Zusammenfassung
Nachdem wir die Grundlagen eines ethnografischen Zugriffs anhand einiger online-Felder dargestellt und die unterschiedlichen Strukturen verschiedener online konstruierter Räume skizziert haben, fehlt vielleicht noch der Teil, auf den Leserinnen am ehesten warten und den sie in vorherigen Abschnitten vielleicht bereits ein wenig vermisst hatten: eine explizite Anleitung, was denn nun genau zu tun ist, um Ethnografie in der online-Forschung zu betreiben. Stattdessen hatte die vorliegende Arbeit Rahmen expliziert, auf Themen hingewiesen, die bedacht werden könnten und Beispiele ausformuliert, in denen Ethnografie als online-Forschung Anwendung fand. Nichts davon beinhaltete eine klare Darstellung von Schritten, Abfolgen, methodischen Zwängen und Tabus jenseits davon, in der Praxis der untersuchten Gruppen teilzunehmen und ihre Deutungen zu durchschauen.
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Notes
- 1.
Diese Unterscheidung verdanke ich Heiko Kirschner.
- 2.
Die Serie Gossip Girl hat als zentrale Achse ihres Narrativs einen Freundeskreis, der lokalisiert agiert, dessen Geheimnisse jedoch anonym von einem Mitglied der peer-Gruppe auf einer Onlinepräsenz besprochen werden, das die Dynamiken des Kreises offenlegt und umgekehrt diese beeinflusst. Das wäre ein ethnografisch interessanter Fall einer Verknüpfung der Dynamiken.
- 3.
„Ich besitze keinen Fernseher“ war dagegen in der Vergangenheit eine kulturpessimistische Abgrenzung; heute kann es im Gegenteil eine progressive Aussage sein, da sie häufig verwendet wird, wenn Unterhaltungsmaterial nur noch übers Internet und nicht mehr über Sendesignale oder Kabelanschlüsse konsumiert werden.
- 4.
Dabei bemerkt Golub, dass Immersion als Ziel des Spiels überbewertet sei: Anhand von World of Warcraft bezweifelt er „that people become ‚immersed‘ in virtual worlds because of their sensorial realism“ (2005, S. 17); gerade, erfolgreiche Spielerinnen „überladen“ ihre Nutzeroberfläche mit Zusatzeinblendungen, die Informationen zum Status des Spiels anzeigen, anhand derer das Spielhandeln angepasst und optimiert werden kann. Es ist damit gerade nicht „sensorrealistisch“ in dem Sinne, dass das sich im Spiel bietende Bild ähnlich aussieht wie Bilder, die einem in der nicht-computerdargestellten Welt begegnen. Dabei wäre zu bemerken, dass die Immersion nicht nur Bildrealismus betrifft, sondern gerade das Gefühl, im Spiel mitgenommen zu sein; das bringt Immersion in die Nähe des hierzu ebenso immer wieder verwendeten Begriffs des „flows“. Ein solches Eintauchen ins Spiel kann auch bei Spielen erfolgen, die sensorisch als völlig „unrealistisch“ gedeutet werden. Golub geht weiter und nutzt diese Erkenntnis als Grundlage für die Argumentation, es handele sich in Onlinefeldern nicht um „Orte“ (18 ff.) – basierend auf der Annahme, dass sensorischer Realismus die Grundlage für die Ortsmetapher für Onlinefelder sei. Diese Annahme ist kurios: „Ort“ als Metapher zu verwenden ist in keiner Weise davon abhängig, dass das untersuchte Feld für menschliche Augen aussieht, als sei es ein nicht-computergenerierter Ort. Das Argument setzt voraus, dass Menschen auf sehr enge und vor allem sehr visuell zentrierte Ortsbegriffe limitiert wären, eine Annahme, für die wenig, gegen die jedoch das Gros der Raumsoziologie spricht, die ja gerade die Konstruktion des Raumes durch sich ihn aneignende Gruppen betont.
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Dellwing, M., Tietz, A., Vreca, MA. (2021). Forschungspraxis: Mitmachen im Feld. In: Digitaler Naturalismus. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21871-3_5
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Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
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Online ISBN: 978-3-658-21871-3
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