Zusammenfassung
Indem Hitler die im Stadion versammelten Jugendlichen für die Vision eines Reiches begeisterte, in dem es keine Klassen und Stände mehr gebe, nahm er sie auf der manifesten Bedeutungsebene seiner Rede dafür ein, von einer großartigen Zukunft zu träumen. Indem er das Stadion als eine »Muschel« bezeichnete, legte er ihnen zugleich auf der latenten Bedeutungsebene nahe, sich in winzige Meerestiere aufzulösen, Algen, die von der Muschel aufgenommen und verschlungen werden. Die Vorstellung, die jungen Leute seien aus dem Fleisch und Blut geschaffen, dass Hitler und seinen Gefolgsleuten eigen sei, suggerierte, dass die Muschel nicht nur ein Grab, sondern auch der Ort für eine phantastische Wiedergeburt sei. So wurde die Großkundgebung zur Bühne für ein Initiationsritual, im Zuge dessen Hitler den Jugendlichen Opfer abverlangte, um aus ihnen todesmutige Männer zu machen.
Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um die erweitere Fassung eines am 9. 6. 95 im Rahmen eines von der Werkstatt für Gesellschafts- und Psychoanalyse an der Universität Salzburg gehaltenen Vortrags, den ich eingehend überarbeitet habe, nachdem ich das ursprüngliche Manuskript am 8. 5. 94 auf der Tagung des Arbeitskreises für Politische Psychologie im Sigmund Freud Institut in Frankfurt a. M. und am 4. 11. 94 im Psychoanalytischen Seminar Zürich zur Diskussion gestellt habe.
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König, HD. (2019). Hitler und die zu initiierende Jugend. Tiefenhermeneutische Rekonstruktion dreier Szenen aus Leni Riefenstahls Film Triumph des Willens. In: Die Welt als Bühne mit doppeltem Boden. Kritische Sozialpsychologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22352-6_10
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