fragen reserviert werden sollten. Der Unternehmer oder Geschäftsführer kann sich die notwendige Zeit dafür schaffen, indem er andere Aufgaben delegiert.

2.1.1.2 Die Unternehmensstrategie regelmäßig anpassen

Die Entwicklung von Strategien wird in mittelständischen Unternehmen manchmal als großes Projekt angesehen, dessen einzelne Phasen abzuarbeiten sind. Dieser Prozess wird mit sehr viel Aufwand betrieben und soll im Ergebnis zu einer perfekten Strategie führen, oft verbunden mit einer umfangreichen, detaillierten Finanzplanung.

Aber die Dynamik in der Umwelt- und Marktentwicklung und vor allem der rasche technische Fortschritt, z. B. in der Digitalisierung, machen ein solches Vorgehen schnell obsolet. Strategiearbeit ist grundsätzlich als ein Prozess zu verstehen; sie ist selten „fertig“, sondern die Unternehmensführung muss sich immer wieder mit strategischen Fragestellungen beschäftigen, die Strategie anpassen und weiterentwickeln. Für die Praxis sind zwei Aspekte bedeutsam.

Die Strategie sollte nicht als ein Gesamtwerk betrachtet werden, sondern als ein Bündel von Stoßrichtungen oder Optionen, deren Prioritäten und Relevanz sich im Zeitablauf in Abhängigkeit von der externen Entwicklung ändern können. Neue Optionen kommen hinzu, andere werden fallen gelassen. Für diese Optionen werden strategische Projekte gebildet, die dann zu planen sind.

Es geht nicht darum, die perfekte Strategie zu erarbeiten, sondern im Sinne eines agilen Vorgehens einen ersten, tragfähigen Ansatz vorzulegen und diesen dann in Zusammenarbeit mit Kunden und externen Partnern regelmäßig weiterzuentwickeln. Voraussetzungen dazu sind ein gutes Verständnis der Ausgangslage und ein klares Verständnis der strategischen Herausforderungen.

2.1.1.3 Geschäftsmodellinnovationen sichern das Überleben

Die Erneuerung oder Neuentwicklung von GeschäftsmodellenFootnote 1 ist heute ohne Zweifel eine der zentralen Fragen der Unternehmensführung. Innovationen können inkrementell oder disruptiv angelegt sein. Was Geschäftsmodellinnovationen mit einem eher disruptiven Charakter angeht, sind Mittelständler eher zurückhaltend. So zeigt eine Studie von PwC, dass Familien- und mittelständische Unternehmen die Digitalisierung als zentralen Trend für 2017 nannten, aber nur 40 % der befragten Unternehmen ihre Strategie deshalb auf den Prüfstand stellen wollen.Footnote 2

Die Schlüsselfrage für die Unternehmensführung lautet: Ist unser Geschäftsmodell zukunftsfähig? Dazu ist es notwendig, neue und veränderte Trends zu verstehen. Trenduntersuchungen und Gespräche mit Experten können wichtige Informationen liefern. Regelmäßige Kontakte in die Start-up-Szene sind ebenfalls hilfreich und verursachen geringe Kosten. Nachdem wichtige Trends erkannt sind, stellt sich die Frage, wie das Unternehmen auf diese Trends reagieren soll. Ein einfacher Ansatz besteht darin zu untersuchen, wie ein bestimmter Trend das bisherige Geschäftsmodell beinträchtigen und eventuell sogar zerstören kann. Auf diese Weise lassen sich interessante Rückschlüsse auf notwendige Veränderungen ziehen. In der Konsequenz geht es um die Herausforderung, das bisherige Geschäftsmodell anzupassen, bevor ein anderes Unternehmen das Geschäftsmodell angreift und durch ein besseres Geschäftsmodell ersetzt („Destroy your business model before someone else will do it for you!“). Dafür sind unternehmerischer Mut und Weitsicht sowie innovative Führungskräfte und Mitarbeiter, aber auch finanzielle Ressourcen erforderlich. Geschäftsmodelle entwickeln sich analog zu Lebenszyklen von Produkten und Märkten.

Dieses Vorgehen ist durchaus anspruchsvoll, weil das vorhandene Geschäftsmodell noch erfolgreich ist und trotzdem bereits an einem neuen Modell gearbeitet wird. Aus Sicht der Unternehmensführung gilt es, eine duale Strategie zu fahren: zum einen das vorhandene Geschäftsmodell zu nutzen („Exploitation“) und neue Geschäftsmodelle aufzubauen („Exploration“).

2.1.1.4 „Uberisierung“ als Chance begreifen

Unter dem Schlagwort „Teilen statt Besitzen“ (die sog. „Sharing Economy“) haben sich Unternehmen etabliert, die keine eigenen Produkte/Dienstleistungen im klassischen Sinne anbieten, sondern dem Kunden die Nutzung des Produkts bzw. der Dienstleistung eines anderen ermöglichen. Bereits vorhandene, aber zeitweise nicht genutzte (private) Kapazitäten werden über eine Internet-Plattform Nutzern angeboten, wie z. B.:

  • Uber vermittelt – bisher vor allem in Großstädten – die Nutzung privater Fahrzeuge (einschließlich Fahrer), sodass Taxen oder Limousinenservices substituiert werden.

  • Airbnb vermittelt Unterkunftsmöglichkeiten in Privatwohnungen.

  • Unternehmen haben Apps entwickelt, die beispielsweise die Nutzung von Waschmaschinen und Bügelbrettern in Privathaushalten oder die Zeit, um Hunde auszuführen, oder das gemeinschaftliche Essen gegen Bezahlung, analog zu Uber, vermitteln.

Dieses Konzept der „Sharing Economy“ oder auch „Plattform-Ökonomie“ lässt sich auf viele Bereiche übertragen. Grundlage bildet der Kundenwunsch, vielfach Dinge nicht mehr zu besitzen, sondern nur bei Bedarf flexibel nutzen zu können.

Auch Mittelständler müssen sich mit diesem Phänomen auseinandersetzen und sich fragen, wie sinnvollerweise ein Produkt/eine Dienstleistung aussehen kann, das dem veränderten Kundenverhalten entspricht. Sie sollten überlegen, wie sich – alleine oder mit anderen Marktteilnehmern – (internetbasierte) Plattformen entwickeln lassen, um Kunden die Nutzung der eigenen Produkte/Dienstleistungen zu ermöglichen, ohne diese unbedingt kaufen zu müssen. Denn wenn sich der Mittelständler proaktiv diesen veränderten Marktbedingungen stellt, kann er mögliche Kostenvorteile und Umsatzpotenziale nutzen.

2.1.1.5 Das Selbstbild extern verifizieren

Grundlage für jede Strategie ist ein objektives Verständnis der eigenen Stärken und Schwächen. Die strategisch relevanten Stärken und Schwächen sind relativ zum Wettbewerbsumfeld zu beurteilen. Gerade bei mittelständischen Unternehmen sind diese Analysen jedoch oft sehr subjektiv geprägt und führen häufig zu Fehleinschätzungen. Vor allem die eigenen Stärken werden gerne überschätzt, die eigenen Schwächen unterschätzt. Als Konsequenz kommen strategische Projekte nicht voran oder scheitern frühzeitig.

Um diese subjektiven Beurteilungen zu objektivieren, ist eine Außensicht, also eine Bewertung durch externe Dritte, notwendig. Hier bieten sich zwei Wege an, die einander ergänzen können.

  • Benchmarking ist ein wichtiges Instrument, um vor allem die eigenen Stärken und Schwächen relativ zum Wettbewerbsumfeld besser einschätzen zu können. Benchmarking bezieht sich dabei auf den Vergleich wichtiger interner Unternehmensparameter mit den Daten von Wettbewerbern. Benchmarking im Mittelstand stößt jedoch erfahrungsgemäß auf eine Reihe von Problemen. Zunächst ist es schwierig, geeignete Partner für das Benchmarking zu finden, da gerade Mittelständler häufig große Vorbehalte gegen zu viel Einblick von außen haben. Und selbst wenn die Partner gefunden werden, stellt die Beschaffung und Vergleichbarkeit der notwendigen Informationen eine Sisyphusarbeit dar.

  • Ein externer Berater kann aufgrund seiner Erfahrung helfen, Markt und Wettbewerbs-trends sowie Stärken und Schwächen des Unternehmens besser zu beurteilen und auf diese Weise blinde Flecken zu vermeiden. Weiterhin bietet ein Beirat ein sehr probates Mittel, subjektive Einschätzungen gemeinsam mit externen Dritten zu überprüfen.

2.1.1.6 Eigene Positionen immer wieder kritisch hinterfragen

„Veränderungen sind das einzig Beständige“: Geschwindigkeit und Komplexität der Veränderungsprozesse nehmen weiter zu, auch durch die rasant zunehmende Digitalisierung vieler Unternehmensprozesse.

Vor diesem Hintergrund müssen sich Mittelständler fragen, ob ihre eigenen, von langjährigen Erfahrungen geprägten Einschätzungen über Märkte, Kundenverhalten, strategische Ausrichtungen usw. – kurz: die komplette Positionierung des eigenen Unternehmens – noch der Realität entsprechen. Peter F. Drucker (Pionier der Managementlehre) wird die Aussage zugeschrieben, dass 20 Jahre Erfolg der größte Fluch eines Unternehmens sind. Deshalb konfrontiert Ray DalioFootnote 3, Manager eines äußerst erfolgreichen Hedgefonds, seine Mitarbeiter immer wieder mit der gleichen Frage: „Is that true?“ – Und er hält es aus, wenn seine Mitarbeiter seine bisherigen Einschätzungen komplett widerlegen.

Vor allem gestandenen, langjährig erfolgreichen Unternehmern wird es im Einzelfall nicht leichtfallen, dieses kritische Hinterfragen der eigenen Positionen zu akzeptieren. Es ist jedoch zwingend notwendig, um Unternehmen auch in den sich weiter permanent wandelnden Zeiten erfolgreich zu führen.

2.1.1.7 Eine SWOT-Analyse bildet die Basis für die Strategieentwicklung

Viele Unternehmen nutzen im Rahmen der Strategiefindung eine SWOT-Matrix. Dieses Modell beruht auf einer Ermittlung der Stärken (S = Strengths) und Schwächen (W = Weaknesses) sowie der Chancen (O = Opportunities) und Risiken (T = Threats) des Unternehmens. Die SWOT-Matrix (vgl. Abb. 2.1) ist eine relativ einfache grafische Darstellung der strategischen Ausgangslage.

Abb. 2.1
figure 1

SWOT-Matrix

Wichtig ist in diesem Zusammenhang der relative Aspekt. Stärken und Schwächen bzw. Chancen und Risiken sind nie absolut, sondern immer nur in Beziehung zu den im Umfeld vorhandenen anderen Wettbewerbern zu beurteilen.

Mittelständische Unternehmen sind manchmal der Ansicht, mit der Aufstellung einer SWOT-Matrix und einigen oft sehr allgemeinen Überlegungen zur zukünftigen Ausrichtung des Unternehmens bereits eine Strategie formuliert zu haben. Das ist falsch, denn die eigentliche Strategiearbeit beginnt erst nach der SWOT-Analyse. Dann werden interne Stärken und Schwächen den externen Risiken und Chancen gegenübergestellt, um strategische Optionen zu entwickeln. Dieser Prozess verlangt ein hohes Maß an Kreativität und strategischem Denken. Das Ergebnis ist eine TOWS-Matrix (vgl. Abb. 2.2).

Abb. 2.2
figure 2

TOWS-Matrix

Die aus dieser Matrix resultierenden strategischen Optionen sind so zu formulieren, dass eine maximale relative Differenz zum Wettbewerb aufgebaut werden kann. Dazu müssen die Kräfte eines Mittelständlers zielgerichtet relativ zur Position der Wettbewerber und deren Stärken und Schwächen konzentriert werden.

2.1.1.8 Mit bestehendem Know-how neue Märkte bearbeiten

Dauerhaft existieren können nur solche Unternehmen, die über ein attraktives Portfolio von strategischen Optionen für die Gestaltung ihrer Zukunft verfügen. Die Nutzung vorhandenen Wissens und vorhandener Ressourcen spielt für mittelständische Unternehmen eine besonders große Rolle. Die unterschiedlichen Wachstumsmöglichkeiten können auf einfache Weise mit der Ansoff-Matrix erfasst werden. Ein Beispiel enthält die Abb. 2.3.

Abb. 2.3
figure 3

Ansoff-Matrix

Die Marktdurchdringung bezieht sich auf den Ausbau einer bereits bestehenden Marktposition. Wenn das Marktpotenzial ausgeschöpft ist, kann weiteres Wachstum über die Produktentwicklung bzw. die Marktentwicklung erzeugt werden. Diese Multiplikationsstrategien setzen teilweise auf vorhandenes Know-how und benutzen bestehende Elemente des Geschäftssystems. Den Vorteil hat dabei zumeist das Unternehmen, das als Pionier die in der Multiplikation liegenden Chancen zuerst unternehmerisch erkennt und nutzt.

Für Mittelständler sind die Multiplikationsstrategien besonders geeignet. Die „Hidden Champions“ verfolgen in diesem Sinne eine „weiche Diversifikationsstrategie“.Footnote 4 Sie erweitern Schritt für Schritt sowohl die Produktpalette als auch die Märkte, die sie mit dieser Palette bedienen. Ausgangsbasis ist immer ein vorher definiertes und erfolgreich aufgebautes Kerngeschäft, das an seine Wachstumsgrenzen stößt. Das heißt, sie bewegen sich vertikal oder horizontal in der Matrix. Diese Form der Diversifikation ist sicher weniger risikoreich als eine gleichzeitige Expansion in neue Produktfelder und Märkte, die eher selten von Erfolg gekrönt ist. Die diagonale Bewegung in der Matrix sollte also vermieden werden.

2.1.1.9 Über die Kontroverse zur Strategie finden

Eine Strategie lässt sich nur in wenigen Fällen rational planen und umsetzen. Ideen des Unternehmers, aus der Führungsmannschaft oder von anderen Mitarbeitern bilden die Grundlage einer Strategie und müssen zunächst grob analysiert und ausgearbeitet werden.

Danach erfolgt die eigentliche Strategiediskussion, die für die Qualität der strategischen Entscheidungen von großer Bedeutung ist. Hier gilt es, Für und Wider einer Option zu diskutieren. Damit werden zum einen Chancen und Risiken sehr viel klarer. Zum anderen ist in dieser Diskussion zu erkennen, wie hoch das Interesse der Führungskräfte an der Umsetzung einer Option ist. Unter Umständen ist es sinnvoll, einer Führungskraft die Rolle als Advocatus Diaboli zuzuweisen, um so eine kontroverse Diskussion in Gang zu bringen.

Nach der Diskussion muss der Unternehmer bzw. die Führungskraft klar entscheiden, welche Optionen in der Zukunft verfolgt werden und welche nicht. Bei einer drastischen Veränderung der Umwelt- oder der Unternehmenssituation müssen solche Entscheidungen gegebenenfalls revidiert werden. Aber solange eine solche Entscheidung gültig ist, müssen sich alle Führungskräfte daran halten.

