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Katholische Denkformen in der Soziologie

Zum Verhältnis von Religion und Wissenschaft in der Moderne am Beispiel der italienischen Soziologie in Bologna

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Religiöse Kommunikation und weltanschauliches Wissen

Part of the book series: Wissen, Kommunikation und Gesellschaft ((WISSEN))

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Zusammenfassung:

Anhand einer wissenssoziologischen Rekonstruktion des Verhältnisses von Religion und Wissenschaft der italienischen Soziologie in Bologna thematisiert Braunisch »Katholische Denkformen in der Soziologie«. Entgegen der gängigen Annahme des modernen Positivismus, die geistige Kraft der Religion sei in der modernen italienischen Soziologie weitgehend marginalisiert worden, erweise sich deren untergründiger Einfluss als ungebrochen. Anhand ihrer Forschungen zu den Hintergrundströmungen der Soziologie in Bologna zeigt sie die anhaltend bedeutsame Rolle auf, die der Katholizismus als kulturelle Formation eines Weltanschauungstypus im wissenschaftlichen Denken und Wissen in Teilen einflussreicher Lehreinrichtungen in Italien bis heute einnimmt.

»Ich [Karl Mannheim] solle nicht vergessen, sagte er [Lukács] mir, daß

dies die erste Bewegung seit dem Mystizismus sei, die tatsächlich alles durchdringe und mobilisiere. (…) Früher war es die Bibel, sie brachte die Soziologie hervor;

heute sei es umgekehrt, die Soziologie kreiere einen

neuen Glauben für die Menschheit.«

(Aus dem Tagebuch Mannheims am 23. Juni 1911, in: Kettler et al. 1990, S. 127)

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Notes

  1. 1.

    Im Gegensatz zu dem von Mannheim geprägten Begriff des »Denkstils« (Mannheim 1984) bevorzuge ich den der »Denkform« als dynamische Begrifflichkeit, da ersterer Gefahr läuft, eine rein formanalytische Betrachtung zu veranlassen und stilistische Abbilder einer Zeit zu bestimmen anstatt den Rückbezug von Erlebniszusammenhängen zu den konkreten sozialen Kräften einer Situation zu schaffen. Mannheim verwendet den Begriff der »Denkform« teils selbst (vgl. u. a. Mannheim 1984, S. 49).

  2. 2.

    Der Untersuchung von Denkformen liegen Interviews sowie soziologische Werke der SoziologInnen zugrunde. Bei den interviewten SoziologInnen, davon sechs aus Bologna und zwei von der Katholischen Universität Mailand, handelt es sich um zeitgenössische VertreterInnen, teils um Mitbegründer der Soziologie in Bologna.

  3. 3.

    Für eine Vertiefung der früheren Geschichte der Soziologie in Italien siehe Fiamingo (1895) oder Michels (1930); für die neuere Geschichte ab 1945 bis heute siehe Barbano (1985, 1987, 1991, 1997); Crawford (1961); Becker und Barnes (1961); Direnzo (1972), Baronti und Pitch (1978) oder Pinto (1981a, b).

  4. 4.

    Eine zunehmende Institutionalisierung führen jene Entwicklungen ab den 1970er Jahren fort. Die erste Fakultät für Sozialwissenschaften wird 1961 in Trient gegründet, welche 1972 offiziell zur »Fakultät für Soziologie« umbenannt wird.

  5. 5.

    Aufgrund ihrer jungen Wissenschaftsgeschichte lassen sich bis heute etwa drei Generationen von SoziologInnen der Soziologie in Italien ausmachen.

  6. 6.

    Luigi Sturzo zählt zu den einflussreichen katholischen Politikern in Italien zu Beginn des 20. Jahrhunderts zur Zeit des aufkommenden politischen Katholizismus gegen den Faschismus. Als katholischer Aktivist gründet er nach dem Zweiten Weltkrieg die katholische Volkspartei »Partito Popolare Italiana« (PPI) und ist Mitglied der christlich-demokratischen Bewegung Italiens, aus der sich später die italienische Christlich Demokratische Partei (DC) herausbildet (vgl. Lönne 1986, S. 250 f.).

  7. 7.

    Zur näheren Bedeutung des Konzeptes der »persona umana« im weiteren Abschnitt zur Bedeutungsanalyse.

  8. 8.

    Siehe etwa in englischer Sprache Donati (2012).

  9. 9.

    Zur Ausdrucksform gehören die Begriffe, Gegenbegriffe, Kategorien, Konzepte, Argumentationsstrukturen sowie angewandte oder entwickelte Methoden, Methodologien, Denkmodelle bzw. vorausgesetzte Ontologien der SoziologInnen, die dokumentarisch interpretiert werden.

  10. 10.

    Die synthetisierten Merkmale werden in der historisch-situativen Verortung den sozialen Kräften der Soziologie zugeordnet und im Weiteren mit der Zurechnung der Religion in ihrem katholischen Gehalt dokumentarisch erfasst.

  11. 11.

    Neben weiteren Begrifflichkeiten wie »Soziologie«, »Gleichheit« oder »gesellschaftliche Verantwortung« stellt sich »Freiheit« sowohl in den schriftlichen Werken der SoziologInnen als auch in den geführten Interviews als eine zentrale Kategorie heraus.

  12. 12.

    Hierbei handelt es sich um eine exemplarische Nennung der typisierbaren Denkformen. Empirisch lassen sich weitere Denkformen sowie Mischformen der einzelnen identifizieren.

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Braunisch, L.A. (2020). Katholische Denkformen in der Soziologie. In: Schnettler, B., Szydlik, T., Pach, H. (eds) Religiöse Kommunikation und weltanschauliches Wissen. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21785-3_11

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  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

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