Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag untersucht auf der Grundlage von qualitativen Interviewdaten sowie Beobachtungsprotokollen, wie Bezüge zu sozialen Problemgruppen im Kontext von Jugendstrafverfahren verhandelt werden. Entlang eines empirischen Fallbeispiels soll den Fragen nachgegangen werden, wie die Personifizierung sozialer Probleme abläuft und wie die angeklagten Personen dies wahrnehmen. Über den methodisch-methodologischen Zugang der „Membership Categorization Analysis“ (MCA) kann rekonstruiert werden, dass kategoriale Bezüge zu problematisierten Gruppen von den Akteur*innen im Strafverfahren unterschiedlich gedeutet und im Kontext des spezifischen Interaktionssettings einer Hauptverhandlung für die Selbst- bzw. Fremddarstellung genutzt werden.
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Notes
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Das Projekt wurde unter der Leitung von Bernd Dollinger und Tobias Fröschle sowie in Mitarbeit von Luzie Gilde, Jenna Vietig und Eva Sting durchgeführt. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank.
- 2.
Für die vielen kritischen sowie ausgesprochen konstruktiven Hinweise und Anmerkungen zu diesem Artikel möchte ich der Herausgeberin Dörte Negnal einen großen Dank aussprechen. Auch möchte ich Bernd Dollinger für seine hilfreichen Hinweise und Anregungen zu diesem Beitrag danken.
- 3.
Das Konzept des ‚recipient design‘ meint die Ausrichtung einer Erzählung an das Gegenüber. Grundlegend hierfür ist die Annahme, dass Interaktionen zwischen den Gesprächsteilnehmer*innen gemeinsam vollzogen werden (Sacks et al. 1974).
- 4.
Der erste Teil der Ergebnisdarstellung orientiert sich hierbei an den Analysen von Dollinger (2017, S. 7 ff.). In seiner Ausarbeitung erfolgte der methodische Zugang ebenfalls über die MCA sowie über Positionierungen. Der Fokus seiner Auswertung bestand darin, die Subjektdarstellung sowie die Darstellung der Person als „Täter“ zu untersuchen und diese dann in öffentliche Diskurse zu Kriminalität einzubetten. Die eigene Analyse knüpft hier zu einem großen Teil an und erweitert sie um einen stärker fokussierten Bezug der Konzeptualisierung und Problematisierung der Gruppenzugehörigkeit.
- 5.
Alle personenbezogenen Daten wurden der Anonymisierung wegen geändert.
- 6.
Die Zitation verweist auf das jeweilige Interviewtranskript des Erst- oder Zweitinterviews (I oder II) mit Charlie bzw. das Beobachtungsprotokoll (BP) der Hauptverhandlung von dem Befragten sowie die Zeilenangabe im Material. An Stellen, an denen Interviewdaten von anderen Befragten aus dem Forschungsprojekt verwendet werden, wird dies kenntlich gemacht. Für die Transkription wurden folgende Regeln angewendet:
(.) Pause (1 Sek.)
(…) Pause (3 Sek.)
(Text) Erläuterung der Sprechweise wie z. B. lachend; der kursiv geschriebene Text zeigt die Dauer der Besonderheit
TEXT Betonung
– Abbruch.
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Heppchen, S. (2019). „Das is mein Entschluss“ – Autonomie und Selbstwirksamkeitserfahrungen im Jugendstrafverfahren. Zur Personifizierung sozialer Probleme. In: Negnal, D. (eds) Die Problematisierung sozialer Gruppen in Staat und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22442-4_11
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