Schließlich muss diese Entscheidung innerhalb des Unternehmens kommuniziert werden. Die Unternehmensstrategie muss dem mittleren Management und, in groben Zügen, der Belegschaft bekannt sein. In diesem Zusammenhang ist eine Verdichtung in einem Slogan durchaus sinnvoll. Ein gutes Beispiel lieferte vor vielen Jahren Komatsu mit dem Slogan „Kill the CAT!“, um die strategische Stoßrichtung gegenüber dem Hauptkonkurrenten Caterpillar allen Mitarbeitern innerhalb des Unternehmens klar zu machen.

Zusammenfassend gilt: Ideen zur zukünftigen Strategie kontrovers diskutieren, nach Analyse und Diskussion eine eindeutige Entscheidung treffen und diese dann der Belegschaft kommunizieren.

2.1.1.10 Führungsmannschaft und Strategie müssen zusammenpassen

In vielen mittelständischen Unternehmen ist zu beobachten, dass die wichtigen Aufgaben immer an den gleichen Führungskräften hängen bleiben – von denen man in der Regel zu wenige hat, andere zeigen eine nicht ausreichende Leistungsfähigkeit oder Leistungsbereitschaft.

Dies ist insbesondere bei der Entwicklung neuer Strategieprojekte ein Problem, weil oft unterstellt wird, dass die vorhandenen Führungskräfte es schon richten werden. Aber gerade dann, wenn diese Projekte ihren Schwerpunkt außerhalb des normalen Geschäfts haben, z. B. der Einstieg in neue Geschäftsfelder, Technologien oder Märkte, können Probleme entstehen. So passen trotz ihres fachlichen Hintergrunds konzernerfahrene Führungskräfte häufig nicht in mittelständische Unternehmensstrukturen et vice versa.

Um diese Fehleinschätzungen zu reduzieren, müssen aus der neuen Strategie die Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter abgeleitet werden. Dem gegenüberzustellen sind das Erfahrungs- und Kompetenzprofil sowie die Motivstruktur der vorhandenen oder neu einzustellenden Führungskräfte. Das „Go ahead“ für die Umsetzung neuer Strategien darf erst dann gegeben werden, wenn die entsprechende Führungskapazität und -kompetenz im Unternehmen bereitstehen. Hier können externe Personalberater wertvolle Unterstützung mit Hilfe eines Management Audits leisten. Dieser Abgleich, verbunden mit einer externen Sicht, dürfte auch für mittelständische Unternehmen interessant sein, wenn im Zuge einer Strategiefortschreibung neue Führungspositionen zu besetzten sind.

2.1.1.11 Berater sorgfältig auswählen, einsetzen und überwachen

Die Haltung mittelständischer Unternehmen zu Unternehmensberatern ist zwiespältig. Viele Mittelständler versuchen, ihren eigenen Weg zu gehen, und sind Beratern gegenüber sehr misstrauisch. Dieses Misstrauen hat Robert Townsend einmal wie folgt definiert: „Das sind Leute, die sich Ihre Uhr ausleihen, um Ihnen zu sagen, wie spät es ist, und dann mit der Uhr abhauen.“Footnote 5 Andere Mittelständler wiederum arbeiten oft und intensiv mit Beratern zusammen.

Der Einfluss eines Beraters auf die Unternehmensentwicklung kann große Wirkung haben – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne. Unternehmensberatung ist Vertrauenssache. Für den Einsatz von Beratern sind drei Grundegeln zu beachten:

  • Sorgfältige Auswahl des Beraters

    Gerade weil Beratung auf Vertrauen basiert, sollte sich die Unternehmensleitung eines mittelständischen Unternehmens intensiv auf die Auswahl eines qualifizierten Beraters oder Beraterteams konzentrieren. Hierzu sollte man durchaus verschiedene Berater einladen und dann nicht nur den Senior-Berater, sondern – soweit ein Beratungsteam eingesetzt wird – auch die Teammitglieder evaluieren. Diese Gespräche müssen vorbereitet werden (Analyse der Lebensläufe der Berater und Fragenkatalog für die Gespräche). Auf diese Weise kann das Risiko, mit unqualifizierten oder nur wenig erfahrenen Beratern zusammenarbeiten zu müssen, deutlich reduziert oder sogar ausgeschaltet werden.

  • Klare Definition des Beratungsauftrags

    Hat die Unternehmensleitung sich für einen Berater entschieden, gilt es im nächsten Schritt, den Projektauftrag, die Projektziele und den Projektprozess festzulegen. Dabei kommt es auf eine möglichst klare Definition der Ziele bzw. des Nutzens des Beratungsauftrags für das Unternehmen an. Hinsichtlich des Beratungsprozesses sind konzeptionelle Grundlagen und Vorgehensweise abzustimmen. Weiter ist abzuklären, in welcher Form der Berater Zugang zu Unternehmensressourcen hat. Ebenso sind die Vergütung und die Erstattung anfallender Sachkosten mit dem Berater zu regeln.

  • Kontinuierliche, intensive Begleitung und Überwachung

    Weiter muss die Unternehmensleitung sich regelmäßig mit den Teilergebnissen der Arbeit des Unternehmensberaters auseinandersetzen. Auf diese Weise kann sie auch den Fortschritt des Beratungsprojekts beeinflussen und steuern. Letztlich ist darauf zu achten, dass die Unternehmensleitung die Kontrolle über das Projekt behält und der Beratungsprozess sich nicht verselbstständigt.

Die Beachtung dieser Regeln kostet ohne jeden Zweifel Managementkapazität, aber ohne diesen Aufwand dürfte sich der Erfolg der Beratung in Grenzen halten.

2.1.1.12 Auswahl der Berater an die Unternehmensentwicklung anpassen

Unternehmen werden regelmäßig durch eine Reihe von Beratern wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder QS-Auditoren betreut. Diese lernen das Unternehmen in einer ganz bestimmten Entwicklungsstufe kennen und begleiten es dann oft lange Zeit. Mit den Jahren wandelt sich das Unternehmen (Wachstum, Veränderungen des Geschäftsmodells, Internationalisierung etc.) und damit verändern sich auch die an die Berater gestellten Anforderungen.

Doch können die Berater diese Anforderungen (noch) erfüllen? Betrachtet man pars pro toto einen Steuerberater, so kann eine Ein-Personen-Kanzlei mit einem Mandatsträger und einigen Steuerfachangestellten für ein kleineres Unternehmen ganz hervorragend geeignet sein, die anfallenden steuerlichen Themen zu bearbeiten. Wenn jedoch das Unternehmenswachstum dazu führt, dass deutlich komplexere Fragestellungen zu lösen sind, die andere Erfahrungen und Kompetenzen erfordern, muss der Unternehmer bereit sein, die Steuerberatung in andere Hände zu geben.

Eine solche Entscheidung zu treffen, fällt oft aufgrund der über Jahre gewachsenen Beziehung nicht leicht. Sie sollte aber dennoch konsequent getroffen und in aller Offenheit kommuniziert werden. Im Nachhinein fragen sich Unternehmer, warum sie diese Entscheidung zum Wohle des eigenen Unternehmens nicht schon viel früher getroffen haben.

2.1.2 Strategieumsetzung

2.1.2.1 Strategie heißt konzentrieren statt verzetteln

Die Konzentration auf spezifische Marktnischen ist typisch für mittelständische Unternehmen. Mit dieser Konzentration werden zwei unterschiedliche Zwecke verfolgt: Der erste Zweck bezieht sich auf die Schaffung einer kritischen Masse in einem bestimmten Segment, um hier den Durchbruch zu schaffen und eine führende Stellung einzunehmen. Der zweite liegt in der festen Verankerung in diesem Segment. Auf diese Weise wird nicht nur ein wichtiger Durchbruch erreicht, sondern die führende Stellung soll möglichst lange gesichert werden.

Diese Fokussierung auf spezifische Marktnischen zieht die folgenden Konsequenzen nach sich:

  • Der Fokus bedeutet in der Regel die Möglichkeit, eine dominante Markstellung einzunehmen.

  • Der Fokus führt oft zu einem breiten Angebot, verbunden mit einer weitgehenden Kontrolle der Wertschöpfungskette. Ein solches Sortiment steht im Gegensatz zu dem breiten Angebot eines Universalanbieters, der den gesamten Markt abdeckt.

  • Der Fokus kann zwangsweise auch mit einer raschen Internationalisierung verbunden sein, wenn die Chancen des lokalen Marktes nach einiger Zeit ausgeschöpft sind.

Mit der Fokussierung wird strategische Stoßkraft geschaffen. In der Praxis ist oft zu beobachten, dass zu viele Ziele und Projekte gleichzeitig verfolgt werden, die alle auf eine beschränkte bzw. dieselbe Ressourcen- und Kompetenzbasis zurückgreifen. Die knappen Ressourcen werden dann nach dem Gießkannenprinzip verteilt. Letztendlich bewegt sich nichts; die knappen Mittel werden verschwendet.

Deshalb muss gerade im Mittelstand mit seinen begrenzten finanziellen wie auch personellen Kapazitäten die folgende Regel gelten: Die Kräfte auf wenige strategische Maßnahmen bündeln und diese konsequent verfolgen und umsetzen.

2.1.2.2 Mit Schwächen bewusst umgehen

Beim Vergleich eines Unternehmens mit seinen Wettbewerbern lassen sich – neben klaren Stärken – immer auch einige Schwächen feststellen. Es gibt nun grundsätzlich vier Möglichkeiten, mit diesen Schwächen umzugehen:

  • Vorhandene Lücken bei den Ressourcen können manchmal mit entsprechenden Investitionen geschlossen werden. Dies dürfte für viele Mittelständler aber oft nur eine langfristige Perspektive sein, da kurzfristig die dazu benötigten finanziellen und personellen Ressourcen nicht bereitstehen.

  • Die vermeintliche Schwäche kann gezielt als Stärke genutzt werden. Ein Paradebeispiel ist hier Harley-Davidson. Obwohl man die alte Motorentechnologie und das traditionelle Design durchaus als Schwäche betrachten kann, positioniert Harley-Davidson seit Jahren seine Motorräder erfolgreich als Lifestyle-Produkte; die potenzielle Schwäche wird zum Kernbestandteil des Produkts.

  • Outsourcing kann zur Beseitigung der Schwäche als Lösung dienen. Im Zuge einer Auslagerung spezifischer Aufgaben werden die Ressourcen und Kompetenzen eines Partners genutzt; eigene Investitionen sind nicht mehr notwendig. Gleichzeitig gewinnt das Unternehmen an Flexibilität, weil das Kapazitätsrisiko an den Outsourcing-Partner weitergegeben wird.

  • Darüber hinaus kann bewusst entschieden werden, die Schwäche zu akzeptieren und mit ihr zu leben; dann sind die Stärken weiter auszubauen.

Wenn ein Mittelständler z. B. im Wettbewerb mit einem international agierenden Unternehmen steht, so hat dieser auf den ersten Blick mit seiner ausschließlich lokalen Präsenz einen Wettbewerbsnachteil. Dieser Nachteil könnte zwar mit entsprechenden Investitionen in die Internationalisierung kompensiert werden, aber oft sind die notwendigen finanziellen und personellen Ressourcen in angemessener Zeit nicht zu beschaffen. Dann besteht nur die Handlungsalternative, die Schwäche „lokale Präsenz“ zu akzeptieren und sie beispielsweise mit einer stärkeren Kundenorientierung, flexibleren Lieferzeiten oder einer besseren Servicequalität gegenüber den internationalen Wettbewerbern zu kompensieren. Entscheidend ist, dass der Mittelständler sich der Schwächen bewusst ist und aktiv mit ihnen umgeht.

2.1.2.3 Schlechtem Geld kein gutes nachwerfen

Als strategisch werden Projekte bezeichnet, von denen man annimmt, dass sie eine große Bedeutung für die Entwicklung und den Erfolg des Unternehmens haben. Projekte, wie z. B. der Einstieg in den chinesischen oder den indischen Markt, besitzen oft einen hohen Unsicherheitsgrad. Die Investitionen in diese Märkte gelten als strategische Ausgaben, um die Chancen eines zukünftigen Wachstums nicht zu versäumen. Erschwerend kommt häufig hinzu, dass es sich bei diesen strategischen Projekten um „heilige Kühe“ handelt, also um Projekte, die unter der besonderen Protektion der Unternehmensleitung oder der Eigentümer stehen und die deshalb von jeder Rentabilitätsprüfung ausgenommen sind.

In der Praxis ist häufig die folgende Situation zu beobachten: Man investiert und investiert und hofft darauf, irgendwann einmal die Früchte dieser Investitionen zu ernten. Nach Ablauf einer gewissen Zeit hat das Unternehmen dann eine relativ hohe Summe ausgegeben. Diese Mittel möchte man nicht als verloren betrachten – es wird weiter investiert, um den Durchbruch zu schaffen. Diese bereits getätigten Investitionen werden als „Sunk Costs“ oder irreversible Kosten bezeichnet. Sie sind in der Vergangenheit angefallen und haben keinen Einfluss auf die Gegenwart bzw. die Zukunft.

Für die Unternehmensleitung muss die Regel deshalb lauten: Diese Entscheidungen über zusätzliche Investitionen sind daher unabhängig von den Sunk Costs zu treffen.

2.2 Organisation

2.2.1 Struktur

2.2.1.1 Sach- und personenbezogene Lösungen zulassen

Organisationen können entsprechend den zu bewältigenden Sachaufgaben strukturiert werden (ad rem-Organisation). Gleichartige Aufgaben werden zu einem Arbeitsgebiet gebündelt. Mehrere Arbeitsgebiete bilden eine Abteilung, die von einem Abteilungsleiter geführt wird. Mehrere Abteilungen wiederum bilden einen Bereich mit einem Bereichsleiter usw. Auf diese Weise wird eine klar strukturierte, hierarchische Organisation geschaffen. Strukturen, Abläufe und Verantwortlichkeiten werden dann in entsprechenden Charts und Ablaufdiagrammen festgehalten.

Aber in der Realität funktionieren Organisationen nicht auf diese Weise, vor allem nicht in einem mittelständischen Unternehmen. In eigentümergeführten Unternehmen ist die Führungsstruktur oft auf den Unternehmer/Eigentümer zugeschnitten.

Deshalb scheint bei mittelständischen Unternehmen das ad personam-Prinzip zu dominieren, d. h., die Organisation wird um die handelnden Personen herum gebaut. Auf diese Weise entstehen manchmal Organisationscharts, deren Logik auf den ersten Blick nur schwer nachzuvollziehen ist. Zum Beispiel leitet der Chef einer mittelständischen Unternehmensgruppe gleichzeitig auch die Produktion der größten Tochtergesellschaft. Er ist der Ansicht, dass in der Produktion viel Geld verschwendet werden kann, und betrachtet sich als den erfahrensten Produktionsexperten in der gesamten Gruppe.

