Zusammenfassung
Polizeiliche Arbeit wird zunehmend als Teil gesamtgesellschaftlicher Prävention begriffen. Dies hat die polizeiliche Präventionsarbeit seit Anfang der 1990er Jahre und spätestens im vergangenen Jahrzehnt stark verändert und u. a. zu neuen Aufgaben(feldern) und einem veränderten Aufgabenverständnis geführt. Voraussetzungen müssen hierfür organisatorisch – auch politisch – geschaffen (oder vorenthalten) werden. Der Beitrag beschäftigt sich mit der internen Bearbeitung, dem internen Organisieren, Stabilisieren und Professionalisieren dieser Arbeit und dem Bereitstellen von Infrastrukturen, um diese kommunikationsbezogene, präventive Polizeiarbeit machen zu können. Sie wurde aus nächster Nähe über mehrere Monate ethnografisch begleitet und beobachtet. So entstanden beschreibbare Prozesse der Konzipierung, Etablierung und Fortschreibung sowie der praktischen Erfordernisse. Die vielfältige Tätigkeiten in diesem Rahmen wurden unter dem Begriff des Lobbyierens gefasst. Der Artikel wird Teile dieser Prozesse beschreiben und zur Diskussion stellen, inwieweit polizeiliche Präventionsarbeit als eine Art ‚organisationelle Veränderung und Innovation‘ begriffen werden kann. Er fragt danach, ob diese Arbeit die Selbstverständlichkeiten der bestehenden Infrastrukturen, der alltäglichen Behördenwelt, z. B. im Hinblick auf die polizeiliche Repression, Hierarchien oder Dokumentationen, infrage stellt und ob auf diese Weise Bestehendes sichtbar(er) gemacht wird/werden kann. Diese Perspektive ist u. U. hilfreich, um sich der Frage anzunähern, wie Veränderungen in einer solchen Behörde vonstatten gehen (können).
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Notes
- 1.
CODISP: Concepts for the Development of Intelligence, Security, and Prevention – ein ethnografisches, deutsch-französisches Forschungsprojekt, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des nationalen Programms „Zivile Sicherheit – Urbane Sicherheit“ (2012–2015) unter Leitung von Prof. Dr. Thomas Scheffer und Prof. Dr. Naika Foroutan sowie dem Forschungsteam mit Christiane Howe (Koordination), Eva Kiefer, Dörte Negnal, Yannik Porsché – siehe auch www.codisp.de und Buchveröffentlichung: Scheffer et al. (2017): Polizeilicher Kommunitarismus. Eine Praxisforschung urbaner Kriminalprävention. Campus Verlag.
Der Artikel beruht weitgehend im nachfolgenden auf zwei Artikel des genannten Buches: Howe, Christiane (2017): Infrastruktur: Praktiken einer internen Lobbyarbeit und Porsché, Yannik/Howe, Christiane (2017): Standardisieren und Standards.
- 2.
Ursprünglich meint der Begriff die Beeinflussung von Abgeordneten oder anderen Vertreterinnen und Vertretern offizieller Stellen durch Interessengruppen. Er stammt aus den USA im 19. Jahrhundert und beschreibt den Ort an dem diese stattfindet: in der Vorhalle des Parlaments (Lobby), d. h. außerhalb von festgelegten Strukturen. Die relative negative Bewertung des Begriffs in Deutschland mag daher rühren und auch im Fehlen verbindlicher und Transparenz erzeugender Regeln für die Lobbyarbeit ihre Ursache haben. Andererseits ist Lobbyarbeit ein Stück gelebte Demokratie, durch Beteiligung von Fachleuten und Interessensgruppen in Anhörungen im Bundestag, bei der Erstellung von Grundsatzpapieren, der Mitwirkung bei Gesetzesentwürfen. Lobbyist*innen unterstützen dadurch Entscheidungsträger bei anstehenden Beschlüssen. Politik ist auch auf diese spezifischen Fachinformationen angewiesen.
- 3.
Ein Verfügungsentwurf wird am Ende eines Prozesses der Behördenleitung mit der Bitte um Zustimmung vorgelegt. Ein Vorvermerk steht vor dem Verfügungsentwurf. Vermerke sind Informationen für die Leitung: kurze Faktenauflistungen und Hintergrundwissen was bereits im Vorfeld gelaufen ist. Das eigentliche Wichtige (was wer mit wem machen soll etc.) muss im Verfügungsentwurf stehen.
- 4.
Auch versucht die landesweite Behörde weitere, eher qualitative „Messeinheiten“ einzuführen, z. B. ob beim Verteilen ein kurzer Kontakt bestand oder längere Gespräche geführt worden sind, um „das besser dokumentieren und auswerten zu können“ (Leiter eines landesweiten Präventionseinsatzes).
Literatur
Friedberg, E. (1995). Ordnung und Macht: Dynamiken organisierten Handelns. Frankfurt a. M.: Campus.
Geertz, C. (1983). Local knowledge: Further essays in interpretative anthropology. New York: Basic Books.
Howe, C. (2017). Infrastruktur: Praktiken einer internen Lobbyarbeit. In T. Scheffer, C. Howe, E. Kiefer, D. Negnal, & Y. Porschè (Hrsg.), Polizeilicher Kommunitarismus. Praxisformen kriminalpräventiver Polizeiarbeit (S. 167–183). Frankfurt a. M.: Campus.
Jaschke, H.-G. (2010). Knowledgeled policing and security: Developments in police universities and colleges in the EU. Policing: A Journal of Policy and Practice, 4(3), 302–309.
Lave, J., & Wenger, E. (1991). Situated learning: Legitimate peripheral participation. Learning in doing. Cambridge: University Press.
Mensching, A. (2008). Gelebte Hierarchien. Mikropolitische Arrangements und organisationskulturelle Praktiken am Beispiel der Polizei. Wiesbaden: VS Verlag.
Porsché, Y., & Howe, C. (2017). Standardisieren und Standards. In T. Scheffer, C. Howe, E. Kiefer, D. Negnal, & Y. Porschè (Hrsg.), Polizeilicher Kommunitarismus. Praxisformen kriminalpräventiver Polizeiarbeit (S. 147 – 166). Frankfurt a. M.: Campus.
Reichertz, J., & Schröer, N. (Hrsg.). (2003). Hermeneutische Polizeiforschung. Wiesbaden: VS Verlag.
Scheffer, T., Howe, C., Kiefer, E., Negnal, D., & Porschè, Y. (2017). Polizeilicher Kommunitarismus. Praxisformen kriminalpräventiver Polizeiarbeit. Frankfurt a. M.: Campus.
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Howe, C. (2019). Lobbyieren polizeiinterner Veränderungsprozesse. Skizzen einer ethnografischen Praxisforschung bürgernaher, präventiver Polizeiarbeit. In: Howe, C., Ostermeier, L. (eds) Polizei und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22382-3_6
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