Bei Kenntnis der Sachlage können solche ad personam-Lösungen durchaus sinnvoll sein. Sie sind mit einer hohen Motivation der einzelnen Führungskräfte verbunden, können aber aufgrund von Machtkämpfen und bei mangelnder Kommunikation zu Konflikten und Chaos führen. Dies tritt sehr häufig bei der sogenannten „Spaghetti“-Organisation auf. In diesem Fall wird die Organisationsstruktur von individuellen Lösungen dominiert.

In der Praxis hat sich immer wieder gezeigt, dass trotz ausgefeilter Organisationscharts nichts funktioniert, wenn die handelnden Personen sich nicht verstehen. Umgekehrt kann eine „schiefe“ oder unlogische Struktur reibungslos arbeiten, wenn die Chemie zwischen den Mitarbeitern stimmt. Ingesamt gilt es für den Mittelständler, die richtige Balance zwischen sach- und personenbezogenen Aspekten zu finden.

2.2.1.2 Delegieren will gelernt sein

Der Entwicklungspfad eines Unternehmens beginnt mit der Gründungsphase, in welcher der oder die Gründer das Unternehmensgeschehen dominieren. Nach der Aufbauphase expandiert das Unternehmen. Dann wird in der Regel eine funktionale Organisationsstruktur mit einer Geschäftsleitung eingefügt. Aber auch in diesem Fall hat der Gründer das Sagen. Dies gilt vor allem, wenn der Unternehmer gegen Ende seiner Laufbahn fürchtet, die Kontrolle über sein Unternehmen zu verlieren.

Die Folgen mangelnden Delegierens sind bei Unternehmern wie Geschäftsführern gleichermaßen gravierend: Die Mitarbeiter sind demotiviert, weil sie nichts entscheiden können – gute Mitarbeiter verlassen das Unternehmen. Kunden und Lieferanten sehen im Chef den zentralen Verhandlungspartner. Der Chef ist selbst völlig überlastet, unzufrieden und leidet unter Dauerstress. Das Unternehmen wird schwerfällig und kann nicht mehr adäquat auf Marktanforderungen reagieren.

Zu lösen ist diese Problematik mit verschiedenen Maßnahmen:

  • Bewusst solche Aufgabenbereiche delegieren, von denen man als Chef kein oder nur wenig Wissen hat. Mithilfe einer klaren Definition der Zielsetzung und von Zwischenberichten zu bestimmten Zeitpunkten ist es für den Chef möglich, die Kontrolle zu behalten. Trotz der Delegierung hat man als Chef die Möglichkeit, der getroffenen Entscheidung die Genehmigung zu versagen.

  • Voraussetzung für das Delegieren und eine erfolgreiche Projektarbeit ist die Einstellung von guten Mitarbeitern bzw. Führungskräften, die selbst „ihren Mann stehen“ und in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben zu lösen und das auch dürfen.

Grundsätzlich gilt: So viel Entscheidungszentralisation wie nötig – so viel Delegierung wie möglich.

2.2.1.3 Regelmäßig hierarchie- und funktionsübergreifend kommunizieren

Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, muss die Unternehmensleitung die Unternehmenssituation kennen und zutreffend beurteilen. Nur das sorgfältige Durcharbeiten der Wochen- und Monatsberichte reicht dazu nicht aus. Deshalb müssen individuelle Kommunikationsprozesse zwischen allen Hierarchieebenen und über die Funktionsgrenzen innerhalb des Unternehmens möglich sein. Solche Prozesse sollten von allen Beteiligten nicht nur geduldet, sondern aktiv gefördert werden.

Informationen nur aus einer Quelle zu beziehen, kann zu einer sehr einseitigen Sichtweise führen. Deshalb sollten möglichst viele unterschiedliche Informationsquellen genutzt werden. Der Umfang und die Intensität der Informationssuche werden natürlich von der Wichtigkeit der Entscheidung bestimmt. Ein solches Vorgehen ist nicht als Zeichen des Misstrauens zu verstehen, sondern die Notwendigkeit hierfür entsteht aus den unterschiedlichen Prioritäten und Sichtweisen des von einem bestimmten Problem betroffenen Personenkreises. Selbstverständlich lassen sich auf diese Weise auch Stimmungen und Strömungen im Unternehmen, Zufriedenheit und Unzufriedenheit sowie unterschiedliche Meinungsbilder frühzeitig erkennen.

Eine Führungskraft muss dafür sorgen, dass sie zumindest die Meinungen, die Einstellungen, die Fähigkeiten und das Verhalten der nachgeordneten Ebene kennt. Wichtige Projekt- und Strategiebesprechungen sollten deshalb in der Regel hierarchie- und funktionsübergreifend durchgeführt werden. In diesem Sinne wird eine „3-Ebenen-Kommunikation“ möglich – der Chef auf der übergeordneten Ebene, die Kollegen auf der gleichen Ebene und der nachgeordneten Ebene sind involviert.

2.2.1.4 Die Organisation lebt

Viele Unternehmen besitzen Organisationscharts, Ablaufdiagramme und umfangreiche Organisationshandbücher. Solche formalen Instrumente sollen das Verhalten der Mitarbeiter in einem Unternehmen in eine bestimmte Richtung lenken. Sie sind insbesondere nützlich für die Einarbeitung neuer Mitarbeiter und für eine effiziente Abwicklung von Routineaufgaben. Aber diese formalen Instrumente haben auch gravierende Nachteile. Sie schaffen Bürokratie, behindern flexibles Handeln und Kreativität.

Organisationen sind mit lebenden Organismen zu vergleichen, d. h., sie sind nur dann überlebensfähig, wenn es ihnen immer wieder von Neuem gelingt, sich an Veränderungen der Umwelt auf eine effektive und effiziente Art und Weise anzupassen. Dies gilt vor allem für mittelständische Unternehmen, die häufig versuchen, ihren Betriebsgrößennachteil durch eine wesentlich höhere Flexibilität auszugleichen. Deshalb ist es insbesondere für einen Mittelständler wichtig, formale Organisationsregeln in bestimmten Zeitabständen zu überprüfen und bei Bedarf zu verändern.

2.2.2 Kultur

2.2.2.1 Unternehmen unterscheiden sich durch Menschen, nicht durch Technik

Unternehmen unterscheiden sich vordergründig durch ihre Technik, maschinelle Ausstattung oder Räumlichkeiten. Allerdings können all diese Faktoren am Markt eingekauft werden. Sie sind damit zugänglich für jeden Wettbewerber.

Wertvoller und langfristig bedeutsamer sind die Faktoren, die erst innerhalb des Unternehmens geschaffen werden müssen. Dazu zählen die Qualifikation und die Einstellung der Mitarbeiter, die Art der Zusammenarbeit, die Organisation des Unternehmens und die Einbindung der Mitarbeiter in die Entscheidungsprozesse. Diese Faktoren bestimmen den mittel- und langfristigen Erfolg.

In einer Organisation, die Veränderungen vorantreibt, die einen Rahmen für Fehler absteckt und Fehler innerhalb dieses Rahmens toleriert, können sich gut ausgebildete, disziplinierte und sozial kompetente Mitarbeiter sehr schnell weiterentwickeln, ohne in gefährliches Fahrwasser zu geraten. Mitarbeiter, die den Regeln widersprechen und gehört werden, aber diese Regeln bis zu einer Entscheidung über ihre Veränderung akzeptieren, und Mitarbeiter, die ihr Wissen und Können gemeinsam mit den Kollegen zum Schaffen neuer Abläufe, Organisationsformen und Technologien nutzen, sind die wirklich wichtigen Erfolgsfaktoren in einem Unternehmen.

Wie oben bereits angesprochen, sind alle Faktoren, die man erwerben kann, auch für den Wettbewerber käuflich oder kopierbar. Aber diejenigen Faktoren, die innerhalb eines langen Prozesses, manchmal auch gegen Widerstände erarbeitet werden, machen die Kultur oder „DNA“ eines Unternehmens aus. Diese kann der Wettbewerber nicht einfach kaufen oder kopieren. Auf Basis einer solchen Kultur fühlen sich die Mitarbeiter mit dem Unternehmen verbunden; sie sind stolz darauf, für das Unternehmen zu arbeiten, und nehmen Verantwortlichkeiten jenseits ihrer Zuständigkeiten wahr.

2.2.2.2 Weg mit den Leitbildern – „Just do it!“

Leitbilder sind in den letzten Jahren auch im Mittelstand immer mehr en vogue. Vergleicht man solche Leitbilder verschiedener Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, so finden sich stets Aussagen zur Kundenfokussierung, Produktqualität, Mitarbeiterzufriedenheit, Umweltschutz, Gemeinschaftssinn etc. Werden diese Leitbilder nebeneinander gelegt, sind sie inhaltlich praktisch deckungsgleich, lediglich die Wortwahl ist unterschiedlich. Letztlich sind solche Leitbilder beliebig austauschbar und damit im Ergebnis nichtssagend.

Unternehmen, die ihre Kunden nicht mit hoher Aufmerksamkeit und Ehrlichkeit bedienen, können sich dauerhaft kaum im Markt behaupten. Unternehmen, die Produkte von minderer Qualität liefern, haben langfristig keine Überlebenschance. Im Leitbild werden – so hart es klingen mag – oft nur Banalitäten formuliert.

Gleichzeitig ist es erschütternd zu beobachten, wie wenig die in den Leitbildern festgeschriebenen Werte im Unternehmen tatsächlich gelebt werden. Trotz aller Leitbildaussagen werden vielfach Kunden schäbig behandelt, Mitarbeiter gemobbt oder die lokale Gemeinschaft gröblich vernachlässigt – es sei denn, ein Beitrag, beispielsweise zur Stadtentwicklung, kann werbewirksam in den örtlichen Medien ausgeschlachtet werden. Insofern wird man die Leitbilder „leid“.

Hier lautet die klare Handlungsempfehlung an den Mittelständler: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“Footnote 6 Der mittelständische Unternehmer und seine gesamte Führungsmannschaft müssen, ohne große Worte darüber zu verlieren, die Werte vorleben, die für das Gesamtunternehmen gelten sollen. Dies bezieht sich auf die Wertschätzung des Kunden, die Produktqualität, die Innovationsfreudigkeit, die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter, den Umgang mit dem lokalen Umfeld etc. Auf diese Weise entwickelt sich eine Unternehmenskultur, die real gelebt wird und nicht nur auf dem Papier steht. Dabei müssen natürlich Mitarbeiter und auch Führungskräfte, die gegen die ungeschriebenen, aber aktiv gelebten Grundsätze verstoßen, zu einer Veränderung ihres Verhaltens veranlasst werden. Anderenfalls müssen solche Personen das Unternehmen verlassen.

2.2.2.3 Den Streit der Spezialisten kanalisieren

Eine neue Führungskraft, von außen eingestellt, gerät in einen Streit zwischen Spezialisten, den „alten Hasen“, die innerhalb oder zwischen verschiedenen Standorten über eine neuartige Lösung streiten. Der Neue wird durchaus geschickt umgarnt, Meinungen werden ihm als Faktenwissen verkauft. Wie soll diese Führungskraft sich verhalten?

Jeder beginnt einmal neu in einer bestimmten Funktion. In aller Regel bringt der Neue für seine Aufgaben eine „Werkzeugkiste“ mit, was Methoden der Führung und Grundlagen der Technik angeht. Niemand darf sich allerdings der Illusion hingeben, diese Führungskraft wisse und könne alles, was für die Übernahme der neuen Aufgaben notwendig ist. Produkte und Verfahren werden immer komplexer und verändern sich im Zeitablauf. Dies hat zur Folge, dass praktisch für jedes Produkt und Verfahren in jedem Unternehmen spezielles Wissen erarbeitet worden ist, das im Wesentlichen auf guten und schlechten Erfahrungen aufbaut. Dieses Wissen fehlt der neuen Führungskraft zu Beginn ihrer Tätigkeit.

Schrittweise und vorsichtig lernt die neue Führungskraft, welche Ideen, Argumente und Lösungen tragfähig sind. In diesem Prozess gewinnen die Mitarbeiter Vertrauen in die Führungskraft, Lösungen gemeinsam zu erarbeiten. Gleichzeitig wird bei allen Beteiligten das Bewusstsein dafür geschärft, dass die gefundene Lösung einer Nachprüfung standhalten muss. Aber auch die Führungskraft wird auf diesem Weg mit dem Potenzial der Mitarbeiter besser vertraut und lernt, wem bei welchen Fragestellungen ein Vertrauensvorschuss zu gewähren ist.

Bei der Einstellung ist unbedingt darauf zu achten, das die neue Führungskraft über das notwendige Handwerkszeug verfügt, um die richtigen Fragen zur Plausibilität zu stellen sowie andere Meinungen zu hören und zu beurteilen. Letzteres wird die neue Führungskraft nicht in jedem Fall von Anfang an können. Aber sie muss die Diskussion über die Festlegung der Zielkriterien und die Bewertung unterschiedlicher Alternativen im Hinblick auf diese Kriterien aktiv steuern sowie Spielregeln und Vorgehensweisen zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten vorgeben.Footnote 7 Nach der Definition der Kriterien sind Analysen durchzuführen, Chancen und Risiken sowie Kosten offen abzuwägen. Dann erst besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die richtige Lösung für den Streit gefunden wird.

2.2.2.4 Konstruktive Querdenker ernst nehmen

In jedem Unternehmen arbeiten Menschen mit unterschiedlichen Charakteren und Erfahrungen. Dabei sind die Querdenker ganz besonders hervorzuheben. Sie stellen vorhandene Lösungen kritisch infrage und suchen nach neuen und besseren Lösungen. Leider ist allzu häufig zu beobachten, dass sich Unternehmer und Führungskräfte gerne mit „Ja“-Sagern umgeben und kritische Mitarbeiter an den Rand drängen, ignorieren oder vergraulen. Wenn das gesamte Führungsumfeld Entscheidungen der Spitzenführungskraft immer kritiklos zustimmt und (vermeintlich) unterstützt, werden Entscheidungen nicht aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und kritisch hinterfragt.

Die Querdenker gehen in solchen Fällen in die innere Emigration – Chancen werden vergeben. Führungskräfte sind gut beraten, gerade den unbequemen Mitarbeitern, die dem Unternehmen oft sehr verbunden sind und konstruktive Kritik üben, zuzuhören. Zuhören bedeutet nicht, alle Argumente zu teilen, sondern einen Sachverhalt oder eine Entscheidung aus unterschiedlichen Blickwinkeln sorgfältig zu beurteilen und auch Argumente abzuwägen, die von anderen kommen.

Sicherlich sind diese Querdenker manchmal lästig. Sie sind unbequemer als der stets freudig zustimmende Mitarbeiter oder Kollege. Aber wenn sie angemessen beachtet und geschätzt werden, können sie wertvolle Impulse für innovative Lösungen geben.

2.2.2.5 Individuell führen statt bürokratisch regeln

Mitarbeiter nutzen gelegentlich bestimmte Situationen zu ihren Gunsten aus. Vor allem bei Dienstreisen gibt es immer wieder Mitarbeiter, die sich auf Kosten des Unternehmens etwas Besonderes gönnen. So werden ausgesprochen teure Hotelübernachtungen gebucht, oft mit der Begründung, dass aufgrund einer Messezeit nichts anderes mehr verfügbar war. Auch Langstreckenflüge in der First oder Business Class werden mit einer schwierigen Buchungssituation oder Ähnlichem begründet. Die Verwaltung neigt in solchen Situationen dazu, etwa durch Erlass einer ausgefeilten Reisekostenverordnung, alle Eventualitäten bis ins kleinste Detail für alle Mitarbeiter zu regeln. Eine solche Regelungswut findet man auch in vielen anderen Bereichen (z. B. bei Dienstwagen oder der Bewirtung von Geschäftspartnern).

Dabei kaschiert die Regelungswut letztlich nur ein Führungsproblem. Wenn ein Mitarbeiter anlässlich einer Dienstreise ein exorbitant teures Hotelzimmer bucht, so benötigt er zur Rechfertigung gegenüber seinem Vorgesetzten dafür gute Gründe. Sollte er sie nicht haben, darf diese Vorgehensweise lediglich ein einziges Mal geduldet werden. Beim nächsten Vorfall muss der Vorgesetzte dann umgehend die entsprechenden disziplinarischen Schritte einleiten sowie die Erstattung der Mehrkosten ablehnen.

Durch konsequentes Agieren der Vorgesetzten kann vermieden werden, dass einzelne schwarze Schafe im Unternehmen eine Regelungsflut auslösen, die alle Mitarbeiter betrifft und letztlich in ihren Freiheitsgraden einschränkt. Z. B. gibt es für Dienstreisen und Bewirtungen ein einfaches Handlungsprinzip. Die Mitarbeiter haben sich gegenüber dem Unternehmen so zu verhalten, als ob sie die anfallenden Kosten privat zu tragen hätten. Auf Basis dieser einfachen, dem gesunden Menschenverstand entsprechenden Maßgabe werden ausgefeilte Regelungssysteme und Verordnungen obsolet. Und wenn ein Mitarbeiter im Einzelfall über die Stränge schlägt, so muss er umgehend von seinem Vorgesetzten in die Schranken gewiesen werden. In einem Unternehmen, in dem diese Kultur aktiv gelebt wird, werden sich letztlich alle Mitarbeiter deutlich wohler fühlen als in einem überregulierten, kaum noch verständlichen und oft widersprüchlichen Geflecht von Verordnungen und Verboten.

2.3 Personal

2.3.1 Personalbeschaffung und -einsatz

2.3.1.1 Bei der Personalauswahl mehrere Mitarbeiter einbinden

Wenn in einem Unternehmen neue Mitarbeiter gesucht werden, läuft der Auswahlprozess fast immer nach folgendem Schema ab: Die Fachabteilung definiert das Anforderungsprofil, das mit der Personalabteilung abgestimmt wird, die Personalabteilung beginnt mit der Suche (Anzeigenschaltung, Kontakte zur Arbeitsagentur etc.), potenzielle Kandidaten werden von der Personalabteilung selektiert, der Leiter der Fachabteilung führt gemeinsam mit einem Vertreter der Personalabteilung mit den ausgewählten Kandidaten ein Bewerbungsgespräch und entscheidet über die Einstellung.

Mit dieser Vorgehensweise sind folgende Probleme verknüpft:

  • Das Bewerbungsgespräch dauert zwar oft länger als eine Stunde, geht jedoch selten auf fachliche Details ein, sondern bleibt oberflächlich.

  • Die Personalabteilung hat großen Einfluss in den Bewerbungsgesprächen, obwohl sie oft die abteilungs- und fachbezogenen Einzelheiten nicht genau kennt.

  • Die künftigen Kollegen lernen den neuen Mitarbeiter während des Bewerbungsprozesses nicht kennen. Deshalb haben sie möglicherweise Vorbehalte gegen den „Neuen“. Wenn während der Einarbeitungsphase Schwierigkeiten auftreten, wird dem Vorgesetzten die Schuld für die falsche Mitarbeiterauswahl zugeschoben.

  • Der Bewerber lernt seine zukünftigen Kollegen nicht kennen, sondern nur Vorgesetzte; insofern ist es für ihn schwierig, aus den Bewerbungsgesprächen ein objektives Bild über das Unternehmen zu gewinnen.

Zur Vermeidung dieser Probleme bietet sich ein einfacher Lösungsweg an. Von Anfang an werden Mitarbeiter aus verschiedenen Unternehmensebenen in den Auswahlprozess mit einbezogen. So hat sich beispielsweise bewährt, dass fünf Personen in den Auswahlprozess eingebunden werden. Das sind neben dem Vorgesetzten vier künftige Kollegen mit unterschiedlich langer Unternehmenszugehörigkeit.

Im Bewerbungsprozess können so bis zu fünf Kandidaten parallel beurteilt werden. Dazu wird jeder Bewerber in ein Besprechungszimmer gebeten und im 45-Minuten-Rhythmus führen die Interviewer ihre Gespräche. Diese sind jeweils identisch strukturiert in drei 15-Minuten-Blöcke. Im ersten Block stellt sich der Interviewer kurz vor und der Bewerber erläutert seinen Lebenslauf. Im zweiten Block werden verschiedene, vorher zwischen den Interviewern abgestimmte Fachthemen mit dem Bewerber diskutiert. Im letzten Block hat der Bewerber dann die Möglichkeit, alle ihn interessierenden Fragen zu stellen. Dem Bewerber dürfte es schwerfallen, sich in fünf aufeinanderfolgenden Gesprächen „konsistent“ zu verstellen.

Direkt nach Abschluss der Bewerbungsrunde treffen sich die Interviewer und kommen sofort zu einem abschließenden Urteil. Damit ein Bewerber eingestellt wird, müssen alle zustimmen; sobald eine Nein-Stimme vorliegt – unabhängig von welchem Interviewer – wird der Kandidat abgelehnt. Dabei ist wichtig, dass der Vorgesetzte seine Mitarbeiter keinesfalls überstimmen kann. Um auch die Personalabteilung in den Prozess mit einzubinden, kann der Vorgesetzte gemeinsam mit einem Vertreter des Personalbereichs seine Bewerberinterviews führen.

Auf diese Weise wird sichergestellt, dass der ausgewählte Mitarbeiter von Anfang an eine breite Unterstützung im Unternehmen erfährt. Denn die bei der Auswahl Beteiligten werden ihm den Start erleichtern, weil sie wesentlichen Einfluss auf die Einstellungsentscheidung hatten. Der neue Mitarbeiter wiederum kann fast sicher sein, dass er sich mit ihnen versteht und sich im neuen Arbeitsumfeld wohl fühlt.

Dieses trotz des stringenten Ablaufs relativ aufwendige Verfahren ist notwendig, um teure personalpolitische Fehlentscheidungen zu vermeiden. In diesem Sinne ist die Zeit für die Bewerbungsgespräche sehr gut investiert.

2.3.1.2 Interne Personalbeurteilungen extern überprüfen

Große Unternehmen verfügen oft über ausgefeilte Beurteilungssysteme, die von eigenen Stabsabteilungen gesteuert werden. Dieses Thema wird in mittelständischen Unternehmen häufig vernachlässigt.

Im Laufe der Jahre kann innerhalb des Managementteams eines mittelständischen Unternehmens ein enges Vertrauensverhältnis entstehen – man ist zusammen durch gute und schlechte Zeiten gegangen. Beurteilungen haben in diesen Fällen oft Gefälligkeitscharakter. Eine objektive Beurteilung wird aufgrund der persönlichen Beziehungen zunehmend schwierig oder unmöglich.

Typisch ist die folgende Situation: Bei der Einstellung ist eine Person für eine bestimmte Position hervorragend geeignet. Aber nach einiger Zeit entstehen Probleme, vor allem wenn das Unternehmen schnell wächst und der Positionsinhaber Mühe hat, mit den höheren und oft auch andersartigen Anforderungen Schritt zu halten. Weitermachen wie bisher löst das Problem nicht. Im Gegenteil – die Situation dürfte sich im Laufe der Zeit weiter verschlechtern. Das Umfeld, häufig die Kollegen und andere Abteilungen, sind ebenfalls betroffen und müssen die Defizite ausgleichen. Die Wertschätzung für den Stelleninhaber schwindet.

Gefragt ist in diesen Fällen zum einen eine objektive Beurteilung. Hierzu bietet es sich an, externe Personalberatungen einzubinden, die eine wertvolle Außensicht mitbringen. Zum anderen ist konsequentes Handeln der Unternehmensleitung gefragt. Ein frühzeitiges Gegensteuern kann durch entsprechende interne und externe Schulungsmaßnahmen erfolgen. Wenn auch dies nicht zum gewünschten Erfolg führt, sollte die betroffene Person umgehend auf eine andere Position, die ihren Fähigkeiten besser entspricht, versetzt werden. In Abhängigkeit von den Umständen muss auch über eine Freisetzung nachgedacht werden.

Wichtig ist vor allem, dass frühzeitig gehandelt wird – ein „Exportieren“ dieses Mitarbeiters in einen anderen Bereich verlagert oft nur das Problem und trägt damit nicht zur Lösung bei. Interessanterweise ist in mittelständischen Unternehmen immer wieder zu beobachten, dass eine notwendige Trennung sehr spät stattfindet. Wenn dann tatsächlich gehandelt wird, passieren häufig zwei Dinge: Erstens empfindet es der betroffene Mitarbeiter als Erleichterung, wenn der Druck von ihm genommen wird. Oft weiß der Betroffene sehr wohl um seine Überforderung und leidet auch darunter! Zweitens stellt das Umfeld erleichtert fest, dass endlich reagiert wurde – die Kollegen haben die Situation schon lange als inakzeptabel empfunden.

2.3.1.3 Personalentscheidungen konsequent treffen und umsetzen

Mit zunehmender Unternehmensgröße erfüllen Mitarbeiter manchmal nicht mehr die an sie gestellten Anforderungen. Je länger ein Mitarbeiter im Unternehmen ist und je mehr sich die Mitarbeiter des Unternehmens „als große Familie“ fühlen, desto schwerer ist es, Mitarbeitern unangenehme Wahrheiten zu sagen und sie ggf. auch freizusetzen. Man fühlt als Arbeitgeber hier eine besondere soziale Verantwortung.

Doch diese soziale Verantwortung kann auch missverstanden werden und damit letztlich „asozial“ sein. Werden Mitarbeiter zu lange im falschen Glauben gelassen, ihre Arbeitsleistung entspreche den an sie gestellten Anforderungen, wird es für sie umso unverständlicher, wenn man ihnen Jahre später – aus ihrer Sicht plötzlich und unerwartet – kündigt. Und auch die Kollegen werden Schwierigkeiten haben, diese Entwicklungen nachzuvollziehen.

Daher gilt es gerade im Personalbereich, wichtige Regeln zu beachten, um ein mittelständisch geprägtes, soziales Betriebsklima zu etablieren:

  • Mitarbeiter müssen offen und ehrlich erfahren, wie ihre Arbeitsleistung beurteilt wird und welche Perspektiven sie im Unternehmen haben.

  • Bei Leistungsdefiziten sind gemeinsame Maßnahmen zu definieren, um diese zu beheben (z. B. Schulungsprogramme, Arbeitsplatzwechsel).

  • Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht sinnvoll ist, dann muss dies konsequent und frühzeitig dem Mitarbeiter kommuniziert werden. Er muss die Möglichkeit haben, wertschätzend in Ruhe eine neue Aufgabe innerhalb oder außerhalb des Unternehmens zu finden.

Eine solche Unternehmenskultur wird von den Mitarbeitern keineswegs als kaltherzig empfunden, solange man offen und ehrlich kommuniziert, Personalentscheidungen glaubhaft begründet und die im Einzelfall unumgängliche Freisetzung von Mitarbeitern wertschätzend umsetzt.

2.3.1.4 „Goldfischteich“ mit Nachwuchsführungskräften anlegen

Konzepte zur Personal- und Managemententwicklung sind in vielen mittelständischen Unternehmen verbesserungsbedürftig; sie reichen oft über einen Seminarkatalog mit „Incentive“-Charakter nicht hinaus. Gerade in diesen Unternehmen ist aber die ManagementkapazitätFootnote 8 besonders eingeschränkt. Bei wichtigen Entwicklungsprojekten wird immer wieder auf die gleichen Personen zurückgegriffen, die dann sehr schnell überlastet sind – die neuen Projekte machen keine Fortschritte.

Das folgende Beispiel belegt diese Situation: Eine mittelständische Unternehmensgruppe definierte ehrgeizige Wachstumsziele und verfügte auch über eine Reihe von attraktiven Projekten, um diese Ziele zu erreichen. Diese Projekte wurden auf die vorhandene Führungsmannschaft verteilt, die dann schnell völlig überlastet war. Nach Ablauf des Geschäftsjahres stellte man fest, dass sowohl die Ergebnisziele aus dem operativen Geschäft als auch die Wachstumsziele nicht erreicht worden waren.

Notwendig ist eine systematische Einstellungspolitik von so genannten „High Potentials“. Dies gilt nicht nur für wirtschaftlich gute Zeiten, sondern auch in Krisen. Im Laufe der Zeit kann so ein Pool von Nachwuchsführungskräften – der „Goldfischteich“ – aufgebaut und erhalten werden. Zielsetzung ist hier ganz bewusst die Schaffung eines Führungskräftepools, der leicht über dem tatsächlichen Bedarf liegt. Auf diesen kann zurück gegriffen werden, wenn neue Wachstumsprojekte, aber auch Turnaround-Projekte zu entwickeln und umzusetzen sind. Damit werden die vorhandenen Führungskräfte entlastet.

2.3.1.5 Stärken von Mitarbeitern stärken

Führungskräfte mit Personalverantwortung kennen die Stärken und Schwächen ihrer Mitarbeiter meist sehr genau und versuchen dann, durch Personalentwicklungsmaßnahmen die vermeintlichen Schwächen auszugleichen. Doch ist dies sinnvoll?

Es wird nie den „idealen“ Mitarbeiter geben, der alle Aufgabenbereiche optimal abdecken kann. Daher sollte man nicht versuchen, mit erheblichem Aufwand sowohl für den Mitarbeiter (Zeit, persönlicher Einsatz, Risiko des Scheiterns) als auch für das Unternehmen (Kosten, fragliche Erfolgswahrscheinlichkeit) die Schwächen auszugleichen. Vielmehr sollte angestrebt werden, die Stärken des Mitarbeiters weiter auszubauen und damit eine Win-win-Situation zu erreichen. Der Mitarbeiter wird dann hoch motiviert sein, sich auf die Aufgaben zu konzentrieren, die seinen Stärken entsprechen und die er erfolgreich bewältigen kann. Die in die Personalentwicklung investierten Mittel werden wieder mit hoher Wahrscheinlichkeit in Form motivierter Mitarbeiter an das Unternehmen zurückfließen.

2.3.1.6 Im ländlichen Raum Kooperationen mit Hochschulen suchen

Die Absolventen von führenden Universitäten und Hochschulen suchen nach attraktiven Arbeitgebern – in der Vergangenheit waren dies in der Regel die großen Unternehmensberatungen, die Investment-Banken und große Konzerne. Ein mittelständisches Unternehmen taucht eher selten auf dem Radarschirm der Absolventen auf. Besonders problematisch ist dies für Mittelständler, die ihren Sitz im ländlichen Raum haben.

In diesen Fällen gilt es, das Beste aus der Situation zu machen. Gefragt ist ein aktives Personalmarketing, das engen Kontakt zu den Hochschulen in der Region hält. Hier gibt es zahlreiche Kooperationsmöglichkeiten, um bereits frühzeitig Studierende für das Unternehmen zu begeistern. Dies kann in Form von regelmäßigen Exkursionen, der Vergabe von Bachelor-/Masterarbeiten oder dem Angebot von Praktikumsplätzen geschehen. Andere Formen der Zusammenarbeit beziehen sich auf berufsintegrierende/duale Studienformen, bei denen Hochschule und Unternehmen sehr eng miteinander kooperieren. Eine Zusammenarbeit mit weiteren lokalen und regionalen Bildungsträgern bietet sich ebenfalls an, um frühzeitig junge Personen mit Entwicklungspotenzial zu identifizieren und intern intensiv mit entsprechenden Maßnahmen auszubilden.

Die Rekrutierung von Nachwuchskräften aus der Region hat für den Mittelständler einen großen Vorteil. Sie nutzt die größere Bodenständigkeit der Mitarbeiter und führt damit zu einer höheren Loyalität zum Unternehmen.

2.3.1.7 „High Potentials“ im Unternehmen halten

In manchen mittelständischen Unternehmen ist zu beobachten, dass viel Zeit und Mühe für die Identifikation und Ausbildung von Führungskräften aufgewandt wird. Aber die Enttäuschung ist sehr groß, wenn diese Nachwuchskräfte das Unternehmen bereits kurze Zeit nach Abschluss ihrer Ausbildung bzw. Einarbeitung wieder verlassen, weil es keine oder zu wenige Aufstiegschancen und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung gibt.

Hier muss man sich bewusst machen, dass ein gewisser „Schwund“ aus persönlichen Gründen nicht zu vermeiden ist. Was vielen mittelständischen Unternehmen allerdings fehlt, ist eine vorausschauende Karriereplanung für diesen Personenkreis. Hiermit ist kein aufwendiges Planungssystem gemeint, sondern der Einsatz der oberen Führungskräfte, die sich Zeit nehmen und als Mentoren um die Nachwuchsführungskräfte kümmern.

Selbst wenn die unmittelbaren Aufstiegschancen beschränkt sind, gibt es auch in einem mittelständischen Unternehmen eine ganze Reihe attraktiver Entwicklungsmöglichkeiten. Dazu zählen beispielsweise die klassische Rotation zwischen verschiedenen Bereichen, der Einsatz in Tochtergesellschaften auch im Ausland, Projektaufgaben oder Veränderungen des Aufgabenbereichs.

Um „High Potentials“ im Unternehmen zu halten, ist für jede Nachwuchskraft ein Karriere- und Weiterbildungsplan für die nächsten Jahre zu erstellen. Dieser Plan muss von der Personalabteilung, dem Vorgesetzten und der Nachwuchskraft entwickelt werden. Der Mentor kann in diesem Zusammenhang als Berater wirken und wichtige praktische Tipps geben.

2.3.1.8 Für Führungspositionen klare Stellvertreterregelungen schaffen

Ein wichtiges Instrument der Personalpolitik sind die Stellvertreter- bzw. Nachfolgeregelungen. In jedem Unternehmen sollte die eiserne Regel gelten, dass für jede Führungsposition ein Stellvertreter benannt wird. Mit einem solchen System sind zwei wichtige Vorteile verbunden. Zunächst einmal ist das Unternehmen besser gewappnet für den Fall, dass aus unerwarteten Gründen eine Führungskraft nicht in der Lage ist, ihre Funktionen auszufüllen (Ausscheiden aus dem Unternehmen oder Unfall, Krankheit). Ohne eine solche Regel ist mit Chaos und den entsprechenden Übergangsproblemen zu rechnen. Weiterhin kann ein solches System auch dazu dienen, die gerade in mittelständischen Unternehmen knappe Kapazität für das Management auf eine recht einfache Weise systematisch weiterzuentwickeln. Mit der Stellvertreterregel ist nicht nur gemeint, dass für jede Führungskraft auf dem Papier ein Stellvertreter steht, sondern der zuständige Positionsinhaber muss auch Sorge tragen, dass der Stellvertreter quasi „on-the-Job“ ausgebildet wird und jederzeit in der Lage ist, die mit der Position verbundenen Aufgaben zu bearbeiten.

Die Einführung eines solchen Systems verläuft in vielen Unternehmen nicht ohne Probleme. Häufig betrachten Führungskräfte ihre Stellvertreter als ernsthafte Bedrohung und fürchten, dass mit dem Aufbau eines Stellvertreters der Verlust der eigenen Position einhergeht. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der (jüngere) Stellvertreter über ein hohes Managementpotenzial verfügt. Führungskräfte, die solche Stellvertreterregelungen boykottieren oder nicht mit Leben füllen, dürften ohnehin zu den schwächeren Führungskräften zählen. Für sie stehen persönliche (Macht-)Interessen über den Unternehmensinteressen. Hier helfen letztlich nur eine klare Anordnung durch die Unternehmensleitung und eine entsprechende Kontrolle der Umsetzung. In Zweifelsfällen wird das Unternehmen sich über kurz oder lang von diesen Personen trennen müssen. Gute Führungskräfte, die überzeugende Arbeit leisten, werden ein solches System nicht fürchten. Sollte es tatsächlich zu einem Führungswechsel kommen, wird es für sie andere attraktive Positionen geben.

2.3.1.9 Führungspositionen primär intern besetzen

Die Einstellung von Führungskräften aus anderen Unternehmen bringt oft nicht die gewünschten Erfolge. Eine Studie der Harvard Business School kommt zu einem sehr ernüchternden Ergebnis.Footnote 9 Diese externen „Stars“ sind eher Kometen als Sterne! Sie strahlen für eine gewisse Zeit in hellem Licht, verglühen aber schnell, sobald sie das Unternehmen verlassen, in dem sie ihre Erfolge und ihren Ruf aufgebaut haben. Bei ihrem früheren Arbeitgeber verfügten sie über eine funktionierende Infrastruktur. Sie waren mit der Unternehmenskultur, den Zielen des Unternehmens und mit den Stärken und Schwächen ihrer Mitarbeiter und Kollegen vertraut. All dies fehlt ihnen nun.

Im Allgemeinen wird die Erfolgschance von extern eingestellten Führungskräften nur auf etwa 50 % geschätzt. Bei mittelständischen Unternehmen dürfte diese Quote aufgrund ihrer besonderen Unternehmenskultur vermutlich noch schlechter ausfallen. In eigentümergeführten Unternehmen ist eine erfolgreiche Integration in hohem Maße abhängig vom Aufbau einer guten Beziehung zum Eigentümer bzw. zur Eigentümerfamilie. Damit können Manager aus Großunternehmen oft schlecht umgehen.

Deshalb bleibt für Mittelständler vorwiegend der Weg, frühzeitig in den Führungsnachwuchs zu investieren und notwendige Führungskräfte intern zu entwickeln (siehe vorstehende Abschnitte). Allerdings wird man in der Regel auf externe Führungskräfte aus zwei Gründen nicht vollständig verzichten können: Erstens stehen nicht immer genügend interne Nachwuchskräfte zur Verfügung. Zweitens will man bewusst nach externen Kräften suchen, um neue Impulse zu erhalten und Betriebsblindheit zu vermeiden. Dann ist eine sorgfältige Auswahl und Integration (z. B. mithilfe eines Mentors) unabdingbar für einen erfolgreichen Integrationsprozess.

2.3.1.10 Fach- und Führungslaufbahnen sind gleichwertig

Der Generalist denkt vernetzt, kann delegieren und verhandeln, verfügt aber oft nicht über die notwendigen Detailkenntnisse. Umgekehrt steckt der Spezialist sehr tief in einigen wenigen Themen, es fehlen ihm der Überblick, die Weitsicht und oft auch das Interesse, Führungsverantwortung zu übernehmen.

Leistungsträger im Unternehmen sind sowohl die Generalisten als auch die Spezialisten. Problematisch ist in manchen Unternehmen, dass Spezialisten, wenn sie aufsteigen und ein höheres Einkommen erreichen wollen, meist Managementaufgaben übernehmen müssen. Doch nicht jeder qualifizierte Experte ist für die Übernahme von Führungsaufgaben geeignet. Es gilt das so genannte „Peter-Prinzip“. Es besagt, dass in einer Hierarchie jede Person bis zu ihrer Stufe der Unfähigkeit aufsteigt.Footnote 10 Damit entsteht das folgende Problem: Das Unternehmen befördert einen hochkarätigen Spezialisten in eine Führungsposition und tauscht damit unter Umständen einen hervorragenden Experten gegen eine schlechte Führungskraft.

Um solche Entwicklungen zu vermeiden, sollten Unternehmen zwei Karrierewege entwickeln: einen Karrierepfad für Linienführungskräfte und einen zweiten für Spezialisten. Ein eigenständiger Karriereweg für Spezialisten beinhaltet keine oder nur eine sehr beschränkte Personalverantwortung und verhilft ihnen dennoch zu einem höheren Gehalt und den entsprechenden Statussymbolen, wie beispielsweise Titel oder Dienstwagen. Wichtig ist, auf die Gleichwertigkeit zwischen Management- und Spezialistenkarriere zu achten. Ansonsten wird der Spezialist über kurz oder lang nach einem anderen Arbeitgeber suchen.

2.3.1.11 Projektmanager brauchen Unternehmens- und Führungserfahrung

Wichtige Zukunftsaufgaben werden in zunehmendem Maße mit einer Projektorganisation bewältigt. Eine zentrale Rolle hat der Projektmanager inne – die Art und Weise, wie er das Projekt führt, bestimmt letztlich den Projekterfolg.

In vielen Unternehmen wird die Projektleitung für strategische Projekte gerne an jüngere Mitarbeiter übertragen. Diese Personen sind in der Regel gut ausgebildet und ehrgeizig. Sie sollen sich mit einem großen Projekt ihre Sporen verdienen. Ein solches Vorgehen ist zwar auf den ersten Blick sinnvoll für einen Mittelständler, hat aber auch zwei gravierende Nachteile:

  • Im Vergleich mit einer gestandenen Linienführungskraft hat ein jüngerer Projektleiter oft nicht die Akzeptanz und den Respekt der anderen am Projekt beteiligten Führungskräfte. Dies kann dazu führen, dass diese Vorgesetzten das Projekt nur unzureichend mittragen oder sogar sabotieren.

  • Jüngere Projektleiter verfügen in der Regel nicht über die notwendige Führungserfahrung. Sie sind im Allgemeinen zwar gut ausgebildet in den Methoden und Verfahren des Projektmanagements. Es fehlen aber die notwendigen sozialen Kompetenzen für das Management von Veränderungen. Dabei gilt es, Widerstände frühzeitig zu erkennen und Lösungen für ihre Überwindung zu entwickeln.

Die Leitung wichtiger Projekte sollte deshalb eine erfahrene Führungskraft übernehmen, die auch über einen entsprechenden Rückhalt im Unternehmen verfügt. Auf diese Weise können eine Reihe von Problemen und Fehlern bereits im Ansatz vermieden werden.

2.3.2 Entgeltregelungen

2.3.2.1 „If you pay Peanuts, you get Monkeys!“

Entsprechend diesem Satz aus der amerikanischen Führungspraxis müssen gute Mitarbeiter, die hohe Leistungen erbringen sollen, auch überdurchschnittlich bezahlt werden. Wenn die Mitarbeiter schlecht bezahlt werden, besteht die Gefahr, dass sie entsprechend wenig leisten. Es folgt die „innere Kündigung“, der „Dienst nach Vorschrift“ oder sie verlassen das Unternehmen. Mit einem niedrigen Lohn-/Gehaltsniveau spart das Unternehmen zwar Kosten und kann seine Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten, aber es mangelt in diesen Fällen oft an der Flexibilität, der Qualität der Arbeit und der Serviceorientierung gegenüber dem Kunden. Der vermeintliche Wettbewerbsvorteil verkehrt sich schnell in einen Wettbewerbsnachteil.

Die Qualität einer Führungskraft zeigt sich letztlich in der Qualität ihrer Mitarbeiter. Es gilt das Prinzip: „First class people have first class people – second class people have third class people!“ Deshalb sollten bei Neueinstellungen nur die besten Kandidaten eingestellt werden – diese müssen dann auch entsprechend bezahlt werden. Grundsätzlich gilt: Gute Leistung kostet Geld.

2.3.2.2 Vergütungs- und Bonusmodelle einfach und transparent gestalten

In vielen Unternehmen sind Anreizsysteme, die sich am Unternehmenserfolg und an der individuellen Zielerreichung orientieren, ein probates Mittel, um die Leistung von Mitarbeitern zu honorieren. Ein umfassendes Bonussystem muss auf die unterschiedlichen Organisationsstufen Rücksicht nehmen. Für Mitglieder der Geschäftsführung und weitere Führungskräfte kann der variable Gehaltsanteil durchaus 30 % und mehr betragen, während bei anderen Mitarbeitern 10 % bis 20 % angemessen sind.

Für die Entwicklung solcher Systeme gibt es eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten. Dabei ist es ganz wichtig, einfache, transparente und objektivierbare Regeln festzulegen. Jeder betroffene Mitarbeiter muss das System verstehen können, ohne in der Personalabteilung nachfragen zu müssen. Nur dann können variable Vergütungssysteme die gewünschte Motivationswirkung entfalten.

Oft wird die Frage diskutiert, ob Ziele, die nicht objektiv oder nur schwer messbar sind, wie beispielsweise die Veränderung des Führungsstils einer Führungskraft, ebenfalls in solchen Systemen enthalten sein sollten. Hier muss man pragmatisch vorgehen und auch nicht exakt messbare Ziele in dieses System integrieren.

Wenn vertraglich eine konkrete Bemessung der Erfolgsbeteiligung anhand objektivierter Maßstäbe (z. B. x % vom EBIT) vereinbart wurde, so ist dieser Wert zu berechnen und bei guten Gesamtleistungen großzügig nach oben auf „glatte Beträge“ aufzurunden. Analog sollte bei einer Zielerreichung von beispielsweise 98 % stets der volle Betrag (100 %) ausgezahlt werden. Eine Kürzung wäre zwar formal korrekt, würde aber die Motivation nicht fördern. Solche Maßnahmen kosten das Unternehmen nicht viel, dokumentieren jedoch seine Wertschätzung gegenüber dem Empfänger der Erfolgsbeteiligung.

Im Rahmen der Personalführung gibt es nur wenige Aufgaben, die mit mehr Sensibilität und Weitblick gelöst werden müssen als die Festlegung der Gehälter und der Boni. Werden hierbei Fehler gemacht, kann dies erhebliche Auswirkungen auf Mitarbeiter und Führungskräfte haben, und zwar vor allem auf die Leistungsträger. Gerade die Leistungsträger haben stets die Möglichkeit, einen anderen Arbeitgeber zu finden.

2.3.2.3 Keine Bonusbegrenzungen nach oben oder unten festlegen

In vielen Unternehmen wird den Mitarbeitern ein Mindestbonus garantiert. Ein garantierter Mindestbonus ist nur bei der Übernahme eines neuen Arbeitsplatzes für einen klar umrissenen Zeitraum (in der Regel zwölf Monate) zu rechtfertigen, weil der neue Mitarbeiter stets eine gewisse Einarbeitungszeit benötigt, bis seine Leistung direkt im Unternehmenserfolg messbar ist. Sonstige garantierte Boni stellen letztlich nichts anderes dar als eine Erhöhung der Fixvergütung und sollten deshalb auch als Teil der Fixvergütung ausgewiesen werden.

Andererseits findet man oft in Arbeitsverträgen die Regelung, dass für den Bonus eine Obergrenze gilt. Zum Beispiel wird bei einem Ergebnisanstieg von 10 000 EUR auf 12 000 EUR ein Bonus von 25 % auf den Anstieg, also 500 EUR, gezahlt. Wenn der Umsatz dann auf 14 000 EUR steigt, bleibt der Bonus bei 500 EUR. Dies ist unverständlich. Beim Unternehmen kommt das tatsächliche, signifikant bessere Ergebnis an – also gibt es keinen triftigen Grund, den Mitarbeiter daran nicht proportional zu beteiligen. Wenn dies nicht geschieht, besteht die große Gefahr, dass der Mitarbeiter seinen Einsatz „optimieren“ und bei Erreichen der Bonusobergrenze seine Bemühungen einstellen wird bzw. versuchen wird, den aus seiner Sicht verpuffenden Ergebnisbeitrag ins nächste Geschäftsjahr zu transferieren (quasi als Startpolster). Diese Vorgehensweise kennt im Einzelfall jeder bonusberechtigte Mitarbeiter!

Mit dem Verzicht auf Ober- und Untergrenzen findet eine ausgewogene Verteilung von Chancen und Risiken für Mitarbeiter und Unternehmen statt. Wenn das Unternehmen Gewinne erzielt, sollte der Mitarbeiter über Bonuszahlungen an dem Erfolg proportional partizipieren. Umgekehrt sollte es keine Bonuszahlungen geben, wenn die erreichte Leistung nicht den vereinbarten Zielen entspricht.

2.3.2.4 Ziele sind erreicht oder nicht erreicht

Der Grundgedanke eines Bonussystems ist die Beteiligung am Erfolg des Unternehmens, um die mit diesem Erfolg verbundenen, besonderen persönlichen Leistungen zu honorieren. Wenn der Erfolg einmal ausbleibt, müssen die Mitarbeiter dies auch bei der Jahresabschlussrechnung zu spüren bekommen. Im Extremfall kann die Bonuszahlung komplett ausfallen.

Wenn Führungskräfte oder Mitarbeiter die geplanten Ziele nicht erreichen, werden häufig vielfältige, im Einzelfall durchaus stichhaltige Erklärungen herangezogen. Grundsätzlich sollte gelten: Nur das tatsächlich erreichte Ergebnis zählt!Footnote 11 Es gibt keine Anpassungen aufgrund „besonderer Umstände“. Denn dem Unternehmer steht auch nur das Ergebnis zur Verfügung, das tatsächlich erwirtschaftet wurde. Wird damit begonnen, Sondereffekte aus der Bonusberechnung herauszunehmen, entstehen in jedem Jahr neue Diskussionen. Letztlich wird damit nur die Kreativität der Mitarbeiter im Finden von Ausreden und Entschuldigungen gefördert – nicht aber der Unternehmenserfolg.

Dies gilt dann natürlich auch im umgekehrten Fall: Wenn durch unvorhergesehene positive Einflüsse „Windfall-Profits“ das Unternehmensergebnis günstig beeinflussen, so sind diese ebenfalls zu honorieren – denn dem Unternehmer steht auch der „Windfall-Profit“ zur Verfügung.

2.3.2.5 Dienstwagen frei wählen lassen

Je größer das Unternehmen, desto komplizierter sind die Dienstwagenregelungen. Mit großer Intensität wird in Großkonzernen von hoch bezahlten Führungskräften detailliert festgelegt, ob z. B. ein Mitarbeiter der Gehaltsstufe X einen Dienstwagen mit oder ohne Sitzheizung fahren, ob die Motorisierung 98 kW oder 115 kW betragen darf oder ob gar ein Cabrio, SUV etc. dem Image des Unternehmens schaden könnten. Und wenn die Automobilhersteller dann Anpassungen an den Fahrzeugen vornehmen oder neue Modelle einführen, geht die Festlegungsarie in eine neue Runde. Dies mag zunächst überspitzt erscheinen, man stellt aber fest, dass leider in deutschen Konzernen die oben dargestellte Denkweise vorherrscht – und diese mittlerweile auch im Mittelstand immer häufiger praktiziert wird.

Diese Vorgehensweise bindet erhebliche Personalressourcen und führt letztlich zu einer hohen Frustration bei den Mitarbeitern. Diesen wird ein – für das Unternehmen nicht billiger – Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Doch wirklich zufrieden sind die Mitarbeiter dann mit dem Wagen nicht, da er nicht einhundertprozentig ihren Vorstellungen und Bedürfnissen entspricht. Der aus Unternehmenssicht positive Effekt verpufft.

Dabei gibt es hier eine ganz einfache Lösung. Jeder Mitarbeiter kann das Auto fahren, das er möchte – er muss lediglich bereit sein, eine entsprechende monatliche Zuzahlung zu leisten. Diese Zuzahlung lässt sich pragmatisch bestimmen, indem zunächst für alle relevanten Mitarbeitergruppen jeweils ein Standardfahrzeug (Modell X mit detaillierter Ausstattung), eine Standardlaufleistung (z. B. 25 000 km p. a.) und eine Standardlaufzeit (z. B. vier Jahre) definiert werden. Für dieses Standardfahrzeug wird dann eine monatliche Full-Service-Leasingrate (Finanzierung, Wartung, Reifen etc.) ermittelt. Diese trägt das Unternehmen. Der Mitarbeiter kann nun bei der vom Unternehmen festgelegten Leasinggesellschaft Angebote auf Basis von Standardkonditionen (z. B. Laufleistung 25 000 km p. a; vier Jahre Laufzeit) für Modelle seiner Wahl einholen. Sofern die ermittelte Leasingrate höchstens bei der des Standardfahrzeugs liegt, übernimmt das Unternehmen alle Kosten; sofern die Leasingrate über der des Standardfahrzeugs liegt, trägt der Mitarbeiter die Differenz. Die konkrete Ausgestaltung der Fahrzeugfinanzierung durch das Unternehmen (Leasing, Kauf) hat keinen Einfluss auf die vom Mitarbeiter zu leistenden Zuzahlungen.

Die Erfahrung mehrerer Unternehmen mit Fahrzeugpools von teilweise deutlich über 100 Fahrzeugen zeigt, dass nur ein geringer Teil der Mitarbeiter (ca. 5 % bis 10 %) ein Fahrzeug wählt, für das monatliche Zuzahlungen zu leisten sind. Aber jeder Mitarbeiter schätzt die Freiheit, das Auto wählen zu können, das seinen individuellen Wünschen entspricht. Und selbst wenn ein Mitarbeiter, dem z. B. vom Unternehmen bisher ein Fahrzeug aus der Kompaktklasse zur Verfügung gestellt wird, ein Fahrzeug der Oberklasse wählt, was wäre daran schlimm? Schadet es dem Unternehmen, wenn zufriedene Außendienstmitarbeiter beim Kunden im Cabrio vorfahren? Da jeder Mitarbeiter die Möglichkeit hat, ein „großes Auto“ zu fahren, gibt es keine Neiddiskussionen. Und wenn ein Mitarbeiter ein größeres Fahrzeug als der Vorgesetzte fährt – wäre dies tragisch? Wenn einmal im Extremfall ein Mitarbeiter anstelle eines VW Golfs einen Ferrari fahren möchte, dann soll er das tun. Ein solcher „exotischer“ Mitarbeiter bringt entweder dem Unternehmen so viel Nutzen, dass man sein Gebaren akzeptiert, oder er wird über kurz oder lang sowieso das Unternehmen verlassen, weil er nicht in die Unternehmenskultur passt.

2.4 Digitalisierung und Systeme

2.4.1 Digitalisierung

2.4.1.1 Bei der Digitalisierung nicht abwarten, sondern ausprobieren

Die Chancen der Digitalisierung im Mittelstand liegen nicht nur auf der Marktseite: Hier geht es um den Zugang zu neuen Märkten und Kunden. Die frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema Digitalisierung trägt aber auch zur Risikoreduktion bei. Das Unternehmen kann sich auf disruptive Innovationen und entsprechende Geschäftsmodelle von Wettbewerbern, z. B. Start-ups, einstellen und vorbereiten. Es gilt: Wenn wir es nicht selbst machen, macht es ein anderer.

Der Mittelstand ist bei Investitionen in digitale Themen aber durchaus zögerlich.Footnote 12 Dies wird begründet mit mangelnden IT-Systemen und -Kompetenzen, Bedenken im Hinblick auf Datensicherheit oder niedrigen Internetgeschwindigkeiten. Mögen diese Gründe berechtigt oder auch nur vorgeschoben sein, in jedem Fall führen sie zu Zeitverlusten.

Stattdessen sollte ein Mittelständler nach dem Motto handeln „Probieren geht über Studieren“. Wichtig ist es, einen überschaubaren Ansatzpunkt zu finden, das kann bspw. eine spezifische Kundenlösung oder ein kleineres Automatisierungsprojekt im Produktionsbereich sein. Es geht nicht um den großen Wurf und das perfekt aufgesetzte Projekt, sondern darum, rasch eine erste Lösung vorzustellen und Feedback der Nutzer einzuholen.Footnote 13 Dieser Prozess wiederholt sich, bis eine zufriedenstellende Lösung vorhanden ist. Mit diesem Vorgehen wird Zeit gewonnen, knappe IT-Ressourcen können effizient eingesetzt werden und der Nutzer erhält eine Leistung, die er wertschätzt. Gleichzeitig gewinnt das Thema Digitalisierung Akzeptanz im Unternehmen und weitere Projekte können folgen, die dann strategisch im Sinne der oben beschriebenen Chancen und Risiken ausgerichtet werden können.

2.4.1.2 Verständnis für die Digitalisierung schaffen

Die Digitalisierung ist ein kontinuierlicher Prozess, der alle organisatorischen Strukturen und Abläufe und damit alle Führungskräfte und Mitarbeiter betrifft. In mittelständischen Unternehmen ist es gut vorstellbar, dass Führungskräfte eine bestimmte Position über viele Jahre innehaben, aber nur wenig Verständnis für digitale Themen besitzen. Weiterhin folgen viele Mittelständler eher hierarchisch geprägten Organisationsformen. Die Digitalisierung erfordert aber flache Strukturen, die schnelle Entscheidungen ermöglichen. Für digitale Projekte gehört dazu ein agiles Vorgehen, das auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Nutzer bereits während der Entwicklungsphase setzt. Zusätzlich zu der klassischen IT-Arbeit mit Servern, Software-Programmen und Netzwerken müssen im Zuge der Digitalisierung neue Schwerpunkte gesetzt werden: Internet, Cloud-Lösungen und Apps.

Die Unterschiede zwischen traditionellen Vorgehensweisen und der digitalen Welt bedingen einen Kulturwandel, der für viele mittelständische Unternehmen eine große Herausforderung darstellt. Wie kann ein Kulturwandel stattfinden, der die Digitalisierung unterstützt?

Top-down können digitale Projekte, die durch die Geschäftsleitung initiiert werden, eine wichtige Rolle spielen. So kann z. B. mithilfe eines „Destroy your own business“-Workshops erkannt werden, wie digitale Lösungen das existierende Geschäftsmodell beinträchtigen oder sogar zerstören können. Digitale Kompetenzen können über die Einstellung von neuen Mitarbeitern und spezifische Weiterbildungsprogramme aufgebaut werden. Bottom-up bieten die räumliche Zusammenfassung von Mitarbeitern, die an digitalen Themen arbeiten, oder die Einführung von Kollaborationsplattformen und die Vernetzung mit der Start-up- und Gründerszene gute Ansatzpunkte, einen Kulturwandel im Unternehmen herbeizuführen, der die Digitalisierung voranbringt.

Investitionen in digitale Technologien und Instrumente sind ohne Zweifel wichtig, aber für den Erfolg der Digitalisierung ist auch die Einbindung der Mitarbeiter durch entsprechende Veränderungsprozesse notwendig.

2.4.1.3 Eine Strategie für die Digitalisierung entwickeln

Die digitale Transformation hat gravierende Konsequenzen für mittelständische Unternehmen. Damit wird natürlich der Ruf nach einer Digitalisierungsstrategie laut. Ein Flickenteppich unterschiedlicher digitaler Projekte dürfte knappe IT-Ressourcen überbeanspruchen. Die Projekte erreichen nicht die für den Erfolg notwendige kritische Masse.

Man kann Digitalisierungsthemen in einer eigenständigen Strategie darstellen oder digitale Themen in vorhandene Strategien integrieren. Welche Vorgehensweise gewählt wird, ist eigentlich zweitrangig. Sehr viel wichtiger ist, dass ein Mitglied der Unternehmensleitung in der Lage ist, die Richtung vorzudenken. Man braucht sozusagen einen Chief Digital Officer, der Chancen und Risiken der Digitalisierung für das Unternehmen abschätzen sowie vorhandene Projekte mit neuen Aktivitäten verknüpfen kann. Ein Beirat (soweit die notwendigen Kompetenzen vorhanden sind) oder ein Berater kann wichtige Impulse und Hilfestellungen geben.

Schwierig ist die Frage: Wo beginnen bzw. wo den Schwerpunkt setzen? Das ist natürlich abhängig von der Unternehmenssituation und dem digitalen Entwicklungsstand des Unternehmens. Aus strategischer Sicht sind das die Unternehmensbereiche, in denen eine Disruption durch digitale Technologien mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten kann bzw. wo die Disruption den größten Einfluss hat. Das kann sich auf Produkte und Dienstleistungen beziehen oder auf Fertigung und Logistik, aber auch auf eine Verdrängung des vorhandenen Geschäftsmodells insgesamt. Ein schrittweises Vorgehen ist angebracht. Unternehmen, die sich in einer frühen Phase der Digitalisierung befinden, werden vermutlich eher kleinere Projekte starten, um im Hinblick auf den Kunden bestimmte Wettbewerbsvorteile zu realisieren, z. B. durch eine App zur Abwicklung von Reservierungen oder Bestellungen. Mit fortschreitendem Digitalisierungsgrad wird man dann eher auch Projekte zur Entwicklung kompletter digitaler Geschäftsmodelle angehen.

2.4.2 Systeme

2.4.2.1 Konsequent aktuelle IT-Entwicklungen verfolgen und situativ reagieren

Das Thema Cloud-Computing ist heute breit etabliert. Aber es gibt schon erste Ansätze, Cloud-Computing durch Edge-Computing zu ergänzen: Die riesigen Datenmengen, die in jeder Sekunde von vernetzten Endgeräten erzeugt werden, führen bei der Übertragung zu ernsthaften Kapazitätsproblemen und damit einhergehend deutlich steigenden Netzwerkkosten. Durch die „Vorverarbeitung“ der Daten in den Geräten am Rande des Netzwerks („at the edge“) sollen künftig die über die Leitungen auf Zentralserver zu übertragenden Datenmengen signifikant reduziert werden. Damit werden die bestehenden Netze entlastet und für die Aufnahme weiterer Endgeräte ertüchtigt. So sind immer mehr Produkte auch mittelständischer Unternehmen zur Zustandsüberwachung und Steuerung mit Sensoren und Aktoren verknüpft.

Diese Entwicklung soll beispielhaft die Handlungsempfehlung untermauern. Je schnelllebiger die Zeit, desto offener und wachsamer müssen aktuelle technologische Entwicklungen beobachtet und die notwendigen Schlüsse daraus gezogen werden.

2.4.2.2 IT-Standardlösungen sind langfristig besser

In vielen mittelständischen Unternehmen besteht eine fast schon panische Angst davor, ERP-Standardprogramme einzusetzen.Footnote 14 Solche Programme werden prinzipiell als viel zu komplex, zu aufwendig oder zu unflexibel eingestuft. Stattdessen wählt das Unternehmen häufig für die Finanz- und Lohnbuchhaltung (kleinere und nicht integrierte) Standardlösungen. Die übrigen Prozesse versucht man, über individuelle Programmlösungen abzubilden.

Dies führt nach einigen Jahren häufig zu massiven Problemen: Die Programmvielfalt nimmt eine Komplexität an, die kaum mehr zu handhaben ist. Die Dokumentation der Programmierung ist oft unzureichend, sodass die Lauffähigkeit der Programme vom Know-how weniger Mitarbeiter abhängt. Die verwendeten Programmiersprachen werden irgendwann nicht mehr gewartet. Aufgrund der verschiedenen „Insellösungen“ fehlt ein durchgängiges DV-Konzept – dies erfordert wiederum viele Doppelerfassungen oder komplizierte Schnittstellenprogramme.

Um diese Probleme zu vermeiden, sollten sich auch mittelständische Unternehmen frühzeitig dazu durchringen, eine Standardlösung einzuführen.Footnote 15 Damit können alle Unternehmensprozesse durchgängig abgebildet und miteinander verknüpft werden. Die Standard-Software ist heute so leistungsfähig, dass letztlich für fast jede Branche bereits vorkonfigurierte Lösungsstrukturen bereitgestellt werden – damit können Einführungskosten deutlich reduziert werden. Sollte einmal eine betriebliche Gegebenheit nicht oder nur sehr aufwendig in die Standard-Software umsetzbar sein, so muss man sich im Unternehmen ernsthaft fragen, ob die Software „verbogen“ oder der zugrunde liegende Prozess verändert werden soll. Eine Entscheidung für eine individuelle Anpassung deutet meist auf suboptimale Unternehmensprozesse hin.

Darüber hinaus wird mit der Verwendung von Standard-Software auch die Zukunftsfähigkeit der IT-Lösung gewährleistet: Einerseits werden Wartung und Weiterentwicklung über den Hersteller im Allgemeinen sichergestellt, andererseits werden im Markt auch genügend Spezialisten verfügbar sein, um eine unternehmensbezogene Unterstützung sicherzustellen.

2.4.2.3 Keine „Rucksäcke“ bei Standard-Software zulassen

Bei der Einführung von Standard-ERP-Systemen gibt es immer wieder Anforderungen, die systemseitig nicht erfüllt werden können. In dieser Situation beginnen die IT-Verantwortlichen gerne, dem Standardprogramm eine Art „Rucksack“ aufzubinden. Die Prozessverantwortlichen empfinden dieses Vorgehen als grundsätzlich positiv. Man braucht die Abläufe im Unternehmen nicht zu ändern, denn sie können von der neuen Software abgebildet werden.

Dies stellt allerdings nur eine kurzfristig interessante Lösung dar. Bei jedem Update der Standard-Software („Release-Wechsel“) muss in der Regel auch der „Rucksack“ angefasst und entsprechend an die überarbeitete Software angepasst werden. Je mehr „Rucksäcke“ sich am System befinden, desto aufwendiger und teurer wird jeder Release-Wechsel. Deshalb sollten bereits bei Einführung der Standard-Software an die zusätzliche Programmierung von Individuallösungen sehr hohe Anforderungen gestellt werden. In einem mittelständischen Unternehmen sollte ausschließlich die Geschäftsführung solche „Rucksäcke“ genehmigen.

Dies hat zur Konsequenz, dass das IT-Team mit dem fachlich verantwortlichen Management gezwungen wird, sich intensiv mit den internen Prozessen zu beschäftigen, und nur in absoluten Ausnahmefällen auf die Zustimmung für die Programmierung eines „Rucksacks“ hoffen kann.

2.4.2.4 Die Muttergesellschaft entscheidet über die Auswahl der DV-Systeme

Tochtergesellschaften versuchen gerne, ihre Eigenständigkeit zu demonstrieren, und wählen deshalb eine andere Softwareplattform als die Muttergesellschaft. Unabhängig davon, ob das ERP-System im Stammhaus von SAP, Microsoft, Oracle oder einem anderen Anbieter stammt, die Tochtergesellschaft möchte garantiert ein anderes System vor Ort verwenden. Dies gilt vor allem für größere Tochtergesellschaften – ob selbst gegründet oder zugekauft – die zur Begründung niedrigere Kosten, einen besseren lokalen Service, eine geringere Komplexität oder eine höhere Datensicherheit anführen.

Die Argumente sind meist nur vorgeschoben – häufig geht es darum, die „Schotten dicht zu machen“ und möglichst niemandem aus der Muttergesellschaft allzu tiefe Einblicke in das Geschäft zu gewähren. Hier muss von Anfang an konsequent gegengesteuert werden: Die Muttergesellschaft muss klare Vorgaben für die einzusetzenden ERP-Systeme machen und darüber hinaus auch die Struktur der Kostenrechnungssystematik (also Kontenpläne, Kalkulationsmethodik usw.) festlegen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die monatlichen Berichtsdaten problemlos konsolidiert werden können und die Daten auch konzernweit inhaltlich konsistent und vergleichbar sind.

Für Tochtergesellschaften ist es in vielen Fällen auch wirtschaftlich günstiger, sich an das zentrale Rechenzentrum der Mutter anzuschließen. Dort werden die verschiedenen Programme gewartet sowie Datensicherheit und -integrität sichergestellt. Die Verantwortung für die Einstellungen der ERP-Software und die jeweiligen Inhalte/Daten liegt selbstverständlich bei der Tochtergesellschaft. Zur Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen wird dazu zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft ein Servicevertrag abgeschlossen – ähnlich einem DV-Outsourcing an einen Fremdanbieter.

2.4.2.5 Ältere Programmversionen erfüllen auch ihren Zweck

IT-Manager neigen dazu, für die Bürosoftware die neuesten Programmversionen im Unternehmen einsetzen zu wollen. Begründet wird dies mit neuen Funktionen, einer höheren Programmstabilität usw. Doch ist dies wirklich sinnvoll?

In aller Regel lautet die Antwort „Nein“.Footnote 16 Betrachtet man den Durchschnittsnutzer für Bürosoftware zur Textverarbeitung, Tabellenkalkulation oder Präsentationserstellung, so nutzt dieser vielleicht 20 % des insgesamt verfügbaren Funktionsumfangs. Insoweit ist es nur für eine sehr kleine Minderheit der Nutzer im Unternehmen wichtig, mit dem Umstieg auf die neuesten Versionen Zugang zu bisher „schmerzlich vermissten Funktionen“ zu erhalten. Im Zweifelsfall sind auch Einzelfalllösungen zulässig.

Zwei weitere wichtige Aspekte sind zu beachten: Erstens sollte man auf einen einheitlichen Versionsstand der Programme im Unternehmen achten. Auf diese Weise kann die Kompatibilität zwischen Programmen und Dateien sichergestellt werden. Zugleich wird eine effiziente Unterstützung aller Nutzer erreicht.

Ein zweiter Aspekt bezieht sich auf die Schulung der Nutzer. Obwohl sie seit Jahren bestimmte Softwarepakete nutzen, kennen viele das Potenzial dieser Programme nur in sehr beschränktem Umfang. Diese Aussage erscheint provokant – doch leider bestätigt die Praxis sie täglich aufs Neue. Viele Nutzer verwenden beispielsweise ihr Textverarbeitungsprogramm heute noch wie eine Schreibmaschine – sie haben nicht verstanden, wie moderne Textverarbeitung tatsächlich funktioniert. Dies kann jeder Leser leicht selbst nachvollziehen, wenn er ein von Dritten erstelltes Dokument mit allen Steuerzeichen am Bildschirm betrachtet.Footnote 17 Gleiches gilt beispielsweise für die teils abenteuerliche Berechnung von Formeln in Tabellenkalkulationsprogrammen.

Abschließend sei darauf verwiesen, dass in bestimmten Situationen die Benutzung von gebrauchter Software durchaus wirtschaftlich von Interesse sein kann. Dies ist von Fall zu Fall zu prüfen.Footnote 18

2.4.2.6 Open-Source-Programme sind eine echte Alternative

Mittelständische Unternehmen müssen sich mit ständig steigenden Lizenzkosten für die in praktisch jedem Büro zur Anwendung kommenden IT-Programme für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentationserstellung, Abwicklung des E-Mail-Verkehrs oder Terminplanung auseinandersetzen. Eine bisher nur wenig beachtete Alternative bieten Open Source-Programme. Diese Programme, beispielsweise OpenOffice, sind mittlerweile so leistungsstark, dass sie für die Mehrheit der Nutzer sämtliche Anforderungen problemlos erfüllen können. Die Programme stehen kostenlos zum Download im Internet bereit und können jederzeit getestet werden.Footnote 19 Sie können mit anderen Softwarepaketen auf dem gleichen PC installiert werden, sodass man im direkten Vergleich die Programme parallel nutzen kann.

Neben den oben genannten Programmen gibt es für viele andere Anwendungen – für das Brennen von Datenträgern bis zur Unterstützung von Mindmapping – ebenfalls Open-Source-Programme, die kostenlos nutzbar sind. Es bietet sich an, ausgehend von den konkreten Anforderungen im Internet nach den entsprechenden Programmen zu suchen.

Für mittelständische Unternehmen von besonderem Interesse dürfte das Thema „Cloud Computing“ sein. Anwendungen und Daten werden nicht mehr in jedem Unternehmen und auf jedem PC installiert bzw. gespeichert, sondern auf zentralen, von professionellen Dienstleistungsanbietern bereitgestellten Computern betrieben. Der Nutzer hat von seinem PC aus nur noch eine Verbindung „in die Wolken“, wo alle Daten und Programme bereitgehalten werden.

2.4.2.7 Eigene IT-Infrastruktur auf den Prüfstand stellen

Bisher war es selbstverständlich, dass auch mittelständische Unternehmen ab einer gewissen Unternehmensgröße über eigene Rechenzentren verfügen (große Räume mit vielen DV-Anlagen, klimatisiert, abgesichert, Operators im Schichtdienst etc.). Dies ist heute nicht mehr erforderlich: Viele Anbieter stellen cloudbasierte Rechenzentrumskapazität zur Verfügung mit klar definierten Sicherheitsstandards hinsichtlich Datenzugriff, Datensicherung, Ort der Datenhaltung (Inland, Ausland) etc.

Vor dem Hintergrund der immer knapper und teurer werdenden personellen Kapazitäten im IT-Bereich und des schnellen technologischen Wandels sollten auch Mittelständler ihre häufig noch vorhandene Scheu ablegen und bereit sein, auf externe Rechenzentrumskapazitäten (z. B. die Cloud) zurückzugreifen. Schreckt man im ersten Schritt möglicherweise noch vor der vermeintlich vollkommenen „Entmachtung“ über den Zugriff auf die eigenen Daten zurück, so sollte zumindest mit der Fremdvergabe eines Back-up-Rechenzentrums ein erster Schritt in diese Richtung gestartet werden. Zusätzliche Vorteile entstehen durch die Umwandlung von bisher fixen in variable Kosten.

2.4.2.8 Privates Mailen, Surfen und Telefonieren klar regeln

Arbeitnehmer müssen grundsätzlich ihre gesamte Arbeitskraft während der Arbeitszeit dem Arbeitgeber zur Verfügung stellen – dafür werden sie schließlich bezahlt. Insofern verbietet es sich von selbst, dass während der Arbeitszeit für Privatzwecke telefoniert, im Internet gesurft oder privater E-Mail-Verkehr abgewickelt wird. Das Problem beschränkt sich dabei nicht nur auf Mitarbeiter im administrativen Bereich. Im Zeitalter des Mobiltelefons erlebt man immer wieder, dass an Fertigungseinrichtungen Mitarbeiter während der Maschinenbedienung plötzlich zum Mobiltelefon greifen und private Telefonate führen. Damit wird nicht nur dem Unternehmen Arbeitszeit entzogen, sondern es besteht bei der Maschinenbedienung ein höheres Unfallrisiko und Qualitätsrisiko. Darüber hinaus können beim Surfen Schädlinge (Viren, Trojaner etc.) auf die Unternehmens-PCs eingeschleppt werden, die unter Umständen die gesamte IT-Infrastruktur lahmlegen.

Jedes mittelständische Unternehmen muss sich Gedanken darüber machen, welche Regelungen es einführen möchte. Die Spannweite kann von einem Totalverbot (außer bei Telefonaten in Notfällen) über eine moderate Duldung bis hin zu einem großzügigen Umgang für die Privatnutzung reichen.

Hier kann keine allgemeingültige Empfehlung ausgesprochen werden, was zu erlauben oder was zu verbieten ist. In diesem Entscheidungsprozess ist eine Reihe von Parametern zu beachten und zu gewichten (z. B. bestehende Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, Unternehmenskultur, Bedarf an Internet-Nutzung für „reguläre“ Arbeit, Umfang des E-Mail-Verkehrs).

Wichtig ist, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen und klare, durchsetzbare Regeln zu formulieren und zu kommunizieren. Und was noch viel wichtiger ist: Diese Regeln sind dann auch mit aller Konsequenz umzusetzen. Wenn ein Mittelständler beispielsweise ein völliges Verbot für privates Surfen im Internet ausspricht, dann muss er dies auch mit den entsprechenden Mitteln (z. B. Überwachungsprogrammen) kontrollieren und bei Verstößen auch Abmahnungen und Kündigungen aussprechen. Geschieht dies nicht, bleibt das Verbot wirkungslos – mit dem Risiko, dass auch andere Regeln im Unternehmen von den Mitarbeitern nicht so genau befolgt werden.

2.5 Nachhaltiges Management und Compliance

2.5.1 Nachhaltiges Management

2.5.1.1 Nachhaltiges Management explizit in der Strategie verankern

Nachhaltige Unternehmensführung bezieht sich auf den Mehrwert, den ein Unternehmen über den Gewinn hinaus für die Gesellschaft erwirtschaftet, und umfasst sowohl ökonomische als auch ökologische und soziale Aspekte. Für mittelständische Unternehmen gewinnt das Thema Nachhaltigkeit eine zunehmende Bedeutung. Sie werden, was Nachhaltigkeit angeht, genauso gefordert wie große Unternehmen und müssen den steigenden Erwartungen verschiedener Stakeholder-Gruppen, insbesondere Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, aber auch der Öffentlichkeit gerecht werden. Dabei liegt der Fokus von Nachhaltigkeitskonzepten auf ökologischen Aspekten.

Mittelständische Unternehmen sind sich durchaus ihrer gesellschaftlichen Verankerung in ihrer Region bewusst. Aber eine konsequente Integration einer nachhaltigen Denkweise lässt oft zu wünschen übrig. Eine gute Nachhaltigkeitsstrategie hat mehrere Vorteile: (1) Sie kann Wettbewerbsvorteile schaffen, z. B. durch die Einsparung von Kosten oder die Erhöhung der Kundenbindung. (2) Sie stärkt die Position des Unternehmens als Zulieferer. Große Unternehmen, die spezifische Nachhaltigkeitsstrategien verfolgen, verlangen oft auch von ihren mittelständischen Lieferanten, diese Strategien aufzugreifen und ebenfalls umzusetzen. (3) Nachhaltiges Wirtschaften kann auch dazu beitragen, die Mitarbeiter zu motivieren und die Attraktivität des Unternehmens für neue Mitarbeiter zu erhöhen.

Die Verankerung eines nachhaltigen Managements in der Unternehmensstrategie erfordert einen intensiven Dialog zwischen Unternehmen und wichtigen Stakeholdern, um für Nachhaltigkeitsthemen eine klare Positionierung zu definieren und diese explizit in die Vision bzw. das Leitbild aufzunehmen. Auf dieser Basis sind geeignete Ziele und Strategien zu formulieren, umzusetzen und zu kontrollieren. Aus einer strategischen Perspektive trägt nachhaltiges Wirtschaften zur Bestands- und Zukunftssicherung eines Unternehmens bei. Der Leitfaden zum Deutschen NachhaltigkeitskodexFootnote 20 bietet mittelständischen Unternehmen eine gute Orientierungshilfe zur Formulierung einer Unternehmensstrategie, die explizit Nachhaltigkeitsthemen integriert.

2.5.1.2 Nachhaltigkeitsmanagement konsequent umsetzen

In manchen mittelständischen Unternehmen gibt es einen Flickenteppich von Projekten und Aktivitäten zum Thema Nachhaltigkeit. So engagiert sich z.B. die Personalabteilung für ein Projekt mit dem örtlichen Kindergarten, die Marketingabteilung fördert den lokalen Sportverein und ein Elektriker in der Produktion tüftelt an einer energiesparenden Fräsmaschine. Alle Maßnahmen – isoliert gesehen – erscheinen sinnvoll, aber es mangelt an Durchschlagskraft: zum einen, weil ein strategischer Ansatz fehlt, und zum anderen, weil die notwendigen Ressourcen fehlen und keine geeigneten Strukturen zur Umsetzung und Kontrolle vorhanden sind.

Das Nachhaltigkeitsmanagement ist als Querschnittsfunktion zu verstehen; es betrifft die Beschaffung, die Herstellung, das Marketing, den Personalbereich und das bürgerliche Engagement. Zur Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie sind fünf grundsätzliche Fragen zu klären:

  1. 1.

    Wer ist verantwortlich? Dies ist letztlich die Unternehmensführung. Hier sollte ein Mitglied der Geschäftsleitung dafür Sorge tragen, dass bei wichtigen Entscheidungen Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden. In Abhängigkeit von der Unternehmensgröße kann zur Unterstützung ein Nachhaltigkeitsbeauftragter (CSRFootnote 21-Beauftragter) ernannt werden, der die Koordination und Kontrolle der Umsetzung von Projekten des Nachhaltigkeitsmanagements steuert.

  2. 2.

    Wie werden Nachhaltigkeitsthemen durch Regeln und Vorgehensweisen im operativen Geschäft implementiert? Dazu gehört die Formulierung von Richtlinien z. B. für den Einkauf oder die Entwicklung neuer Verfahren, um Energie einzusparen.

  3. 3.

    Gibt es Kennzahlen und Systeme zur Überwachung des Fortschritts? Mit diesen Kennzahlen kann das Unternehmen Kurs halten. Überlegenswert wäre hier auch eine Zertifizierung nach der CSR ISO 26000Footnote 22

  4. 4.

    Verfügt das Unternehmen über materielle und nicht-materielle Anreize für Führungskräfte und Mitarbeiter? Mit fairen Bonussystemen oder öffentlicher Anerkennung (Auszeichnung) lassen sich nachhaltigkeitsbezogene Unternehmensziele engagiert verfolgen.

  5. 5.

    Sind geeignete Schulungsmaßnahmen für die Mitarbeiter vorhanden? Hier bietet sich neben klassischen Schulungen auch der Einsatz von e-Learning-Programmen an.

Eine Nachhaltigkeitsstrategie kann letztendlich nur Erfolg haben, wenn Eigentümer und Unternehmensführung eine solche Strategie voll unterstützen und weiterhin das Thema Nachhaltigkeit fest in der Unternehmenskultur verankert ist und alle mitmachen.

2.5.1.3 Kommunikation der Nachhaltigkeit: „Tue Gutes und rede darüber“

Große Unternehmen entwickeln ausgefeilte Kommunikationskampagnen für ihre Nachhaltigkeitsstrategie, um damit ihr Image in der Öffentlichkeit zu pflegen. Mittelständische Unternehmen scheuen aber oft eine breitere Kommunikation ihrer Nachhaltigkeitsprojekte. Dies wird belegt durch verschiedene StudienFootnote 23, die auf Defizite bei der Kommunikation der Nachhaltigkeitsstrategie hinweisen. Eine Begründung für diese Zurückhaltung könnte in dem möglichen Vorwurf des „Greenwashing“ liegen. Man fürchtet öffentliche Kritik, auch von Umweltgruppen, weil angekündigte Maßnahmen zur Nachhaltigkeit nicht richtig umgesetzt und so die Stakeholder enttäuscht werden.

Defizite in der Kommunikation führen dazu, dass die positiven Konsequenzen einer Nachhaltigkeitsstrategie im Hinblick auf die Kunden-/Mitarbeiterbindung und ein gutes Image in der Öffentlichkeit nicht realisiert werden können. Je nach Zielsetzung und Zielgruppe können unterschiedliche Kanäle wie z. B. die Website des Unternehmens, das Intranet für die Belegschaft, Pressemitteilungen, der Geschäftsbericht, ein Nachhaltigkeitsbericht oder auch die sozialen Netzwerke genutzt werden.

Über die Kommunikation gewinnt das Unternehmen an Glaubwürdigkeit bei wichtigen Stakeholder-Gruppen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Nachhaltigkeitsprojekte tatsächlich umgesetzt und kontrolliert werden. Um den Vorwurf des „Greenwashing“ zu vermeiden, sind klare Aussagen erforderlich, die auf Transparenz und Offenheit aufbauen.

2.5.2 Compliance

2.5.2.1 Compliance Management aufbauen lohnt sich

Dem Thema Compliance kommt seit einigen Jahren auch in mittelständischen Unternehmen eine immer größere Bedeutung zu. Unter diesem Begriff werden Vorstände und Geschäftsführer, aber auch Mitarbeiter zur Einhaltung von Normen verpflichtet. Während das Compliance Management sich ursprünglich nur auf die Einhaltung von gesetzlichen Vorschriften bezog, wird dieses Konzept heute wesentlich breiter gefasst und schließt auch interne Regeln und gesellschaftliche Verpflichtungen im Rahmen einer nachhaltigen Unternehmensführung mit ein. Der Geschäftsführer verantwortet demnach nicht nur eigene Rechtsverstöße, sondern auch Fehlverhalten im Unternehmen, sofern keine ausreichenden Kontrollsysteme zu deren Vermeidung installiert sind.

Die Zahl der Gesetze und Vorschriften wächst stetig; zu verweisen ist insbesondere auf das neue CSR-Richtlinie-UmsetzungsgesetzFootnote 24, das ab 2017 für börsennotierte Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern einen nicht-finanziellen Bericht verlangt (§ 289b ff. HGB). Der Bericht soll darstellen, wie das Unternehmen mit Arbeitnehmer-, Umwelt- und sozialen Belangen, der Achtung der Menschenrechte und der Korruptionsbekämpfung umgeht. Dieses Gesetz ist aber auch für nicht-börsennotierte Unternehmen mit weniger als 500 Arbeitnehmern relevant, weil die größeren, berichtspflichtigen Unternehmen von ihren externen Partnern und Lieferanten die Überwachung wesentlicher Risiken verlangen können, um so Transparenz über die gesamte Wertkette zu schaffen.

Compliance Management ist notwendig, um Regelverstöße, auch unbewusste, aufzudecken und zu vermeiden. Die Konsequenzen solcher Regelverstöße können drastisch ausfallen: hohe Geld- und Haftstrafen oder auch der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und der Imageverlust in der Öffentlichkeit mit Rückwirkungen auf die Kunden. Für mittelständische Unternehmen können solche Herausforderungen aufgrund der begrenzten finanziellen Ressourcen durchaus existenzbedrohend sein.

Aber auch ein gutes Compliance Management gibt keine völlige Sicherheit. Es kann Schaden begrenzen und im Falle eines Verstoßes strafmindernd wirken. Die Transparenz betrieblicher Prozesse und Entscheidungen wird größer; ein gutes Compliance-Management-Systems soll das Verhalten der Führungskräfte und Mitarbeiter im Sinne der gesetzlichen Vorschriften und der selbst gesetzten internen Regeln beeinflussen.

2.5.2.2 Compliance Management mittelstandsadäquat umsetzen

Eine große Herausforderung für mittelständische Unternehmen stellt die Umsetzung eines Compliance Managements dar. Es gilt abzuwägen zwischen den Kosten eines solchen Systems und den Risiken, die Regelverstöße nach sich ziehen. Hier scheinen bisher viele mittelständische Unternehmen den Kostenfaktor höher einzuschätzen als die damit verbundenen Risiken.

Die Prinzipien für ein gutes Compliance Management sind in großen und kleineren Unternehmen ähnlich; aber die Gestaltung der notwendigen Vorgehensweisen und Strukturen sollte unterschiedlich ausfallen, um die Belange des Mittelstands zu berücksichtigen.

Zunächst ist zu untersuchen, welche Risiken für das Unternehmen bedeutsam sind. Aus dieser Analyse ergeben sich häufig zwei Schwerpunkte. Erstens die Geschäftspartner-Compliance, die Risiken durch Regelverstöße und Missstände bei Geschäftspartnern vermeiden soll. Zweitens geht es bei international tätigen Unternehmen um die Einhaltung der Gesetze und Vorschriften anderer Länder, insbesondere im Hinblick auf Geldwäsche und Korruption, z. B. der US Foreign Corrupt Practices Act oder der UK Bribery Act. Dies wird teilweise durch sich widersprechende nationale Normen erschwert.

Die Verantwortlichkeit für das Compliance Management liegt letztlich bei der Geschäftsleitung, aber innerhalb dieses Gremiums sollte sich ein Mitglied explizit um die Umsetzung kümmern. Grundsätzliche Regeln zur Compliance können im Leitbild verankert werden oder aber in einem Verhaltenskodex (Code of Conduct), z. B. für den Beschaffungsbereich oder internationale Geschäfte, definiert werden. Ein Ombudsmann kann Regelverstöße aufnehmen und verfolgen.

In manchen Unternehmen wird großer Wert auf IT-gestützte Compliance-Systeme gelegt, die ohne Zweifel einen Nutzen haben, aber für sich gesehen, noch kein Compliance Management ausmachen. Für den Erfolg sind die Vorbildfunktion der Führungskräfte, die Schulung der Mitarbeiter und letztlich die Verankerung der gewünschten Einstellungen und Verhaltensweisen in der Unternehmenskultur von zentraler Bedeutung. Regelverstöße müssen aufgedeckt und entsprechend der Situation geahndet werden – ein „unter den Teppich kehren“ konterkariert alle guten Intentionen eines wirksamen Compliance Managements.

2.5.2.3 D&O-Versicherung – Hilfe zur Abhilfe im Schadensfall schaffen

Obwohl bei einer GmbH von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gesprochen wird, trifft dies keineswegs auf den Geschäftsführer der GmbH zu, für den die beschränkte Haftung gerade nicht gilt und der unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen haftet. Wenn er seine Pflichten verletzt, kann ihm sogar Gefängnis drohen, und dafür muss er noch nicht einmal selbst aktiv strafbar handeln, sondern eben nur seinen Pflichten zur Einhaltung gesetzlicher Regelungen nicht ausreichend und präventiv nachkommen – denn seine Unwissenheit schützt ihn nicht vor Strafe. Leider steckt hier der „Teufel im Detail“, da die Frage nach einer „ausreichenden“ Handlung und Vorsorge zur Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften und Bestimmungen selbst unter Juristen streitig ist. Darüber hinaus ist es eine Herausforderung, überhaupt sämtliche für das jeweilige Unternehmen relevanten Gesetze und Regularien zu identifizieren, zu kennen und Änderungen laufend zu verfolgen.

Immer häufiger werden Manager mit hohen Schadensersatzansprüchen konfrontiert. Oftmals sind es dabei die Unternehmen selbst, die Ansprüche gegen das eigene Management geltend machen. Aber auch Vertragspartner, Wettbewerber oder Behörden werfen Unternehmen und deren Organen verstärkt Pflichtverletzungen vor. Aus diesen Gründen ist es nahezu die Pflicht eines jeden mittelständischen Unternehmers, für sich, seine Führungskräfte und Mitglieder von Aufsichtsgremien eine sogenannte D&O-Versicherung abzuschließen. Diese wirkt ähnlich wie eine private Haftpflichtversicherung.

Ersetzt werden normalerweise alle Vermögensschäden, die während der Versicherungsperiode verursacht wurden und bei denen die Anspruchserhebung noch innerhalb der Versicherungslaufzeit erfolgt („Claims-made-Prinzip“). Daneben werden in der Regel auch schon vorher verursachte Vermögensschäden in den Versicherungsschutz integriert („Rückwärtsdeckung“), soweit die Erhebung des Anspruchs nach Vertragsbeginn erfolgt und die Pflichtverletzung den versicherten Personen und dem Versicherungsnehmer (in der Regel die Gesellschaft) bis zum Abschluss des Vertrages nicht bekannt war oder hätte bekannt sein können/müssen.